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Der Blick von außen

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Ingrid Haselberger

 

In seiner Rede anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des DeutschenBuchhandels sagte Navid Kermani:

Ich würde jedem Muslim widersprechen, dem angesichts des „Islamischen Staates“ nur die Floskel einfällt, daß die Gewalt nichts mit dem Islam zu tun habe.
Aber ein Christ, ein christlicher Priester, der damit rechnen muß, von Andersgläubigen vertrieben, gedemütigt, verschleppt oder getötet zu werden, und dennoch darauf beharrt, diesen anderen Glauben zu rechtfertigen – ein solcher Gottesdiener legt eine Größe an den Tag, die ich sonst nur aus den Viten der Heiligen kenne.
Jemand wie ich kann den Islam nicht auf diese Weise verteidigen. Er darfes nicht.
Die Liebe zum Eigenen – zur eigenen Kultur wie zum eigenen Land, und genauso zur eigenen Person – erweist sich in der Selbstkritik.
Die Liebe zum Anderen – zu einer anderen Person, einer anderen Kultur und selbst zu einer anderen Religion – kann viel schwärmerischer, sie kann vorbehaltlos sein.
Richtig: die Liebe zum Anderen setzt die Liebe zu sich selbst voraus. Aber verliebt verliebt wie es Pater Paolo und Pater Jacques in den Islam sind – verliebt kann man nur in den Anderen sein.
Das Thema klingt auch an in diesem Gespräch der Süddeutschen Zeitung mit Kermani und seinem katholischen Freund, dem Schriftsteller Martin Mosebach. 
 
Liebe Deinen Nächsten, gerade auch dann, wenn er Dir feindlich gegenübersteht... ich weigere mich, in die Falle des Inklusivismus zu gehen, und bezeichne Navid Kermanis Einstellung daher nicht als „christlich“, sondern als zutiefst menschlich.
Sie erinnert mich an einen Satz, den Jens Peter Jacobsen den Atheisten Niels Lynhe sagen läßt:
»Denke nicht daran, wer recht hat, auch nicht an die Größe des Unrechts; Du sollst nicht gerecht sein gegen ihn; denn wohin kämen die Besten von uns mit der Gerechtigkeit; nein; aber denke an ihn, wie er die Stunde war, da du ihn am tiefsten liebtest.«

http://www.amazon.de/Ungl%C3%A4ubiges-Staunen-%C3%9Cber-das-Christentum-ebook/dp/B014S1LA5U/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1454457647&sr=1-1&keywords=ungl%C3%A4ubiges+staunenNavid Kermani blendet zwar das, was ihm als Unrecht erscheint,niemals aus, aber es ist dennoch (oder vielleicht gerade deswegen) ein verliebter Blick von außen, den er in seinem Buch Ungläubiges Staunen. Über das Christentum versucht. Er nähert sich dem Christentumüber die Kunst. Über die Gemälde und Skulpturen von Botticelli, Caravaggio, El Greco, Dürer, Giotto, Rembrandt, Leonardo da Vinci,um nur einige zu nennen. Auch die Werke anonymer Meister sind darunter, und sogar das Kölner Domfenster von Gerhard Richternimmt er zum Anlaß für seine unkonventionellen Betrachtungen.
Es ist ein sehr schönes Buch, das weder als theologische noch als kunstgeschichtliche Dissertation daherkommt, sondern sehr subjektive und oft überraschende Blickwinkel eröffnet und immer wieder nachdenklich macht – und, gewissermaßen als Zugabe, auch deutlich erkennen läßt, wie die Religion und die Kultur, in der Kermani aufgewachsen ist, ihn selbst geprägt haben. 
 
Hier einige kurze Auszüge:

In Rom:
Seinem Buch hat der Freund ein Zitat des zurückgetretenen Papstes vorangestellt, das nichts Neues sagt, doch immer wieder neu zu sagen ist: «Große Dinge werden durch die Wiederholung nicht langweilig. Nur das Belanglose braucht die Abwechslung und muß schell durch anderes ersetzt werden. Das Große wird größer, indem wir es wiederholen, und wir selbst werden reicher dabei und werden still und werden frei.» In Rom wurde ich ohnehin neidisch auf das Christentum, neidisch selbst auf einen Papst, der auch solche Sätze sagt, und wenn ich den Gedanken der Inkarnation in nur einem Menschen nicht für grundverkehrt hielte und speziell die katholische Vorstellungswelt mir nicht so heidnisch vorkäme, mich die Ordnung nicht abstieße, die alle und eben auch die menschlichen Verhältnisse hierarchisiert, die Demonstration von Macht in jeder katholischen Kirche, dazu die bis in den Blutrausch reichende Leidensvergötterung, womöglich hätte ich mich seinen Praktiken nach und nach angeschlossen, hätte die lateinische Messe besucht und wäre mit Pausen in den Singsang eingefallen, wenngleich anfangs mehr aus ästhetischen Gründen, vielleicht auch aus Faszination für die beispiellose Kontinuität einer Institution, die aus Gottes Angehörigen eine Gemeinschaft bildet. Nur ihr ist sie auf Dauer gelungen. Wer weiß, vielleicht wäre auch mir eines Tages das Wunder erschienen, das dieses prächtigste aller Himmelsgebäude hervorgebracht hat. So halte ich die Möglichkeit zwar weiterhin für falsch – aber ich erkenne, mehr noch: spüre, warum das Christentum eine Möglichkeit ist.

Zur spätantiken Holztafel Maria Advocata im Kloster Sata Maria del Rosario (Rom):
Die großen blauen Augen schauen dich an, als hätte der viel kleinere Mund anfangs noch wie der Mystiker Halladsch gerufen: Rettet mich, Leute, rettet mich vor Gott. Das hat sie auch, Hilfe gerufen, anfangs, als sie es erfuhr, ich bin mir sicher. […]
Nur das Unermeßliche selbst hat nicht einmal diese Jungfrau erlebt. Würde man es zeigen, wäre es keine Ikone mehr. Die Leute würden weglaufen vor Angst. Wenn es eins ist, wäre das Wunder der katholischen Kirche, daß sie es nicht tun, daß sie nicht wegrennen. Aus mir unerklärlichen Gründen zelebrieren sie gerade das Abstoßendste, das zugegeben das Wahrhaftigste sein mag, aus Sadismus, wenn man es böse deutete, oder Wirklichkeitssinn, was es hoffentlich ist. Nur Maria halten sich die Katholiken rein, und das begreife ich so gut. Sie malen Madonnen, um sich zu trösten, weil es ohne Trost nicht geht, malen Bilder eines makellosen Gesichts. Jungfräulichkeit bedeutet für mich nichts anderes: rein – und damit immanent gesprochen: gereinigt – von der Erfahrung.

Zur Begegnung Joachims und Annas an der Goldenen Pforte von Giotto di Bondone (Padua):
Endlich ahne ich, warum mir die Szene ans Herz ging, die Giotto ganz oben in einer Ecke der Cappella degli Scrovegni beinah versteckt hat. Es ist nicht die Zärtlichkeit allein, der absolut unerwartete, in der europäischen Malerei wohl bis in die Moderne einzigartig gebliebene und zumal für eine Heilsgeschichte unerhörte Kuß auf den Mund, den sich zwei Liebende in aller Öffentlichkeit geben. Es ist auch nicht nur das Alter der beiden, Joachims Bart schon beinah weiß, auch in Annas Haaren mehr graue als braune Strähnen und um ihre Augen Falten, die man vom Boden der Kapelle noch erkennt – selbst im heutigen Westen Europas, in dem sich alle alles allerorten herauszunehmen scheinen, würden zwei ungeniert knutschende Alte, wenn schon nicht Anstoß erregen, doch verwunderte, mißfällige Blicke auf sich ziehen. Nein, was mich mit solcher Wärme erfüllte, daß ich am liebsten der Frau um den Hals gefallen wäre, die seit einer gefühlten Ewigkeit meine Frau ist, war auch das Ungelenke der Berührung. Joachim und Anna sind keine geübten Knutscher, das sieht man sofort. Eigentlich stehen sie zu weit voneinander entfernt, ihre Füße mindestens einen Meter auseinander, um sich bequem zu küssen. Mögen die Gewänder ihre Bewegungen bedecken, müssen sie sich doch weit nach vorne beugen, damit sich die Münder berühren. […]
Was ich am wenigsten mit dem Christentum verband, war Lust. Ich hatte gute Menschen vor Augen, wenn ich mir Christen vorstellte, aber nicht schöne; vernünftige Predigten, aber sterbenslangweilige; Nächstenliebe, aber nicht Sex. Schließlich bin ich im protestantischen Siegen geboren und nicht im katholischen Rom. […]
Allein, ich merkte, daß mein Widerwille schwand. Das lag weniger daran, daß ich über die Jahre so viele andere Gesichter des Christentums sah, herrlich gemalte zumal. Es lag vor allem daran, glaube ich, daß der Hedonismus zum Heiligsten der kapitalistischen Propaganda wurde und die Selbstentfaltung zur Ideologie, die jede Entsagung unter Verdacht stellt. Was die Religion nicht und nicht einmal Siegen vermochten, nämlich Begierde und Wollust, Verführung und Nacktheit mir zu verleiden, gelang erst der alltäglich gewordenen Pornographie. […]
Und dann entdecke ich den Kuß, den Giotto ganz oben in einer Ecke der Cappella degli Scrovegni beinah versteckt hat, und dachte an meine ungelenken Siegener. Und ich dachte, daß ich ihnen Unrecht getan habe, als ich ihnen die Lust absprach. Wie gern hätte ich es gesehen, daß sie sich wie Joachim und Anna küßten.

