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Russisches Geld und geheime angelsächsische Bruderschaften

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Dass Russland in einem atemberaubenden, nie gekannten Ausmaß von einer Clique im Kreml ausgesaugt und des Volksvermögens beraubt wird, ist keine Neuigkeit- dass aber auch die Deutsche Bank in Moskau an dieser Stelle an halb- bis illegalen Geldwäsche- Geschäften und intransparentem Transfer von russischen Milliarden nach Großbritannien beteiligt ist, wurde erst vor wenigen Tagen durch eine groß angelegte Recherche in The New Yorker ausgeführt. Das Geld wandert in so genannten Spiegelgeschäften in Off- Shore- Steuer- Paradiese wie British Virgin Islands: „Because the Russian company and the offshore company both belonged to the same owner, these ordinary-seeming trades had an alchemical purpose: to turn rubles that were stuck in Russia into dollars stashed outside Russia. On the Moscow markets, this sleight of hand had a nickname: konvert, which means “envelope” and echoes the English verb “convert.” In the English-language media, the scheme has become known as “mirror trading.”“ Allein durch diese eine Masche, durchgeführt durch einen 38jährigen Deutsche- Bank- Mitarbeiter, der es inzwischen vorgezogen hat, sich mit seiner Familie nach Bali zu verabschieden und sich einen Bart wachsen zu lassen, verschwanden, wie die Deutsche Bank unter Druck zugibt, zehn Milliarden ins anonyme Nirgendwo. Weitaus größere Summen versickerten allerdings seit Putins Dienstantritt- so der zitierte Artikel-, ohne dass offizielle Spuren davon nachweisbar wären, in die Immobilienmärkte von London und New York- so weit und so umfassend, dass diese Märkte utopische Größenordnungen in Form von Blasen angenommen haben und Ungleichgewichte in den Volkswirtschaften hinterlassen. Selbst die tschetschenische Mafia scheint die Gelder, die Moskau angeblich zur Entwicklung des Landes zahlt, lieber in solche - ideologisch doch verhassten - Märkte umzuleiten. Da es sich hier um ein einziges Geldinstitut in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen geht, darf man davon ausgehen, dass der Diebstahl russischen Volkseigentums in der Gänze Hunderte von Milliarden beträgt.

Im Rahmen der Panama- Papers - hier nur ein einzelner Artikel der Süddeutschen zum Thema- wurden die Methoden aufgedeckt, mit denen Putins Vertraute Gelder systematisch abzweigen. Der oppositionelle Alexej Nawalny ist verzweifelt darüber, dass niemand in Europa den Willen hat, diese systemische Geldwäsche der russischen Regierung und Oligarchen ernsthaft zu bekämpfen: „Wir wussten ungefähr, wie die Putin'sche Korruption funktioniert: Er hat Freunde, diese Freunde gewinnen staatliche Ausschreibungen und verdienen damit Milliarden. Diese Milliarden sind wie ein gemeinsamer Topf, aus dem er sich bedienen kann. Jetzt stellt sich heraus, dass es außerdem noch eigene Kassen Putins gibt. Und wir sehen, wie sie gefüllt werden.“ (dito) Aber es scheint schlicht um zu viel Geld und um die Nutzung eines intransparenten Finanzmarktes zu gehen, dass irgend jemand einschreiten wollte. Vielleicht ändert sich diese Einstellung zumindest in den USA, wie die Ermittlungen gegen die Deutsche Bank andeuten, da immer klarer wird, dass die veruntreuten Gelder von Putins Getreuen auch dazu genutzt werden, um in den US- Wahlkampf einzugreifen, Marine le Pen und andere Rechte in Europa zu finanzieren:“Es wäre nicht das erste Mal, dass Geld aus Russland in die Kassen des FN fließt. Bereits vor rund einem Jahr hat die FN-Vorsitzende Le Pen für ihre Partei einen Neun-Millionen-Kredit bei einer russischen Bank aufgenommen, die von einem Putin-Vertrauten geführt wird. Der FN-Schatzmeister Wallerand de Saint-Just bestätigte damals entsprechende Medienberichte. Das Geld brauche die rechtsextreme Partei unter anderem für die Organisation ihres Parteitages in Lyon, hieß es. Kritiker sagten jedoch, das Geld sei eine Art „Belohnung“ dafür, dass der FN die Sanktionspolitik der EU in Sachen Krim-Annexion scharf geißelte.

Im Westen wird mit den russischen Milliarden ein ganzes Netz von Desinformations- Medien unterhalten, das den Druck auf die demokratischen Prozesse in einer politisch angeschlagenen EU inmitten der Flüchtlingskrise erhöhen soll. Dabei kommt es durch russlandtreue Propagandisten und Fernsehstationen zu einer sich verstärkenden Kampagne nach der anderen. Daniele Ganser ist nur einer von ihnen: „Ganser bewegt sich mit seiner Vortragstätigkeit und Pressearbeit in einem rechtspopulistischen bis rechtsesoterischen Umfeld, das seine verschwörungstheoretischen Inhalte und politischen Positionen begeistert aufnimmt. Ganser ist mittlerweile zum Shooting Star einer grenzüberschreitenden Querfront-Szene geworden und wird in den entsprechenden subkulturellen Zusammenhängen als intellektueller Vorreiter gehandelt. Kontakte bestehen insbesondere zu Jürgen Elsässer („Compact“), zu KenFM, Alpenparlament.TV, Nuoviso und anderen, ähnlich gearteten „Alternativmedien“, deren vollständige Auflistung hier den Rahmen sprengen dürfte…“ (Quelle Irma Kreiten). Die in diesen fadenscheinigen Medien erschienen propagandistisch geprägten Artikel werden wiederum von russischen Quellen aufgegriffen und wieder verwertet: „..beruft man sich sogar auf Daniele Gansers Auftritte bei RT um zu behaupten, der Schweizer Historiker habe vergeblich vor dem nun in der Ukraine stattfindenden Genozid gewarnt“ (dito). „Russia Today“ und ähnliche von Moskau abhängige und finanzierte Sprachrohre nutzen die ideologisch verzerrten Behauptungen als angebliche Belege.

Die übelsten Pamphlete dieser Art werden von anthroposophischen Verlagen wie dem Perseus- Verlag gedruckt, der u.a. den italienischen Verschwörungstheoretiker Guido Preparata verbreitet: „Von Preparata stammen u.a. die Publikationen „Conjuring Hitler. How Britain and America made the Third Reich“ (auf dem Cover passenderweise ein Adolf Hitler, der von Marionettenfäden gehalten wird) und „The Ideology of Tyranny: The Use of Neo-Gnostic Myth in American Politics“. In ersterer behauptet er, es gebe „weit Schlimmeres als den Nazismus” und dies sei „die Hybris der angloamerikanischen Bruderschaften” (..) Mit dessen Verleger, dem Anthroposophen Thomas Meyer, steht wiederum auch Daniele Ganser in Kontakt, so hat Ganser Meyer Interviews für dessen Magazin „Der Europäer“ gegeben. Daß es sich hier nicht um einmalige, zufällige Berührungspunkte handelt, daß Daniele Ganser und Guido Preparata vielmehr in die gleichen diskursiven Netzwerke verwoben sind..“ (dito)

Das entwendete russische Volksvermögen, das in rechte (auch linke) Parteien, Ideologen und Medien zur Destabilisierung der westlichen Demokratien und insbesondere der EU wandert, wird also zugleich auch missbraucht, um die Vision eines durch Russland dominierten Eurasiens zu untermauern. Guido Preparata argumentiert also direkt aus der ideologischen Trickkiste Alexander Dugins, wenn er behauptet, angelsächsische Geheimbünde hätten „eine „gigantische Einkreisung der eurasischen Landmasse“ geschmiedet. Hauptziel der „titanischen Belagerung“ des „jungen deutschen Reiches“ sei „die Verhinderung eines Bündnisses zwischen Deutschland und Russland“ gewesen und Britannien habe eine „außerordentliche Kampagne zur Auseinanderreißung Eurasiens“ betrieben“. (dito)

Die Spur dieser angelsächsischen Bruderschaften, deren Marionette schon Hitler gewesen sei, findet sich indirekt auch in dem hier im Blog kritisierten Artikel von Stefan Eisenhut bei der anthroposophischen Zeitschrift „Die Drei“,  in dem z.B. darüber spekuliert wird, angelsächsische Politiker hätten besondere Fähigkeiten, auf die Instinkte der Bevölkerung zu wirken.
Mit solchen Andeutungen wird offenbar unter einem Deckel auf die Wirkmechanismen vermuteter "geheimer angelsächsischer Bruderschaften" spekuliert, die besondere Fähigkeiten zur Manipulation der Instinkte der Bevölkerung haben sollen- etwas, was im Perseus- Verlag durch "Guido Preparata" (putziger Kunstname!) in Reinkultur ausgeführt wird. Tatsächlich handelt es sich um aber um Propaganda im Sinne russischer Phantasien vom eurasischen Großreich.

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Zitierte Quellen:
http://www.newyorker.com/magazine/2016/08/29/deutsche-banks-10-billion-scandal
http://www.sueddeutsche.de/politik/russischer-oppositionspolitiker-die-indizien-sind-eindeutig-1.2949514
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.putin-unterstuetzt-rechtspopulisten-der-front-national-und-der-kredit-aus-russland.d8feccad-35ae-4316-8b43-04c1ea39a0b0.html
http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.de/2014/12/rainer-rothfu-goes-querfront-tubinger.html


Kollektive geistige Obdachlosigkeit oder: Die unbestimmte Wut der Verschwörungstheoretiker

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Geistige Balance halten
In der vierteljährlich erscheinenden europäischen Kulturzeitschrift Lettre International finden sich derartig viele anregende Artikel, dass es mir schwer fällt, einzelne heraus zu greifen - nennen wir aus dem Sommerheft 2016 zunächst Letizia Battaglias leidenschaftliches fotografisches und schriftliches Plädoyer gegen die Mafia in Sizilien, für die Freiheit und die „sizilianische Schule des Lebens“, Yitzhak Laors Betrachtungenüber Hannah Arendt und Bertold Brecht - „Liebe, Tugend, Schuld und Sühne“ oder Mike Davis´, dem Stadt- und Terror- Philosophen, der hier über Klimapioniere seit den Zeiten Kropotkins berichtet, die ihre jeweils eifersüchtig ausgefochtenen systemischen Zustandsbeschreibungen vom Zustand des Planeten austragen: „Kropotkin, Mars, Asien - Von Eiszeiten, Wassermangel und Wüstenzonen“. Träume, Visionen, gedankliche Konstrukte, die gerade haussieren; Georges Nivat betrachtet Russlands „Traum des Weltreichs“- die wieder einmal aufgeflammte „Nostalgie nach dem großen Vaterland“. Ein Heft zum Thema Europa - da könnte man stets einiges anfügen. Ich möchte an Simon Glinvars persönliche Betrachtungen und Beobachtungen aus Dänemark anknüpfen, der episodisch aus dem Leben seines Großvaters berichtet, einem ehemaligen Polizeichef, der nun, im Alter beim Fischen plötzlich „am Außenbordmotor erstarrt war und seine Umgebung nicht mehr entschlüsseln konnte“. Es ist der Ausbruch einer fortschreitenden, sich schubweise vollziehenden Form von Demenz. In den zunächst phasenweise erscheinenden Bewusstseinsveränderungen kommt es dazu, „daß die Welt feindlich wirkt (..) und diese Feindlichkeit dürfte bei ihm das Gefühl gefördert haben, sich nirgendwo mehr zu Hause zu fühlen.“ Der Großvater geht durch einen Wechsel hindurch „von einem entgegenkommenden, freundlichen Milieu zu einem feindlichen“.

Glinvar fasst diese Auswirkungen der Demenz als Symptom der Zeit auf. Auch Europa verändert sein Gesicht und erlebt sich - zumindest stetig wachsende Mengen von Menschen - zunehmend als heimatlos. Die unbestimmte Wut des Irritierten wird im Kollektiv, das seinen Realitätsverlust und die Heimatlosigkeit als mentale Konstruktion erlebt, gelenkt auf diejenigen, die verantwortlich gemacht werden für die Überfremdung: Diejenigen, die physisch Heimatlosigkeit vor Augen führen wie z.B. Flüchtlinge. Die Flüchtlinge führen vor Augen, was der heimatlose gewordene Bürger intrinsisch - mental erlebt.

Glinvar führt die zahllosen Maßnahmen auf, die europäische Staaten und Gemeinden unternehmen, um dieses Vor- Augen- führen zu unterbinden. In Italien ist der Kampf um die Parkbänke entbrannt, deren missbräuchliche Nutzung scharf verfolgt wird. Der unerlaubte Aufenthalt im öffentlichen Raum ist längst zum Politikum geworden. Das Vor- Augen- führen der Heimatlosigkeit hat in Ungarn dazu geführt, dass „Obdachlosigkeit ganz einfach für gesetzwidrig erklärt“ wurde. Gerade lese ich in der Moskow Times, dass per Dekret jedes ungebührliche Verhalten in der Öffentlichkeit unter Strafe gestellt wird. Das ist ein weites Feld. Was als fremd und ungebührlich erscheint, liegt im Auge des Betrachters- in diesem Fall dem der Staatssicherheit.

