In Rudolf Steiners umfangreichen Werk finden sich viele Anregungen und Ausführungen, über die zumindest zu ahnen ist, in wie offener, vielfältiger und undogmatischer Weise der Zugang zu dem, was Rudolf Steiner „geistige Welt“ nannte, auch in seinem Sinne möglich ist. Steiner wirkt - wie stets- als Stichwortgeber und Hinweisschild- Bauer, dessen Anregungen man eben anschauen, ausbauen, und eventuell auf die eigene Art und Weise realisieren kann.
Der Zugang von der Mathematik - beziehungsweise von speziellen von Steiner genannten mathematischen Disziplinen - zur Wahrnehmung der eigenen, gebündelten, willentlich gehaltenen Aufmerksamkeit ist natürlich nicht selbstverständlich. Das innere Abstand- Nehmen des mathematischen Denkers zu den Inhalten seines Tuns stellt Steiner - im Sprachbild eines christlichen Mystikers- dar als einen Akt der kognitiven Selbstlosigkeit: Das willentlich Errungene - als Fähigkeit - „auf dem allgemeinen Altare der Menschenverbrüderung nieder (zu) legen“.*
Das von Steiner gemeinte und erst auf etwas blumige Art und Weise beschriebene Stadium des sich im Sinne dessen, was man zu Steiners Zeiten unter Differentialrechnung verstand, mathematisch- denkenden Bewegens in einer Abstraktion, nennt er (siehe das ganze, vielschichtige Zitat unten*) eine „wichtige Quelle für den Okkultismus“. Nun schlägt Steiner an dieser Stelle selbst die Brücke von dieser vollkommen nüchternen Variante dessen, was er unter Okkultismus verstand, zur von ihm selbst so bezeichneten „scheinbar trockensten Wissenschaft“. Wer sich als Wissenschaftler flüssig denkend- handelnd in seinem Metier bewegt, vom hohen Abstraktionsgrad bis hin zu konkreter sozialer Verantwortung, darf sich in diesem Verständnis Rudolf Steiners zumindest als idealer okkulter Aspirant betrachten- wenn nicht mehr.
Eine Anmerkung noch: So weit ich als Laie erkennen kann, hat sich die von Steiner so geschätzte, besonders abstrakte Differentialrechnung inzwischen entscheidend verändert: Die früher vollkommen abstrakten mathematischen Modelle sind inzwischen im Zentrum der Wirtschaft angekommen: Prognostik, Wahl- und künftiges Konsumenten- Verhalten, mathematische Finanzmarkt- Instrumente- das ist wohl die Richtung, in die sich dieses Mauerblümchen hin entwickelt hat.
Und dann noch eine Anmerkung: Wer sich die sehr umfangreiche Sammlung von Aufsätzen und Artikeln Rudolf Steiners in zeitgenössischen theosophischen Zeitschriften laden möchte, aus der hier zitiert wird, wird im Internet z.B. (Download) hier schnell fündig. Es ist, ab Seite 549, ein einigermaßen bizarrer Ort, denn Rudolf Steiner berichtet an dieser Stelle über seinen eigenen Beitrag bei einem Kongress, und beginnt so distanziert: „In der Abteilung «Philosophie» trug Dr. Rudolf Steiner über «Mathematik und Okkultismus» vor.“
Dann, als er auf Sphärenharmonien eingeht, wird er aber richtig warm, und uneindeutig er selbst- ich meine schon vom Sprachduktus her. Auch von der Größe dieser Perspektive her, die Steiner einzigartig macht. Hier versteckt sich die Größe zwischen den Zeilen, buchstäblich, in einem alten Zeitschriften- Wust. Zur seiner spezifisch mathematischen Mystik schreibt Steiner:
„Diese Sphärenmusik ist kein Phantasiegebilde; sie bildet für den Okkultisten wirkliches Erlebnis. Durch die Einverleibung der Mathesis in sein eigenes Wesen, durch die Durchdringung seines Astral- und Mentalkörpers mit dem intimen Sinne, der sich in den Zahlverhältnissen ausspricht, bereitet sich der Mensch vor, verborgene Welterscheinungen auf sich wirken zu lassen.“
Auch wenn Rudolf Steiner das in diese früh- theosophische Formel „verborgene Welterscheinungen“ packt, darf der frei flottierende mathematische Geist darunter wohl einfach die Entdeckung der Dynamik des Geistes selbst verstehen. Es kommt, so interpretiere ich Steiner jedenfalls, nichts von außen hinzu- die „Welterscheinung“ ist er selbst.