Und schließlich, innerhalb von Kermanis Blick von außen auf das Christentum, ein christlicher Blick von außen auf den Islam – zur Chartula des Heiligen Franziskus, Sacro Convento, Assisi:
Franziskus allein widerstand. Während die Christenheit, damit auch alles christliche Schrifttum, von der Ideologie des Heiligen Krieges erfüllt war, ist von ihm keine einzige positive Erwähnung, gar Unterstützung des Kreuzzugs bekannt. Während die Bulle Mohammed einen «Sohn des Verderbens» nennt und den Islam mit dem apokalyptischen Titel des «Tieres» bedenkt, ist von Franziskus nicht eine feindselige oder auch nur überhebliche Bemerkung über die Sarazenen überliefert. Während die christliche Welt allein zu Franziskus' Lebzeiten nicht weniger als drei Kreuzzüge gegen die Sarazenen führte, marschierte er selbst ohne Waffen, ohne jeden Schutz, auch ohne Geld oder Besitz mit nur einem, ebenfalls barfüßigen, Bruder ins Lager des Sultans al-Malik-al-Kamil, des Feindes und Antichristen, und rief in offenbarer Kenntnis des islamischen Salam alaikum: «Der Herr gebe euch Frieden.» Der Entschluß, während des Fünften Kreuzzugs auf Friedensmission in den Orient zu reisen, ist auch deshalb so bemerkenswert, weil Franziskus kein historisches Vorbild hatte – außer, in gewisser Weise, das Evangelium selbst. Franz allein war die ganze Friedensbewegung.
[…] Soweit ging die religiöse Überhöhung des Krieges, daß der Papst das Friedensabkommen verwarf, das Friedrich II. am 18. Februar 1229 in Jaffa mit al-Malik schloß […]. Die Begründung: Durch die kampflose Befreiung der Heiligen Stätten wären die Christen der Möglichkeit beraubt worden, das Heil durch die Aufopferung ihres Lebens zu erwerben. So unmenschlich, auch entschieden unchristlich man den Gedanken heute finden mag, muß man ihn religiös dennoch ernst nehmen – so ernst wie die religiöse Rhetorik des «Islamischen Staates» –, damit die Kühnheit, Originalität und theologische Brisanz der Mission erkennbar wird, die Franziskus unternahm. Der, mit dem sich Christen heute wie mit keinem anderen Heiligen identifizieren, stand praktisch allein gegen seine Zeit, stand bis hin zur offenen Mißachtung des Kirchenrechts gegen ein Christentum, wie er es links und rechts vorfand. Und sollte allein bleiben […]
Es half nicht, daß Franziskus bis zum Ende auf der Universalität der christlichen Liebe bestand. «Wir waren ungebildet und jedermann untergeordnet», erinnerte er in seinem Testament an das Gebot, jedermann untertänig zu sein, also eben nicht nur den Angehörigen des eigenen Glaubens, und erklärte die Erwiderung des Salam alaikum mit göttlicher Eingebung: «Der Herr hat mir geoffenbart, daß wir als Gruß sagen sollen: Der Herr gebe dir den Frieden.» Schon bald nach seinem Tod taten sich auch Franziskaner als Kreuzzugsprediger hervor und waren die Sarazenen in den Hagiographien ihres Ordensgründers die «rohen Barbaren» und «gefühllosen Herzen», von denen Franziskus an keiner Stelle gesprochen hatte.
[…]
Bei einer franziskanischen Historikerin, Schwester Kathleen A. Warren, fand ich den Islam […] zärtlicher beschrieben, als ich mich wohl je trauen werde: «Er [gemeint ist Franziskus; I.H.] dürfte von ihrem Gott gehört haben, dem Einen und Einzigen, dem Gott Abrahams, Moses und Jesu, dessen wichtigste Eigenschaft die Barmherzigkeit ist. […] Er hörte von der Ehrfurcht, die sie für den Namen Gottes hatten. Er hörte von der Anwesenheit Gottes auf Erden in Gottes Wort, dem Heiligen Koran. Er erlebte die Ehrfucht vor diesem Wort in ihrem aufmerksamen Hören, im auswendigen Nachsprechen auf ihren Zungen, in den Kalligraphien, die allein die Moscheen schmückten. Er erlebte die Worte als eine lebendige Gegenwart unter ihnen. Er hörte und sah fünfmal täglich ihr bedeutungsreiches und ergreifendes Gebet, das von dem Muezzin angekündigt und mit der rituellen Reinigung vorbereitet wurde. Dies war ein Gebet des Herzens, das den ganzen Körper einbezog. Es erkannte den Kampf an, den es bedeutet, sein eigenes Herz Gott zuzuwenden, und die fortwährende Versuchung, sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen. […] Es feierte den Schöpfer, dem wir alles Gute in der Welt verdanken, und hielt die Geschöpfe dazu an, ihre Dankbarkeit nicht nur in Worten, sondern ebenso in Taten zu erweisen […] In seiner mystischen Form versicherte sich das Gebet der Verwurzelung des Menschen in Gottes Liebe […] Denn Liebe ist der Weg und das Mittel und das Ziel bis hin zur radikalen Verwandlung, so daß selbst der Feind zum Freund werden kann. […] Was immer andere über die Sarazenen dachten, Franziskus lernte sie als gläubige, betende, vom Frieden erfüllte Menschen kennen.»
Ja, im Herbst 2014 kommt es mir selbst unwirklich vor, was ich über den Islam lese, während ich mich mit dem Leben des heiligen Franziskus beschäftige. Denn gleichzeitig lese ich auch die Zeitungen, scrolle abends im Internet die Schlagzeilen herunter. So wie in den Büchern über die Kreuzzüge das Christentum immer nur in Verbindung mit etwas Schrecklichem steht, erschrecke ich bei jeder Zeitungslektüre über den Islam, heute morgen erst wieder die Nachrichten von der Enthauptung einer weiteren amerikanischen Geisel oder von Säureattentaten auf junge, nicht genügend verschleierte Frauen in Isfahan. Aber die Zeit damals hat auch einen Franziskus hervorgebracht, und die Zeit heute wird ebenfalls Heilige hervorbringen, mit denen sich die späteren Muslime, so Gott will, identifizieren. «Wenn man euch grüßt mit einem Gruße, so grüßt darauf mit einem schöneren oder gebet den gleichen wieder.» (Sure 4,86)

Und die Sonne geht auf.....

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Und die Sonne geht auf,
 und die Erde geht unter,
 ganz oben steht der Mond.
 Und er schaut jeden Tag auf die Erde herunter;
von seinem Blick bleibt nichts verschont.
R.S.

Ich möchte Ihnen alle eine schöne Karnevalszeit wünschen, aus privaten Gründen muss ich wieder in die USA zu den Freimaurern und auch zu Candyman. the sweetest place in the Kosher World. Meine Belohnung abholen. Die Asche meines Vaters. Kommentare werde ich auf unbestimmte Zeit nicht mehr beantworten.
Herzlichst Ihr
Herrmann Finkelsteen ( Friedensforscher und Lichtexperte der Universität. Hamasheyk, Uribistan)


Zweikommafünf Methoden, um sich bereit zu machen, an Hellseher zu glauben

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Bildschirmfoto Quelle
Ich hatte wirklich an nichts Böses gedacht, als ich mir mal für ordentliches Geld eines der zehn oder mehr „Atlantis“- Bücher von Andreas Delor kaufte. Delor gibt in seinem ersten Band "Atlantis"* an, mal von Jens Heisterkamp lektoriert worden zu sein. Das muss lange her sein.

Man sieht es dem Buch auch nicht an, weder formal noch inhaltlich. Ich hatte mir eine den Eiszeit- Zeitraum betrachtende Material- Sammlung vorgestellt, aber der Untertitel, den ich zu spät las, verrät dann schon, wohin der Hase läuft: ..„nach neuesten hellsichtigen und wissenschaftlichen Quellen“. Ich kann Ihnen versichern, die wissenschaftlichen Quellen sind rar, die befragten medial Veranlagten und ihre ihnen heimleuchtenden Beratungs- Geister- Callcenter, aber auch beliebige dubiose Internetquellen und Hellseher überragen bei weitem- vor allem die bunte Truppe, die auch bei Wolfgang Weirauchs Flensburger Heften** das Bodenpersonal stellt.

Delor jedenfalls möchte sich schon in der Einleitung „neben“ den „offiziellen Wissenschafts- Betrieb“ stellen- was auch immer er sich unter einem solchem Betrieb vorstellen mag- nämlich in eine „gottseidank immer noch ergebnisoffene Wissenschafts- Szene“ (S.19f). Er verspricht, „Vieles exakt beweisen“ zu können, was „die Schulwissenschaft“ verneine- gerade mit dem Beistand diverser Hellseher- Medien. Die Gefahr, dass ihm der Vorwurf gemacht werde, dass seine Hellseher ihm nach seinem Mund reden könnten, erkennt er zwar selbst (S. 22), sieht aber selbst in den offenkundigen Widersprüchen in deren Aussagen nur „Unschärfen“. Notfalls stehen - zwischen Erich von Däniken, einseitig interpretierten Volksmythen und UFO- Spekulationen immer beliebige Quellen zu Verfügung, um das schwammige Resultat dieser Art von Atlantis- Forschung noch weiter zu verwässern. Dort, wo es Delor passend erscheint, wird auch Rudolf Steiner benutzt und eingebaut.

Die bauernschlaue Methodik der diversen Hellseher besteht anfangs wirklich darin, das Halbwissen und die spekulative Ader Herrn Delors auszunutzen. Zunächst einmal gilt es, die vorgefasste Meinung des Fragenden zu bestätigen:

„AD: Waren das aber auch manchmal wirklich Extra- Terrestrische?
Verena: Ja. Es waren auch manchmal wirklich Extra- Terrestrische.“ (S.98)

Im Fall von Andreas Delor bedeutet das für professionelle Wahrsager eine Gratwanderung, ihn nicht vor den Kopf zu stossen, wenn seine Fragen sich einerseits UFOs oder angeblichen atlantischen Rassen zuwenden, die er z.B. „Frank-Zappas“ nennt, andererseits aber darauf beharrt, dass er stets „ergebnisoffen“ argumentiere. Rationaler als Delor zu sein wird keinem Hellseher dieser Welt schwer fallen, bei dessen ganz und gar nicht offenen Fragestellung:

AD: Konnten die alten megalithischen und zyklopischen Baumeister die gewaltigen Steinblöcke in die Leichte heben?
Hilo: JA, sie konnten ihnen ihre eigenen Leichte- Kräfte (..) verleihen und sie so mühelos z.B. die Pyramiden hochheben.“ (S. 53)

Selbstverständlich haben sowohl der zu weiten Teilen des Buches so Fragende als auch die ihn meist bestätigenden Quellen eine gewisse Grundlage. Beide Seiten besitzen den Informationsstand ihrer Zeit; sie lesen zumindest populärwissenschaftliche Literatur zum Thema Eiszeit, Genetik, Geologie. Deshalb stimmt ein Grundgerüst von zeitlichen Abläufen und genetischen und geologischen Fakten, Stand etwa 2012. Wenn es dann aber passt, werden auch ein paar Supervulkan- Ausbrüche erfunden, um zu erklären, warum die angebliche letzte Insel der Atlantis verschlungen worden sein soll.

Ansonsten gilt Methode 2: Das Phantastische stets mit Plausibilität vorbringen, vor allem aber gewürzt mit übergenauen Details wie Jahreszahlen, Ort und Name des Stamms, benutzte Materialien und Gebräuche:
Hilo: Es waren die Kuschiten, welche als erstes Volk der Erde um 12900 v. Chr. die Schifffahrt auf der Bahama- Bank erfanden, und zwar auf Schilf- Schiffen..“ (S. 220)

Erstens ist das ein Bluff (allerdings immer der gleiche), zweitens wüsste das nicht einmal das Universitäts- Team, falls es gerade tatsächlich an dieser spezifischen Frage arbeiten würde - drittens: Who cares? Wer wird schon einzeln überprüfen können, was in solcher Breite und Detailliertheit behauptet wird? Und wenn es denn jemand auf sich nehmen würde: Wer würde das wissen wollen? Eben. Nichts in der Schwebe halten, immer klare Kante; das ist die Devise in diesem Gewerbe.

Falls doch einmal zwei Hellseher vollkommen widersprüchliche Aussagen machen sollten, reagiert Herr Delor zunächst pikiert, schaltet dann aber selbstständig um und behauptet, es seien lediglich zwei Blickrichtungen auf einen gemeinsamen Aspekt, den er dann frei dazu erfindet. Beim letzten Zitat Hilos z.B. war Delor nicht gerade amüsiert- er nennt es „ein bisschen missverständlich, denn andererseits betont Hilo auch, dass zur gleichen Zeit andere Völker andere Arten von Schiffen entwickelten!“ Das würde der Dramatik von Delors Untergang der letzten Atlantis- Insel die Würze nehmen. Also fragt er nach:
AD: Wer erfand um 12900 die Schilf- Schifffahrt, mehr die Hünen oder mehr die Kuschiten?“
Hilo: Mehr die Kuschiten.
So ist Delor zufrieden gestellt.

Im Laufe des Buchs mehren sich Begriffe und Ansichten, die keinerlei erkennbaren Zusammenhang haben - Namen von offensichtlich frei erfundenen Volksgruppen, Urvölkern und Inseln werden auf irgend etwas bezogen, Landkarten gemalt, schließlich auch „fliegende Schilf- Fahrzeuge“ (S. 221) eingeführt. Das ergibt einen Brei, der vielleicht noch stark bekifft nachvollziehbar und verdaulich erscheint.

Methode 2.5 für angehende Hellseher: Die Varoufakis- Methode. Einem naiven, aber penetrant nachfragenden Atlantis- Forscher gegenüber einfach mal unvermittelt aufstehen, den Interviewer anstarren und NEIN! schreien. Verwirrt ungemein, reinigt aber auch die Luft. Der Interviewer nimmt einen danach ernster.

„AD: Haben sie noch andere Kolonien in der Welt?
Hilo: NEIN.“ (S. 225)

Aber Delor wäre nicht Delor, wenn er solch ein NEIN einfach hinnehmen würde. Er findet es „etwas missverständlich dargestellt“ und macht einfach weiter mit seinem Text: „Denn vom Mittelmeergebiet (Marokko) begründen sie eine ganze Reihe weiterer Kolonien: Israel- Jordanien-Saudiarabien, Zweistromland, Äthiopien und - Indien!“ So geht der ganze Unsinn weiter- ob belegt oder nicht belegt, ob hellgesehen oder nicht, ist vollkommen egal. Auf Seite 253 habe ich jeden weiteren Versuch, irgend etwas Relevantes in diesem Wust zu finden, aufgegeben.