Was aber führt zur flächendeckenden Entfremdung ganzer Bevölkerungsteile, zur grassierenden Wut, die so anfällig macht für simple politische Parolen? Ein Paradox zeigt sich ja auch darin, dass die Landesteile besonders anfällig dafür sind, die am wenigsten mit Flüchtlingen konfrontiert sind- so wie in Großbritannien die am vehementesten für den Brexit stimmten, die am meisten von der EU profitierten. In vielen solcher Symptome zeigt sich doch, wie sehr die mentale Konstruktion sich abgekoppelt hat vom Realen- und wie weit sie fortgeschritten ist. Überfremdung, Fremdbestimmung, aber auch Rassismus und neu aufgewachter Nationalismus sind heute Symptome eines grassierenden Realitätsverlusts, ja einer kollektiven geistigen Obdachlosigkeit.

In Russland ist diese Krise schon lange virulent; sie wird von den Strategen des Kreml souverän bedient, wie Ulrich Schmid in „Technologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartskultur“ schreibt. Schon im Jahr 2000 wollten lediglich 24% der Russen noch in einem Land leben, das „der modernen Welt und ihren Einflüssen aufgeschlossen gegenübersteht“. Seitdem sinkt die Zahl der Weltoffenen weiter stetig. Stattdessen sucht man den Zusammenhalt unter nationalistischen Reflexen: „Das Imperium ist also ein Konzept, das wie kein anderes den Zusammenhalt Russlands garantieren kann“ (S. 118) - man hebt sich am liebsten wie in weiten Teilen der Rechten Westeuropas „von einem bürokratischen Staat westlicher Prägung ab, der bloß die Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens definiert“. (S. 119)

Der Staat soll offensichtlich die innere Heimatlosigkeit, Leere, als feindlich empfundene Umgebung ausfüllen mit emotionalen, verbindenden Inhalten. Er soll sinnstiftend sein. Putin ist daher auch für viele Heimatlose im Osten zum neuen Idol und Führer geworden und reagiert, indem er die Rolle als „Sammler der russischen Erde“ immer stärker ausfüllt. Dass Ausgrenzung, das Errichten von Mauern, Rassismus und Aussperren derer, die die Heimatlosigkeit als Flüchtlinge vor Augen führen, die Parolen und Aktionen sind, die die neuen Führer zu Idolen machen, zeigen die Charaktere von Orban bis Trump nur zu deutlich. Natürlich ist die Botschaft hohl. Aber sie wirkt.

Denn das Surreale schreitet stetig voran, begünstigt durch die Welt der Information und des Tratsches in unserer aller Tasche. Man sieht es an Hunderten von Smartphone- Getriebenen jeden Alters auf der Königsallee in Düsseldorf, die auf der Jagd nach einem seltenen virtuellen Pokemon- Wesen sind. Oder nach neuen, surreal- aggressiven Twitter- Posts Beatrix von Storchs. Man sieht das Surreale auch in den idyllischen Urlaubsorten, deren Authentizität durch die internationalen Anlagefonds, denen sie gehören, so gepflegt wird, dass sie zu einem museal- kitschigen Abbild ihrer selbst geworden sind. Ist Venedig noch Venedig- oder nicht vielmehr ein Abbild des Klischees, das Touristen von Venedig erwarten? Ist das chinesische Essen „chinesisch“? Bin ich ich selbst oder das Bild, das ich mir und dir von mir selbst vorstelle?

Da wird Authentizität doch zum sicheren Hafen. Sergio Benvenuto stellt („Verschwörungen überall“) im vorgestellten Lettre- Heft eine ganze, umfassende Palette gängiger Verschwörungstheorien vor, die die Sicherheit und Authentizität vermitteln, die offenbar global der Virtualität zum Opfer fällt. Er fängt mit dem gebildeten Somalier an, der sich ganz sicher ist, dass „jeder in Afrika weiß: daß „sie“ das Ebola- Virus verbreitet haben“ (S. 132). „Sie“ sind in diesem Fall (je nach Kontinent austauschbar) „die europäisch- amerikanischen Mächte, die Hydra, deren Ziel es ist, die Afrikaner auszurotten“. Nach einem Rundummarsch mit Abstechern zu den Protokollen von Zion (von zaristischen Agenten verfaßt und bereits 1921 entlarvt), Umberto Ecos letzten Bemerkungen zum „Komplottismus“ bezüglich des Jesuitenordens (etwas, dem Rudolf Steiner ausgiebig anhing) und einem Abstecher zu Neros konspirativem Manöver, den Brand von Rom den Christen anzuhängen, kommt Benvenuto zum Resümee, die konspirativen Legenden seien ein Instrument zur Realisierung kognitiver Resonanz- aber auch ein Vermeidungsinstrument, „mit dem eine kritische Konfrontation mit der Realität vermieden werden“ soll, vor allem durch „brachiale Reduktion von Komplexität“ (S. 133). Das macht dieses Medium der hohlen Botschaften so ideal zum Instrument politischer Manipulation der geistig Obdachlosen und Frustrierten, vor allem durch den Schein des „Authentischen“, den Demagogen von Trump bis Putin so gut beherrschen.

Lit:

Ulrich Schmid, „Technologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartskultur“
Lettre international Sommer 2016. lettre.de


Faschodoron

Das Faschodoron-Lied

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*Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch."
Hölderlin ( aus: Patmos)

Die Putinesque Ultramoderne oder: „Dialektisches Realitätsmanagement“

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Während man konservative Anthroposophen bei Facebook liest, die - nicht gerade überraschend- posten, sie würden jetzt „das Schubladendenken“ satt sein, klatschen offene Faschisten aus ihren Freundeskreisen Beifall- darunter auch ehemalige Waldorflehrer. Diese Ankündigung eines intellektuellen Ausbruchs, worauf genau bezieht er sich? Doch auf eine Leerformel, die in rechten Kreisen gang und gäbe ist und offensichtlich einer Aufkündigung des Arguments schlechthin gleich kommt. Schluss mit den demokratischen Klischees, hinein in die Welt von AfD, Russia Today, putinesker politischer Winkelzügen aus dem Baukastensystem des Demagogen. Oder wie es die Putin- Persiflage @DarthPutinKGB bei Twitter ausdrückt: „If it looks like a duck, walks like a duck and quacks like a duck but denies it's a duck, it's a Russian duck.“

Die russische Ente, die ihr eigenes Ententum offiziell bestreitet, in der Polit- und Bewusstseins-Technologen nicht bestimmte politische Standpunkte unterwandern, sondern die politische Plausibilität schlechthin, stellt Individuen weltweit in den Dienst des Surrealen. Es ist kein russisches Privileg mehr, eine ganze Gesellschaft danach auszurichten, die Wahrheit nicht nur auszuhöhlen, sondern gänzlich zu unterminieren, um jede innere Orientierung des Individuums zu verhindern. Dann ist es auch möglich, dass Donald Trump beim russischen Propaganda- Sender Russia Today den Diktatoren preist, gegen Minderheiten hetzt und jede beliebige politische Lüge unters Volk mischen kann- und dabei seine Umfragewerte in den USA steigen. Inzwischen stört es auch bald die Hälfte der wählenden Bevölkerung nicht mehr, dass Trump vom Ku Klux Klan und durch seine Wahlkampfmanager über prorussische Oligarchen aus der Ukraine finanziell unterstützt wird; das abgeschaffte „Schubladendenken“, das allein auf Anti- Establishment- Instinkte setzt, ist durch kein Argument mehr erreichbar. Die Bühne ist frei für einen Weltspieler Putin, der einen ultramodernen hybriden Krieg führt, geleitet von grauen Kardinälen der genialen Cliquen im Kreml wie Surkow, Kurginjan und Dugin.

Letztere sind Repräsentanten einer sarkastischen Bewusstseinsseele, die, wie Surkow auf seinem Twitter- Kanal, selbstironisch die eigene Rolle inszenieren: „Der graue Kardinal. Wieder spinne ich Intrigen und schmiede Ränke.. Kurz, ich bin der geheime Lenker des Staates.“ (Ulrich Schmid, S. 109) Bezeichnend, dass die christliche Konnotation bei ihm immer wieder, ebenfalls sarkastisch, einfliesst. Technisch funktioniert die neue sowjetische Staatenlenkung in einer jeweils auszutarierenden Balance zwischen Freiräumen (vor allem im kulturellen Bereich) und staatlichem Terrorismus, zwischen weichen und harten Polittechnologien: „Gerade der Fall Chodorkowski zeigt, wie der Kreml ein Exempel statuieren kann, wenn er sich in seinem Führungsanspruch ernsthaft herausgefordert sieht“. (Schmid, 105). Auch das - einschließlich staatlich verordneten Morden und kriegerischen Handlungen- gehört zum „dialektischen Realitätsmanagement“ (Schmid, S. 102) dieser neuen Art von Polit- Profis, die über einen „scharfen analytischen Blick“, die geeigneten Mittel und Methoden zur Manipulation ganzer Staaten, aber auch über eine „moralisch absolut verwerfliche Haltung“ (Schmid, S. 101) verfügen. Surkow selbst hat seine Methoden ganz offen kommuniziert (Suverenitet, Moskva 2006 in Schmid S. 97):

Natürlich hat ein Mensch, der über Bildung verfügt, ein Mensch, der manchmal mehr, manchmal weniger an den demokratischen Entscheidungsprozessen teilnehmen kann, mehr Wahlfreiheit und ein stärkeres Bewusstsein der eigenen Würde. Deshalb werden auch die sozialen Techniken, die Technologie der Macht und die Technologie der gesellschaftlichen Selbstorganisation immer komplexer, und wenn man so will, weicher und raffinierter. Die Gesellschaft geht vom Zwang immer mehr zu Technologien des Überzeugend über, vom äußeren Druck zur Kooperation, von der Hierarchie zur horizontalen Vernetzung. Das heißt nicht, dass ein Element das andere ausschließt, dennoch verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung Überzeugungs- und Verhandlungskompetenz, mit dem Ziel, dass eine möglichst große Zahl von Menschen die eine oder andere Entscheidung bewusst und wenn möglich freiwillig akzeptiert. Man kann sich keine moderne Gesellschaft vorstellen, die aus gebildeten, klugen, entwickelten Menschen besteht, die man einfach herumkommandiert, ohne ihnen etwas zu erklären.“ Seine post- leninistischen Polittechniken hat Surkow bereits 2002 als „Heilige Schrift“ bezeichnet, in der das Credo für Parteimitglieder formuliert wird: „Wenn ich in die Macht investiere, dann will ich auch mehr Macht erhalten.

Dieses Credo hat Surkow durchaus selbst verfolgt, zunächst als Spionage- Mitarbeiter des Militärs, dann in den 80ern als Bodyguard des aufstrebenden, heute in Russland verfemten Oligarchen Chodorkowski, dann als Werbe- und Bankmanager in der wilden Zeit nach Gorbatschow und schließlich 1999, mit Putins Amtsantritt, zentral als stellvertretender Leiter der Präsidialadministration. Er hat väterlicherseits tschetschenische Wurzeln - eine hybride Vergangenheit wie Ausbildung in Metallurgie wie Dramaturgie. Als verborgener, gleichwohl umstrittener Chefideologe Putins, schaffte er - ein geistiger Alchemist - zugleich die Grundlagen für die hybride Kriegsführung und Machtentfaltung des heute herrschenden Systems.

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Lit.
Ulrich Schmid, Technologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartskultur. edition Suhrkamp , Berlin 2016/2

Die Vokale und Konsonanten der geistigen Welt

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Dass Rudolf Steiners Esoterik, ernsthaft betrieben, eine langjährige Beschäftigung beinhalten wird, ist jedem klar, der sich etwas eingehender damit beschäftigt hat. Allerdings gibt es, je mehr man und wie man mit Menschen spricht, immer wieder Anknüpfungspunkte des Einzelnen. Das, woran man da anbindet, findet man nicht unbedingt leicht in Rudolf Steiners Sprachkosmos wieder. Es handelt sich auch nicht um Erfahrungen, mit denen man hausieren geht, berührt es doch stets das Wesentliche, das Essentielle- das, woraus man sein inneres Leben schöpft. So wesentlich es erscheinen mag, ist es aber überaus flüchtig, wenn das ganze Element des Übens ins Spiel kommt.

Denn übend setzt man sich Ziele und kommt in ein Leistungsfeld hinein, dem sich das Wesentliche sofort entzieht. Zudem entstehen aus dem Sprachkosmos Rudolf Steiners stets Vorstellungen, denen man zu entsprechen geneigt ist. Die aus der Sprache gewonnenen Bilder und Ziele sind aber nur Variablen, mit denen Steiner auf ein Erfahrungsfeld verweist, das man sich selbst erschliessen muss. Es geht nicht ohne ein inneres Zurückweisen dessen, was symbolischen Charakter bei Rudolf Steiner hat. Erst im eigenen, individuell gefundenen Zugang kann man wieder Steiners Formulierungen als das entschlüsseln, auf was dieser zweifelsfrei hingewiesen hat- aber eben in seinem Duktus, in seinem sprachlich- bildlichen Kleid. Die „Nacktheit“ des Adepten ist für Viele, die Steiner möglichst wortgetreu folgen wollen, schwer zu ertragen. Die innere Selbständigkeit des Anthroposophen ist aber für diese Art von Erfahrungen ebenso wesentlich wie der innere Anker, der Ansatzpunkt, dem sie folgen. Das Adeptentum ist daher ebenso tödlich für die nackte Erfahrung wie der Ehrgeiz im Folgen eines vorgestellten Schulungswegs. Was vielmehr gefordert ist, ist ein unbedingtes wesentliches Beginnen in jedem Augenblick, eine unmittelbare, verdichtete Präsenz.

