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Bildquelle Salome |
Leider scheitert auch der von mir sehr geschätzte Athys Floride in „Die spirituelle Verwandlung der Liebeskräfte als Voraussetzung zur Weltverjüngung im Sinne von Novalis“ an den eigenen Scheuklappen- wenn auch durchaus nicht in jeder Hinsicht. An manchen Stellen meint man gar, er wolle sich zur Vorformulierung eines anthroposophischen Tantra- Yoga im Geiste von Novalis aufschwingen. Aber letztlich hängt er fest an biologistischen Vorstellungen, in denen das gezeugte Kind doch stets das Ziel des Sexuellen sei, Empfängnisverhütung also (auch wenn er es nicht so nennt) sündhaft, sieht Sexualität pompös als eine „Prüfung“, die die Menschheit zu bestehen habe, indem sie die „Fortpflanzungskräfte“ umzubilden habe, bevor Mond und Sonne sich wieder mit der Erde vereinigen und setzt am Ende (S. 85) „Homosexualität“ gleich mit „Krankheiten, die dabei entstehen können, Pädophile (es gibt Menschen, die diese Bezeichnung - „Liebe zu Kindern“- nicht mehr akzeptieren, sondern es mit Pädokriminalität bezeichnen wollen), Inzest, usw.“ Das Usw. interessiert einen an diesem Punkt schon nicht mehr besonders, denn Floride widerspricht seinem eigenen Ideal von partnerschaftlicher, gleichberechtigter Sexualität, indem er homosexuelle Beziehungen mit kriminellen Akten in einen Zusammenhang setzt. Man darf also davon ausgehen, dass Floride ausschließlich aus heterosexueller Perspektive denkt; zwar von der Freiheit des Individuums im Zeitalter der Bewusstseinsseele schreibt, aber zugleich moralisierend argumentiert. Zwar folgt er Rudolf Steiners Ablehnung eines „missverständlichen Asketismus“ (GA 233, 11.1.1924), sieht aber die Absicht, „Kinder zu zeugen“ als „das normale Benützen dieser Kräfte“ (S. 36), „um die Entwicklung der Menschheit weiter zu bringen.“
Was denn nun- Freiheit des Individuums - oder Sex, um "die Menschheit weiter zu bringen“? Ist die anthroposophisch korrekte Formel in der Aufforderung zum Koitus „Komm, wir wollen die Menschheit weiter bringen“? Nun muss man Floride zugute halten, dass er Novalis aus dem romantischen Ghetto befreit, indem er dessen erotische Gedichte nicht idealisiert, sondern in ihnen sowohl ein Hohelied des Sexus wie des Eros sieht: „Wer hat des irdischen Leibes/ Hohen Sinn erraten?../..so währet der Liebe Genuss/ Von Ewigkeit zu Ewigkeit../ Heißere Wollust/ Durchbebt die Seele../ Hätten die Nüchternen/ Einlass gekostet,/ Alles verließen sie/ Und setzten sich zu uns/ An den Tisch der Sehnsucht,/ Der nie leer wird..“. Auch in den Fragmenten und Studien schrieb Novalis u.a. „Es gibt nur einen Tempel in der Welt, und das ist der menschliche Körper. Nichts ist heiliger als diese hohe Gestalt. Das Bücken vor Menschen ist eine Huldigung dieser Offenbarung im Fleisch. (Göttliche Verehrung des Lingam, des Busens- der Statuen) Man berührt den Himmel, wenn man einen Menschenleib betastet.“
So formuliert Floride eine Bejahung des Sexus, sich an Novalis orientierend, als Weg zur essentiellen Intimität zwischen Menschen in den Stufen Bewunderung-Verwunderung, Mitempfinden dessen, was der Andere erlebt und eine Form von „der Liebe Genuss/ Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Novalis), der eine geistige Innigkeit zwischen gleichberechtigten Partnern mit einschließt. In seiner Argumentation zieht Floride sämtliche Kulturphasen und die spirituelle Entwicklung der Menschheit hinzu, selbst die Beziehung zu Christus, indem er Rudolf Steiners Bemerkung „Sein (des Christus, ME) ätherischer Leib wird gebaut werden durch Mitgefühl und Liebe, welche von Mensch zu Mensch walten werden.." auch auf die sexuelle Wesensbegegnung bezieht.
Den Grund, warum die Spiritualisierung des Sexus ein zentrales Thema für Novalis gewesen ist, sieht Floride in dessen karmischer Vorgeschichte. Es gibt die Beziehung sowohl zu Raffael wie zu Elias, aber auch die zu Johannes dem Täufer wie zu Pineas. Schon diese letzte Gestalt kämpfte zur Zeit des Moses gegen Einflüsse des Baal- Kultes- eine „Religion, welche die sexuellen Kräfte im Kult magisch missbrauchte“ (S. 27). Die handelnden Gegenfiguren zu Pineas waren Simri und „das midianitische Weib, das getötet worden war, hieß Kosbi“ (4. Buch Moses, 25, 14). Elias stand in der Auseinandersetzung mit König Ahab und Königin Isebel. Auch diese folgten wieder „den sexuellen Kulten der Baal- Religion“ (S. 30). Als Johannes war diese Person nach Floride mit Herodias, Herodes und Salome konfrontiert - wiederum eine schwarzmagische Kombination, die geradezu Symbol- Charakter in der christlichen Ikonographie besitzt. Eine Sammlung klassischer Darstellungen der Enthauptung findet sich hier; ebenso wie die oben gezeigte Salome- Darstellung.
Einem Hinweis Hermann Beckh folgend ("Der kosmische Rhythmus im Markus- Evangelium", Basel 1928), sind die negativen Kräfte dieser kultischen Ermordung von Johannes durch das Wirken des Christus umgewandelt worden in die geistige Substanz für die „Speisung der Fünftausend“. In der Sicht dieser Folge von Inkarnationen stellt Novalis die zentrale Figur da, um kultisch- magische „Abirrungen der Fortpflanzungskräfte“ (S. 33) zu bekämpfen, aber auch die Spiritualisierung des Eros jenseits falscher Askese zu suchen. Es wird wohl Zeit, seine „Fragmente und Studien“ nochmals sehr viel genauer zu studieren.
Athys Floridas Buch gibt interessante Hinweise, löst aber die im Titel selbst vorgegebene Aufgabe nur auf zwiespältige Art und Weise ein.