Dieses Buch ist nicht nur vergeudetes Geld und vertane Zeit. Es scheint auch so eine Aufweichung jeglicher Faktizität- eine Parallele zu den spießigen Pegida- Demonstranten, die seriöse Recherche für „Lügenpresse“ halten. In diesem Buch (vermutlich auch in den folgenden) wird eine komplette Parallel- Wirklichkeit konstruiert, die man nach Belieben und ohne Widerspruch auswalzen oder umdeuten kann. Ein wirres Buch für wirre Menschen, eine weitere Erosion des anthroposophischen Anstands.

__________________
*Andreas Delor, Atlantis nach neuesten hellsichtigen und wissenschaftlichen Quellen Band 1, Schloss Hamborn 2012
**Flensburger Hefte http://www.flensburgerhefte.de/



Der putineske Geistesforscher. Ein Comix

The Putinesque Spiritual Scientist. Translation by Tom Mellett

Der Blick von außen II

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Ingrid Haselberger 


»Die Liebe zum Eigenen – ob es nun die eigene Kultur, Religion oder auch die eigene Person ist – erweist sich in der Kritik. Die Liebe zum anderen kann viel rückhaltloser sein«, sagt Navid Kermani, und macht uns bewußt, wie notwendig es heutzutage ist, daß immer mehr Menschen den liebenden Blick von außenwagen.

Lesley Hazleton ist ein solcher Mensch.
Als Kind träumte sie davon, Rabbi zu werden. Oder vielleicht auch – als einzige jüdische Schülerin in einem katholischen Konvent – Nonne.
Dann studierte sie Psychologie, lebte 13 Jahre lang in Jerusalem, um für das Time-Magazin zu berichten, schrieb etliche Reportagen über den Mittleren Osten und landete schließlich in Seattle, wo sie seit Jahrenin einem Hausboot lebt.

Lesley Hazleton bezeichnet sich selbst als agnostisch, doch »nonetheless very much in the Jewish tradition, not merely by an accident of birth«. Sie ist »fascinated by the vast and often terrifying arena in which politics and religion intersect«, bloggt seit 2010 als accidental theologist, und ihr neues Buch, das in einigen Wochen erscheinen wird, trägt den Titel Agnostic: A Spirited Manifesto.

Wie kam jemand wie sie auf den Gedanken, eine Geschichte des Islam, und danach auch noch eine Biographie des Propheten Mohammed zu schreiben?

In einem bemerkenswerten Vortrag gibt sie ihre Antwort:

»How not? We are talking about one of the most influential figures of all times. A man who radically changed his world and is still changing ours. So how can so many of us know so little about him? –How come just the idea of writing about him seems to be fraught with tension?«
(»Wie nicht? Wir reden hier über eine der einflußreichsten Persönlichkeiten aller Zeiten. Einen Mann, der seine Welt radikal veränderte, der immer noch unsere Welt verändert. Wie kann es sein, daß so viele von uns so wenig über ihn wissen? – Wie kommt es, daß allein schon der Gedanke, über ihn zu schreiben, so konfliktträchtig erscheint?«)

Also belädt sie ihr Hausboot mit einer Menge von Büchern (worauf es deutlich tiefer im Wasser liegt als zuvor), darunter die vielen Bände der beiden ältesten Mohammed-Biographien von Muhammad ibn-Ishaq und Abu-Jafar al-Tabari, fünf unterschiedliche Koran-Übersetzungen und die arabische Originalfassung – und beginnt zu recherchieren...

Natürlich kann ich nicht wirklich beurteilen, ob Lesley Hazleton ein in allen Details „richtiges“ Bild vermittelt von dem, was damals in Mekka und Medina geschah, und schließlich in der gesamten arabischen Welt. Sie erhebt auch gar nicht den Anspruch auf die Verkündung eindeutiger und letztgültiger Wahrheiten.
Wer gut über historische Persönlichkeiten schreiben will, davon ist sie überzeugt, braucht Empathie und Vorstellungsgabe (»imagination«). Dabei geht es nicht um »spinning tales out of thin air, but taking what is known and examining it in the full context of time and place, following the strands of the story until they begin to intertwine and establish a thick braid of reality.«

Und so leseich Lesley Hazletons Büchernicht als, aber wieRomane – sie lassen das eher vage (und in letzter Zeit durchaus nicht immer „freundliche“) Bild verblassen, das ich bisher vom Islam in mir getragen habe, und stellen ein ganz anderes an seine Stelle, in klaren, leuchtenden Farben, deutlicher, detailreicher, sinnvoller – und vor allem: menschlicher.

Den Schluß ihres Vortrags habe ich mitgeschrieben:
»One thing I knew from the beginning, however: If I was to do justice to this remarkable story, if I was to bring it alive on the page – it had to be written in good faith.
Now I do realize there might be a certain irony in an agnostic standing here talking about faith.
But there has been so much bad faith, in every sense of the term – and we have to get beyond it.
Allof us.
Whether we are secular or religious, theist or atheist or anywhere in between: we are all impacted by the words and actions of extremists.
What happens in one tiny corner of the world now reverberates globally.
But whether we live in Teheran or in Tel Aviv, in New York or in New Delhi – we do have a choice: we can refuse.

Refuse, that is, to allow ourselves to be led by anger and suspicion.
Refuse to allow ourselves to be manipulated by extremists of all stripes.
Refuse their narrow vision, their comic-book distortions, their miserably small minds.

We have to reclaim the narrative. The fullnarrative.
Beyond stereotypes, beyond snap-judgements – beyond headscarfs.

Just as we need to see Muhammad whole, so we need to start seeing each other whole.
In good faith.

Thank you.«

(»Eines wußte ich von Anfang an: Wenn ich dieser bemerkenswerten Geschichte gerecht werden, wenn ich sie lebendig zu Papier bringen wollte – dann mußte ich sie in gutem Glauben schreiben.

Mir ist bewußt, daß eine gewisse Ironie darin liegt, daß eine Agnostikerin hier vor Ihnen steht und vom Glauben spricht.
Aber es hat soviel bösen Glauben gegeben, in jedem Sinn dieses Begriffes – und wir müssen darüber hinaus gelangen.
Und zwar wir alle.
Ob wir nun säkular oder religiös sind, gottgläubig oder atheistisch, oder irgendetwas dazwischen: wir alle sind betroffen von den Worten und Taten der Extremisten.
Was in einer winzigen Ecke der Welt geschieht, schlägt jetzt globale Wellen.
Aber ob wir nun in Teheran leben oder in Tel Aviv, in New York oder in New Delhi – wir haben eine Wahl: wir können zurückweisen.

Es zurückweisen, uns von Ärger und Argwohn lenken zu lassen. 
Es zurückweisen, uns von Extremisten aller Couleurs manipulieren zu lassen.
Ihren engen Blick zurückweisen, ihre Comic-artigen Verzerrungen, ihre armselig kleinen Geister.

Wir müssen die Geschichte zurückverlangen. Die ganze Geschichte.
Jenseits von Stereotypen, jenseits von Vorurteilen – jenseits von Kopftüchern.

So wie wir Mohammed als Ganzes sehen müssen, so müssen wir auch damit beginnen, einander ganz zu sehen.
In gutem Glauben.

Ich danke Ihnen.«)

––––––––––––

http://www.amazon.de/After-Prophet-Story-Shia-Sunni-Split/dp/0385523947/ref=tmm_pap_title_0?_encoding=UTF8&qid=&sr=
http://www.amazon.de/The-First-Muslim-Muhammad-English-ebook/dp/B00BM9QDAO/ref=dp_kinw_strp_1 

Lesley Hazleton:  
After the Prophet: The Epic Story of the Shia-Sunni Split 
The First Muslim: The Story of Muhammad

Individuation und Reformation

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Ingrid Haselberger


In seinem neuen waldorfblog-Artikel Anthroposophische Reformation II, oder: Bis zur Unkenntlichkeit… und noch viel weiter charakterisiert Ansgar Martins den Egoistenblog als »vermutlich die informativste Diskussionsplattform zur Anthroposophie im deutschsprachigen Internet«. Martins ordnet den Blog der »liberal-anthroposophischen Spielart zu […], was nicht heißt, dass dort Anthroposophie light betrieben würde«. Als Beispiel für die von ihm beobachteten »ganz konkreten Neujustierungen« führt er Michaels Artikel über die Atlantis-Bücher von Andreas Delor an:
»Interessanterweise werden darin zwar Delors Allianzen mit jüngerer esoterischer “Atlantisforschung” demontiert. In den Kommentaren gibt Eggert jedoch eine ganz eigene Variante des anthroposophischen Atlantismythos preis. An ihr lässt sich studieren, wie sich Eggerts Kritik am breiten Spektrum des anthroposophischen Aberglaubens mit seinen eigenen esoterischen Überzeugungen vermittelt. Das sei hier nicht festgestellt, um sich darüber lustig zu machen, sondern weil sich daran wiederum die modernisierende Transformation theosophisch-anthroposophischer Themenkomplexe insgesamt griffig illustrieren lässt.«
Martins bezieht sich damit auf diesen Kommentar Michaels und meint anschließend, das mache deutlich, »wie sich Anthroposophie durch relativ geringfügige Umschreibungen von Steiners Evolutionsschilderungen aktualisiert.«
Als weitere Beispiele für die von ihm konstatierte „Reformation II“ führt Ansgar Martins Wolfgang Schad und Christian Clement an, und beschäftigt sich dann eingehend vor allem mit letzterem.

Ich finde das sehr interessant, auch vor dem Hintergrund dessen, was Jostein Sæther in seinem Buch Weisheit wahrnehmen  beschreibt: die Individuation der Anthroposophie als Voraussetzung für deren Kulmination.
„Reformation“ also, auf dem Wege vieler einzelner Individuationen - - - Ansgar Martins spricht gar von einer Reformation »bis zur Unkenntlichkeit«.

Für mich erhebt sich nun die Frage, ob Anthroposophie trotz vieler ganz unterschiedlicher Individuationen, in ihnen, „kenntlich“ bleiben kann – und wenn ja: woran.
Es ist gewissermaßen die Frage nach der Essenz der Anthroposophie.

Ich möchte diese Frage an die Leser weitergeben: was ist es, das für Euch die Anthroposophie ausmacht? Worin unterscheidet sich, Eurer Ansicht nach, die „anthroposophische“ Anschauungsart, und daraus folgend eine „anthroposophische“ Anschauung, von einer nicht anthroposophischen?

Über Antworten würde ich mich freuen. 
Aber vor allem geht es mir um die Frage– ganz im Sinne dessen, was Rainer Maria Rilke 1903 an Franz Xaver Kappus schrieb:
»[…] ich möchte Sie, so gut ich es kann, bitten, […] Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in Ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. […] es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.«


 

Die Redlichkeit des eigenen anthroposophischen Anspruchs

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Dass der Mensch nicht nur die Welt, sondern auch sich selbst subjektiv wahrnimmt, konstatierte Rudolf Steiner in „Die Welt der Sinne“*: "Zum Zuschauer seiner selbst war der Mensch bestimmt, nicht zum In-sich-Erleben." 

Zum Zuschauer muss sich der Mensch des 21. Jahrhunderts nicht erst machen, da die Fähigkeit dazu heute zur Sozialisation gehört. Dieser Zuschauer begibt sich in eine Position unabhängiger Betrachtung der eigenen Einseitigkeiten und Beschönigungen, der selektierten Erinnerungen, der Selbstbestätigung auf Kosten Anderer, und dann der wuchernden Gefühligkeiten, der Identifikationen in Positionierungen, Berufen, Idealen.

