Der Leser mag sich mit Recht fragen, warum hier ein Buch vorgestellt wird, das ich noch nicht einmal zu Ende gelesen habe, und ich bekenne gern, dass ich meine Nase auch nicht gern in Töpfe voller verrottendem Fleisch stecke. Um genau das handelt es sich, auf "okkulte" Ebene gezogen, bei dem in Schottland spielenden Schauerroman "The Matrix" von Jonathan Aycliffe.
Ein in Edinburgh beheimateter Dozent wird - zunächst aus Gründen der Forschung - in okkulte Kreise hinein gezogen, verliert aber, auch weil er seit kurzem durch tragische Umstände Witwer ist, zunehmend die Kontrolle. Am Anfang ist er noch der typische Beliebigkeits- Sinnsucher: "I wanted to familiarize myself with a broad range of New Age and occult beliefs, in order to narrow down my field of enquiry. I read until my eyes ached about the Great Pyramid, UFOs, ley lines, reincarnation, astrology, ancient mysteries of every kind, the Gnostic gospels, enneagrams, tarot, Tantric yoga, crystal healing – a maze of theories that seemed to cover every imaginable human obsession, every hope and fear."
Er beginnt die mehr oder weniger absurden Bewegungen innerhalb des Gesamtspektrums auszuloten: "But I had read enough about the occult underworld to know that groups shaded into one another, as did beliefs and practices. Those who practised magic or demonism today had in all likelihood started out attending meetings of much milder associations, with Subud or Theosophy or Rosicrucianism, or one of the circles devoted to the teachings of Ouspensky or Gurdjieff." Und er sieht die jüngeren Formen, die sich aus den "ermüdeten", "ausgeleierten" wie denen des ursprünglichen theosophischen Impulses entwickelt haben: "Others were much younger, a new generation of enthusiasts, more interested in morphic resonance or corn circles than the tired fantasies of Madame Blavatsky and Annie Besant."
Schließlich verfällt er in das Studium der klassischen magischen Schulen - so wie es ja tatsächlich in postmodernen kalifornischen wie in logenartigen Zirkeln, aber auch in individueller Schulung immer noch betrieben wird: "I found all the books I could on magic, beginning with Eliphas Lévi’s Dogme et rituel de la haute magie and sundry works of Aleister Crowley, before going on to Ficino and Dee. Dark mysteries, arcane secrets, and page after page of gibberish. I found it wearying work, ploughing through it all, not in search of truth or power, but as a means of fashioning a mask for myself."
Trotz einiger Zweifel beginnt er selbst magisch zu praktizieren: "I started to practise some of the rites prescribed in the books of ritual magic", schließt sich aber auch solchen Zeremonien an, die trotz des Kostümfest- Charakters für ihn eine morbide Anziehung besitzen: "..ceremonies which, in all honesty, I found to be no more than ragged pantomimes based on a limited familiarity with the rites they sought to imitate. Greek and Latin words and phrases were mixed indiscriminately and with little accuracy; early Egyptian divinities were invoked alongside foreign importations of the Ptolemaic period; costumes fashioned from pictures in popular books of Egyptology made the rites seem not unlike scenes from an amateur operatic society’s production of Aida; and broad Scottish accents called incongruously on dead gods of the desert and the starry wastes of Thebes."
Im Roman stößt unser Held in der Folge auf eine Art Zauberbuch und gerät im selben Augenblick unter den Einfluss von gespensterhaften Wesen, die seine Träume heimsuchen und seine Lebenskräfte aussaugen- etwas, was dann den typischen Horror- Charakter bekommt, allerdings unter Vorzeichen und in einem Kontext, der nicht völlig aus der Luft gegriffen scheint.