Nur so lassen sich Erfahrungen machen wie sie Steiner in „Okkultes Lesen und okkultes Hören“ (GA 156) auf seine unnachahmliche, aber auch missverständliche Art und Weise schildert. Er macht die hier getroffenen Aussagen auch deutlich, wenn er sagt (S.78): „Was man okkultes Lesen und okkultes Hören nennt, ist wirklich eine individuelle Erfahrung“. Seine Hoffnung, seine Schüler würden das Problem der dabei so beschränkt einsetzbaren, zumindest missverständlichen Sprache - „um sich über diese Dinge zu verständigen“- schon regeln, hat sich allerdings nur zum geringen Teil erfüllt. Die Aufgabe, die sich in der Forderung artikuliert „Die Sprache muss noch viel biegsamer werden“ (S. 79) steht noch aus. Man spürt Steiners eigenes Bemühen, aber auch sein Empfinden, allenfalls im Ungefähren Hinweise geben zu können.

Dabei geht es ihm (S. 70 ff) um eine Schilderung der Erfahrungen in einem inspirierten meditativen Erleben- einer immer weiter verdichteten, willentlich aufgeladenen und dann losgelassenen Aufmerksamkeit. Die „Verdichtung“ in der menschlichen Präsenz vergleicht er mit einem „An- der- Pforte- des Todes- Stehen“ (S. 73), die man erlebe in einer signifikanten Dynamik in der „obersten Gegend“ - damit ist der Kehlkopf gemeint -, und einem Zusammenziehen „nach der Herzgegend“.

Es handelt sich um Erfahrungen, die mit der höchsten Aktivität in den Chakren zusammen hängen. Rudolf Steiner erwähnt in diesem Zusammenhang aber nur die, in denen die stärkste und direkteste Dynamik spürbar ist. Es sind mit der Modulation zwischen Herz- und Kehlkopf- Chakra auch unterschiedliche Qualitäten verbunden. Steiner kommt es vor allem auf den Durchbruch an, der in der Erfahrung liege: „Dann sieht man ein anderes Leuchten und vernimmt ein anderes Tönen, wie aus einer Wesenheit heraus, in die man sich versetzt hat mit den Ich und dem Astralleib“. Die Betonung liegt bei ihm dabei auf der wesentlichen Erfahrung, dass man diese Art von modulierender Dynamik nicht produziert. Man macht sie nicht, sondern tritt innerlich beiseite, schafft aktiv Raum.

Aber es ist auch kein mystischer Ausnahmezustand, sondern ein in jedem Augenblick hellwacher bewusster Prozess. Das hat er in den Vorbereitungen darauf deutlich gemacht, in denen er schildert, wie man sich denkend und meditativ wollend in ein „lebendiges Weben und Wesen in sinnvollem Weltensein“ begibt: „Überall, wohin man sich versetzt, ist Sinn.“ Das klare, konzentrierte Denken hat sich so verdichtet, dass es in einem dynamischen sinnhaften Raum aufgeht, in dem es selbst sinnschaffend agiert. Hier ist nichts hinzugedichtet oder mystisch empfunden; der Anspruch ist vielmehr der, eine Erfahrung des Logos zuzulassen, der das Essentielle des Denkens selbst ist: des „all- sinnvollen Weltenwort(es)“.

Diese Erfahrung ist zugleich die situative Überwindung des selbstbezogenen Egos, denn: „Was ich in diesem Weltenworte weiss, das weiss die Welt in mir..“ (S. 71). Daher ist hier auch keine persönliche Anstrengung, keine persönliche Entwicklung, kein Ehrgeiz, kein höheres Selbstgefühl angebracht - dies alles sind ja nun Projektionen auf der Ebene des Egos. Man erlebt sich vielmehr als ein „unvollkommenes Instrument“, das, seiner selbst voll bewusst, „in gebrochenen Strahlen dieses Weltenwort in mich hereintönen lässt“ (S. 71), jenseits allen Zeit- und Raumempfindens. Dieser Zustand wird von Rudolf Steiner "im höheren Sinne Inspiration" genannt. Aber man „hält“ das Bewusstsein, man lenkt selbst in höchster Konzentration- auch wenn die Dynamik fliesst und einen zutiefst sakralen Charakter hat. Es ist nicht nur - hier spielen die Modulationen zwischen den Chakren herein- eine selbständige, Sinn schaffende, Geist findende, sondern auch moralische Erfahrung. Man entdeckt ohne Zweifel die denkbar höchste Form eigener Menschlichkeit und Moralität.

Die zunehmende Sicherheit im Verweilen in einem derartig umschriebenen inspirierten Erfahrungsfeld führt - so Rudolf Steiner- zum Ausbilden eines Spiegels des „eigentümliche(n) Wallen(s) und Wogen(s) des ätherischen Leibes“, aus dem unterschiedliche weitere Sinnzusammenhänge folgen - Erfahrungen an der Schwelle des Todes, vom Unmoralischen, vom Leben im schaffenden Sinnzusammenhang des Logos. Hier beginnt - je nach Grad und Art der bewussten Hingabe- eine aktive Teilhabe an dem, was Rudolf Steiner die Vokale und Konsonanten der geistigen Welt nennt- das ABC des wirklichen Adepten.

Eine Huldigung an Massimo Scaligero

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Trailer Italiano English from PIERO CAMMERINESI on Vimeo.

Piero Cammerinesi ist in einem Projekt - "Oltre" bemüht, Geld für einen Dokumentarfilm über seinen Meister Massimo Scaligero zu sammeln- oder, wie es Mark Willan ausdrückte: "Here are a couple of words about a project I hold very dear.
It is OLTRE (BEYOND), a documentary on the life and work of MASSIMO SCALIGERO, being set up by my friend Piero Cammerinesi, and which has been on the back burner for years, and for which filming is due to start very soon directed by Davide Cincis.
OLTRE (BEYOND) is a non-profit project, intended for distribution free of charge.
Neither I nor Piero shall take one single cent from what we are collecting for this work, which is totally devoted to the being that was Massimo; however, to cover costs, we need to find funding for travel, the crew, subtitling (subtitles will be in English to ensure international distribution), post-production, etc."

Man kann schon im oben verlinkten Trailer den Interviewer Piero Cammerinesi durch Orte des Lebens von Scaligero stapfen sehen und andächtig den Gesprächen mit Schülern, Geliebten und Verwandten Scaligeros lauschen, die tatsächlich von dem "Asketen" und "Engel" auf geradezu peinlich devote Art und Weise - teilweise unter Tränen der Rührung- sprechen. Man darf wohl davon ausgehen, dass dieses Projekt der anthroposophischen Heiligendarstellung dienen und mit einer Dokumentation wenig zu tun haben wird. Das ist um so bedauerlicher, weil in den anspruchsvollen, wenig übersetzten und gelesenen Texten Scaligeros eigentlich nach 1945 Substanzielles zu entdecken ist. Ausgeblendet hat Scaligero selbst - von seinen Anhängern wie Cammerinesi zu schweigen- seine zutiefst menschenverachtende, rein faschistische Publikationstätigkeit davor. Die asketische, edle, vergeistigte Selbstinszenierung Scaligeros nach 1945 sollte wohl den denkbar größten Abstand zu seiner faschistischen ersten Lebenshälfte schaffen, die durch die tiefe Freundschaft und Schülerschaft zum faschistischen Magier Julius Evola geprägt war- Evola, der bis heute Guru der Neuen Rechten nicht nur in Europa ist, sondern seit Jahren aufs neue als Kultfigur von Alexander Dugin, dem Chefstrategen des Kreml, promotet wird.
Unwahrscheinlich, dass diese überaus bedenklichen Spuren in Cammerinesis Projekt aufgegriffen werden. Daher schreibt auch Peter Staudenmaier dazu aktuell in Waldorfcritics

"Anybody who has paid minimal attention to public discussion of anthroposophy over the past decade or so is familiar with the ignominious figure of Massimo Scaligero and his activities during the Fascist era. Anybody, that is, except for Scaligero's fans. One of them, a fellow named Piero Cammerinesi, is now raising money to make a film celebrating the "Master" Scaligero and his "high moral behaviour." Unlike so many other anthroposophist celebrations of racism, this is not just a matter of historical ignorance; Cammerinesi likes to brag about his "weekly private meetings" with Scaligero in the 1970s, when the "Master" was a venerated elder of the Italian extreme right. 

Scaligero wasn't some minor Fascist. He was one of the most voluble racist propagandists in Mussolini's entourage, publishing dozens and dozens of virulently antisemitic screeds in the Fascist press from 1938 onward. He was especially effusive in his praise for Nazism during World War II. Scaligero applauded Nazi Germany's "determined racist campaign" and eagerly endorsed Hitler's call for a "united Aryan front against Jewry." He held that Fascist Italy and Nazi Germany represented the heroic Aryan resistance against the Elders of Zion and their occult machinations. 

According to Scaligero, Freemasonry, Bolshevism, England, and the United States were all pawns in "the secret Jewish plan" for world domination. He continued to promote an "uncompromising battle against Jewry" up until the very end of the Fascist regime. Scaligero demanded nothing less than "the elimination of the Jewish virus" from the world, invoking Steiner in support of his call for a "total racism" that would get rid of the Jews once and for all. 

None of this material is difficult to find. Anybody interested can easily look up hundreds of examples right here on this list. Only Scaligero's followers seem somehow unable to locate any of it. Thus they continue to celebrate one of the major exponents of the most extreme form of Fascist racism. 

For anyone out there who views Steiner and anthroposophy sympathetically and wants to see anthroposophists contribute to spiritual renewal and a better world, this should set off very loud alarm bells. Now would be a good time to heed the warning signs and do something about them."

Das typisch anthroposophische Veredeln, Idealisieren und Verniedlichen der Abgründe führt eben direkt in eben den Abgrund, der vermieden werden soll. Verlogenheit und Sentimentalität sind keine Mittel, das Substanzielle, das man durchaus in den Schriften Scaligeros auch finden kann, für die Öffentlichkeit kritisch zu bearbeiten. Stattdessen wird ein Kult betrieben, der das verbliebene Ansehen Scaligeros ins Zwielicht rückt- so zumindest der Eindruck nach Betrachten des Film- Trailers. 

Alexander Dugin, Russlands Hexenmeister

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Unter den politischen Spin- Doktoren gibt es immer wieder bemerkenswerte, vielschichtige Persönlichkeiten. Alexander Dugin fällt da auf vielerlei Art besonders auf - nicht erst seit schrillen TV - Beiträgen zum Ukraine - Konflikt („Kill! Kill! Kill“), nicht nur durch seine intensiven Kontakte zur europäischen Rechten seit 1990, durch seine ideologische Bedeutung für das Putin Regime; seit einigen Jahren ist er auch im Ausland zuverlässig dort vor Ort, wo ein Systemwechsel in Richtung Faschismus geplant und ein politischer Coup durchgeführt wird.

Letztes Beispiel ist seine Anwesenheit in Ankara in der Nacht des gescheiterten, wahrscheinlich inszenierten Militärputsches: „On the eve of the coup in Turkey, the Russian geopolitician and philosopher Alexander Dugin was in Ankara, where he gave a press conference. Among other things he said, he insisted that the same forces want the destruction of both Russia and Turkey and are threatening Turkish sovereingty. He said that President Erdogan understood now the situation and he added that the two countries are now inaugurating a new system of relations, not just restoring old ties, but moving towards a strategic alliance.“ Das Muster eines solchen provozierten Putsches findet sich in der russischen Geschichte - nicht zuletzt such unter Dugins aktiver Beteiligung- immer wieder. Manche solcher internationale Attacken gegen vorhandene demokratische Strukturen sind vorerst auch gescheitert- so in Griechenland (siehe Foto oben), wo Dugin die griechischen Faschisten des Golden Dawn 2014 ganz offen beriet .

Man darf davon ausgehen, dass die Destabilisierung der gesamten westlichen Region auf seiner eurasischen Agenda steht. Wo aber hat Dugin - abgesehen von seiner intensiven Bindung an KGB und FSB- seine Ursprünge, woher nimmt er diesen enormen destruktiven Einfluss?