Natürlich ist es notwendig, als ganzer Mensch in seine Aufgaben hinein zu wachsen, darin initiativ und authentisch zu arbeiten. Aber zugleich ist es heute dringend erforderlich, dass wir uns selbst auch im Spiegel unseres sozialen Kontextes zu sehen vermögen.
Wir sollten fähig sein, zu beobachten, an welchen Stellen uns in der Interaktion eine Einseitigkeit an uns selbst begegnet, in der wir z.B. Andere dominieren oder uns selbst durch unser Handeln isolieren. Wir richten unser Handeln ständig daran aus, justieren und revidieren uns selbst. Unser soziales Ich ist wandelbar und lernfähig, lebt eigentlich in der Improvisation. Das, was ein Anthroposoph „willenhaftes Sein“ oder „höheres Ich“ nennen mag- und Rudolf Steiner ganz nüchtern als „Zuschauer seiner selbst“ bezeichnet - ist in dieser Hinsicht ein Hyper- Ich, ein Bewusstsein, das (hoffentlich) klug, fair, aber auch wehrhaft dieses weite Feld der ganzen sozialen Interaktion auspendelt- aber durchaus auch das, was uns durch Neigung, Begabung oder schweres Schicksal begegnet und formt.

Die Unfreiheit liegt in der eigenen unbewussten Korruption des Denkens und Handelns. Jean Klein* nennt diesen Zuschauer den Zeugen- auch für ihn der Beginn einer Erfahrung reinen Bewusstseins, in diesem Augenblick unabhängig von den Verstrickungen des isolierten Ego- Ichs: „The witness must enter upon the scene, enabling the ego to be recognized for what it is, an object. This witness is a pedagogical device that opens the door to being. The ego cannot “know” itself because it identifies with what it thinks, feels, experiences. For the ego, there is nothing but resistance, defense, agitation.

Unfrei in diesem Sinne macht jede Anhängerschaft, auch die gegenüber Steiner selbst. Jeder backt sich seinen Steiner; notwendigerweise- da wir nun einmal immer selektieren, interpretieren und kontextualisieren. Die Frage ist nur, wie weit man sich das bewusst macht. Oder wie man mit den Abgründen, Unschärfen, auch populistischen Seiten Steiners persönlich umgeht. Wenn die Identifikation mit einem gefühlten Anthroposophentum darin besteht, die mitschwingenden Konzepte Steiners zu leugnen oder zu beschönigen, hat die innere Korruption doch schon begonnen. Am Ende steht ein aseptisches, durch nichts zu erschütterndes Second- Hand- Weltbild. Illusionäre Gewissheiten dieser Art gehören zu dem Ego, das, wie Jean Klein schreibt, so ganz in der Identifikation aufgeht, dabei aber die Unabhängigkeit um eines geliehenen Selbstbilds wegen aufgibt.

Dass das Verwickeltsein in den eigenen Denk- und Gefühls- Horizont auch zu einer stetig anwachsenden, kaum überschaubaren Fülle von verstellenden, überhöhenden Steiner- Interpretationen und -Bildern geführt hat, wie wir sie seit langem erleben, liegt offenbar eben an dieser subjektiven Bannung in die Facetten galoppierender Anthro- Zeitgeistigkeit, vom Antiamerikanismus bis zu den schwammigen Zweifeln an der demokratischen Presse.

Ich erfahre für mich die großen kosmischen Imaginationen Steiners, aber auch die wirkenden Dynamiken in Natur und Mensch als andauernde Denkanregung - auch im Sinne gesuchter meditativer Erfahrung, sehe aber andere, grundsätzliche Aspekte seines Werks kritisch: Von der Atlantis aus bis hin zum weißen mitteleuropäischen Deutschsprachigen spannt sich diese kulturell grobstichige Kulturgeschichte „geisteswissenschaftlicher“ Art. Die darin nicht vorgesehene Restmenschheit ordnet Steiner in meist herabwürdigender Art oder offen rassistisch in Gruppen ein, die dem Mitteleuropäer quasi zuarbeiten. Wenn der Doktor das so in der Akasha- Chronik gelesen hätte, dann wäre daran etwas ziemlich faul. Zudem spannt Steiner dieses post- kolonialistische, teleologisch überhöhte Weltbild in seine ganze Kosmologie ein. Das macht es nicht besser, auch wenn manche Anthroposophen das glauben mögen.

Die kritische Sichtung und Bewertung Steiners scheint mir unumgänglich zu sein- auch für sich selbst, für die eigene spirituelle Hygiene. Denn der „Zuschauer seiner selbst“, den Rudolf Steiner beschreibt- und an den er appelliert-, betrachtet auch die Redlichkeit des eigenen anthroposophischen Anspruchs.

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Rudolf Steiner, GA 134
Jean Klein, I am, ohne Seitenangabe bei Kindle

Zwiegespräche mit der Erde

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In diesen Zwiegesprächen* findet man, allen Zweifeln zum Trotz, dass da wieder jemand etwas aussagen möchte über „Elementarwesen“, tatsächlich, wenn auch auf aphoristische Art, eine in eigener Sprachdiktion und in klarem, prägnanten Stil präsentierte anthroposophische Methodik vor -in Bezug auf das, was Massei „innerer Erfahrungsweg“ nennt.

Keine Sorge, es wird nicht trocken. Es ist natürlich so wenig ein „Weg“ wie eine „vorgedankliche Wahrnehmung“ (Massei, S. 67), denn räumliche und zeitliche Bezüge haben in dem Erfahrungsfeld, um das es hier geht, keinen Sinn. Dennoch unternimmt Massei wie in kurzen Feld- und Wiesen- Spaziergängen Runde um Runde eine Annäherung an die Natur, holt den Leser, der mit den Händen ringend und verständnislos die Augen rollend herum steht, am Wegesrand ab und nimmt ihn mit. Hier erklärt er ein paar Heilkräuter, dort fordert er auf, still zu sein, und eine Reihe von Blüten seelisch auf sich wirken zu lassen. Das wird jeder, der gern mit offenen Augen durch die Natur geht, gern lesen.

Dann aber geht es auch für diejenigen, die vertiefte meditative Erfahrung suchen, an vielen Stellen Zugänge zu kaum auslotbaren Tiefen. „Präsenz im Jetzt“ (S. 60) ist nur der methodische Ansatzpunkt, um sich konkret auf das zuzubewegen, was der Anthroposoph gern theoretisierend reine Wahrnehmung nennt: „Unmittelbar, rein und leicht treten die Wahrnehmungen der Dinge und Wesen durch die Sinnestore in die Seele“ (S. 61), um für den Spaziergänger vielleicht den geübten Blick zu ergänzen mit einem gänzlich ungetrübten Blick: „Die Sinne werden zu dem erhoben, was sie eigentlich sind: zu Organen, mit denen die Seele das Leben der Erde erkennt.“ (S. 61) Und schon ist Massei auf dem Spaziergange leichtfüßig enteilt.

Aber nicht ohne erkennen zu lassen, dass diese so leicht scheinenden Schritte durch Kräuterwiesen brachliegende menschliche Sehnsüchte und Fähigkeiten ansprechen, die praktisch in allen Biografien an die Oberfläche pochen, aber vielleicht nicht verstanden oder sogar missgedeutet werden. Gut, mag man sagen, aber sind solche Aussagen wie „Der Wille muss schon lernen zu schweigen“ nicht wie aus dem 08/15- Eso- Seminar? Ja, an manchen Stellen schrammt das Buch über die Eso- Schwelle - nämlich immer dann, wenn es lehrbuchhaft wird. Glücklicherweise geht Massei aber dann auch mit uns unter blühenden Lärchen spazieren, ohne dabei besonders viel zu sagen.

Warum dieses Buch? Der Eine liest es, weil er die Natur liebt und hier verstanden wissen kann - der Andere, weil er bei Massei einen eigentlich klassischen anthroposophischen Schulungsweg auf erfrischend neue und konkrete Art dargelegt findet, der Dritte, weil er hier genau die Nahtstelle findet, an der so Viele von uns doch festhaken- die Verbindung von Natur und Selbst als inneres Erfahrungsfeld- nicht nur als gedankliches Konstrukt.

In diesen „Zwiegesprächen“ liegt man in dieser Hinsicht richtig- allein wegen des eigenen Nachvollzugs dieser Gedanken erfolgt ja auch im Leser entlang der inneren Linien des Buches ein Nachklang. Damit möchte ich sagen, dass dies für mich eines dieser Bücher ist, die in der Lage sind, tatsächlich anregend zu wirken.

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Karsten Massei, Zwiegespräche mit der Erde. Ein innerer Erfahrungsweg

GENUG IST GENUG

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                     GEWINNEN AM WIDERSTAND!
               MUT ZU FREIEM GEISTESLEBEN!
* apropos Redlichkeit 

Über das Licht

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Manchmal stolpert man in Gesprächen über eine einzige Formulierung, manchmal über Bücher, manchmal über einen Tweet, bei dem man aufhorcht, manchmal über ein einziges Komma in einem Satz. Daran schließt sich eine Erhellung im Sinne einer Intuition an, in einer ganz wesentlichen, eigenen Art, meditatives Leben oder ein Leben in Kontemplation und in der Natur, zu pflegen.

Heute war es ein Satz aus Karsten Masseis „Zwiegespräche mit der Erde“, in dem er über spezifische Bewegungsmuster bei von ihm beobachteten Bienenschwärmen berichtet. In den schwänzelnden Bewegungen der Bienen sieht Massei etwas Ausgleichendes, Heilsames, als Reaktion auf die Erlebnisse des Schwarms in der Außenwelt, bei seinen Flügen. Dazu gehört, was das „Ausgleichen“ betrifft, eine Art Tanz der Bienen mit ihrer Königin, die in korrespondierenden Gesten die Schwarmbewegung ausgleicht. Dieser Tanz der Bienen ist für Massei eine Reaktion auf die „gegensätzlichen Lichtqualitäten, von Wärmeverhältnissen, von drängenden und saugenden Einflüssen, von verdunkelnden und aufbauenden Kräften.“

So spricht Massei, was das innere Miterleben von Lichtqualitäten angeht, eines der wesentlichen meditativen Erfahrungsfelder überhaupt an: das Licht dieses spezifischen Augenblicks, das man in der Natur erlebt, das, was in ihm mitschwingt, in seiner Qualität zu erleben oder sich dieser Qualität überhaupt anzunähern.

Möglich ist das nur, wenn man nicht mehr völlig festhängt an den in Sprache gefassten Inhalten des Gesehenen, an den Gedankenschwärmen, die das essentielle Bewusstsein in seine Grübeleien ziehen, sondern das Einfach- bei- sich- Sein kennt- und zugleich erfasst, dass das bewusste Selbst selbst „Licht“ ist. Nur das Lichthafte in sich, das nicht gebunden und reflektiert ist, kann die Qualitäten des Lichts in diesem Augenblick erfassen. Das erste Komma im oben zitierten Satz Masseis leitet also keine Aufzählung ein, sondern die Dimensionen, in denen sich das Licht zum Ausdruck bringt: In Wärme, Druck, Kraft - oder auch in bedrängender Indifferenz. Das Licht des Tages erscheint uns als Ausdruck- als etwas, das die Natur (nach Steiner den „Weltenäther“) durchdringt, aber, im Willen mitschwingend, auch (so Steiner) als „moralisches Wesen“ empfunden werden kann:

Der Weltenäther, aus dem unser Ätherleib genommen ist, hat zwei Glieder. Das eine Glied dieses Äthers ist Wärme, Licht, chemischer Äther, Lebensäther. Aber all diesem Ätherischen, das in der Wärme, im Lichte, in den chemischen Vorgängen und im Leben existiert, alldem liegt zugrunde ein moralisches Wesen des Weltenäthers. Dieses moralische Wesen des Weltenäthers ist aber nur vorhanden in der Nähe der Gestirne und Planeten. Also wenn Sie auf Erden leben, dann sind Sie, obwohl Sie es bei Tage nicht wissen, auch in dem Weltenäther als moralische Essenz drinnen.“

Das „moralische Wesen“ in den Lichtverhältnissen zu ahnen ist ein Anspruch, der nur auf einer Ebene verwirklicht werden kann, in der die vollkommene Korrespondenz dieses Lichts mit der Natur, einschließlich des eigenen Körpers, wahrgenommen kann- das ist dem systemischen, flüssigen Denkwillen deshalb selbstverständlich, weil man als Leib eben „auch in dem Weltenäther“ mitschwingt.

