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Rudolf Steiner: Vom paranoiden Selbstgefühl

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Rudolf Steiner war ja nun auch, wenn man ihm Gelegenheit dazu gab, derlei zum Ausdruck zu bringen, durchaus scharf und präzise in seinem Blick auf seine Zeitgenossen, gern auch die aus dem anthroposophischen Umfeld -um nicht gleich den Ausdruck Biotop zu benutzen. Steiners Missgriffe- seine rassistischen Stereotypen und sein fataler Hang zu Tabellen und Modellen, seine Selbstüberschätzung in Hinsicht auf die politische Weltlage, in der sich seine Provinzialität zeigte und spiegelte- geschenkt. Steiner kannte jedenfalls schon den typischen anthroposophischen Paranoiker, und schilderte ihn so:

"Es kann zum Beispiel vorkommen, dass jemand auf andern Gebieten des Lebens ganz richtig und logisch denkt, dass er jedoch die Wahnidee hat, er werde überall verfolgt um dieses oder jenes Grundes willen. Er wird dann imstande sein, wo er hinkommt, aus den geringsten Vorkommnissen Kombinationen geistreichster Art zu machen.“ In diesem Kontext ist „geistreichst“ aus Steiners Mund sicherlich kein Kompliment. In letzter Konsequenz- falls ich ausschweifen darf- führt das zu den Trollfabriken Putins, die heute in solchen Massen Desinformation in den medialen Äther pusten, dass der große Trick, die eigentliche Lüge (eine Räuber- Bande als Herrscher im Kreml) darin untergeht. Die „geistreichste Art“ ist heute durch die Sprachrohre des Internet millionenfach vermehrt.

Steiner meint- mal noch „ein ganz logischer Kopf“, mal offensichtlich explizit als Krankheit- die Schwafler und Spekulanten der paranoiden Art: "So kann jemand ein ganz logischer Kopf sein und doch in sich gewisse Symptome der Verrücktheit ausleben. Da wird es ganz unmöglich sein, einen solchen Menschen mit logischen Gründen zu widerlegen. Im Gegenteil, wenn man in einem solchen Falle mit logischen Gründen kommt, dann kann es geschehen, dass die Wahnideen, die in dem Inneren des Betreffenden sitzen, erst recht herausgefordert werden und noch schärfere Beweismittel suchen für das, was er als den Inhalt seiner Verfolgungs- Wahnidee geltend macht.“ Als hätte Rudolf Steiner das Internet gekannt: Die sinnlosen Scharmützel mit in gestrickter Wolle auftretenden Südwind- Faschisten mit ihren analogen Welterklärungsmodellen sind ihm offenbar in anderer Form bekannt gewesen.

Hätte er es nur dabei belassen. Leider holt er nach der Analyse die ihm eigenen Karma- Keule heraus und erklärt, dass die, bei denen tatsächlich Paranoia als Krankheit ausbrechen würde, schon im Leben davor „verirrt“ gewesen seien- ein nicht im geringsten konstruktiver Deutungsversuch Steiners: "Wenn ein solches Krankheitsbild auftaucht, wie es sich in den geschilderten Symptomen auslebt, haben wir es damit zu tun, dass der Betreffende darin eine karmische Ursache von früheren Verkörperungen, von früheren Verirrungen zutage treten lässt“. Es ist schade, dass Steiner, der sicherlich jemanden vor Augen gehabt haben wird, derartig verallgemeinernd werden wollte. Sicherlich auch ein Punkt, an dem ich Steiner nicht folgen möchte.

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Alle Zitate: RS, Die Offenbarungen des Karma, Ein Zyklus von elf Vorträgen gehalten in Hamburg zwischen dem 16. und 28. Mai 1910, GA 120.153f

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