Heute pflegt man im Rahmen des Dr. Hauschka- Magazins - als eines der Sprachrohre sehr erfolgreich geführter anthroposophischer Betriebe - einen sehr entspannten Umgang mit Feinden des Geistes wie etwa der Kartoffel. Man lädt einen der Spitzenköche Deutschlands, Vincent Klink, zum Gespräch, das sich um die Qualität des Produkts dreht, wenn die Kartoffel denn von Demeter stammt. Klink sagt: "Gute Kartoffeln sind heute so selten wie Trüffel. Und das hat mit der Qualität der Erde zu tun, in der sie wachsen. Je sorgfältiger mit dem Boden umgegangen wird, desto lebendiger ist er, und diese Vitalität können die Pflanzen in sich aufnehmen. Das schmeckt man. Ich sage immer zu den Leuten: „Wenn ihr kein Geld für ‚Bio’ habt, dann kauft wenigstens das, was in der Erde wächst, in Bio-Qualität, und am besten in Demeter-Qualität, also Sellerie, Karotten, Rüben, Kartoffeln.“ Kartoffeln aus biologischem Anbau sind ein Muss."
Da sieht man doch, dass sich die Zeiten und Einstellungen verändert haben. Denn der gleichnamige Gründer von Dr. Hauschka und Wala hoffte vor über 60 Jahren, dass der Kartoffelkäfer das geistlose Gewächs im Namen Michaels und des Fortschritts der Menschheit vernichten werde:
Lange vor den modernen Einsichten, die die Menschheit über die dekadenten Einflüsse von kannibalischen Kühen und Drogen wie Crack gewonnen hat, ist ein Anthroposoph zu der Erkenntnis gekommen, dass es vor allem die Kartoffel ist, die die Menschheit in den Ruin treiben wird. Rudolf Hauschkas Ernährungslehre war bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts - Google führt die Ausgabe von 1999 auf- in anthroposophischen Kreisen ein Hit, ja ein Muss. Seine Äußerungen auf diesem Gebiet – die teilweise durchaus stimmig untermauert sind durch korrekte Zitate Rudolf Steiners – machen Hauschka zu einem der großen Meister des unfreiwilligen anthroposophischen Humors.
Hauschka beginnt mit der Erkenntnis, dass ein Nachtschattengewächs wie die Kartoffel sich ja bereits dadurch, dass sie „ja selbst in Kraut und Früchten eine gefährliche Giftpflanze ist“, praktisch entlarvt. Sie ist ja auch, wie unschwer zu erkennen ist, ebenso wie die Tomate, „keine bei uns heimische Pflanze“, was an sich verdächtig erscheinen muss. Beide waren vielmehr Kulturpflanzen „bei den Azteken“ und sind durch die Südamerika erobernden Spanier bei uns eingeschleppt worden.
Die geistige Mission dieser Nachtschatten- Gewächse lebt sich allerdings nicht bei den dekadenten Azteken aus, sondern vorrangig in Mitteleuropa, das ja die „Bewusstseinsseele“ entwickeln soll. In diesem Zusammenhang bewirkt die Kartoffel aber beim Menschen lediglich zweierlei: Erstens eine „Anregung der rein intellektuellen Betätigung des Kopfes“ - die Kartoffel soll also quasi intellektualisieren. Andererseits produziert sie im Menschen eine „sich selbst genießende Wesenheit“. Die Kartoffel hat es also dazu gebracht, die „Geistesentwicklung“ des modernen mitteleuropäischen Menschen so zu verdrehen, dass dieser den „einseitigen Weg des Materialismus“ betreten musste. Das alles ist erstaunlich und wird von Hauschka auch durch kein einziges Argument untermauert, ja er macht nicht einmal den Versuch dazu.