Aber erlebt wird es als Augenblick des Empfindens vollkommener Schönheit und Vollendung. „Moralisch“ ist die Licht- Erfahrung auch deshalb, weil dieser Einklang aller Erscheinung auch in Bezug auf sich selbst erlebt wird: Man wird der Güte zuteil, denn man geht - so darf man Steiner verstehen- über die passiv erfahrene, vertraute Erscheinung hinaus über auf eine essentielle Ebene - auf der in der Erfahrung des moralischen Wesens im Licht auch das eigene, innerste moralische Wesen wahrnehmbar wird; es gibt auf dieser Ebene darin keinen Unterschied. Es ist etwas, was der Mensch „bei Tage nicht wissen“ kann: Dass seine „Essenz“ moralischer und lichthafter Natur ist.

Guru Steiner & das Kuckucksheim für Adepten

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Muss man glauben? Darf man als Anthroposoph das eigene Anthroposophentum hinterfragen? Darf man einem Eingeweihten gar widersprechen, oder Äußerungen von ihm infrage stellen? Offensichtlich nein, denn zumindest im Absolutismus eines Holger Niederhausen rückt man bei solchen Zweifeln automatisch ins Lager der „Gegner“: „Michael Eggert ist jetzt endgültig unter die Steiner-Gegner gegangen. (..) Grobstichig und herabwürdigend ist es auch, einen Menschen wie Rudolf Steiner immer und immer wieder auch die wenigen Zitate zu reduzieren und festzunageln, die einem nicht behagen – und die man dann dazu missbraucht, sich haushoch über einen Eingeweihten hinauszuschwingen, dem man in Wirklichkeit nicht einmal das Wasser reichen kann. Ein Eggert wird dies in diesem Leben nicht mehr erkennen, dafür ist er dem Hochmut und einer ganz bestimmten vulgären Art, zu denken, zu sehr verfallen.“ Quelle Holger Niederhausen

Mir liegt es trotz des Vulgären in mir fern, mich „haushoch über einen Eingeweihten“ oder sonst wen „hinauszuschwingen“. Die Frage nach dem Eingeweihtentum stellt sich mir trotzdem- aus der Dynamik des Denkens heraus, nicht aus einer eingebildeten Superiorität. Der unerschütterliche Anspruch des Eingeweihtseins- ist man das im Falle eines Falles permanent, rund um die Uhr? Ich stelle mir das in Beziehungen schwierig vor, wenn einer immer und in universeller Weise und unbedingt recht hat. Und auch Herr Niederhausen hat natürlich so weit recht, dass sich Rudolf Steiner in der letzten Zeit seines Lebens diese Rolle, diesen Status selbst zueigen gemacht hat. Er hat 1924 - Monate vor seinem Tod- während seiner Karmavortrags- Tournee z.B. in Prag und Paris von sich selbst gesprochen als Vertreter für „die Eingeweihten- Wissenschaft, welche „wirklich die inneren Zusammenhänge bloßlegen“ (R. St., Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge V, S. 24 in Prag) kann. Entsprechend spricht Steiner auch, bevor er die Beurteilung einiger zeitgenössischer Persönlichkeiten im Licht ihrer vorherigen Inkarnationen vollzieht, von dem „Eingeweihte(n), vor dem die geistige Welt offen liegt“ (dito) Dabei attackiert er immerhin den damals amtierenden amerikanischen Präsidenten, und zwar in dessen angeblicher früherer Inkarnation. Steiner hat damit selbst die bis heute praktizierte karmische Denunziation begründet.

1924 war auch das Jahr mit Ita Wegman- das Jahr, in dem er offensichtlich so etwas wie romantische Gefühle hatte. Aber hat Steiner nicht gesehen, in welch unmögliche Lage er Wegman brachte? Nach Steiners Tod sah sich Wegman genötigt, sich wegen der Intimität zu dem Verstorbenen zu rechtfertigen- hier in einem Brief an Albert Steffen* (Arlesheim, 21. VIII. 25): "Ich selber habe nichts getan dazu, um mich beim Doktor wegen esoterischer Sachen vorzudrängen“ (Van Emmichoven, S.59).

Steiner hatte, so schreibt sie, sie gedrängt, ein „Gelöbnis der Treue an die Michaelschule“ vor ihm abzulegen, hatte sie „manches Esoterische gelehrt“, ja sogar „den letzten Nachmittag vor seinem Tod meditierte und betete er mit mir. Christian Rosenkreuz spielt in diesen Meditationen eine große Rolle." Schließlich überreichte Steiner auf dem Totenbett ein „kleines Kreuz mit kleinen in Rosen gefassten Rubinen“, das er bislang selbst getragen hatte, „nachdem wir vorher eine Kulthandlung verrichteten.“ (S. 59). In seinen schwärmerischen Briefen an Wegman hatte Steiner das gemeinsame Karma betrachtet, ihr Kosenamen aus früheren Leben zugedacht, sie damit aber auch durch das so vorgegebene karmische Bild in eine seltsame Lage gebracht. Die Autorität, in der Steiner vor der jungen Ärztin stand; ebenso befremdend wie die Vorstellung des "eingeweihten" Mannes, der mit den Mitteln des Eingeweihten warb. Gegen Karma- Beziehungen zu einem Meister, der einen dann Treue an die Michaelsschule schwören lässt, kann man sich schlecht wehren.

Was hat es mit ihr gemacht? Sie war ja nun am nächsten dran an Meister- sie musste wissen, was sie mit der von ihm zugedachten Rolle nach seinem Tod gemacht hat. Sie war zudem eine willensstarke und kämpferische selbständige Frau. Dennoch hat sie den Kopf in die Schlinge gesteckt, denn sie hat die Zuschreibungen Steiners für sich übernommen und sah sich - da der Doktor ihr wieder und wieder gesagt habe, dass „die Michaelschule von der geistigen Welt eingesetzt war und keine menschliche Institution (kursiv geschrieben, ME) war“ (dito)- als legitime Erbin Steiners in Bezug auf die „Führung“ (dito) der esoterischen Abteilung der Hochschule für Geisteswissenschaft. Mit diesem Auftrag des sterbenden Meisters forderte sie allerdings zugleich Machtkämpfe um das Erbe Steiners heraus, die die Gesellschaft für Jahrzehnte gelähmt haben. Die Pharisäer, Verwalter des Wortes des Eingeweihten, haben Ita Wegmans Ambitionen und Mission, die Rudolf Steiner unglücklicherweise als ihr Meister in ihr angeregt hatte, nie anerkannt. Wegman hatte sich in eine unmögliche Lage gegenüber Steiners Ehefrau und seinem trübsinnigen, aber machtbewussten Insider- Schriftsteller Albert Steffen gebracht- eine unmögliche Lage mit dem Sprengstoff, den Steiner selbst in sie hinein projiziert hatte.

Der Eingeweihte und das Eifersuchtsdrama um ihn herum ziehen ihre Spur durch die anthroposophische Szene bis heute. Worte des Eingeweihten werden ausgegraben, tradiert, neu präsentiert. Hier ein bisschen Kaspar Hauser, dort ein wenig Atlantis, aber meist diktiert von der sensationellen Bedeutsamkeit, die einige esoterische Worte Steiners ausgelöst haben. So mancher ist da auf einer Mission, deren Eckdaten, da vom Meister vorgegeben, ja fest stehen. Man füllt spekulativ auf oder spinnt fort, was man bei Steiner meint gefunden zu haben- meist auf einer selbst zugeschriebenen Mission. Der Fantastik sind keine Grenzen gesetzt, ganz gleichgültig, was Fakten sagen mögen. Das Selbstkonzept, sich im Fahrwasser eines verstorbenen Eingeweihten auch nur die geringste Bedeutung oder Mission zuzuschreiben, sich abzugrenzen gegenüber Zeitgenossen oder in gefühlter Überlegenheit zu sonnen, ist eben das klassische Ego- Konstrukt. Diese Art von Emphasen regen eine Art von Identitäts - Findung - in - den - Wolken an, ein Kuckucksheim für Adepten, der Wolkendonner eines Kultes.

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*Van Emmichoven, Wer war Ita Wegman, 1924 bis 1943, Kämpfe und Konflikte. Band 3

Das deutsche Braun

Sich mit den keimenden Kräften anzufreunden

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Mit manchen Gedanken und Bildern Rudolf Steiners geht man Jahrzehnte  lang um. Dazu gehört für mich eine in der Studentenzeit gelesene Bemerkung von ihm, dass man an den Keimkräften, die in den sich im Frühjahr entfaltenden Knospen sichtbar werden, die Kräfte erkennen könne, die auch einen Planeten zu bilden in der Lage sind. Das hat mich die Natur anders sehen gelehrt.
Knospen und Keimendes sind ja auch Gegenstand der ersten, primären meditativen Anleitungen Rudolf Steiners in Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten. Der Keim ist Kern meditativer Betrachtung bei Steiner, da er nicht nur Welten gestaltet, sondern Urbild ist für die Dynamik des Lebendigen selbst- nicht nur in den Naturerscheinungen, sondern auch im menschlichen Bewusstsein.

Eine innere Ordnung durchdringt die Dynamik, die Form und Gestalt einer Pflanzenart sichert. Aber, wie so oft bei Steiner, bezieht sich die äußere Betrachtung der Natur in den Versuchen, die Dynamik des Keimenden mit zu denken, eben auch auf den Betrachter selbst: Die Art von Betrachtung, die Steiner meint, macht den Betrachter selbst zum Keim; der Versuch, das Bewusstsein im Nondualen aufrecht zu halten, führt zur Erfahrung des dynamischen eigenen Wesens.

Das Dynamische kann nur auf einer Ebene zur Erfahrung gebracht werden, auf der das Seelische situativ in absolute Ruhe gebracht worden ist. Das geht nicht ohne innere Zerreißproben- existentielle Krisen-, die alte persönliche Reflexe und Strukturen wenn nicht auflösen, so doch zumindest bewusst machen. Die Keimkräfte gedeihen nicht, ohne dass im schlichten Schweigen die selbstbezogenen Schalen beiseite gelegt sind, die bislang Identität, innere seelische Strukturen und biografischen Kontext fixierten. Die Selbsterfahrung in reiner keimender Bewusstheit ist derart kraftvoll, dass immer nur festgestellt werden kann, dass man diese Kräfte nicht auszuloten in der Lage ist; man kann sie in ihrer absoluten und umfassenden Kraft -  als Licht, als Dynamik oder in einer großen Imagination- zwar erfahren, aber als dieser Mensch, der man ist, nur in kleinen Dosen ertragen.

Daher besteht das Weghafte am meditativ- österlichen Leben darin, sich mit der Kraft des Lebendigen anzufreunden. Dieser Wunsch benötigt kein Arrangement, kein Setting, keine Gurus, keine Religion, keine Anleitung: Er ist selbsterklärend. Dennoch sind die Ansätze und Erlebnisarten sehr individuell, sehr unterschiedlich, auch wenn die Essenz, die das Innere übersteigt, immer die gleiche ist.

Aber es geht nicht nur um Licht und Keim; das Mitempfinden, das Respektieren und das Zur- Erscheinung- Kommen- Lassen des Anderen kann in der schweigenden Präsenz, die nicht mehr denkend und empfindend in einer Selbstbespiegelung gefangen ist, immer nur weiter wachsen. Es sind auch hier keine Grenzen gesetzt.