Um 1980 existierten in Moskaus okkultem Untergrund Kreise wie die schwarzmagische Juschkinski- Gruppe mit Protagonisten wie Jewgeni Golovin, den der kaum 18jährige, hochbegabte Alexander Dugin bewunderte- eine Alternativszene mit dunklen Ritualen, in der Golovin als „Der Alchemist“ verehrt wurde: „They camped out on each other’s sofas, slept on floors, performed bizarre initiation rituals, engaged in alchemy and the transmutation of metals, pored over magic texts, created secret numerological codes, wrote in streams of consciousness, drank heavily, experimented with sex, drugs and occasionally fascism.“* Der Faschismus wurde bei diesen Okkultisten als notwendiges Ying zum Yang des Humanismus schlechthin gesehen: „Golovin was ‘a natural Russian phenomenon – a classical combination of aesthetic snobbishness, esoteric misanthropy, alcoholic inspiration, plus a hot peppering of black fantasy and American horror movies’. Golovin was also completely obsessed with the Third Reich, seeing in it a monstrous and mystical yin to humanity’s yang.“* Golovin sah sich und seine Anhänger als Schwarzen Orden der SS, traf sich zunächst konspirativ in Datschen und praktizierte eine Mischung zwischen Alternativkultur, okkulten Seancen und magischen Ritualen - gern verbunden mit extensivem Trinken.

Auf diese Gruppe stieß Dugin mit seiner charakteristischen, charismatischen Aura: „One evening, a young man appeared at the Klyazma dacha, brought by an acquaintance. He looked no more than 18. His head was shaved, but he had an aristocratic bearing and a quick wit. He was immediately charismatic, and came carrying a guitar. Strumming away around a bonfire in the evening sunset, he belted out a song: ‘Fuck the Damned Sovdep’“*. Dugin - der später in Gesprächen diese Zeit gern als jugendliche Oppositionshaltung verniedlichte- war selbst für diese Gruppe extrem, galt als ihr „Messias“ und sang Lieder, die den Massenmord verherrlichten. Wie Golovin selbst war Dugin schon in diesem Alter fähig, Andere zu „zombifizieren“ - d.h. durch seinen Eindruck willkürlich und gänzlich unter seinen Einfluss zu bekommen: „..subjects of Dugin’s art and his fascination with Nazism were all part and parcel of his total devotion to Golovin, who had a penchant for ‘zombifying’ his followers and teaching them to ‘zombify’ others.“* Dugin geriet in eine Art Ekstase, wenn er von millionenfachen Morden sang - etwa in seinem berühmten, oben genannten Song, in dem es um „20 Millionen in den Fluss, 20 Millionen in die Öfen, unsere Maschinengewehre werden niemanden verfehlen“ ging: „‘20 million in the river, 20 million in the ovens, our machine guns will not misfire’, after which ‘Alexander threw his head back and closed his eyes as if he were in ecstasy.“*

Mit den Jahren vervollkommnete Dugin diese Auftritte und legte sich selbst den Kunstnamen Hans Sievers zu, der für ihn aber offenbar mehr war als eine Attitüde - er war vielmehr ein Teil seiner Identität: „He adopted the nom de plume ‘Hans Sievers’, which added a hint of Teutonic severity to an already colourful and fairly camp militaristic–folklore style. The impression he created was, as his later collaborator Eduard Limonov described it, a ‘picture of Oscar Wildean ambiguity’. Sievers was not just a stage name: it was a complete persona and alter ego.“*

Hans - eigentlich Wolfram- Sievers** war eine real existierende Person des Nazi- Regimes gewesen- ein Okkultist im Dienst Heinrich Himmlers- „the Reichsgeschäftsführer, or director, of the Ahnenerbe, a Nazi organization set up by Heinrich Himmler to study esoteric and paranormal phenomena“ - der 1947 hingerichtet wurde wegen seiner mörderischen Experimente mit Gefangenen in Konzentrationslagern: „The real Sievers was hanged in 1947 by the Nuremburg court, charged with experimenting on concentration camp victims.“* Dugin war also nicht nur Vertreter einer okkult- magischen und faschistischen Untergrund- Gruppe, sondern empfand sich selbst als Alter Ego eines sadistischen SS- Mörders. Der Kreis, dessen „Messias“ der junge Dugin war, sah sich selbst als schwarzmagische Gruppierung an: „The Yuzhinsky circle was fascinated by anything esoteric, occult, mystical: from meditation to theosophy to black magic.“*

Dugin studierte - auch mit seinen hervorragenden Sprachkenntnissen und seiner hohen Intelligenz- daher entsprechende okkulte Literatur im Originaltext- zunächst vor allem René Guénon, Theosophie und meditative Techniken, dann - zentral für ihn bis heute - Julius Evola. Dugin war Anhänger Mussolini, vor allem von dessen „spirituellem Rassismus“. Aus den dunklen Schriften des Magiers Evola entnahm Dugin den Krieg als Idol zur Reinigung des Volkskörpers, um eine spirituell höher stehende Menschheit zu züchten: „he believed that war was a form of therapy, leading mankind into a higher form of spiritual existence.“ Aber natürlich war das höchste Ideal der ganzen Gruppe Hitler selbst. Man umgab sich mit entsprechenden Devotionalien.

1983 wurde der KGB auf ein Konzert Dugins aufmerksam, in dem er wiederum seine Lieder von den Massenmorden vortrug: „That December, as Hans Sievers, he gave a guitar concert for about 30 people in the Moscow art studio of Gennady Dobrov. At it he sang his most famous hit, ‘Fuck the Damned Sovdep’. Not long afterwards, as Dugin recalls, a group of plainclothes KGB officers appeared at the door of his family’s flat.“* Es folgte allerdings - trotz einiger Verhöre- keine Verhaftungswelle, sondern eine Art freundlicher Übernahme. Der KGB sponserte eine neue faschistische, antisemitische Organisation namens Pamjat, der Dugin weiterhin nahe stand, indem er z.B. krypto- faschistische Gangs und Fußball- Hooligans in Moskaus Straßen organisierte. Der KGB experimentierte wegen des Zerfalls der kommunistischen Ideologie mit solchen Extremen- sei es zunächst auch nur, um faschistische Dissidenten auszuspähen. Es zeigte sich aber, dass der Faschismus als politisches Mittel im neuen Russland zum geeigneten Instrument des Geheimdienstes wurde: „‘From Pamyat there grew a new generation of more extreme Nazi movements. In this way the KGB gave birth to Russian fascism.’

Alexander Dugin war der richtige Mann an der richtigen Stelle, weil er die post- sowjetische Pseudo- Ideologie vertrat: „But starting in the late 1980s, a number of elite groups in the central committee or the KGB appear to have engaged in projects to create independent political organizations and ideological projects, which, taken at face value, were naked alternatives to communism.“ Dugin wurde, ebenso wie der KGB- Offizier Schirinowski , zur ideologischen Speerspitze des neuen Russlands- durch Bücher, Parteigründungen, Kontakte zur europäischen faschistischen Elite, durch Schulungen des KGB- Nachwuchses- und schließlich durch direkten Einfluss auf den neuen Zaren, Putin, selbst.

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Zitate:
*Charles Clover, "Black Wind, White Snow: The Rise of Russia's New Nationalism"
** "Die Zeugenaussage von Sievers in den ersten Nürnberger Prozessen war einer der wichtigsten Anstöße zum Nürnberger Ärzteprozess. Bei seiner Vernehmung wurde man auf eine „Skelettsammlung“ des Anatomie-Professors August Hirt an der Reichsuniversität Straßburg aufmerksam. Wolfram Sievers hatte den Befehl dazu erteilt, 112 jüdische Häftlinge im KZ Natzweiler-Struthof zu ermorden, um ihre Skelette zu präparieren.[8] Einem Widerstandskämpfer, der heimlich Notizen machte, ist es zu verdanken, dass die Opfer Jahrzehnte später identifiziert werden konnten."Wikipedia


Schlammcatchen versus gekreuzte Klingen. Claudius Weise und die Verschwörungstheorien

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Nach einem durchaus provokativen Artikel von mir in diesem Blog - „"Die Drei" als rechtspopulistisches Hetzblatt“ -, in dem es um bedenkliche Tendenzen mit Rechtsdrall im Sommerheft dieser Zeitschrift ging, war es in den folgenden Diskussionen und Auseinandersetzungen auch um einen weiteren Beitrag des verantwortlichen Herausgebers dieser Zeitschrift, Claudius Weise, gegangen, der im Vorjahr, wie ich in „Daniele Ganser und die anthroposophische Presselandschaft“  schrieb, eine „Eloge“ über diesen umstrittenen, aber in anthroposophischen Kreisen höchst beliebten Verschwörungstheoretiker geschrieben hatte: „Von dieser obskuren Ecke aus rollt Daniele Ganser inzwischen fast die gesamte anthroposophische Szene auf. Gemeinsame Basis scheinen Anti- Amerikanismus und 9/11- Verschwörungstheorien zu sein. Claudius Weise schrieb für die anthroposophische Kulturzeitschrift Die Drei zum Beispiel eine Eloge auf Daniele Ganser, in der dessen Thesen zu Geheimarmeen in Europa für diese Szene weiter schmackhaft gemacht werden.
Man findet diesen Artikel von Claudius Weise sowohl auf der Website von Die Drei als auch auf Gansers eigener Seite.

Als Replik auf Claudius Weise reagierte der Anthroposophie- Kritiker Peter Staudenmaier am 2. September in Waldorfcritics, sein Erstaunen über Weises unkritische, durchaus nicht satirisch gemeinte Beschönigungen in Bezug auf Verschwörungstheorien im allgemeinen und die von Ganser im besonderen ausdrückend:

Those reading Eggert's posts, and the commentaries to them, have also had a chance to read numerous indignant replies from Claudius Weise, one of the new editors of the prominent anthroposophist periodical Die Drei, which like other anthroposophist publications has offered a platform for Ganser's claims. Last year Weise published a lengthy article in Die Drei on conspiracy theory, devoted in part to defending Ganser. It is an astonishing text (readily available online, for the German readers). If somebody wanted to write a satire of the political cluelessness, left-right confusion, and utterly uncritical approach to conspiracy discourse that mark so many anthroposophists today, it would be hard to outdo Weise's article -- but his article is, alas, not satire at all.

Darauf antwortete Claudius Weise im ersten Zorn in diesem Blog - er relativierte später einige Aussagen-, indem er betonte, Peter Staudenmaier sei lediglich „Juniorprofessor“, lehre an einer „konfessionell geprägten amerikanischen Privatuni“, die (anthroposophische Verschwörungstheorie) auch noch jesuitisch geprägt und im Ranking eher unbedeutend sei:

Staudenmeiers grotesk verzerrte Darstellung meines Artikels beweist doch nur, dass er ein total festbetoniertes Weltbild hat. "Utterly uncritical"? So ein Blödsinn. Als ob ich darin nicht ausdrücklich gesagt hätte, "dass verschwörungstheoretische Denkmuster ein wahnhaftes Weltbild erzeugen können". Der superkritische Herr Staudenmeier findet das wahrscheinlich noch affirmativ. Das passt zu der insgesamt herablassenden Attitüde, mit der Staudenmeier der Anthroposophie begegnet. 
Ich würde dieses Lob mit großer Vorsicht genießen, Herr Eggert. Staudenmeier bastelt sich eine akademische Karriere, indem er ganzheitlich orientierte Bewegungen durch die Totalitarismus-Mühle dreht. Der Titel seiner Dissertation lautet ja "Between Occultism and Nazism: Anthroposophy and the Politics of Race in the Facist Era", und sein gegenwärtiges Forschungsprojekt heißt "Environmental Ideas in Nazi Germany an Fascist Italy". Mit der Masche wird er seinen akademischen Output auf absehbare Zeit hoch halten können.
Ein spannendes Thema wäre übrigens mal: Warum sind eigentlich gerade Juniorprofessoren an konfessionell geprägten amerikanischen Privatunis auf die Anthroposophie spezialisiert? Clement lehrt Deutsch und Deutsche Literatur an der mormonischen Brigham Young University, Staudenmeier lehrt Neuere deutsche Geschichte an der katholischen Marquette University. (Erstere steht im nationalen Ranking auf Platz 66, letztere auf Platz 86. Nur so als Hinweis.) 
Nehmen wir mal dagegen Eckart Förster. Der lehrt an der Johns Hopkins University in Baltimore (übrigens Platz 10) und an der Humboldt Uni zu Berlin Philosophie und steht sehr positiv zur Anthroposophie. Neulich nahm Förster sogar an einer Tagung im Goetheanum zu Steiners "Vom Menschenrätsel" teil. 
Ich sehe überhaupt nicht ein, warum nun ausgerechnet der Herr Staudenmeier in seiner Jesuitenklitsche (bitteschön, steht gleich vorn auf der Website: "Marquette is a Catholic and Jesuit university") hier als Autorität in Sachen Anthroposophie gehandelt wird und Zensuren verteilen darf.“
Mit der „Jesuitenklitsche“ hat Claudius Weise wohl spätestens das Schlammcatchen eingeleitet. In einem folgenden Comment präzisierte Weise seine Haltung und ordnete Staudenmaiers Kritik folgendermaßen ein:

"Sooo, jetzt habe ich mich wieder beruhigt. Man soll eben keine Blogbeiträge schreiben, wenn man wütend ist. […] Das mit den konfessionellen Unis hätte ich allerdings lieber unter den Tisch fallen lassen sollen, zumal es unfair ist, Staudenmeier und Clement in einen Topf zu werfen. Clement ist ein sympathischer Mensch mit fundierten Ansichten, denen man nicht in jedem Punkt zustimmen muss, der aber mit Kritik sehr sachlich umgeht und mit dem man wirklich diskutieren kann. Ich würde mir hier in dem Blog jemanden wie Clement wünschen. […] Ich will seinen [Staudenmeiers] akademischen Arbeiten ihren Wert gar nicht pauschal absprechen. Der Mann weiß sicher sehr viel und dumm ist er sicherlich auch nicht. Er hat sich aber ein Fachgebiet ausgesucht, das mit den Stichworten Faschismus und Rassismus grob umrissen ist, und die Anthroposophie wird von ihm eben unter dieser Prämisse betrachtet. Das führt meiner Meinung nach zu Verkürzungen. Dass es eine breite Literatur zu Verschwörungstheorien gibt, besagt im konkreten Einzelfall gar nichts. Und in meinem Artikel bin ich auf viele solcher Einzelfälle eingegangen. Vielleicht hat er ja deshalb eine so reiche Blütenlese von Invektiven zusammengestellt. Gehen wir das mal durch, wobei ich jeweils die Übersetzung Akademisch-Deutsch hinzufüge:
"lengthy article" = viel zu lang für die dünne Substanz
"astonishing text" = darf man nicht ernst nehmen
"readily available" = davon können Sie sich selbst überzeugen
"political cluelessness" = der Mann steht auf der falschen Seite
"left-right confusion" = aber ich kann ihn in kein Lager pressen
"utterly uncritical approach to conspiracy discourse" = er hält nicht jede Verschwörungstheorie für abwegig – geht gar nicht!
"but his article is, alas, not satire at all" = Ich entschuldige die Abwesenheit jedes konkreten Arguments damit, dass der Text für einen so ernsthaften Wissenschaftler wie mich zu lächerlich ist.
Tut mir leid, aber ich lasse mich nicht so arrogant abwatschen, ganz egal wo der Professor ist."

