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Heilsversprechen & Rudolf Steiners Ausbruch

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Heilsversprechen und Trost sind die Marschverpflegung der Religion - und in diesem Sinne gläubige Menschen sind die wahrhaft Bedürftigen. Es ist unmöglich, ewig voran zu gehen, und dabei nicht unvermittelt an den schmerzhaften Punkt zu stoßen, an dem man sich so einen Restbestand an Glauben wünschen würde. Denn ohne eine Faser von religiösem Getragensein kommt man nur schwer durch die ernsthaften Krisen hindurch. Aber letztlich ist das Wissen doch da, dass man ohne Schutz da hindurch muss.

Die scheinbar Ungläubigen glauben aber doch wenigstens an ihre eigenen Missionen. Ein absoluter Nihilist mit Lebenserfahrung sagte mir in hohem Alter ohne jede Ironie, was für ein Verlust es doch für die Welt sei, in absehbarer Zeit einen Geist wie ihn zu verlieren. Er meinte quasi, der Vorhang müsse zerreißen, die Erde sich auf tun. Ich sah ihn völlig entgeistert an. Aber es hat mich bewegt. Er hat eben an das Geniale in sich geglaubt.

Heilsversprechen allerorten. Werbung, Politik, Psychologie. Irgendeinen Glauben braucht der Mensch.

Initiation- oder Schritte darauf zu - bedeuten eben auch, diesen Irrtum aufzuklären.

Heilsversprechen oder Trost, die Krücken des bereits angekränkelnden Selbst, beschreibt Rudolf Steiner als "Mystik aus Egoismus" und drückt damit das aus, was Ausgang dieser Überlegung war: "Sie waren Menschen, die nur aus Egoismus heraus fromme, vielleicht sogar mystische Naturen waren, wie ja sehr häufig Mystik aus Egoismus zustande kommt, in der Weise, dass der Mensch sagt: Ich suche in meinem Innern, um in meinem Innern den Gott zu erkennen.- Und wenn man dem nachgeht, was er dort sucht, so ist es nur das eigene Selbst, das er zum Gott macht."

Und weil er gerade am Ende dieses Vortragszyklus ziemlich in Fahrt war, ergänzte Rudolf Steiner noch: "Bei vielen frommen Seelen findet man es, dass sie nur deshalb fromm sind, damit ihnen nach dem Tod diese oder jene Stimmung blühe. Egoistische Seelenstimmung ist es, was sie sich auf diese Weise zubereitet haben."

Der bigotte Glauben, das Hängen an sensationellen "Ergebnissen der Geistesforschung" oder das Alles absorbierende innere Drängen hin auf Erleuchtung, ist eine Art des Verhaftetseins, das eine ebenso "egoistische Seelenstimmung" produziert wie der Glaube an technologische oder wirtschaftliche Teleologien. Die Selbstvergötterung kleidet sich gern in idealistische Verkleidungen. Das ist heute, hundert Jahre nach Steiner, nicht anders als damals. Selbstverständlich wird auch Anthroposophie dazu benutzt, sich die konkrete Realität vom Leib zu halten. Man sieht das aber immer nur ganz gut bei Anderen. Es ist schwer, diese Art von Bedürftigkeit zu überwinden, ganz und gar, radikal. Denn es ist die Quelle einer schweren Selbsttäuschung. Die Suche selbst ist zu einer Art Selbstdefinition geworden; man romantisiert "den Suchenden", z.B., sieht sich als Vertreter einer bedeutenden spirituellen Macht, blickt unbemerkt verächtlich auf all die Nichtsahnenden herab.

Ich persönlich denke, dass Rudolf Steiner das ganz konkret meinte in Bezug auf einige Vertreter, die vor ihm im Saal saßen.



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