Das Schweigen lehrt auch, dass Identität ein flüchtiges Gut ist. Wir müssen die Dynamik als Ich fürchten, denn die fixe biografische Identität (Ego) könnte fortgerissen werden. Die tatsächliche Meditation zeigt aber, dass Identität völlig gewahrt bleibt; es braucht immer vollkommenere Hingabe in der Entwicklung des sanften Willens, aber keine Selbstaufgabe. Die Brücke dazu, im Fließenden geistig zu bestehen, aber doch derselbe zu sein, wenn auch als rein dynamische Entität, kann man nicht aus sich heraus bauen. Man weiß, dass an diesem Punkt Gnade gewährt wird, Identität auch jenseits des Lebens- in- Objekten zu bewahren. Denn in den Keimkräften müssten wir aus den bestehenden eigenen Kräften heraus unser Bewusstsein eigentlich verlieren- ja, sie müssten zu geradezu chaotischen und desorientierenden Zuständen des Bewusstseins nach den Tode führen:

Es ist etwa so, wie wenn man fort- während unter dem Eindrucke eines Erdbebens oder eines Vulkanausbruches leben müßte nach dem Tode, wenn man nicht die jungen Keimkräfte des Christus-Impulses im Ätherleib schauen kann. 

Was sind diese Keimkräfte eigentlich? Das Blut gehört ja zu den Substanzen des Leibes, und für den gewöhnlichen Menschenleib gehört es zu dem, was sich mit dem Tode physisch auflöst in die Elemente. Das war nicht der Fall, wenigstens nicht bei dem Teile des Blutes des Christus Jesus, der auf Golgatha aus den Wunden zur Erde floß. Dieser Teil ätherisierte sich, wurde wirklich aufgenommen von den Ätherkräften der Erde, so daß das Blut, das damals aus den Wunden floß, zur Äthersubstanz wurde. Und diese Äthersubstanz erglänzt, erhellt, erflimmert in dem Ätherleib und – man empfindet es so nach dem Tode – zeigt sich so, daß der Mensch weiß: Da ist frisch keimendes Leben, welches den Menschen lebensfähig der Zukunft entgegenführt.

In Freundschaft mit dem frisch keimenden Leben wird der Oster- Gedanke lebendig.

Atlantisches Phantasialand mit rassistischer Note

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Die Nachbeter, Fortstricker und esoterischen Seilchenspringer ersparen wir uns heute, sondern konzentrieren uns auf den Doktor, setzen uns zu seinen Füßen und lauschen seinen Ausführungen zum Thema Ursprung des Menschen im atlantischen Kontinent- allerdings nicht, ohne seine Angaben, so weit möglich, an den fortschreitenden wissenschaftlichen Erkenntnissen unserer Tage zu messen. Beispielsweise sind allein durch die Auswertung kilometerlanger Eisbohrkerne an den Polen klimatische und vulkanische Tätigkeiten der Erdgeschichte heute sehr gut auszumachen.  Haben also die „Atlantier“ - so Steiner- tatsächlich „gelebt auf dem Boden, der jetzt bedeckt ist mit den Fluten des Atlantischen Ozeans“*?

Viele Funde sind in Bezug auf Varianten der menschlichen Spezies gemacht worden- Rudolf Steiner kannte zu seiner Zeit lediglich eine zweite hominide Art neben dem Homo Sapiens, nämlich den so genannten Neanderthaler. Diese beschrieb Steiner im Kontrast zu den „Atlantiern“ als primitive, degenerierte Art, die sich nach den Atlantiern entwickelt haben soll: „Die alten Atlantier, die hatten in ihrem wässrigen Kopf gerade eine sehr hohe Stirne, und dann kam, als dies zurückging, zuerst die niedrige Stirn, und die wuchs sich nach und nach wiederum aus zu den höheren Stirnen. Das ist eben eine Zwischenzeit, wo die Menschen so waren wie der Neandertalmensch.“**

Das muss eine verdammt lange Zwischenzeit gewesen sein. Denn die Neandertaler haben, in einer Population von etwa einer Million Menschen, angesiedelt in den dichten, artenreichen Wäldern zwischen „the Indonesian archipelago and the Iberian“***, schon vor 300000 Jahren das Feuer beherrscht: „By about 300,000 years ago, Homo erectus, Neanderthals and the forefathers of Homo sapiens were using fire on a daily basis.“*** Diesen Lebensraum hatten die Neanderthaler aber bereits zuvor schon Hunderttausende von Jahren bewohnt.

Im Gegensatz zur Darstellung Rudolf Steiners ist archäologisch und paläontologisch nach zu weisen, dass eine erste Welle von Gruppen der Spezies Sapiens, am östlichen Mittelmeer auf diese uralte statische Kultur der Neanderthaler gestossen ist. Sie scheiterte: „About 100,000 years ago, some Sapiens groups migrated north to the Levant, which was Neanderthal territory, but failed to secure a firm footing.“ ***

Der nächste Anlauf fand 30000 Jahre später statt: „But then, beginning about 70,000 years ago, Homo sapiens started doing very special things. Around that date Sapiens bands left Africa for a second time.“ Zu den ganz besonderen Eigenheiten dieser neuen Spezies gehörte ihr Drang, jeden Winkel der Erde zu erkunden und zu besiedeln: „Within a remarkably short period, Sapiens reached Europe and East Asia. About 45,000 years ago, they somehow crossed the open sea and landed in Australia – a continent hitherto untouched by humans.“ ***
Die Koordinations-, Kommunikations- und Anpassungsfähigkeit des Sapiens ging einher mit einer hohen Rate von Energieaufwand bezüglich des eigenen kognitiven Apparates: „In Homo sapiens, the brain accounts for about 2–3 per cent of total body weight, but it consumes 25 per cent of the body’s energy when the body is at rest.“ ***

Die alt ehrwürdige Spezies der Neandertaler war es gewohnt, in Tausende von Jahren währender Kontinuität zu handeln und denken. Die Emporkömmlinge, denen die Neanderthaler, je weiter diese vorstiessen, möglichst aus dem Weg gingen, waren sozial, handwerklich, intellektuell einfach beweglicher: „In other words, while the behaviour patterns of archaic humans remained fixed for tens of thousands of years, Sapiens could transform their social structures, the nature of their interpersonal relations, their economic activities and a host of other behaviours within a decade or two.“ ***

Im Gegensatz zu Rudolf Steiners Darstellung gingen diese wie andere hominide Arten nicht auseinander hervor. Im heutigen menschlichen DNA- Code finden sich etwa 2% Neanderthaler- Gene, was für eine sehr geringe Durchmischung spricht. Die Neanderthaler sind keineswegs aus den „Atlantiern“ hervor gegangen. Sie sind, nach so vielen Hunderttausenden von Jahren der ehrwürdigsten menschlichen Kultur, vielmehr vom Homo Sapiens verdrängt worden. So kann man Wirtschaftswege und Handel des Sapiens anhand der Verteilung von Seemuscheln festmachen- eine weit gespannte Kooperation, die den Neanderthalern völlig abging: „Archaeologists excavating 30,000-year-old Sapiens sites in the European heartland occasionally find there seashells from the Mediterranean and Atlantic coasts. In all likelihood, these shells got to the continental interior through long-distance trade between different Sapiens bands. Neanderthal sites lack any evidence of such trade. Each group manufactured its own tools from local materials.“ *** Das bedeutet, dass sich auch Gruppen von Neanderthalern nicht miteinander austauschten. Sie nahmen an der kognitiven Revolution dieser Zeit nicht teil.

Rudolf Steiner hat seinem eigenen Konzept - erst Atlantier mit hoher Stirn, dann Neandertaler mit niedriger, dann wieder Arier mit hoher Stirn- auch gelegentlich selbst widersprochen und eine gegenteilige Darstellung gegeben: „Die Atlantier hatten weniger Vorderhirn und eine noch weiter zurückliegende Stirne…“ * Statt die Zehntausende von Jahren parallel existierender menschlicher Kulturen zu schildern, entwickelte er vor allem eine atlantische Rassenlehre, die keiner Peinlichkeit entbehrt, dafür aber auch darum erfunden scheint, um das Hohelied des arischen Menschen singen zu können:

Wir unterscheiden innerhalb der atlantischen Bevölkerung sieben Menschenrassen. Von diesen sind fünf in einer aufsteigenden Form der Entwickelung. .. Die fünfte Unterrasse, die wir die Ursemiten nennen und die ihren Hauptsitz in dem heutigen Irland hatten, bildete die Keimanlage für unsere gegenwärtige kaukasische oder, wie wir sie auch in der Geisteswissenschaft nennen, arische Menschenrasse. Von dieser, der heutigen jüdischen Bevölkerung sehr unähnlichen, aber wegen gewisser Vorgänge mit Recht semitisch genannten Unterrasse zog ein Teil nach Asien hinüber und bildete die Verstandeskultur aus, welche sich dann über das heutige Europa, das südliche Asien und über die Bevölkerung des nördlichen Afrika verbreitete.“ ****
Besonders peinlich, dass Steiner sich genötigt fühlte, darauf hinzuweisen, dass die von ihm semitisch genannte der „heutigen jüdischen Bevölkerung“ sehr unähnlich gewesen sein soll. Damit will er die angebliche Superiorität der arisch- kaukasischen Rasse offenbar nochmals betonen.

Steiner hat in seiner merkwürdigen Atlantis- Saga Märchenstoff, Mythen, aber auch arische Herrenrassen- Ideologie in die menschliche Entwicklungsgeschichte gepackt. Die Fakten - auch die Analyse der heutigen menschlichen DNA- widerlegen seine Darstellung. Dass die Entfaltung des Sapiens von Afrika ausging und dann in vielen Schüben über die Levante nach Osten und Westen zog, wird jedem Rassisten gegen den Strich gehen. Es war dann ja nach der Eiszeit in der Dynamik ganz ähnlich in Bezug auf die Agrar- Revolution. Der arische Atlantier Rudolf Steiners allerdings bleibt eine Fiktion mit einer suggestiven, in okkulter Autorität vorgebrachten rassistischen Note.

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*Rudolf Steiner 93a.138f
**Rudolf Steiner 354.69
***Zitate aus (ohne Seitenangaben im Kindle): Yuval Noah Harari: „Sapiens: A Brief History of Humankind“. Deutsche Ausgabe: Eine kurze Geschichte der Menschheit, DVA 2013
****Rudolf Steiner 54. 145ff


Atlantean Fantasyland with Racist Aftertaste

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by Michael Eggert

translated by Tom Mellett

Today let's do without the Steiner regurgitators, the petty hair-splitters and the esoteric mind-racers, but instead, let's concentrate directly on the Doctor himself, sit at his feet and pay attention to his remarks on the subject of human origins on the continent of Atlantis --- however, not without evaluating his claims, as far as possible, against the modern scientific findings of our own day.  For example, solely by evaluating the kilometers-deep ice cores at the poles, it is possible today to sequence climatic and volcanic changes in the Earth's history according to geological age and geography. Therefore we ask: did these “Atlanteans” --- according to Steiner --- actually “live on that part of the earth which is now covered with the waves of the Atlantic Ocean?”  [1]

Many discoveries have also been made regarding variations in the human species --- in his time, Rudolf Steiner was only aware of a second hominid type alongside Homo Sapiens, namely, the so-called Neanderthals. Steiner described them, in contrast to the “Atlanteans,” as a primitive, degenerate species that evolved alongside the Atlanteans:


. . . the old Atlanteans had very high foreheads in their watery heads. Then, as I said, when the water disappeared, low foreheads appeared at first, and then they gradually grew out again into high foreheads. It was just in a transitional age that men looked like the Neanderthal man . . .” [2]

That must have been a really goddamned long “transitional age!”   Why? Because the Neanderthals, with a population of about one million, settled into the dense, lush forests between “the Indonesian archipelago and the Iberian peninsula . . .” [3], already using fire 300,000 years ago:
By about 300,000 years ago, Homo erectus, Neanderthals and the forefathers of Homo sapiens were using fire on a daily basis.”  [3]
The Neanderthals had already lived in this habitat for hundreds of thousands of years before!

In marked contrast to Rudolf Steiner's version of events, modern archaeological and paleontological research demonstrates that a first wave of human groups identified as the species Homo Sapiens, bumped into this prehistoric and static culture of Neanderthals in the Eastern Mediterranean area [the Levant]. They came to grief:
About 100,000 years ago, some Homo Sapiens groups migrated north to the Levant, which was Neanderthal territory, but failed to secure a firm footing.” [3]

The next attempt took place 30,000 years later:
"But then, beginning about 70,000 years ago, Homo sapiens started doing very special things. Around that date Sapiens bands left Africa for a second time." [3]
Among the most remarkable characteristics of this new species was its urge to explore and colonize every corner of the Earth.
"Within a remarkably short period, Sapiens reached Europe and East Asia. About 45,000 years ago, they somehow crossed the open sea and landed in Australia – a continent hitherto untouched by humans.” [3].