Nun ist Peter Staudenmaier auf diese „wütenden Entgegnungen“ Weises, die ihm mitgeteilt worden wären, wiederum eingegangen. Er reiht sie ein in die Fülle von konspirativen Mythen, die inzwischen nicht nur unter Rudolf- Steiner- Anhängern, sondern so weit als Mainstream verbreitet seien, dass sie nicht einmal mehr ein Hindernis darstellten, sich für die amerikanische Präsidentschaft zu bewerben:

A few weeks ago I mentioned the apologia for Daniele Ganser and other conspiracy mongers written by anthroposophist Claudius Weise and published last year in the prominent anthroposophical journal Die Drei, where Weise is an editor. The article is titled "Wahrheit oder Wahn? Über den Umgang mit Verschwörungstheorien"; those interested can easily find the full pdf online -- it is available both at the Die Drei website and at Ganser's own website. 

As I noted at the time, Weise's article is an astonishing text, utterly uncomprehending and utterly uncritical, the kind of thing that reads like a parody of anthroposophist obtuseness -- as if somebody had dared an anthroposophist author to write an extended article on conspiracy thinking without bothering to learn anything at all about the topic. At the end of my post back then I wrote the following:

"The standard complaint from Steiner's followers is that the very concept of "conspiracy theory" is nothing more than a term of abuse. This is nonsense. There is a very large body of scholarly research on the phenomenon, across many different disciplines, examining everything from the philosophical structures of conspiracist thinking to the social and psychological factors that make some people susceptible to unfounded conspiracist claims. Because the predilection for conspiracy myths is so pronounced within the esoteric milieu, there are even studies of "the confluence of spirituality and conspiracy theory," which give prominent attention to the substantial anthroposophist contribution to this unfortunate trend. All of this work is readily accessible to anybody interested in learning about it. There is nothing stopping admirers of Steiner from informing themselves about this topic."

Since then a few people have sent me various outraged responses from Weise, who seems to find it genuinely mystifying that scholars from all sorts of disciplines actually study conspiracy beliefs and have generated a substantial critical literature on the subject. That is, of course, a very common phenomenon among Steiner's followers, and lots of other folks as well -- after all, these days boundless credulousness toward conspiracy theories isn't even a barrier to running for high office and garnering millions of votes. Weise and Ganser and friends have lots and lots of company.

Thankfully, this is a problem that is very easy to solve: all you need to do is inform yourself about it. It just takes a bit of reading. For anybody interested, then, I will follow up with a list of recent studies of conspiracy thinking that are directly relevant to anthroposophy and its longstanding conspiracist streak. I welcome additions and comments of any kind.“

Ein ganz gewöhnlicher russischer Mord

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Bildquelle Bill Browder
Bill Browder ist berühmt dafür, sich als einer der wenigen internationalen Investoren Russlands offen gegen Präsident Putin gestellt zu haben- wofür er wohl zum „Staatsfeind Nummer 1“ in Russland geworden ist- so jedenfalls der Untertitel seines Buches*. Browder, Sohn jüdischer amerikanischer Kommunisten, war nur aus Trotz Banker und Investor geworden- kein gehätscheltes Kind einer privilegierten Kaste. Er hatte versucht, in London beim damaligen Zeitungsmogul Robert Maxwell zu arbeiten, der in den Jahren davor in vielerlei Geschäfte verwickelt war**. So verkaufte er für den Mossad einen Vorläufer der heutigen NSA- Software namens Promis sowohl an Palästinenser als auch an Moskau: „Maxwell needed little convincing and, in his usual ebullient manner when there was a deal to be profited from, said he had a computer company through which to sell Promis. Degem Computers Limited was based in Tel Aviv and was already playing a useful role in Mossad’s activities.“**

In die Software, die jeglichen elektronischen Datenverkehr abhörte, war ein Backdoor implantiert, der es dem Mossad erlaubte, problemlos mitzuhören: „Shortly afterward Robert Maxwell flew to Moscow. Officially he was there to interview Mikhail Gorbachev. In reality he had come to sell Promis to the KGB. Through its secret trapdoor microchip, it gave Israel unique access to Soviet military intelligence, making Mossad one of the best-briefed services on Russian intentions.“** Als Browder in die Firma einstieg, ging es mit Maxwells Imperium derartig bergab, dass Maxwell sowohl britische Rentenfonds wie israelische Financiers im großen Maßstab betrog. 1991 wurde Maxwell ermordet, und Browder stand auf der Straße.

In Red Notice schildert Browder in herzhafter Offenheit, wie er es als einziger Investor wagte, in der Nach- Gorbatschow- Ära im mafiösen Russland ernsthaft einen Investment- Fond aufzubauen. Es war die Zeit der Massenprivatisierung von sowjetischem Staatseigentum wie Ölquellen; jedermann konnte erstmals Aktien erwerben. Browder konkurrierte mit den Oligarchen, die diese Volksaktien zunächst im großen Stil aufkauften, um deren Wert in der Folge durch betrügerische Schiebereien im Milliardenbereich wiederum zu verwässern. Die westlichen Investoren fanden sich nach und nach ein, so dass Browders Hermitage- Fond erheblich an Wert gewann. Browder zog 1995 ganz nach Moskau- ein gefährliches Pflaster: „Selbstverständlich hatte ich Vorsichtsmaßnahmen getroffen, und ich vertraute den 15 Bodyguards, die Edmond mir zur Verfügung gestellt hatte. Solange der Konflikt andauerte, fuhr ich in Moskau stets in einem Konvoi aus einem Führungsfahrzeug, zwei Begleitfahrzeugen und einer Nachhut.“* 1998 geriet Russland in eine sehr ernsthafte Liquidität- Krise, wodurch auch Heritage in den Strudel des Rubel gerissen wurde- trotz massiver Stützungskäufe durch die Weltbank und den IWF: „Der Rubel befindet sich im freien Fall. Die Regierung hat aufgehört, die Währung zu stützen. Analysten sagen, er wird 75 Prozent an Wert verlieren.“*

Heritage verlor 90 Prozent an Wert, alle Investoren verloren das Vertrauen. Browder aber blieb und fing von vorne an. Allerdings wurde die Lage immer gefährlicher, da die Oligarchen ihre Betrugsmanöver verstärkten und jeden aus dem Weg räumten, der ihre Geschäfte störte. Browder hatte offensichtlich um die Jahrtausendwende Unterstützung durch politische Kreise im Hintergrund, da er sonst nicht überlebt hätte: „Diese Diebstähle fanden in allen Branchen statt, vom Bankwesen bis zur Rohstoffförderung, aber das größte Unternehmen Russlands tat sich dabei besonders hervor – der Öl- und Gasriese Gazprom.“* Seine Nachforschungen und Publikationen zu gewaltigen Diebstählen fanden wohl die Unterstützung des neuen Präsidenten Putin: „Man könnte sich fragen, warum Wladimir Putin zuließ, dass ich all das überhaupt tat. Weil unsere Interessen sich eine Zeit lang überschnitten, deswegen tat er es. Bei Putins Amtsantritt als Präsident im Januar 2000 wurde er dem Titel nach zwar Präsident der Russischen Föderation, aber die tatsächliche Macht des Präsidenten hatten Oligarchen, Regionalgouverneure und organisierte Verbrecherbanden an sich gerissen. Putins oberste Priorität war von Anfang an, diesen Männern die Macht wieder zu entreißen und sie wieder dem zurückzugeben, dem sie rechtmäßig gehörte, dem Kreml – oder genauer gesagt sich selbst.“*

2003 hatte Browder Fond den Wert einer Milliarde Dollar überschritten- das weckte Begehrlichkeiten. Zudem hatte Putins Gruppe den großen Konkurrenten Chodorkowski kalt gestellt und in der Folge zu 9 Jahren Gefängnis verurteilt: „An einem frühen Samstagmorgen im Oktober 2003, ich trabte gerade auf dem Laufband in meiner Wohnung und sah CNN, erschien eine Eilmeldung auf dem Bildschirm: Michail Chodorkowski, CEO von Jukos und der reichste Mann Russlands, war verhaftet worden.“ Die Anteile Chodorkowkis und seiner Investoren beliefen sich auf rund 50 Milliarden Dollar, die bis heute nicht erstattet worden sind, sondern schlicht im Putin- System verschwanden. Zudem nützte die öffentliche Zurschaustellung des gefangenen Oligarchen, um in ganz Russland Angst und Schrecken zu verbreiten. Nach Browder war es das größte Erpressungsmanöver aller Zeiten: „Nach Chodorkowskis Verurteilung gingen die meisten russischen Oligarchen, einer nach dem anderen, zu Putin und fragten: »Wladimir Wladimirowitsch, was kann ich tun, damit ich nicht auch in einem Käfig lande?« Ich war nicht dabei, also sind das alles Vermutungen, aber ich stelle mir vor, Putin antwortete darauf etwa so: »50 Prozent.« Nicht etwa 50 Prozent für die Regierung oder 50 Prozent für das Amt des Präsidenten, sondern 50 Prozent für Wladimir Putin.

Aber auch Browder geriet nun in die Schusslinie des etablierten Systems. „Leider war ich zu unaufmerksam, um zu bemerken, dass Putin und ich uns auf Kollisionskurs befanden. Nach Chodorkowskis Verhaftung und Verurteilung änderte ich mein Verhalten nicht im Geringsten. Ich machte genauso weiter wie vorher – und prangerte russische Oligarchen namentlich an. Doch jetzt gab es einen Unterschied. Jetzt verfolgte ich nicht mehr Putins Feinde, sondern kam Putins eigenen wirtschaftlichen Interessen in die Quere.“ Im November 2005 wurde Browder daher bei der Einreise nach Russland verhaftet und für immer des Landes verwiesen- trotz vielfältiger diplomatischer Interventionen. Er zog die Gelder seines Fonds vorsichtshalber nach und nach aus dem Land ab. Keine Minute zu spät, denn Putins Leute eröffneten das klassische russische „Raider“- Verfahren. Dabei wird die Firma durch korrupte Richter einem völlig Unbekannten - in diesem Fall einem überführten Killer- überschrieben und ausgebeutet. Heritage war zwar abgewickelt, aber die neuen Eigentümer erhielten von russischen Finanzbehörden über 200 Millionen bereits gezahlte Steuern zurück. Danach wurden Browder und seine Mitinvestoren des Steuerbetrugs angeklagt: „Meiner Ansicht nach hatte Wladimir Putin persönlich meine Ausweisung aus Russland autorisiert, und wahrscheinlich hatte er auch die Versuche gebilligt, unsere Vermögenswerte zu rauben, aber mir erschien es undenkbar, dass er zugelassen haben könnte, dass Staatsbeamte seiner eigenen Regierung 230 Millionen Dollar stahlen.