Die Faszination am Verrottenden, die ja selbst etwas Gespensterhaftes hat- was treibt einen Menschen in die zwielichtigen Bereiche geistiger Macht? Die eigene Autonomie auszuloten, mag eine Antwort sein - Einflussbereiche zu durchschreiten, ohne ihnen zu unterliegen. Der Glaube, der Gestank werde einem selbst nicht anhaften. Mag sein. Aber das Herumpokeln in verrottendem Fleisch, die Teilhabe an zeremoniellem Mummenschanz, das Hereinbannen- Wollen fremder Kraft, hat vom Tageslicht aus betrachtet einen lächerlichen, gelegentlich dann auch einen widerwärtigen Charakter. Man kann sich das alles groß und breit bei YouTube anschauen.
Allerdings muss man, denke ich, auch sehen, dass alle geistigen Initiativen - so wie alle Mysterien- ihre ihnen eigene Halbwertzeit haben; sie passen jeweils in ihre Gegenwart und können in ihr frei ergriffen, müssen dann aber auch verwandelt und immer neu angepasst werden. Nach einiger Zeit bekommen sie diesen spezifischen Geruch des Gespensterhaften- manche nach Jahrhunderten, manche praktisch unmittelbar.
"Rosenkreuzerische" Logen vom Anfang des letzten Jahrhunderts - wie die von Judith von Halle favorisierte und rehabilitierte Stella Matutina - haben den im Zwielicht magischer Manipulation entspringenden Geruch ganz ohne Zweifel immer besessen- so wie auch der wundersamen Nahrungslosigkeit, Hellsichtigkeit und dem angeblichen "Phantomleib" dieser Dame für mich deutlich dieser moderige Duft entströmt. Aber auch ganz bestimmte Aspekte der realen anthroposophischen Geisteswissenschaft mögen gealtert sein, damit hinter die Gegenwart fallen und allmählich reaktionär- doktrinären Charakter annehmen - ein Instrument weniger der lebhaften Gegenwärtigkeit, des Interesses und der wachen Forschung sein, sondern kultischen Charakter annehmen. Was nun altert, was berechtigt ist, wie geistige Forschung im 21. Jahrhundert und in Zukunft aussieht und aussehen wird- das ist und bleibt ein stetiger Anstoss für Diskussionen. Hier liegt ein immanenter, ständiger Klärungsbedarf.
Ein in Edinburgh beheimateter Dozent wird - zunächst aus Gründen der Forschung - in okkulte Kreise hinein gezogen, verliert aber, auch weil er seit kurzem durch tragische Umstände Witwer ist, zunehmend die Kontrolle. Am Anfang ist er noch der typische Beliebigkeits- Sinnsucher: "I wanted to familiarize myself with a broad range of New Age and occult beliefs, in order to narrow down my field of enquiry. I read until my eyes ached about the Great Pyramid, UFOs, ley lines, reincarnation, astrology, ancient mysteries of every kind, the Gnostic gospels, enneagrams, tarot, Tantric yoga, crystal healing – a maze of theories that seemed to cover every imaginable human obsession, every hope and fear."
Er beginnt die mehr oder weniger absurden Bewegungen innerhalb des Gesamtspektrums auszuloten: "But I had read enough about the occult underworld to know that groups shaded into one another, as did beliefs and practices. Those who practised magic or demonism today had in all likelihood started out attending meetings of much milder associations, with Subud or Theosophy or Rosicrucianism, or one of the circles devoted to the teachings of Ouspensky or Gurdjieff." Und er sieht die jüngeren Formen, die sich aus den "ermüdeten", "ausgeleierten" wie denen des ursprünglichen theosophischen Impulses entwickelt haben: "Others were much younger, a new generation of enthusiasts, more interested in morphic resonance or corn circles than the tired fantasies of Madame Blavatsky and Annie Besant."