Homo Sapiens' capacities for coordination, communication and adaptability correlated with a high rate of energy expenditure with respect to their own cognitive apparatus:
In Homo sapiens, the brain accounts for about 2–3 per cent of total body weight, but it consumes 25 per cent of the body’s energy when the body is at rest.”  [3]

The ancient venerable species of Neanderthals had become accustomed to behaving and thinking in timeless continuity for thousands of years. The more these Sapiens upstarts advanced on them, the Neanderthals would, as far they could, get out of their way. Sapiens were just socially, technically, and intellectually much more mobile and agile:
"In other words, while the behaviour patterns of archaic humans remained fixed for tens of thousands of years, Sapiens could transform their social structures, the nature of their interpersonal relations, their economic activities and a host of other behaviours within a decade or two.” [3]

In contradistinction to Rudolf Steiner's view, these two species, as well other hominid species, did not emerge one from the other.  In the modern human DNA code, we can only find about 2% Neanderthal genes, which indicates a very insignificant mixing. In no way whatsoever did the Neanderthals evolve from the “Atlanteans.”  Instead,  after so many hundreds of thousands of years of being the most venerable human culture, in existence, they were simply supplanted by Homo Sapiens. It is possible to determine the farm roads and trade routes of Homo Sapiens based on the distribution of sea shells --- a wide-ranging cooperation that was totally absent with the Neanderthals:

"Archaeologists excavating 30,000-year-old Sapiens sites in the European heartland occasionally find there seashells from the Mediterranean and Atlantic coasts. In all likelihood, these shells got to the continental interior through long-distance trade between different Sapiens bands. Neanderthal sites lack any evidence of such trade. Each group manufactured its own tools from local materials." [3]
This means that even separate groups of Neanderthals did not trade with each other. They simply did not participate in the cognitive revolution of that time.

Rudolf Steiner supplied his own peculiar concept --- first, Atlanteans with a high forehead, then Neanderthals with a low one, followed once again by Aryans with a high forehead --- at times contradicting himself and reaching diametrically opposed conclusions:
The Atlanteans had even less frontal brain, an even farther-receding brow  . . .” [1]

Rather than portraying tens of thousands of years of parallel existing human cultures, Steiner primarily develops an Atlantean racial theory without a hint of embarrassment, yet also one that he invented so that he could sing the praises of the Aryan people:

"We distinguish seven races within the Atlantean population. Five of these exist in an ascending mode of development. ... The Fifth Sub-Race, which we call the Primal Semites, and who had their 'home base' in today's location of Ireland, formed the seminal structure  of our present Caucasian --- or, as we call them in spiritual science --- Aryan race of people. From this race --- one that is quite dissimilar to the modern Jewish population --- but because of certain interactions with the rightly named Semitic Sub-Race – a portion of them migrated across Asia and cultivated an intellectual civilization, which then spread far and wide throughout today's Europe, over southern Asia and among the populations of northern Africa.”  [4]

Especially embarrassing is the fact that Steiner felt compelled to point out that what he called “Semitic” was very unlike the “modern Jewish population.”  Apparently, he wants to emphasize once again the supposed superiority of the Aryan-Caucasian race.

Steiner didn't just cram the stuff of fairy tales and myths into his fantastical saga of Atlantis;  he also inserted the Aryan Master Race ideology into human evolutionary history. The facts ---  as well as the analysis of modern human DNA --- refute his views. The fact that the expansion of Homo Sapiens proceeded out of Africa and over to the Levant and then, from there, moved in many consecutive waves, to the East and to the West will stick in the craw of every racist. Then, after the Ice Age, there was a similar [migrational] dynamic at work regarding the agricultural revolution.

The Aryan Atlanteans of Rudolf Steiner, however, remain a fiction with a redolent racist aftertaste put forward on the basis of occult authority.

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Endnotes
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[1]  Rudolf Steiner, Foundations of Esotericism
       Lecture 18 of 31, October 16, 1905, Berlin, GA 93a

[2]  Rudolf Steiner,  Evolution of Earth & Man & the Influence of the Stars
       Lecture 4, July 9, 1924, Dornach, GA 354,

[3]  Harari, Yuval Noah, Sapiens: A Brief History of Humankind. 
       HarperCollins, NY,  2015    

[4]  Rudolf Steiner, World Riddles and Anthroposophy
       Lecture 6 of 22 entitled:  Basic Concepts of Theosophy.  Human Races.
       November 9, 1905, Berlin, GA 54

Wenn die Himmel mit uns singen…

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Ingrid Haselberger


Sei es das Singen einer Lampe oder die Stimme des Sturms, sei es das Atmen des Abends oder das Stöhnen des Meeres, das dich umgiebt – immer wacht hinter dir eine breite Melodie, aus tausend Stimmen gewoben, in der nur da und dort dein Solo Raum hat. Zu wissen, wann Du einzufallen hast, das ist das Geheimnis deiner Einsamkeit: wie es die Kunst des wahren Verkehres ist: aus den hohen Worten sich fallen lassen in die eine gemeinsame Melodie.
(Rainer Maria Rilke: Notizen zur Melodie der Dinge)


Es beginnt mit den langen Pfundnoten im Baß, dann nimmt der Tenor-Einsatz das Ende des Themas vorweg; der Alt-Einsatz fällt mitten in diese Vorwegnahme, und einige Takte später legt der Sopran die Pfundnoten des Themenbeginns darüber – als ich als junges Mädchen im Chor sang, war das Agnus Dei in Schuberts Es-Dur-Messe meine erste Begegnung mit einer Fuge.
Nie vergesse ich die Freude, das Entzücken, die Seligkeitdes Begreifens, daß man die eigene Stimme gegenüber den anderen behaupten kann – nicht etwa feindlich, sondern in einem grandiosen Miteinander, das erst dann vollständig ist, wenn keine einzige Stimme sich in die Melodieführung einer anderen hineinziehen läßt.
Damals lernte ich, meine Stimme sicher und unbeirrt zwischen anderen zu bewegen (hier habe ich schon einmal von diesem Erlebnis erzählt).
Die Erkenntnis daraus ist mir bis heute kostbar: Wenn jemand etwas anderes behauptet als ich, so muß das nicht bedeuten, daß einer von uns Unrecht hat – vielleicht lesen wir nur verschiedene Stimmen derselben Partitur…

Jede Partitur erlaubt zudem unterschiedliche Interpretationen; solange ich im Chor sang, lag die Verantwortung dafür beim Dirigenten. Später, als Solistin, wuchs mein eigener Anteil daran.
Da liegt es zwar nahe, vor allem das in die Interpretation einfließen zu lassen, was einem leicht fällt, was man am allerbesten kann – und oft bringt das auch Erfolg.
Aber um wieviel größer ist die Freude, wenn es mir gelingt, diejenigen Stellen zu bewältigen und wirklich zu begreifen, die mir zunächst widerstreben, die sich nichtwie von selbst in meine Kehle schmiegen! Freilich muß ich dazu in mir etwas um-ordnen, meine gewohnte Einstellung ändern, Raum schaffen für Neues, das ich bis dahin nicht in mir finden konnte. Doch meist erweisen sich gerade die „unbequemen“ Takte als Schlüsselstellen, die mich das ganze Stück in anderem Licht sehen lassen – und erst dann habe ich das Gefühl, wirklich eingetaucht zu sein in die Inspiration des Komponisten.

Noch mehr Freiheit habe ich, wenn der Komponist Raum läßt für eine längere Kadenz – dann bleibt nicht nur das Wie, sondern auch das Was meiner eigenen Intuition überlassen. Ein ungeheurer Gedanke: meine eigene Komposition in die eines berühmten Meisters zu stellen!



Die Versuchung ist groß, auf Nummer sicher zu gehen und dem Kadenz-Vorschlag des Herausgebers zu folgen – gar, wenn, wie in der abgebildeten Ausgabe von Mozarts Motette „Exsultate, jubilate“, die Kadenz einer Autorität wie Mozarts Schwester Nannerl angegeben ist.
Will ich es dennoch wagen, mir selbst etwas einfallen zu lassen, muß ich, bevor ich meiner Phantasie freien Lauf lasse, das Stück und seine inneren Gesetzmäßigkeiten gut kennen – sonst wird meine Kadenz darin ein unpassender Fremdkörper sein.
Und wieder kann ich auf Nummer sicher gehen:
Wenn ich mir nicht zutraue, in der Aufführungssituation spontan zu finden, was ich singen will, oder auch: wenn die Mitmusizierendensich nicht zutrauen, auf einen solchen bisher noch ganz unbekannten „Zug“ im rechten Moment wieder „aufzuspringen“ – dann lege ich vorher ganz genau jede Note fest. So entsteht an dieser Stelle eine neue Partitur, an die wir alle uns dann in der Aufführung halten können.
Sehr viel schöner aber ist es, wenn wir uns trauen (und es ist wichtig, daß sich alle Mitwirkendendas trauen, zumindest alle Stimmführer, nicht etwa nur ich allein!), ganz frei zu musizieren: wir legen nichts fest, sondern überlassen es der Geistesgegenwartim Augenblick der Aufführung, so zu singen und zu spielen, daß unsere jeweiligen freien Impulse einander ergänzen können – und diese Kadenz wird ganz neu sein und sich völlig anders anfühlen als eine vorgefertigte.

Wenn so etwas gelingt, sprechen wir von einer Sternstunde– denn dann musizieren nicht nur die Musiker hier auf Erden, sondern, wie es im Text der Motette heißt, es singen die Himmel mit mir(»psallant aethera cum me«).

 
Verhält es sich nicht im Leben ähnlich? 
 
Freilich kennen wir da nicht von vornherein die ganze Partitur, sondern nur den Teil, der bereits „gespielt“ wurde – in Gestalt des Gewordenen, der Welt mit ihren Gesetzmäßigkeiten, und in Gestalt unserers Schicksals, das uns in ganz bestimmter Weise in diese Welt hineinstellt.
Wie es weitergeht, liegt an uns – und zwar an uns allen.

In jedem Augenblick können wir uns stören daran, daß der Andere eine andere Stimme aus derselben „Welt-Partitur“ herausliest als wir; oder wir können so handeln, wie andere es uns vorgeben, oder so, wie es uns am bequemsten ist, wie wir es bisher gewohnt sind, wie es unserer Selbstdarstellung, unserem Eigennutzentspricht.

Wir können aber auch die zukünftige Welt in den Blick nehmen, an der wir, auf der Grundlage der jetzigen, bauen wollen, gemeinsam mit anderen, die auf ihre je eigene Weise dazu beitragen – umschließlich unser Herz in die Hand zu nehmen und zu wagen, was Richard Wagner in den „Meistersingern“ seinen Hans Sachs antworten läßt auf Walther von Stolzings Frage:
»Wie fang' ich nach der Regel an?« – »Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann.«

Und wenn es uns dann auch noch gelingt, eine Regel, die wir uns irgendwann selbst gestellt haben, je nach Situation wieder loszulassen, sie anzupassen, um uns gemeinsam mit Anderen in die Geistes-Gegenwart im Augenblick zu stellen – dann kommen wir dem nahe, was Rudolf Steiner die Grundmaxime der freien Menschen nannte: »Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnisse des fremden Wollens«.

Mehr denn je braucht diese unsere Welt die Intuition jedes einzelnen von uns. Und die Himmel warten sehnsüchtig darauf, mit uns zu singen…

––––––

Literatur:
Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit, Kapitel XII: Die moralische Phantasie

(erschienen in der April-Ausgabe der Zeitschrift  
„wegweiser. Anthroposophie in Österreich“)

War Rudolf Steiner schwul?