Die Mitarbeiter Browders verließen in den nächsten Wochen auf abenteuerlichen Wegen das Land- teilweise in entlegensten Gegenden von Freunden über asiatische Grenzen geschleust. Der junge, idealistische Sergej Magnitski aber vertraute noch immer der Rechtssprechung Russlands. Wiktor Woronin, der Leiter einer Abteilung des FSB, veranlasste die Verhaftung Magnitskis, der in der Folge mehr als ein halbes Jahr durch Gefängnisse geschleift, gequält, isoliert und demoralisiert wurde, um eine Schuld einzugestehen, die es erlauben würde, die Gelder des Browder- Fonds doch noch einzufordern. Nach einem Schauprozess wandte sich auch die deutsche „Leutheusser-Schnarrenberger mit einem langen Fragenkatalog an die russischen Justizbehörden."*- aber vergeblich. Wenige Monate später schlugen Gefängniswärter den geschwächten, aber ungebrochenen Magnitski in seiner Zelle mit Knüppeln tot. Trotz aller Vertuschungsversuche der russischen Regierung war dies einer der bestdokumentierten Fälle eines politischen Mordes in Russland. Er schlug internationale Wellen und beschäftigte sowohl die Eu wie die amerikanische Regierung: „In den 358 Tagen seiner Haft verfassten er und seine Anwälte insgesamt 450 Beschwerden, die in allen Einzelheiten dokumentierten, was ihm wann, wie und wo angetan wurde. Aufgrund dieser Beschwerden und der Belege, die seither noch zutage gefördert wurden, ist der Mord an Sergej Magnitski der am besten dokumentierte Fall von Menschenrechtsverletzungen in Russland in den vergangenen 35 Jahren.“* Die Namen von 60 in Russland verwickelten Personen sind seitdem international bekannt und spielen seitdem zumindest in Fragen des Finanzverkehrs und der Verweigerung von Einreisen eine Rolle.

Trotz alledem war es aber doch ein „ganz normaler“ russischer Mord: „Wie jeder bezeugen kann, der Tschechow, Gogol oder Dostojewski gelesen hat und worauf Sergej selbst uns immer wieder hingewiesen hatte, haben russische Geschichten kein Happy End. Die Russen sind mit Not, Leiden und Verzweiflung vertraut – nicht mit Erfolg und gewiss auch nicht mit Gerechtigkeit.“*
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*Red Notice: Wie ich Putins Staatsfeind Nr. 1 wurde (German Edition) by Bill Browder
**Gideon's Spies: The Inside Story of Israel's Legendary Secret Service by Gordon Thomas. Anm: Keine Empfehlung für dieses Buch, auch wenn es einige Informationen bietet

Der reine Wille

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Auch die anthroposophische Meditation beginnt für den, der sich tatsächlich nicht nur dafür interessiert, sondern sich auch darum bemüht, mit bestimmten Momenten der Stille, die denkbar schwer in unsere Zeit zu passen scheinen, die nach Attraktionen hechelt und aus dem unstillbaren Verlangen nach immer Mehr und immer Neuem eine konsumistische Ideologie und entsprechende Selbstbilder gebastelt hat. Das ständige Erfüllen - z.B. als „Selbstverwirklichung“, „Vollendung“, „Erleuchtung“- durchdringt aber durchaus auch viele sich spirituell gebende Sehnsüchte, die damit demselben Muster auf angeblich höherer Ebene folgen. Ein „Nichts“ anzustreben, scheint in sich ebenso widersprüchlich zu sein wie die Suche nach Nicht- Erfüllung. Selbst die Muster angeblicher Dialoge in Internet- Kontakten folgen den Mustern von Prägen und Geprägtwerden. Am seltsamsten in all diesen Zen- Rätseln scheint die anthroposophisch- meditative Praxis eines Denkens in erhöhter Aufmerksamkeit, aber ohne Inhalt, ohne Vorstellung- ohne „Gefülltsein“ des Denkens, also frei von jeglichen Vorstellungsbildern, Sehnsüchten und Ego- Projektionen. Es geht in dieser ersten Begegnung mit dem Nichts ganz offensichtlich um eine Kraftquelle, die der Stille entspringt.

Einen eigenen Zugang zu dieser Kraftquelle führt Karsten Massei* aus, bei dem es um (S. 161ff) um das Vergessen und Erinnern in Bezug auf sinnliche Naturobjekte geht. Der erste Schritt beim aufmerksamen, gewahrwerdenden Spaziergang besteht für ihn darin, „alle Sinneserfahrungen, die man über ein bestimmtes Wesen gesammelt hat, aktiv fallenzulassen“. Nach einer eingehenden, verdichteten Sinnesbeobachtung, „vergisst“ man systematisch alle inneren Bilder, alles Wissen, alle Kenntnisse und Beobachtungen über das betreffende Objekt. Wenn es gelingt, behält man seelisch nur die Fokussierung, aber: „Es entsteht in der Seele eine Leere“- eine Leere, die aus reinem Willen, aus Kraft besteht und die man „leicht übersieht“. In der Stille lebt man ganz in dem „Nachklang“, den das Objekt in der Seele hinterläßt- eine Art Erinnerung ohne jede seelische oder intellektuelle Inhaltlichkeit. Das womöglich entstehende „Nachbild“ kann verschiedenen Charakter haben. Es hat womöglich den Charakter einer bestimmten Dynamik oder einer Form, mit der man sich in geradezu freundschaftlicher, dialogischer Art bekannt macht. Das wird nicht mit einem Mal gelingen. „Für den, der auf dieses Nachbild der Seele aufmerksam wird, besteht aber kein Zweifel, dass es sich auf das Wesen bezieht, das man ursprünglich wahrgenommen hat“. Der eigene Wille muss - trotz der bestehenden Fokussierung- ebenso schweigen wie die Vorstellungskraft. Tatsächlich entspringt die Dynamik aus einer sehr viel tieferen seelischen Schicht als die konsumistische, sich selbst ständig erfüllende Bewusstseinsebene. Es ist - und das ist deutlich bemerkbar- eine innere Bewegung, die nur durch Übung erreichbar ist, eine reine Kraft, in der man berührt wird von dem Anderen; man bringt es nicht hervor.

Dennoch, möchte man ergänzend zu Massei bemerken, ruft dieses reine Berührt- und Bewegtwerden zugleich weitere Anregungen hervor, die tiefe, elementare Empfindungen des Glücks wecken. Man kann die Erfahrung direkt nicht wiederholen, kennt aber das Potential der eigenen Berührbarkeit; von nun an läuft man anders durch die Welt- selbst durch die Welt des eigenen Denkens. Von nun an mag es manchmal, ohne willentliche Vorbereitung, anklopfen, und man bemerkt dieses Anklopfen tatsächlich, an dem man lebenslang, gehetzt von der eigenen Sucht nach Erfüllung und nach Vorstellungen, vorbei gegangen ist.

Wie man es erlebt, mag höchst individuell geprägt sein. Auch was und unter welchen Umständen es anklopft. Das eigene Ich erlebt sich wie ein reines, kraftvolles Equilibrium ohne den sonst üblichen inneren Monolog- ein auf Empfang gestimmtes inneres Gleichgewicht, das sich selbst auspendelt, aber sensitiv ist. Daran ist nichts Besonderes, nichts Mystisches und schon gar nicht Visionäres. Es ist ein Nichts, das sich in der Waage hält, ein reiner Wille.

Der, der die inneren Bewegungen weiter verfolgt, wird das Strömen in den Chakren bemerken, die sich in den oberen Partien formieren zu einem beweglichen Ganzen - ein, wie Rudolf Steiner in den Karma- Vorträgen ausführt, metallisches Gefühl- ein sensorischer Apparat ohne direkten Bezug zu den Sinnesorganen. Das metallisch- flüssige Empfinden strömt vom zentralen Herzorgan in die Mitte der Hände aus. Diese innere Beweglichkeit und Empfindlichkeit steht in Korrespondenz zu den strömenden Feldern der sinnlich wahrgenommenen Objekte- darin besteht das gegenseitige Berührtwerden. Man bewegt sich in einem gemeinsamen strömenden Feld. So entsteht ein Sensorium für die Dynamik der umgebenden Natur- etwas, was nie wiederholbar ist, sondern der immer neuen merkurialen Aktivität entspringt, die so natürlich und gesundend wie nur denkbar erscheint. Zugleich ist der Logos- Charakter wahrnehmbar, denn man bewegt sich auf einer Ebene, die ebenso der inneren Mitte, dem eigenen Kraftzentrum entspringt wie das Gewissen und das klare Denken. Die Erfahrung hat stets moralischen Charakter und kann nur sichtbar werden durch die Reinigung von allen suggestiven, treibenden und ablenkenden Elementen. Man weiß, dass man *hier* in existentieller Hinsicht „zu Hause“ ist.

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*Karsten Massei, Botschaften der Elementarwesen, Basel 2013

Er ist wieder da - Andrew Cohens Comeback als Guru

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"Er ist wieder da" war zumindest eine unter einigen ehemaligen Schülern Andrew Cohens verbreitete, sarkastische Bemerkung- eine kleine Referenz an den anderen Führer mit dem Schnauzbart. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Ab Mitte Oktober wird auf dieser Website eine sechsteilige Dokumentation über Cohens Bewegung -"How I created a cult"-, vor allem aber über seine narzisstischen und finanziell für ihn lohnenden Okkult- Experimente mit den von ihm Abhängigen zu sehen sein. Der Trailer oben zeigt eine kleine Einführung in das, was folgen mag. Auch Andrew Cohen selbst kommt, offenkundig, ausgiebig zu Wort. Schließlich plant er offensichtlich, obwohl doch von seiner eigenen Bewegung vollkommen ins - erst indische, dann New Yorker- Abseits gedrängt, ein Comeback- hier ein Link zu Andrew Cohens neuer deutschsprachiger Website-, und zwar in Kooperation -ab kommenden Mai- mit dem sich als Anthroposoph betrachtenden Sebastian Gronbach in dessen Anahata- Ashram. Von derselben Seite aus wird bereits eine Facebook - Gruppe zu Cohens Comeback geführt.

So ganz einfach wird das nicht werden, da sich weite Teile der integralen Bewegung von Cohen scharf distanziert haben. Die Liste der Missbrauchs - Fälle, die diese Bewegung in Bezug auf Cohen gesammelt hat, ist lang und hinreichend bekannt und verbreitet. Hal Blacker nennt die vielen aufgeführten Fälle einen "Katalog von Trauma und Missbrauch". Es ist einigermaßen erstaunlich, dass nun ausgerechnet einige Anthroposophen diesen abgehalfterten, autoritären Guru zu reaktivieren versuchen. Selbst Cohens Schüler und Nachfolger Thomas Steiniger schrieb in der Diskussion der Missbrauchsliste vor einigen Tagen auf Facebook: "Einiges auf der Liste stimmt, nicht alles. Das war mit ein Grund eines längeren internen Konflikts den wir mit Andrew ausgetragen haben. 2013 haben einige von uns Andrew dazu gedrängt sich zurückzuziehen. Der Konflikt mit Andrew besteht weiterhin, weil ich nach vielen Gesprächen mit ihm überzeugt bin, dass er sich (..) seinen eigenen Narzißmus, der vielen seiner Übergriffe zugrunde liegt, noch immer nicht sehen möchte. Das ist auch der Grund warum wir in Emerge seine Rückkehr als Lehrer bedauern (..)"

Sebastian Gronbach - der sich auch selbst als "Evolutionary Guru" bezeichnet, gibt in der genannten Facebook- Gruppe Cohens eine persönliche Erklärung zur Unterstützung des Comebacks ab: "Warum ich Andrew Cohen nach Deutschland eingeladen habe? Was soll ich lange um den heißen Brei herumreden? Ich glaube an ihn. Wenn ich mein Herz befrage, dann erscheint da einfach nur Liebe. Und ich folge ihr. Ich akzeptiere ihre evolutionäre Zugrichtung, ihre Kraft, ihre Zärtlichkeit, ihre Freiheit und die Abwesenheit einer Wahlmöglichkeit. Das ist vielleicht in diesen zynischen Zeiten für manche Leute nicht sehr cool, aber es ist die simple Wahrheit. Und ich sehe es einfach so: Liebe, Vergebung, Mitgefühl und so Sachen, sind von Natur aus unbestreitbar cool."

Renate Riemeck, zwischen politischem Engagement, Esoterik und Gossenhistorie

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Renate Riemeck & Ulrike Meinhof in guten Zeiten
Ich traf Renate Riemeck Anfang der Neunziger mehrmals auf einem Seminar in einer anthroposophischen Studienstätte. Nach den eigentlichen geschichtlichen Vorträgen und Seminaren hielt sie gern Hof, stets umgeben von einer großen Traube vor allem junger Anhänger. Wie umstritten Riemeck war, wusste ich damals noch nicht, hatte sie doch ungefiltert Material des umstrittenen anthroposophischen Historikers Karl Heise in Büchern verwendet, um ihr historisch alternatives Bild von Mitteleuropa (1) - ein Buch, das zu der Zeit durch Taschenbuchausgaben im Fischer- Verlag erhebliche Popularität erlangt hatte- zu unterfüttern. Heute ist das wohl eher eine Sache für den rechtslastigen Perseus- Verlag, der ja auch mit dem Kopp- Verlag und dessen Autoren kooperiert. Renate Riemeck hatte auch eine offenkundige Schwäche, denn wie heute viele der populistischen Historiker liebte sie die Aufmerksamkeit der Menge und pflegte dann zumindest dick aufzutragen, um nicht zu sagen, zu fabulieren- solange das Gesagte zumindest sensationell wirkte.

Als ehemalige Anti- Wiederbewaffnung- Demonstrantin, geschasste Dozentin und Ziehmutter von Ulrike Meinhof war Renate Riemeck auch nicht im Verdacht, dem rechten Spektrum zu entstammen, ganz im Gegenteil. Sie war schließlich aktive Politikerin, Publizistin und Mitbegründerin der Deutschen Friedensunion -einem Vorläufer der heutigen Grünen-, eine Kämpferin gegen die Atomwaffen- Aufrüstung des Westens im Kalten Krieg, ja eine Protagonistin der Außerparlamentarischen Opposition. So jemand wie sie wurde in den 70er und 80ern aus dem Staatsdienst entlassen und erhielt ein Verbot, als Dozentin zu lehren.

