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Meister Lithium |
Meister sind „gewisse Persönlichkeiten“, die „Einfluss haben“, wenn Blavatsky „Kundgebungen aus der geistigen Welt hervor rufen wollte“(1). Damit ist nicht ausgesagt, dass sich Rudolf Steiner in seiner wilden theosophischen Zeit nicht selbst immer wieder auf Meister bezogen hätte. Dennoch war, wie Hella Wiesberger (2) schreibt, eine solche „für das moderne Bewusstsein anachronistische Berufung auf unsichtbare Autoritäten“ etwas, was bereits vor der Jahrhundertwende 1900„zwangsläufig zu Missverständnissen und Missständen führen musste“ (S. 138).
Der erste Skandal, der Blavatsky direkt in Adyar betraf, war der Betrugsversuch des Ehepaars Coulomb, das geheime Durchreich- Türen installierte, um zu demonstrieren, dass Blavatsky „Meisterbriefe“ selbst fabrizieren würde. Die Intrige führte immerhin dazu, dass Blavatsky ausreiste und nie mehr in die Theosophische Gesellschaft in Indien zurück fand. Am Ende diktierten H.P. Blavatskys angebliche Meister „KH“ und „M“ (Kuthumi und Morya) dem sterbenden T.S.- Vorstand Olcott 1907, „er solle A. Besant zu seinem Nachfolger ernennen“ (2). Dies führte tatsächlich zur Machtübernahme durch Besant und letztendlich zur Trennung Steiners von der ganzen Theosophischen Gesellschaft. Steiner sprach später von der „Möglichkeit gewollten Betruges: Es ist eben die Grenzscheide zwischen Wahrheit und Charlatanerie im Okkultismus eine haarscharfe.“ (3)
Auf die illustre, launische, manchmal herrische H.P. Blavatsky wirkten- worüber sich Steiner oft und ausgiebig ausgelassen hat, die unterschiedlichsten Kräfte, wodurch sie zum reichhaltigen Fundus für die verschiedensten Kreise wurde, die sich später auf sie berufen konnten: „Ihr Intellekt war niemals geeignet, hinunterzuschauen in dasjenige, was ihr überliefert worden ist von Personen, die nicht immer ehrliche Personen waren, die aber gerade durch die Blavatsky wirken konnten, die das in egoistischem Sinne durch den medialen Intellekt der Blavatsky zusammengezimmert haben zu etwas, was dann in einer suggestiven Weise auf die Menschen wirkte.“ (4)
Zu denen, die von Meistern schreiben, gehörte auch Alice A. Bailey- als Sprachrohr des „Tibeters“, der also ein ebenso „haarscharfer“ okkulter Kontakt war wie die, denen Blavatsky unterlag. Allerdings sind die Meister in Baileys Darstellung (hier der Link zum Buch Baileys) nicht wie in Blavatskys Fall disparate, sich bekämpfende Einflusssphären hauptsächlich östlicher und westlicher Prägung, sondern ein in eine Hierarchie eingebundene Front mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen. Das 7-Schema, in dem Bailey die Meister darstellt, entspricht dem gängigen theosophischen, das auch der zeitgenössische Steiner kundtat. Wen es interessieren sollte, der möge es googeln. Steiner soll gegenüber Friedrich Rittelmeyer geantwortet haben: "Zwei wirken im Osten, zwei im Westen, zwei in der Mitte, einer aber geht durch.“ (5) Natürlich gibt es bei ihm nirgends den zwingenden Charakter, den Bailey den Charakteristika dieser „Meister“ beilegt. Dem siebten soll er den Namen Skythianos gegeben haben.
Dies ist nun ein weiterer Unterschied zu Bailey. Diese nennt ihn Meister Serapis- oder den „Ägypter“: "One other Master may here be briefly mentioned, the Master Serapis, frequently called the Egyptian. He is the Master upon the fourth ray, and the great art movements of the world, the evolution of music, and that of painting and drama, receive from Him an energising impulse. At present He is giving most of His time and attention to the work of the deva, or angel evolution, until their agency helps to make possible the great revelation in the world of music and painting which lies immediately ahead. More about Him cannot be given out, nor can His dwelling place be revealed“. In Baileys Augen ist dies also ein erdabgewandter Künstler- Kollege, der sich mit Engeln beschäftigt, aber auch (die „vierte Energie“) mit zeremonieller Magie. Darauf hin deutet auch der Name „Ägypter“ und das ansonsten unübliche Geheimnis um ihn.
Nun hat dieses bizarre Thema auch die unermüdliche Stigmatisierte Judith von Halle umgetrieben, in ihrer „Okkulten Biographie“ „Rudolf Steiner. Meister der weissen Loge“ (6). In diesem hymnischen Schinken läuft, ziemlich vorhersehbar, alles auf die Meister- Frage zu „Wer war der Christus- Diener Rudolf Steiner?“ Von Halle widerspricht natürlich den „karge(n), kryptische(n) Bemerkungen“, die durch Rittelmeyer von Steiner hinterlassen sind. Sie enthüllt mit prätentiösem Pomp stattdessen die scheinbar exklusive Nachricht, die sie schlicht bei Bailey abgeschrieben hat: „Aus diesem Grund hat man für die Individualität des siebenten Meisters bislang einen besonders abstrakt anmutenden „Platzhalter" verwendet, nämlich den Namen Serapis.“ (S. 134) Sie erhebt als angeblich „okkulte Forscherin“ zugleich Rudolf Steiner in den Rang dieses Meisters, der im übrigen selbstverständlich zuvor „erst ein einziges Mal auf der Erde erschienen“ sei und alle anderen Meister anführe: „Dieser siebente Meister der Weißen Loge kann durch die okkulte Forschung gefunden werden- und ich gedenke diese Aussage zu gegebener Zeit vor der geistigen Welt zu verantworten- in der Person Rudolf Steiners.“ (S. 137)
Natürlich charakterisiert sie, anders als Bailey, ihren nonnenhaft hymnisch präsentierten Meister als Lehrer „der ganzen Menschheit (..) und dies in einer ungeheuren, nie zuvor dagewesenen Art..“, usw. Im Anhang zeigt sich, dass sie das ganze hierarchische System von Meistern und Bodhisattvas, das Konzept der „Weißen Loge“ durchgängig von Bailey plagiiert, aber mit allerlei immer weiter geschraubten phantastischen Zutaten garniert, die die Peinlichkeit des Ganzen als trockene Ekstasen einer Hungerkünstlerin zeigen. Das ist etwas für Herz- Jesu- Anthroposophen, die damit sicherlich glücklich werden. So furchtbar exklusiv sind diese Schauungen allerdings nicht. Entweder schreibt Frau von Halle ab, oder sie hat Eingebungen aus der gleichen Quelle wie Alice A. Bailey.
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(1) R.S. Ga 254, Dornach 11.10.1915
(2) Hella Wiesberger, Rudolf Steiners esoterische Lehrtätigkeit, Dornach 1997
(3) R.S., Helsingfors, 11.4.1912, GA 158
(4) R.S. GA 162, S. 232
(5) R.S. GA 264, S. 246
(6) Judith von Halle, Rudolf Steiner Meister der Weissen Loge Zur okkulten Biographie, Dornach 2011