Schließlich verfällt er in das Studium der klassischen magischen Schulen - so wie es ja tatsächlich in postmodernen kalifornischen wie in logenartigen Zirkeln, aber auch in individueller Schulung immer noch betrieben wird: "I found all the books I could on magic, beginning with Eliphas Lévi’s Dogme et rituel de la haute magie and sundry works of Aleister Crowley, before going on to Ficino and Dee. Dark mysteries, arcane secrets, and page after page of gibberish. I found it wearying work, ploughing through it all, not in search of truth or power, but as a means of fashioning a mask for myself."
Trotz einiger Zweifel beginnt er selbst magisch zu praktizieren: "I started to practise some of the rites prescribed in the books of ritual magic", schließt sich aber auch solchen Zeremonien an, die trotz des Kostümfest- Charakters für ihn eine morbide Anziehung besitzen: "..ceremonies which, in all honesty, I found to be no more than ragged pantomimes based on a limited familiarity with the rites they sought to imitate. Greek and Latin words and phrases were mixed indiscriminately and with little accuracy; early Egyptian divinities were invoked alongside foreign importations of the Ptolemaic period; costumes fashioned from pictures in popular books of Egyptology made the rites seem not unlike scenes from an amateur operatic society’s production of Aida; and broad Scottish accents called incongruously on dead gods of the desert and the starry wastes of Thebes."
Im Roman stößt unser Held in der Folge auf eine Art Zauberbuch und gerät im selben Augenblick unter den Einfluss von gespensterhaften Wesen, die seine Träume heimsuchen und seine Lebenskräfte aussaugen- etwas, was dann den typischen Horror- Charakter bekommt, allerdings unter Vorzeichen und in einem Kontext, der nicht völlig aus der Luft gegriffen scheint.
Die Faszination am Verrottenden, die ja selbst etwas Gespensterhaftes hat- was treibt einen Menschen in die zwielichtigen Bereiche geistiger Macht? Die eigene Autonomie auszuloten, mag eine Antwort sein - Einflussbereiche zu durchschreiten, ohne ihnen zu unterliegen. Der Glaube, der Gestank werde einem selbst nicht anhaften. Mag sein. Aber das Herumpokeln in verrottendem Fleisch, die Teilhabe an zeremoniellem Mummenschanz, das Hereinbannen- Wollen fremder Kraft, hat vom Tageslicht aus betrachtet einen lächerlichen, gelegentlich dann auch einen widerwärtigen Charakter. Man kann sich das alles groß und breit bei YouTube anschauen.
Allerdings muss man, denke ich, auch sehen, dass alle geistigen Initiativen - so wie alle Mysterien- ihre ihnen eigene Halbwertzeit haben; sie passen jeweils in ihre Gegenwart und können in ihr frei ergriffen, müssen dann aber auch verwandelt und immer neu angepasst werden. Nach einiger Zeit bekommen sie diesen spezifischen Geruch des Gespensterhaften- manche nach Jahrhunderten, manche praktisch unmittelbar.
"Rosenkreuzerische" Logen vom Anfang des letzten Jahrhunderts - wie die von Judith von Halle favorisierte und rehabilitierte Stella Matutina - haben den im Zwielicht magischer Manipulation entspringenden Geruch ganz ohne Zweifel immer besessen- so wie auch der wundersamen Nahrungslosigkeit, Hellsichtigkeit und dem angeblichen "Phantomleib" dieser Dame für mich deutlich dieser moderige Duft entströmt. Aber auch ganz bestimmte Aspekte der realen anthroposophischen Geisteswissenschaft mögen gealtert sein, damit hinter die Gegenwart fallen und allmählich reaktionär- doktrinären Charakter annehmen - ein Instrument weniger der lebhaften Gegenwärtigkeit, des Interesses und der wachen Forschung sein, sondern kultischen Charakter annehmen. Was nun altert, was berechtigt ist, wie geistige Forschung im 21. Jahrhundert und in Zukunft aussieht und aussehen wird- das ist und bleibt ein stetiger Anstoss für Diskussionen. Hier liegt ein immanenter, ständiger Klärungsbedarf.