Über die heutigen rechtslastigen Protagonisten eines "freien" Europas wäre sie wahrscheinlich entsetzt gewesen, auch wenn sie eine Reihe verschwörungstheoretischer Erklärungen der angeblich von westlichen Logen gesteuerten Einflüsse auf Europa und die Ursprünge des Ersten Weltkrieges selbst vertrat. Schließlich hatte sie ihr Examen in Jena in den letzten Jahren des 2. Weltkrieges unter Tieffliegerangriffen gemacht, während ihre akademischen Freundinnen mit dem Judenstern herum laufen mussten (2). In einem Interview mit Alice Schwarzer (3) erzählte sie aus dieser Zeit: „Eigentlich hatte ich auch das Kriegsende schon eher erwartet, nach dem Untergang der 6. Armee. Aber es dauerte dann ja doch noch ein Jahr und ein halbes Jahr dazu, bis es endlich soweit war. Als dann die amerikanischen Soldaten vor Jena standen und, obwohl die deutschen Soldaten alle weg waren, noch anfingen zu ballern - da bin ich denen entgegengezogen und habe gesagt: Sie brauchen nicht mehr zu schießen! Kurz vorher war ich mit einem Bettlaken in der Aktentasche runtergegangen in die Stadt und hatte es zusammen mit einem Vorarbeiter als weiße Fahne auf dem Hochhaus der Zeiss-Werke gehißt. Mein Bettlaken. Das war mein schönstes Kriegserlebnis!“

Und natürlich wusste Riemeck, wie alle, von der systematischen Ermordung der Juden: „Von dem Ausmaß habe ich erst später erfahren. Ich wusste aber, dass sie alle nach Auschwitz geschickt und dort auch umgebracht wurden. Das hat mich natürlich geprägt. Ich habe 1945, kurz vor dem Zusammenbruch, zufällig gesehen, wie Leute aus dem KZ Buchenwald auf der Landstraße von Weimar nach Jena getrieben wurden. Ich sehe diesen ganzen Zug von Elendsgestalten noch heute vor mir... Damals sagte ich leise zu den KZlern: Es dauert nicht mehr lange, es dauert nicht mehr lange. Und ich habe mir geschworen: Nie in meinem Leben werde ich etwas gegen diese Menschen sagen oder sogar tun.“(3)

In ihren Erinnerungen (2) schreibt sie auch über die Umstände, denen sie zu der Zeit der Aktivität Ulrike Meinhofs in der Roten Armee Fraktion unterworfen war: „Im Frühjahr 1970 rief ihre Schwester Wienke mich an, um mir von dem Steckbrief zu berichten, der überall aushing. Ich hielt den Atem an und ahnte nichts Gutes. Von der politischen Hetzjagd, die nun begann, waren alle Freunde Ulrikes betroffen, und erst recht ich. Daß Kriminalbeamte mich im Morgengrauen in meiner Eppenhainer Wohnung aufsuchten und verhörten, war nur eines der vielen hektischen Unternehmen, mit denen die Verfolgung der „Baader- Meinhof- Bande“ begann. Ulrikes Verhaftung erfolgte am 15. Juni 1972 (..). Während ihrer Gefangenschaft in Hamburg und Stammheim lehnte sie jeden Kontakt mit mir ab. Und ich verstand, warum sie das tat. Ich hätte an ihrer Stelle nicht anders gehandelt und die Konfrontation mit einem Menschen aus einer besseren Vergangenheit gemieden.“ Aber dass Renate Riemeck ihre Ziehtochter Ulrike nie mehr gesehen hat, war und blieb wohl dennoch eine offene Wunde, über die sie auch in dem Gespräch mit Alice Schwarzer berichtet. Auch der SPIEGEL bezieht sich in seinem Nachruf 2003 auf Riemecks öffentlichen Appell an Meinhof, den Terrorismus aufzugeben- was wohl der eigentliche Anlass für den persönlichen Bruch gewesen sein wird (4).

Aber, wie oben angedeutet, hatte Renate Riemeck im anthroposophischen Rahmen auch sehr esoterische Seiten. In den abendlichen Runden des Seminars erzählte sie - auch sie emotional bewegt von der Vision eines zukünftigen geistvollen Russlands- von einer Anfrage aus politischen Kreisen Moskaus, wie mit einer ganzen Gruppe hellsichtiger, blauäugiger Geistseher umzugehen sei bzw. wie sie ein solches, wachsendes Phänomen einschätzen würde. Riemeck sah darin die ersten Anzeichen eines neuen, spirituellen Russland, von dem Rudolf Steiner doch gesprochen habe und das die Welt verändern werde. Ich selbst habe ein halbes Leben lang gerätselt, was Riemeck da gemeint haben könnte. In einem neuen Buch des russischen TV- Manns Peter Pomerantsev (5) wird dieses Rätsel gelöst.

Es handelt sich um die radikale Sekte des ehemaligen Postangestellten Vissarion (8) aus Krasnodar, der sich für den wiedergekehrten Christus hält. Die Sekte wurde Anfang der 90er im Rahmen einer Kolonie namens „Wohnsitz der erwachten Stadt“, abgelegen in den Bergen an der Grenze zur Mongolei begründet und besteht bis heute. Die 4500 Anhänger leben in selbst gebauten Holzhütten, Stunden Fußmarschs von jeder Straße entfernt. Sie leben fleischlos und abstinent von Alkohol, in vollkommener Autonomie. Auch Pomerantsev bestätigt: „..and they all have clear, crystal blue eyes and powerful shoulders and look ten years younger than their actual age.“ (S. 179) Selbstverständlich erwarten sie die Apokalypse und leben auf bergiger Höhe, um den kommenden Wasserfluten zu entgehen. Der Sektengründer ist ein absoluter göttlicher Herrscher, für den ein eigenes Weihnachtsfest gefeiert wird. In dem von ihm geschriebenen eigenen Neuen Testament werden alle Religionen der Welt integriert, so dass sich eine Art „Collage“ der Religionen ergibt. Der Alltag der Erwachten schwankt dann auch von transzendentaler Meditation bis Derwisch- Tanzen am Nachmittag. Vissarion bewohnt das am höchsten gelegene Haus und kommt zu Weihnachten (d.h. seinem Geburtstag) herab zu den Anhängern, gewandet in lila Umhänge, um Fragen zu beantworten. Man glaubt an Reinkarnation, die allerdings überwunden werden soll, um ganz in die Vollkommenheit einzugehen.

Diese Sekte ist so typisch in ihrer apokalyptischen Egozentrik und ihrem Gurutum, dass sie nicht einmal besonders tauglich ist für die von Esoterik strotzenden TV- Programme des neuen, putinesken Russland. Auch wird in ihr kaum die von Riemeck postulierte Hoffnung auf das Kommende - diese spezifische Heilserwartung, die in Russlands politischen und religiösen Selbstbildern auch heute vollkommen mit Steiners Prophetie übereinstimmt- erfüllt werden. Das ist nicht das Geistselbst- Bewusstsein, das ist eine ordinäre Sekte.

Dennoch mag man einer radikal engagierten, offenherzigen und politisch aktiven Frau von Renate Riemeck den einen oder anderen Fauxpas verzeihen. Eine solche bodenständige Unbequemlichkeit verträgt ein paar unscharfe Stellen. Politisch- anthroposophisch allerdings hat sie den Boden bereitet für die heutigen Rechtspopulisten.

Die Heise- Karte auch heute noch von rechtspopulistischen anthroposophischen Kreisen wie dem Perseus- Verlag (6) weiter verbreitet, in Bezug auf Äußerungen Rudolf Steiners, dass bestimmte Logen- Kreise bereits im 19. Jahrhundert eine Zertrümmerung Mitteleuropas geplant hätten: „Was Sie hier auf dieser Karte sehen, ist nun nicht irgend etwas, womit ich im geringsten, ich sage es noch einmal, jemanden beeinflussen will, sondern womit ich nur sagen will, dass dies als eine Art Gestaltung Europas – für mich deutlich zurückführbar bis in die neunziger, achtziger Jahre – in gewissen okkulten Gemeinschaften gelehrt worden ist. Warum man dort die künftige Gestaltung Europas so ansah, welche Gründe man dafür hatte, das wurde immer auch ausgeführt. Es wurde ausgeführt, in welcher Weise und auf welchem Wege – selbstverständlich galten vernünftige Gründe – man für Europa eine solche Gestaltung wünschte. Davon wollen wir dann morgen sprechen, meine lieben Freunde. Ich will nur noch erwähnen, dass ich Ihnen nichts irgendwie Ausgedachtes bringe, sondern etwas weitergebe, was in vielen Köpfen als wirksamer Impuls lebte – als etwas, was man herbeiführen müsse, worauf man alle Kräfte dirigieren müsse, damit es herbeigeführt werden könne.“ (Zitiert nach 6)

Die „anglo- amerikanischen Kreise“ hätten Kriege des 20. Jahrhunderts zu diesem Zweck - nämlich der „Weltbeherrschung“ - als Mittel eingesetzt. Schon 1966 sah Die Zeit (7) Renate Riemeck in diesem Kontext in der Nähe einer „Gossenhistorie“: „Was die Autorin den Scharlatanen voraus hat, ist ein breites, wenn auch oft kurioses und abseitiges historisches Wissen und die Gabe flüssiger, ja oft dramatischer Darstellung. Was sie jedoch vom großen Gelehrten trennt, ist die oft monomanische Besessenheit von dann nicht durchgeführten und nur auf Verdacht geäußerten „Geheimnissen“ und „Verschwörungen“ in der Geschichte, die ihre Analyse nur zu oft in die unmittelbare Nachbarschaft der Gossenhistorie rückt.“ Da steckt die anthroposophische historisch- politische Argumentation zu weiten Teilen bis heute.

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1 Renate Riemeck, Mitteleuropa, Bilanz eines Jahrhunderts. Verlag die Kommenden, Freiburg im Breisgau
2 Renate Riemeck, Ich bin ein Mensch für mich. Aus einem unbequemen Leben
3 http://www.emma.de/artikel/raf-1989-wie-war-das-den-50ern-264466
4 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-27163366.html
5 Peter Pomerantsev, Nothing is true and everything is possible. The surreal heart of the new Russia
6 http://www.perseus.ch/PDF-Dateien/Zertruemmerung_0610.pdf
7 http://www.zeit.de/1966/09/nebel-ueber-mitteleuropa
8 http://www.wissarion.info/home.htm

Renate Riemeck zwischen politischem Engagement, Esoterik und Gossenhistorie

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Renate Riemeck & Ulrike Meinhof in guten Zeiten
Ich traf Renate Riemeck Anfang der Neunziger mehrmals auf einem Seminar in einer anthroposophischen Studienstätte. Nach den eigentlichen geschichtlichen Vorträgen und Seminaren hielt sie gern Hof, stets umgeben von einer großen Traube vor allem junger Anhänger. Wie umstritten Riemeck war, wusste ich damals noch nicht, hatte sie doch ungefiltert Material des umstrittenen anthroposophischen Historikers Karl Heise in Büchern verwendet, um ihr historisch alternatives Bild von Mitteleuropa (1) - ein Buch, das zu der Zeit durch Taschenbuchausgaben im Fischer- Verlag erhebliche Popularität erlangt hatte- zu unterfüttern. Heute ist das wohl eher eine Sache für den rechtslastigen Perseus- Verlag, der ja auch mit dem Kopp- Verlag und dessen Autoren kooperiert. Renate Riemeck hatte auch eine offenkundige Schwäche, denn wie heute viele der populistischen Historiker liebte sie die Aufmerksamkeit der Menge und pflegte dann zumindest dick aufzutragen, um nicht zu sagen, zu fabulieren- solange das Gesagte zumindest sensationell wirkte.

Als ehemalige Anti- Wiederbewaffnung- Demonstrantin, geschasste Dozentin und Ziehmutter von Ulrike Meinhof war Renate Riemeck auch nicht im Verdacht, dem rechten Spektrum zu entstammen, ganz im Gegenteil. Sie war schließlich aktive Politikerin, Publizistin und Mitbegründerin der Deutschen Friedensunion -einem Vorläufer der heutigen Grünen-, eine Kämpferin gegen die Atomwaffen- Aufrüstung des Westens im Kalten Krieg, ja eine Protagonistin der Außerparlamentarischen Opposition. So jemand wie sie wurde in den 70er und 80ern aus dem Staatsdienst entlassen und erhielt ein Verbot, als Dozentin zu lehren.

