Natürlich geschieht - gewissermaßen als Nebeneffekt oder auch als Wachstumsschmerzen- bei meditativer Arbeit auch etwas, was man als Phrase gern als Schattenarbeit bezeichnet. Oder, wie Tolle es auch nennt, die Arbeit am Schmerzkörper. Bei ihm ist es sicher keine Phrase. Es ist der Bereich, den ich meine.
Damit ist überhaupt nichts Dramatisches gemeint. Es ist auch eigentlich keine Phase, sondern mehr ein aufkommendes, stetig mitwachsendes Phänomen. Es ist eine Art von Erinnerung, die nicht die üblichen, schattenhaften, sondern deutliche und multisensorische Eigenschaften hat- aber doch so ganz von Außen betrachtet vor Augen steht, dass es eine Art filmischen Charakter bekommt.
Gezeigt werden scheinbar willkürlich Szenen aus meinem Leben. Ich weiß genau, wie ich gefühlt, was ich gedacht hatte, aber auch, was die anderen Beteiligten betrifft. Und so, von dieser Warte aus betrachtet - nämlich der eines Außenstehenden und zugleich Miterlebenden- ist die so lebendig wiedererlangte Szene vor allem von einer Peinlichkeit für mich, die deshalb noch bestürzender wird, je mehr mir klar wird, wie sehr ich diese - und viele andere- Szenen bislang doch in der Erinnerung umgedeutet, geglättet, mich als Opfer geriert hatte. In der Sicht eines Fremden sieht sie doch ganz anders, nämlich unangenehm für mich, aus.
Der Kern des Problems, das bin zweifellos ich selbst. Die Alltagsszenerien, wie ich sie jetzt, in der Gegenwärtigkeit, erlebe, enthüllen schamlos meine so lange beschützte Illusion über mich selbst- das gehätschelte Selbstbild, das, was rennen und tun und machen muss, was die Rastlosigkeit hervor ruft.
Die Welle, die man wieder und wieder macht, die Identität schaffende Gebetsmühle der eigenen Befindlichkeiten, jetzt sieht man sie klar und nüchtern wie mit den Augen der Ewigkeit; bestürzt.
Gleichzeitig befreit sich in der Scham dasjenige in mir, das schaut, fühlt, was seine Biografie nun neu deutet; dasjenige in mir, das nicht verwickelt ist in das Geschehen. Es ist das "kleine Kamaloka" dessen, der meditativ arbeitet, aber dem sich eben deshalb die inneren Widersprüche enthüllen.