Vielmehr stellt er weitere Behauptungen auf, bei denen er nicht nur die „Minderwertigkeit“ des „Stärkekorns“ der Kartoffel konstatiert, sondern in einem kühnen phänomenologischen Sprung darin „eine eigensinnig in sich verschlossene Geste“ erkennen will. Die Struktur des Kartoffelstärke- Korns „erscheint“ ihm „verzerrt“.
So etwas kann natürlich schon bei der Verdauung „nicht so glatt vor sich gehen“. Gut, Hülsenfrüchte sind auch nicht so toll, weil sie das „Schwerwerden der Leibessubstanz“ bewirken und reiner Vegetarismus ist ekelhaft, weil Verdauung schließlich eine „Fähigkeit der Persönlichkeit“ ist, um die „Vergeistigung des Nahrungsmittels“ zu erreichen- da das meist nicht gelingt, stoßen bei den Vegetariern (von Veganern ganz zu schweigen) dauernd „die Blähungen auf“. Das alles ist scheußlich, aber schließlich nicht wirklich schlimm.
Bei der Kartoffel aber erweist sich für den Geistesforscher, dass die „selbstlos“ gar nicht verdaut werden kann: da muss schon „das Gehirn selber erst an der endgültigen Verdauung beteiligt“ werden. Nun hat Rudolf Steiner dahingehend ähnliche Bemerkungen gemacht, die man sich wohl aber nicht wortwörtlich und schon gar nicht in bildlicher Vollkommenheit vorstellen darf. Rudolf Hauschka meint aber ganz explizit, dass „vorzugsweise das Mittelhirn“, statt sich dem „schöpferischen, künstlerischen und phantasievollen Denken“ hinzugeben, in Fortsetzung der Darmtätigkeit die Kartoffeln verdaut. Dadurch ist gerade das angebliche schöpferische Zentrum des Menschen schachmatt gesetzt, weil es pausenlos mit der „Verdauung in Anspruch genommen ist“. Schade eigentlich.
Nun geht die Sache für Hauschka aber erst „weiter“- er kommt gewissermaßen erst in Fahrt. Er hat nämlich erkannt: Durch die „Kartoffelnahrung“ wird der Mensch nicht nur zu „schwach“, um seine „Hände und Füße zur Arbeit zu gebrauchen“, sondern er kann – „dann wird die Sache noch schlimmer“- auch die „Organe nicht mehr regsam“ machen, die „zur Fortpflanzung beitragen“. Unfruchtbarkeit und Ejakulationsstörungen durch Kartoffelgenuss? Das Aussterben der mitteleuropäischen Rasse? Die späte Rache der geknechteten Azteken? Es ist unglaublich, was für Aussichten sich da auftun.
Selbst die ungeborenen Kinder, die im Mutterleib doch ihr Kleinhirn zu entwickeln wünschen, stoßen auf einen embryonalen Leib, dessen „Kopfanlage durch übermäßigen Kartoffelgenuss von Vater oder Mutter korrumpiert ist“. Das frustrierte Geistwesen hat dann nach Meinung von Hauschka auch schon „die Anlagen zum Wasserkopf“. Diese durch die Kartoffeln im Mutterleib belasteten Wesen stopfen ihrerseits dann ja weiter Kartoffeln in sich herein, was die Sache nicht besser macht, sondern die gesamte Menschheit „in starke Degenerationserscheinungen hineingeraten“ lässt. Kein Wunder, dass die Azteken praktisch ausgestorben sind.
Ein Trost liegt allenfalls darin, dass die Kartoffel ihrerseits „ihrem Untergang entgegen“ geht, „weil der Kartoffelkäfer sie vernichtet“. Dieses kleine Tierchen hat damit eine Mission und geht an sie heran wie Michael im Kampf mit dem Drachen: „Die Kartoffel geht ihrem Untergang entgegen, nicht, weil der Kartoffelkäfer sie vernichtet, sondern der Kartoffelkäfer erscheint, weil die Kartoffel ihre eigentliche Mission erfüllt hat und jetzt zurücktreten muss“.
