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Channel: Egoisten
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Sophia oder Der innere Raum

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Dass die Prozesse der Aneignung und Verarbeitung von Nahrung dieselben sind wie gleichartige Denkaktivitäten..

Aufnahme
Angleichung
Verdauung
-Ausscheidung-
Erhaltung
Wachstum
Hervorbringung

..mag Anlass zur Bescheidenheit geben. Wie sehr Eigenheiten der Persönlichkeit auch durch die Art ihrer Verdauungsstörungen determiniert sein mögen, sei dahin gestellt: Rudolf Steiners legendäres „Lieber Schinken essen als Schinken denken“ beflügelt jedenfalls, sich doch zu bemühen, letzteres zu vermeiden. Manfred Spitzer, der viel über Denken und Hirnforschung geschrieben oder kolportiert hat, sprach einmal von den „Spuren im Schnee“- gewohnheitsmäßiges Reproduzieren von Gedanken legt Spuren der Verknüpfung von Synapsen und Neuronen- Verknüpfungen im Gehirn fest- das Denken hat auf das physische Hirn durch bildgebende Verfahren sichtbare Rückkopplungen. Salopp gesagt, werden reproduzierte Gedankenstränge durch steigende Verknüpfung schneller und „sicherer“ verarbeitet- bio-chemisch fest miteinander verdrahtet.

Insofern haben wir tatsächlich einen „Gedankenleib“, eine Art Reaktionsmuster- Abgleich- und Kontextualisierungs- Leib, zu dem wir „Ich“ sagen. Das Bemerken der Neigung, einmal gefundene Lösungen und Verknüpfungen immer wieder nach diesem Muster abzuarbeiten- sich dieses Musters bewusst zu werden- ist ein Aspekt jedes Schulungsweges, der sich an ein lernendes Individuum richtet. Um sich der eigenen, teilweise früh erworbenen Muster bewusst zu werden, ist das Betreten einer Meta- Ebene der Betrachtung auf das eigene Gewordensein nötig- es könnte sonst kein Erkennen von Taktiken der Selbsttäuschung möglich sein.

Die Ebene, die eigene Biografie als etwas von verbundenen Menschen Bewirktes, Angestossenes, Geformtes zu betrachten- aber auch als Element individueller Initiativ- Kraft, eines persönlichen, sich verwirklichenden Willens-, ist schon ein Schritt zur intellektuellen Redlichkeit. Auf dieser Basis mag sich das tätige Denken seiner selbst bewusst werden- als gestaltender Wille, als geistige Präsenz. An der Präsenz zu wirken, ist eine seit je her geachtete Tätigkeit- sie kann Momente tiefer Innigkeit, ja ein Ende des dualistischen Weltempfindens bewirken. Das konstruktive Arbeiten bewegt und erfüllt sich selbst- die stabilisierte, vertiefte, verarbeitete Präsenz wird zum transparenten Innenraum des Bewusstseins. Der Seelenraum wird als solcher empfänglich- ein Resonanzboden- der innere Raum sophienhaft:

Die christliche Esoterik nannte den gereinigten, geläuterten astralischen Leib, der in dem Augenblick, wo er der Erleuchtung unterworfen ist, nichts von den unreinen Eindrücken der physischen Welt in sich enthält, sondern nur die Erkenntnisorgane der geistigen Welt: die «reine, keusche, weise Jungfrau Sophia». Durch alles das, was der Mensch aufnimmt in der Katharsis, reinigt und läutert er seinen astralischen Leib zur «Jungfrau Sophia». Und ihr kommt entgegen das kosmische Ich, das Welten-Ich, das die Erleuchtung bewirkt, das also macht, daß der Mensch Licht um sich herum hat, geistiges Licht. Dieses Zweite, das zur «Jungfrau Sophia» hinzukommt, nannte die christliche Esoterik – und nennt es auch heute noch – den «Heiligen Geist»“ (Rudolf Steiner, GA 103, S. 206)

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