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*Rudolf Steiner: Aus GA 34. S. 550
"Aber es ist im ewigen Plane der Menschheits- Entwickelung gelegen, daß auch diese physische Wissenschaft den Zugang zur geistigen Welt finden kann. In dem Zeitalter der physischen Forschung ist die Mathematik bereichert worden durch Newtons und Leibnizens Analyse des Unendlichen, durch die Differential- und Integralrechnung. Wer nun nicht nur abstrakt zu verstehen, sondern innerlich zu erleben sucht, was ein Differential wirklich darstellt, der prägt sich ein sinnlichkeits- freies Anschauen ein. Denn im Differential wird die sinnliche Raumanschauung selbst im Symbol überwunden, das Erkennen des Menschen kann für Augenblicke rein mental werden.
Dem Hellseher offenbart sich das dadurch, daß die Gedankenform des Differentials nach außen offen ist, im Gegensatz zu den Gedankenformen, die der Mensch durch sinnliches Anschauen erhält. Diese sind nach außen geschlossen. So wird durch die Analysis des Unendlichen einer der Wege eröffnet, durch die sich die höheren Sinne des Menschen nach außen öffnen. Dem Okkultisten ist bekannt, was für ein Vorgang mit demjenigen der Chakras sich vollzieht, das zwischen den Augenbrauen sitzt, wenn er den Geist des Differentials in sich entwickelt. Ist nun der Mathematiker ein selbstloser Mensch, so kann er das, was er auf diese Art erringt, auf dem allgemeinen Altare der Menschenverbrüderung niederlegen. Und aus der scheinbar trockensten Wissenschaft kann eine wichtige Quelle für den Okkultismus werden."
Der Zugang von der Mathematik - beziehungsweise von speziellen von Steiner genannten mathematischen Disziplinen - zur Wahrnehmung der eigenen, gebündelten, willentlich gehaltenen Aufmerksamkeit ist natürlich nicht selbstverständlich. Das innere Abstand- Nehmen des mathematischen Denkers zu den Inhalten seines Tuns stellt Steiner - im Sprachbild eines christlichen Mystikers- dar als einen Akt der kognitiven Selbstlosigkeit: Das willentlich Errungene - als Fähigkeit - „auf dem allgemeinen Altare der Menschenverbrüderung nieder (zu) legen“.*
Das von Steiner gemeinte und erst auf etwas blumige Art und Weise beschriebene Stadium des sich im Sinne dessen, was man zu Steiners Zeiten unter Differentialrechnung verstand, mathematisch- denkenden Bewegens in einer Abstraktion, nennt er (siehe das ganze, vielschichtige Zitat unten*) eine „wichtige Quelle für den Okkultismus“. Nun schlägt Steiner an dieser Stelle selbst die Brücke von dieser vollkommen nüchternen Variante dessen, was er unter Okkultismus verstand, zur von ihm selbst so bezeichneten „scheinbar trockensten Wissenschaft“. Wer sich als Wissenschaftler flüssig denkend- handelnd in seinem Metier bewegt, vom hohen Abstraktionsgrad bis hin zu konkreter sozialer Verantwortung, darf sich in diesem Verständnis Rudolf Steiners zumindest als idealer okkulter Aspirant betrachten- wenn nicht mehr.