Die Kartoffel sieht es also ein und tritt gewissermaßen selbst zurück. Mein Gott, Herr Hauschka-, wie gut, dass sie es nicht mehr erleben mussten: Die Kartoffel ist vielleicht gefallen, aber auch wieder auferstanden: In Millionen von Chipstüten, in Milliarden von Pommes- Portionen rot-weiß. Über die Mission der Currywurst und der Big Macs wollen wir heute Stillschweigen bewahren. Wir müssten sonst in restlosen Kulturpessimismus verfallen.
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*Meine Ausgabe des Buches: Frankfurt am Main 1951
Da sieht man doch, dass sich die Zeiten und Einstellungen verändert haben. Denn der gleichnamige Gründer von Dr. Hauschka und Wala hoffte vor über 60 Jahren, dass der Kartoffelkäfer das geistlose Gewächs im Namen Michaels und des Fortschritts der Menschheit vernichten werde:
Lange vor den modernen Einsichten, die die Menschheit über die dekadenten Einflüsse von kannibalischen Kühen und Drogen wie Crack gewonnen hat, ist ein Anthroposoph zu der Erkenntnis gekommen, dass es vor allem die Kartoffel ist, die die Menschheit in den Ruin treiben wird. Rudolf Hauschkas Ernährungslehre war bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts - Google führt die Ausgabe von 1999 auf- in anthroposophischen Kreisen ein Hit, ja ein Muss. Seine Äußerungen auf diesem Gebiet – die teilweise durchaus stimmig untermauert sind durch korrekte Zitate Rudolf Steiners – machen Hauschka zu einem der großen Meister des unfreiwilligen anthroposophischen Humors.
Hauschka beginnt mit der Erkenntnis, dass ein Nachtschattengewächs wie die Kartoffel sich ja bereits dadurch, dass sie „ja selbst in Kraut und Früchten eine gefährliche Giftpflanze ist“, praktisch entlarvt. Sie ist ja auch, wie unschwer zu erkennen ist, ebenso wie die Tomate, „keine bei uns heimische Pflanze“, was an sich verdächtig erscheinen muss. Beide waren vielmehr Kulturpflanzen „bei den Azteken“ und sind durch die Südamerika erobernden Spanier bei uns eingeschleppt worden.
Die geistige Mission dieser Nachtschatten- Gewächse lebt sich allerdings nicht bei den dekadenten Azteken aus, sondern vorrangig in Mitteleuropa, das ja die „Bewusstseinsseele“ entwickeln soll. In diesem Zusammenhang bewirkt die Kartoffel aber beim Menschen lediglich zweierlei: Erstens eine „Anregung der rein intellektuellen Betätigung des Kopfes“ - die Kartoffel soll also quasi intellektualisieren. Andererseits produziert sie im Menschen eine „sich selbst genießende Wesenheit“. Die Kartoffel hat es also dazu gebracht, die „Geistesentwicklung“ des modernen mitteleuropäischen Menschen so zu verdrehen, dass dieser den „einseitigen Weg des Materialismus“ betreten musste. Das alles ist erstaunlich und wird von Hauschka auch durch kein einziges Argument untermauert, ja er macht nicht einmal den Versuch dazu.
Vielmehr stellt er weitere Behauptungen auf, bei denen er nicht nur die „Minderwertigkeit“ des „Stärkekorns“ der Kartoffel konstatiert, sondern in einem kühnen phänomenologischen Sprung darin „eine eigensinnig in sich verschlossene Geste“ erkennen will. Die Struktur des Kartoffelstärke- Korns „erscheint“ ihm „verzerrt“.
So etwas kann natürlich schon bei der Verdauung „nicht so glatt vor sich gehen“. Gut, Hülsenfrüchte sind auch nicht so toll, weil sie das „Schwerwerden der Leibessubstanz“ bewirken und reiner Vegetarismus ist ekelhaft, weil Verdauung schließlich eine „Fähigkeit der Persönlichkeit“ ist, um die „Vergeistigung des Nahrungsmittels“ zu erreichen- da das meist nicht gelingt, stoßen bei den Vegetariern (von Veganern ganz zu schweigen) dauernd „die Blähungen auf“. Das alles ist scheußlich, aber schließlich nicht wirklich schlimm.