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Tom Mellett, unser Korrespondent aus Hollywood, ist, wie das so passiert, über ein Buch gestolpert, das sich unter anderem auch mit Rudolf Steiners Liebesleben beschäftigt. Dabei geht es in William Irwin Thompsons "Coming into Being" zunächst generell um Fragen des Bewusstseins. Was den Autor in Bezug auf Steiner umtreibt, ist der Typus seiner Ehefrauen- neben der Generalin Marie von Sivers auch die fast unbekannte erste, Anna Eunike, von der wenig bekannt ist: "Sie war verwitwet, als Steiner sie in Weimar kennenlernte und zu ihr zog. Dem Geisteswissenschaftler war sie eine liebevolle Partnerin und zuverlässige Hilfe. Erst nach dem gemeinsamen Umzug nach Berlin (Kaiserallee 95 (jetzt: Bundesallee) in Berlin-Friedenau) heiratete Steiner Anna Eunike am 30.10.1899."
Die hier zitierte Website versucht die kaum existierenden Informationen zu Rudolf Steiners erster Ehefrau durch astrologische Spekulationen wettzumachen, das aber als Erzanthros dann weit zu toppen durch "Erzengel- Analysen" und dergleichen. Ich gestehe, dass ich dem weder folgen kann noch will.

Aber zurück zu Thompson. Für ihn ist es der mütterlich Typ, von dem Steiner angezogen ist- zumindest was die Wahl der Gattin betrifft. Welche Frau möchte sich denn definieren lassen als "zuverlässige Hilfe"? Die Wahl fällt nach Thompsons Meinung weniger asexuell als unterdrückt schwul aus:

"Steiner never discusses his marriages and sexual experiences, and he seems not to have thought very highly of the temptations of the flesh. 
Some historians such as Richard Tarnas, feel that Steiner might not have been so much asexual as a repressed homosexual who had mothers instead of lovers for wives. 

Living in a time when homosexuality would have invalidated his whole religious movement and mission as nothing but ideological camouflage for perversion and heresy, he simply clamped down hard on sexuality. 

The jealousy and competition for the ownership of Steiner by the women around him, however, was evidently pretty intense. Frau Doktor Steiner, Marie von Sievers, was the leader of the movement's traveling eurythmy dance company, but Frau Steiner did not like Steiner's collaboration with Ita Wegman, the leader of the anthroposophical medical movement. 

All of which is to say that Steiner was human, all too human, and very much the product of his time.
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(pages 80-81)

Die Quelle zu dem sprechenden Foto von Steiner inmitten seiner Damen entstammt einem Beitrag von Jeremy Smith im Anthropopper- Blog, in dem es um Rudolf Steiners verheerende Äußerungen über Frankreich und die Franzosen geht, mit reinrassig rassistischen Zugaben in Bezug auf Schwarze wie "That is a terrible thing the French people are doing to other people, the frightful cultural brutality of transplanting black people to Europe. It affects France itself worst of all. This has an incredibly strong effect on the blood, the race. This will substantially add to French decadence. The French nation will be weakened as a race". (Übersetztes Steiner- Zitat aus genanntem Artikel)

Smith sieht daher Rudolf Steiner teils als Produkt seiner Zeit, teils aber auch als jemand, der bei solchen Gelegenheiten seine populistischen und rassistischen persönlichen Ansichten als Nachwirkung des verlorenen Ersten Weltkriegs kundtut- keinesfalls auf dem Level und Niveau eines "Eingeweihten", sondern : "In the passages above, we are not seeing anything of Steiner the initiate, but rather Steiner as a man of his time and nation. We should remember that he was speaking less than five years after the end of the First World War, a war which Germany had lost decisively. Could it be that behind his remarks there lies a kind of anger that the Central European culture of which he himself was such an ornament, had been so overthrown and shattered; whereas the French, on the coat-tails of the British and Americans, had found themselves on the winning side. This is surely Steiner speaking from the “normal” level of consciousness rather than the sublime.."

Being Jesus (Comix)

Der halbe Ätherleib. Oder: Grundlagen für die unendliche Produktion beliebigen anthroposophischen Bullshits

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Auch Andreas Delor, der ursprünglich anthroposophisch orientierte Atlantis- Forscher, hat schon mal Stellung bezogen in Bezug auf die stigmatisierte und magersüchtige Hellseherin Judith von Halle, die in diesen Blogs häufig kritisiert worden ist.

Von Halle, die geraumer Zeit so weit erkrankt ist, dass sie kaum noch, wenn aber, dann gern für die „Klassenleser“ der Anthroposophischen Gesellschaft auftritt, hat durch eine Reihe umstrittener Bücher und Vorträge eine Art eigenen visionären Kosmos um okkulte Aussagen Rudolf Steiners aufgebaut; mit dem Anspruch, dass durch sie unmittelbar ein Gott - Christus- spräche:

Jede Darstellung über die Ereignisse soll nicht meine Person in den Vordergrund rücken. Da sich diese Ereignisse an mir vollziehen, sind sie mit meinem Wesen verknüpft. Doch es ist stets Christus selbst, der Sie ganz persönlich – in Liebe – anspricht, wenn Sie sich mit diesem Stigmatisations- Ereignis auseinandersetzen, das innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft aufgetreten ist, indem Er durch Seine Gnade, durch die Lenkung und Stützung Ihres Karmas, Sie selbst zu Zeugen werden lässt von Seinem Gang durch die Erdenwelt, von Seiner Authenzität, von Seiner Allgegenwart.“* Dabei fallen die häufig sensationell zugespitzten, blutigen und von schwarzen Magiern wimmelnden Details in von Halles Texten auf. Erstaunlich an dem ganzen Phänomen ist die doch nicht unerhebliche Zustimmung im anthroposophischen Fußvolk; vor allem im amerikanischen und pazifischen Raum. Von Halle beeinflusste bis vor kurzem mit ihrer Phantastik selbst einige anthroposophische Publizisten- so auch Delor.

Andreas Delor, der in seiner umfänglichen Bearbeitung des Atlantis- Themas selbst keine persönliche Hybris pflegt, aber allerlei Hellseher  einbezieht, lehnte in einer Stellungnahme** von Halles oben aufgeführte Selbstbeschreibung als das „Medium Christi“ ab und meint, „dass Judith
von Halle, will sie glaubwürdig bleiben, diese Aussage UNBEDINGT zurücknehmen muss.

Nun besteht für Delor die argumentative Problematik, dass er sich im Verlaufe seiner „Forschungen“ auch auf „hellsichtige“ Aussagen Judith von Halles stützt: „Nun habe ich mich im Zuge meiner umfänglichen Atlantis-Forschungsarbeit aber AUCH auf Judith von Halle abgestützt; ich STEHE dazu und werde das auch weiter fortsetzen.“ Von Halles Visionen werden von ihm dann benutzt, wenn sie Delor argumentativ passend erscheinen- ebenso wie die von Zwergenforschern und Spökenkiekern: „Seit dem Jahre 2009 arbeite ich mit mehreren (untereinander grundverschieden arbeitenden; sie kennen einander persönlich gar nicht) hellsichtigen Menschen zusammen und ziehe zusätzlich „aus der Literatur“ diverse weitere hellsichtige Quellen heran (z.B. JvH.).“

Wie windet sich Delor wieder aus dieser Sackgasse heraus? Die konventionell- anthroposophisch Linie ist in solchen Fällen stets, sich auf die „Nebenübungen“ Rudolf Steiners zu konzentrieren und ihnen entsprechend „Ergebnisoffenheit bzw. Unbefangenheit/Vorurteilslosigkeit“ einzufordern. Das führt Delor dazu, von Halles verstorbenen Kritiker Sergej Prokofieff und andere Kritiker, auf die er sich vorher bezogen hatte, nun seinerseits zurück zu weisen, da diese die „Schauungen“ von Halles, ihre angebliche Nahrungslosigkeit und Stigmatisierung nicht hätten beurteilen können: „Das KANN Prokofieff gar nicht beurteilen, und wenn er noch so viele „plausible“ Gründe dafür anführt. Allein schon ihre Schauungen als „rein leibgebundene Visionen“ hinzustellen, ist schlicht der größte anzunehmende Unsinn.“ Das Nicht- Anerkennen dieser Visionen - also das Einfordern eines stringenten Denkens und einer grundlegenden Plausibilität- rückt Delor in die Nähe der Inquisition: „..denn alles, was auch nur von ferne nach INQUISITION riecht, hat in der Anthroposophie
NICHTS VERLOREN.“ Okay, aber wie wäre es mit Logik, Sachverstand und spiritueller Verantwortung?

Nun könnte man sagen, Delors hier dargelegte Kehrtwendung in Bezug auf Aussagen Judith von Halles, die an sich keine Relevanz hat außer der, in anthroposophischen Kreisen als Totschlags- Argument zuverlässig zu funktionieren, sei doch reichlich korrupt: schließlich verteidigt er, der höchst dubiose Quellen und Methoden einbezieht, mit der trockenen Visionärin von Halle auch sich selbst, da von Halles phantastischen Aussagen ihm ja „unentbehrlich“ sind: „ sind mir dennoch wie gesagt in meiner Atlantisforschung viele Aussagen Judith von Halles unentbehrlich geworden – und nicht nur in der Atlantisforschung.“ Immerhin distanziert er sich von deren „Absolutheitsanspruch“. Auch ihren Aussagen über die Auferweckung des Johannes kann Delor wenig abgewinnen.
Wieder einmal beschließt er, die Schauungen von Halles durch die Visionen zweier Hellseher zu überprüfen. Nach offensichtlichen Widersprüchen erfolgt, wie so oft bei den von Delor eingesetzten Medien, ein alberner Kompromiss in Form eines „halben Ätherleibs“: „Er ist also nicht zu Staub zerfallen und hat sich auch nicht in Jakobus inkorporiert – darin hat Judith von Halle Unrecht, so leid es mir tut, dies sagen zu müssen, denn im Allgemeinen schätze ich ihre Angaben sehr. Andererseits hat sie darin recht, dass Johannes Zebedäus wirklich seinen Ätherleib dem auferstandenen Lazarus-Johannes gespendet hat, oder sagen wir mal, den „halben Ätherleib“..“

Halbe Inkorporationen und Ätherleiber, der Zwang, mit den absurdesten Behauptungen skurriler Hellseher zurecht zu kommen; das ist in der Tat, wie Delor schreibt, eine „Räuberpistole“- wie kommt er da heraus?  „Ich verbuche das Ganze schlicht unter „jeder macht Fehler“ und werfe ihr nur „Verletzung der Sorgfaltspflicht“ vor, denn was man in die Öffentlichkeit gibt, sollte tatsächlich hieb- und stichfest sein.

Delor ist auf dem Wischi- Waschi- Boden der okkulten Schwätzer und Spekulanten angekommen, wieder einmal. Wenn man Geschwätz, spekulatives Geraune und den Verzicht auf jegliche geistige Disziplin so kombiniert, kann man tatsächlich jede beliebige, sensationell aufgehübschte Okkult- Behauptung argumentativ einbringen. Das ist die „Methodik“ Delors- die Grundlage für die unendliche Produktion beliebigen Bullshits. In meinen Augen sind solche Produktionen nicht nur überflüssig, sondern toxisch, was die Treue und Verpflichtung gegenüber Rudolf Steiners Werk betrifft- eine Haltung, die Andreas Delor aus nahe liegenden Gründen nicht teilt: „„Irren ist menschlich“ – man sollte dies auch Judith von Halle (und Rudolf Steiner) zugestehen und nicht solch „fehlerhafte“ Personen in derartig unwürdiger Weise verurteilen, ja, sie als„Sibylle“ oder „giftige Blume“ verunglimpfen und „auszuradieren“ suchen, wie dies momentan ihr gegenüber geschieht.“ 

Die "giftige Blume" war tatsächlich ein Bild, das ich einmal bei den Egoisten in Bezug auf die okkulte Tätigkeit von Halles benutzt habe. Insofern bezieht sich Delor indirekt auch auf dieses Blog.

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*zitiert von Sergej Prokofieff in:„Zeitreisen – ein Gegenbild anthroposophischer Geistesforschung“, Dornach 2013, S. 15  
**http://www.andreas-delor.com/tl_files/andreas1/pdf/atlantis/JudithvonHalle.pdf
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