Eine Anmerkung noch: So weit ich als Laie erkennen kann, hat sich die von Steiner so geschätzte, besonders abstrakte Differentialrechnung inzwischen entscheidend verändert: Die früher vollkommen abstrakten mathematischen Modelle sind inzwischen im Zentrum der Wirtschaft angekommen: Prognostik, Wahl- und künftiges Konsumenten- Verhalten, mathematische Finanzmarkt- Instrumente- das ist wohl die Richtung, in die sich dieses Mauerblümchen hin entwickelt hat.
Und dann noch eine Anmerkung: Wer sich die sehr umfangreiche Sammlung von Aufsätzen und Artikeln Rudolf Steiners in zeitgenössischen theosophischen Zeitschriften laden möchte, aus der hier zitiert wird, wird im Internet z.B. (Download) hier schnell fündig. Es ist, ab Seite 549, ein einigermaßen bizarrer Ort, denn Rudolf Steiner berichtet an dieser Stelle über seinen eigenen Beitrag bei einem Kongress, und beginnt so distanziert: „In der Abteilung «Philosophie» trug Dr. Rudolf Steiner über «Mathematik und Okkultismus» vor.“
Dann, als er auf Sphärenharmonien eingeht, wird er aber richtig warm, und uneindeutig er selbst- ich meine schon vom Sprachduktus her. Auch von der Größe dieser Perspektive her, die Steiner einzigartig macht. Hier versteckt sich die Größe zwischen den Zeilen, buchstäblich, in einem alten Zeitschriften- Wust. Zur seiner spezifisch mathematischen Mystik schreibt Steiner:
„Diese Sphärenmusik ist kein Phantasiegebilde; sie bildet für den Okkultisten wirkliches Erlebnis. Durch die Einverleibung der Mathesis in sein eigenes Wesen, durch die Durchdringung seines Astral- und Mentalkörpers mit dem intimen Sinne, der sich in den Zahlverhältnissen ausspricht, bereitet sich der Mensch vor, verborgene Welterscheinungen auf sich wirken zu lassen.“
Auch wenn Rudolf Steiner das in diese früh- theosophische Formel „verborgene Welterscheinungen“ packt, darf der frei flottierende mathematische Geist darunter wohl einfach die Entdeckung der Dynamik des Geistes selbst verstehen. Es kommt, so interpretiere ich Steiner jedenfalls, nichts von außen hinzu- die „Welterscheinung“ ist er selbst.
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*Rudolf Steiner: Aus GA 34. S. 550
"Aber es ist im ewigen Plane der Menschheits- Entwickelung gelegen, daß auch diese physische Wissenschaft den Zugang zur geistigen Welt finden kann. In dem Zeitalter der physischen Forschung ist die Mathematik bereichert worden durch Newtons und Leibnizens Analyse des Unendlichen, durch die Differential- und Integralrechnung. Wer nun nicht nur abstrakt zu verstehen, sondern innerlich zu erleben sucht, was ein Differential wirklich darstellt, der prägt sich ein sinnlichkeits- freies Anschauen ein. Denn im Differential wird die sinnliche Raumanschauung selbst im Symbol überwunden, das Erkennen des Menschen kann für Augenblicke rein mental werden.
Dem Hellseher offenbart sich das dadurch, daß die Gedankenform des Differentials nach außen offen ist, im Gegensatz zu den Gedankenformen, die der Mensch durch sinnliches Anschauen erhält. Diese sind nach außen geschlossen. So wird durch die Analysis des Unendlichen einer der Wege eröffnet, durch die sich die höheren Sinne des Menschen nach außen öffnen. Dem Okkultisten ist bekannt, was für ein Vorgang mit demjenigen der Chakras sich vollzieht, das zwischen den Augenbrauen sitzt, wenn er den Geist des Differentials in sich entwickelt. Ist nun der Mathematiker ein selbstloser Mensch, so kann er das, was er auf diese Art erringt, auf dem allgemeinen Altare der Menschenverbrüderung niederlegen. Und aus der scheinbar trockensten Wissenschaft kann eine wichtige Quelle für den Okkultismus werden."