Bei der Kartoffel aber erweist sich für den Geistesforscher, dass die „selbstlos“ gar nicht verdaut werden kann: da muss schon „das Gehirn selber erst an der endgültigen Verdauung beteiligt“ werden. Nun hat Rudolf Steiner dahingehend ähnliche Bemerkungen gemacht, die man sich wohl aber nicht wortwörtlich und schon gar nicht in bildlicher Vollkommenheit vorstellen darf. Rudolf Hauschka meint aber ganz explizit, dass „vorzugsweise das Mittelhirn“, statt sich dem „schöpferischen, künstlerischen und phantasievollen Denken“ hinzugeben, in Fortsetzung der Darmtätigkeit die Kartoffeln verdaut. Dadurch ist gerade das angebliche schöpferische Zentrum des Menschen schachmatt gesetzt, weil es pausenlos mit der „Verdauung in Anspruch genommen ist“. Schade eigentlich.
Nun geht die Sache für Hauschka aber erst „weiter“- er kommt gewissermaßen erst in Fahrt. Er hat nämlich erkannt: Durch die „Kartoffelnahrung“ wird der Mensch nicht nur zu „schwach“, um seine „Hände und Füße zur Arbeit zu gebrauchen“, sondern er kann – „dann wird die Sache noch schlimmer“- auch die „Organe nicht mehr regsam“ machen, die „zur Fortpflanzung beitragen“. Unfruchtbarkeit und Ejakulationsstörungen durch Kartoffelgenuss? Das Aussterben der mitteleuropäischen Rasse? Die späte Rache der geknechteten Azteken? Es ist unglaublich, was für Aussichten sich da auftun.
Selbst die ungeborenen Kinder, die im Mutterleib doch ihr Kleinhirn zu entwickeln wünschen, stoßen auf einen embryonalen Leib, dessen „Kopfanlage durch übermäßigen Kartoffelgenuss von Vater oder Mutter korrumpiert ist“. Das frustrierte Geistwesen hat dann nach Meinung von Hauschka auch schon „die Anlagen zum Wasserkopf“. Diese durch die Kartoffeln im Mutterleib belasteten Wesen stopfen ihrerseits dann ja weiter Kartoffeln in sich herein, was die Sache nicht besser macht, sondern die gesamte Menschheit „in starke Degenerationserscheinungen hineingeraten“ lässt. Kein Wunder, dass die Azteken praktisch ausgestorben sind.
Ein Trost liegt allenfalls darin, dass die Kartoffel ihrerseits „ihrem Untergang entgegen“ geht, „weil der Kartoffelkäfer sie vernichtet“. Dieses kleine Tierchen hat damit eine Mission und geht an sie heran wie Michael im Kampf mit dem Drachen: „Die Kartoffel geht ihrem Untergang entgegen, nicht, weil der Kartoffelkäfer sie vernichtet, sondern der Kartoffelkäfer erscheint, weil die Kartoffel ihre eigentliche Mission erfüllt hat und jetzt zurücktreten muss“.
Die Kartoffel sieht es also ein und tritt gewissermaßen selbst zurück. Mein Gott, Herr Hauschka-, wie gut, dass sie es nicht mehr erleben mussten: Die Kartoffel ist vielleicht gefallen, aber auch wieder auferstanden: In Millionen von Chipstüten, in Milliarden von Pommes- Portionen rot-weiß. Über die Mission der Currywurst und der Big Macs wollen wir heute Stillschweigen bewahren. Wir müssten sonst in restlosen Kulturpessimismus verfallen.
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*Meine Ausgabe des Buches: Frankfurt am Main 1951