Über die heutigen rechtslastigen Protagonisten eines "freien" Europas wäre sie wahrscheinlich entsetzt gewesen, auch wenn sie eine Reihe verschwörungstheoretischer Erklärungen der angeblich von westlichen Logen gesteuerten Einflüsse auf Europa und die Ursprünge des Ersten Weltkrieges selbst vertrat. Schließlich hatte sie ihr Examen in Jena in den letzten Jahren des 2. Weltkrieges unter Tieffliegerangriffen gemacht, während ihre akademischen Freundinnen mit dem Judenstern herum laufen mussten (2). In einem Interview mit Alice Schwarzer (3) erzählte sie aus dieser Zeit: „Eigentlich hatte ich auch das Kriegsende schon eher erwartet, nach dem Untergang der 6. Armee. Aber es dauerte dann ja doch noch ein Jahr und ein halbes Jahr dazu, bis es endlich soweit war. Als dann die amerikanischen Soldaten vor Jena standen und, obwohl die deutschen Soldaten alle weg waren, noch anfingen zu ballern - da bin ich denen entgegengezogen und habe gesagt: Sie brauchen nicht mehr zu schießen! Kurz vorher war ich mit einem Bettlaken in der Aktentasche runtergegangen in die Stadt und hatte es zusammen mit einem Vorarbeiter als weiße Fahne auf dem Hochhaus der Zeiss-Werke gehißt. Mein Bettlaken. Das war mein schönstes Kriegserlebnis!“

Und natürlich wusste Riemeck, wie alle, von der systematischen Ermordung der Juden: „Von dem Ausmaß habe ich erst später erfahren. Ich wusste aber, dass sie alle nach Auschwitz geschickt und dort auch umgebracht wurden. Das hat mich natürlich geprägt. Ich habe 1945, kurz vor dem Zusammenbruch, zufällig gesehen, wie Leute aus dem KZ Buchenwald auf der Landstraße von Weimar nach Jena getrieben wurden. Ich sehe diesen ganzen Zug von Elendsgestalten noch heute vor mir... Damals sagte ich leise zu den KZlern: Es dauert nicht mehr lange, es dauert nicht mehr lange. Und ich habe mir geschworen: Nie in meinem Leben werde ich etwas gegen diese Menschen sagen oder sogar tun.“(3)

In ihren Erinnerungen (2) schreibt sie auch über die Umstände, denen sie zu der Zeit der Aktivität Ulrike Meinhofs in der Roten Armee Fraktion unterworfen war: „Im Frühjahr 1970 rief ihre Schwester Wienke mich an, um mir von dem Steckbrief zu berichten, der überall aushing. Ich hielt den Atem an und ahnte nichts Gutes. Von der politischen Hetzjagd, die nun begann, waren alle Freunde Ulrikes betroffen, und erst recht ich. Daß Kriminalbeamte mich im Morgengrauen in meiner Eppenhainer Wohnung aufsuchten und verhörten, war nur eines der vielen hektischen Unternehmen, mit denen die Verfolgung der „Baader- Meinhof- Bande“ begann. Ulrikes Verhaftung erfolgte am 15. Juni 1972 (..). Während ihrer Gefangenschaft in Hamburg und Stammheim lehnte sie jeden Kontakt mit mir ab. Und ich verstand, warum sie das tat. Ich hätte an ihrer Stelle nicht anders gehandelt und die Konfrontation mit einem Menschen aus einer besseren Vergangenheit gemieden.“ Aber dass Renate Riemeck ihre Ziehtochter Ulrike nie mehr gesehen hat, war und blieb wohl dennoch eine offene Wunde, über die sie auch in dem Gespräch mit Alice Schwarzer berichtet. Auch der SPIEGEL bezieht sich in seinem Nachruf 2003 auf Riemecks öffentlichen Appell an Meinhof, den Terrorismus aufzugeben- was wohl der eigentliche Anlass für den persönlichen Bruch gewesen sein wird (4).

Aber, wie oben angedeutet, hatte Renate Riemeck im anthroposophischen Rahmen auch sehr esoterische Seiten. In den abendlichen Runden des Seminars erzählte sie - auch sie emotional bewegt von der Vision eines zukünftigen geistvollen Russlands- von einer Anfrage aus politischen Kreisen Moskaus, wie mit einer ganzen Gruppe hellsichtiger, blauäugiger Geistseher umzugehen sei bzw. wie sie ein solches, wachsendes Phänomen einschätzen würde. Riemeck sah darin die ersten Anzeichen eines neuen, spirituellen Russland, von dem Rudolf Steiner doch gesprochen habe und das die Welt verändern werde. Ich selbst habe ein halbes Leben lang gerätselt, was Riemeck da gemeint haben könnte. In einem neuen Buch des russischen TV- Manns Peter Pomerantsev (5) wird dieses Rätsel gelöst.

Es handelt sich um die radikale Sekte des ehemaligen Postangestellten Vissarion (8) aus Krasnodar, der sich für den wiedergekehrten Christus hält. Die Sekte wurde Anfang der 90er im Rahmen einer Kolonie namens „Wohnsitz der erwachten Stadt“, abgelegen in den Bergen an der Grenze zur Mongolei begründet und besteht bis heute. Die 4500 Anhänger leben in selbst gebauten Holzhütten, Stunden Fußmarschs von jeder Straße entfernt. Sie leben fleischlos und abstinent von Alkohol, in vollkommener Autonomie. Auch Pomerantsev bestätigt: „..and they all have clear, crystal blue eyes and powerful shoulders and look ten years younger than their actual age.“ (S. 179) Selbstverständlich erwarten sie die Apokalypse und leben auf bergiger Höhe, um den kommenden Wasserfluten zu entgehen. Der Sektengründer ist ein absoluter göttlicher Herrscher, für den ein eigenes Weihnachtsfest gefeiert wird. In dem von ihm geschriebenen eigenen Neuen Testament werden alle Religionen der Welt integriert, so dass sich eine Art „Collage“ der Religionen ergibt. Der Alltag der Erwachten schwankt dann auch von transzendentaler Meditation bis Derwisch- Tanzen am Nachmittag. Vissarion bewohnt das am höchsten gelegene Haus und kommt zu Weihnachten (d.h. seinem Geburtstag) herab zu den Anhängern, gewandet in lila Umhänge, um Fragen zu beantworten. Man glaubt an Reinkarnation, die allerdings überwunden werden soll, um ganz in die Vollkommenheit einzugehen.

Diese Sekte ist so typisch in ihrer apokalyptischen Egozentrik und ihrem Gurutum, dass sie nicht einmal besonders tauglich ist für die von Esoterik strotzenden TV- Programme des neuen, putinesken Russland. Auch wird in ihr kaum die von Riemeck postulierte Hoffnung auf das Kommende - diese spezifische Heilserwartung, die in Russlands politischen und religiösen Selbstbildern auch heute vollkommen mit Steiners Prophetie übereinstimmt- erfüllt werden. Das ist nicht das Geistselbst- Bewusstsein, das ist eine ordinäre Sekte.

Dennoch mag man einer radikal engagierten, offenherzigen und politisch aktiven Frau von Renate Riemeck den einen oder anderen Fauxpas verzeihen. Eine solche bodenständige Unbequemlichkeit verträgt ein paar unscharfe Stellen. Politisch- anthroposophisch allerdings hat sie den Boden bereitet für die heutigen Rechtspopulisten.

Die Heise- Karte wird auch heute noch von rechtspopulistischen anthroposophischen Kreisen wie dem Perseus- Verlag (6) weiter verbreitet, in Bezug auf Äußerungen Rudolf Steiners, dass bestimmte Logen- Kreise bereits im 19. Jahrhundert eine Zertrümmerung Mitteleuropas geplant hätten: „Was Sie hier auf dieser Karte sehen, ist nun nicht irgend etwas, womit ich im geringsten, ich sage es noch einmal, jemanden beeinflussen will, sondern womit ich nur sagen will, dass dies als eine Art Gestaltung Europas – für mich deutlich zurückführbar bis in die neunziger, achtziger Jahre – in gewissen okkulten Gemeinschaften gelehrt worden ist. Warum man dort die künftige Gestaltung Europas so ansah, welche Gründe man dafür hatte, das wurde immer auch ausgeführt. Es wurde ausgeführt, in welcher Weise und auf welchem Wege – selbstverständlich galten vernünftige Gründe – man für Europa eine solche Gestaltung wünschte. Davon wollen wir dann morgen sprechen, meine lieben Freunde. Ich will nur noch erwähnen, dass ich Ihnen nichts irgendwie Ausgedachtes bringe, sondern etwas weitergebe, was in vielen Köpfen als wirksamer Impuls lebte – als etwas, was man herbeiführen müsse, worauf man alle Kräfte dirigieren müsse, damit es herbeigeführt werden könne.“ (Zitiert nach 6)

Die „anglo- amerikanischen Kreise“ hätten Kriege des 20. Jahrhunderts zu diesem Zweck - nämlich der „Weltbeherrschung“ - als Mittel eingesetzt. Schon 1966 sah Die Zeit (7) Renate Riemeck in diesem Kontext in der Nähe einer „Gossenhistorie“: „Was die Autorin den Scharlatanen voraus hat, ist ein breites, wenn auch oft kurioses und abseitiges historisches Wissen und die Gabe flüssiger, ja oft dramatischer Darstellung. Was sie jedoch vom großen Gelehrten trennt, ist die oft monomanische Besessenheit von dann nicht durchgeführten und nur auf Verdacht geäußerten „Geheimnissen“ und „Verschwörungen“ in der Geschichte, die ihre Analyse nur zu oft in die unmittelbare Nachbarschaft der Gossenhistorie rückt.“ Da steckt die anthroposophische historisch- politische Argumentation zu weiten Teilen bis heute.

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1 Renate Riemeck, Mitteleuropa, Bilanz eines Jahrhunderts. Verlag die Kommenden, Freiburg im Breisgau
2 Renate Riemeck, Ich bin ein Mensch für mich. Aus einem unbequemen Leben
3 http://www.emma.de/artikel/raf-1989-wie-war-das-den-50ern-264466
4 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-27163366.html
5 Peter Pomerantsev, Nothing is true and everything is possible. The surreal heart of the new Russia
6 http://www.perseus.ch/PDF-Dateien/Zertruemmerung_0610.pdf
7 http://www.zeit.de/1966/09/nebel-ueber-mitteleuropa
8 http://www.wissarion.info/home.htm

Lehrer, Eingeweihter – Wunderding

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Aus einem berührenden, Ende 1912 geschriebenen Briefklingt die Sorge um den Freund: ja, Dr. Steiner mag gut sein, man mag glücklich sein darüber, daß eine Kraft wie die seine in der Welt ist - - - aber kann es auch gut sein, den eigenen Willen, die eigenen Kräfte »einem einzelnen subjektiven Willen an[zu]vertrauen, mag es auch ein genialer sein«?
In derin ebensolchem vertrauten Herzenston gehaltenen Antwort versucht der Angesprochene, der Freundin die Sorge zu nehmen, zu erklären, daß»der Weg zum Doktor« keineswegs»das Aufgeben des Willens« ist, sondern im Gegenteil die »Vergrößerung der schöpferischen Unabhängigkeit« --- und zu schildern, warum Doktor Steiner für seine Schüler ein »Wunderding« ist.
Im folgenden ein Auszug aus den beiden Briefen, abgedruckt im Buch Andrej Belyi. Geheime Aufzeichnungen. Erinnerungen an das Leben im Umkreis Rudolf Steiners.
(Die Steiner-Zitate sind Rückübersetzungen aus dem Russischen.)
 
Margarita Kyrillowna Morosowa an Andrej Belyi (Ende 1912):

Treuer und lieber Freund Boris Nikolajewitsch!

Diesen Augenblick erhielt ich Ihren Brief, und ich schreibe sofort wieder!
[…]
Vor allem beschwöre ich Sie, nicht zu denken, Sie müßten mit mir polemisieren, deshalb verstehe ich Ihre Briefe auch nicht als Polemik, sondern höre mit ganzer Seele Ihrer leidenschaftlichen Rede zu, die auf dem Wege über mich an alle gerichtet ist! Nicht auf die Worte höre ich und möchte ich mit allen Seelenkräften lauschen, nicht auf den theoretischen Sinn, nicht einmal auf die religiösen Ansichten, sondern darauf, «wovon dies alles handelt» und «wozu es führt»!
Glauben Sie mir, ich bin zutiefst interessiert an Steiner, dafür genügt es mir, daß Sie zu ihm gegangen sind, ihm geglaubt haben und sich ihm gewidmet haben! Wie und was, welcher Art seine Theorien sind, wie er als Gelehrter, als Philosoph ist – weiß ich nicht, kann ich nicht beurteilen, aber das ist für meine Seele auch nicht so wichtig! Ich möchte gern, indem ich Sie anhöre, die Früchte der «Sache Steiners» ins Auge fassen! 
Aus tiefster Seele stelle ich mir selbst Fragen, es sind nur Fragen. Und was können wir alle eigentlich in den Untergründen des Lebens anderes als Fragen stellen!
[…]
Und nun sehe ich mit Besorgnis, daß Sie Ihren Willen und Ihre Kräfte einem einzelnen subjektiven Willen anvertrauen, mag es auch ein genialer sein. 
Dann bewegt mich sehr die Frage, wie wohl, wenn man in der Welt, in der Ehe, im Kampf, in der Kultur steht, alle diese okkulten Übungen möglich sind. Reichen da die menschlichen Kräfte? Mir ist klar, daß ich, wenn ich dem Leben entsage und in eine Kloster gehe, mich einem Starez unterordne und unter seiner Führung beginne, in mir innere Kräfte zu entwickeln! Aber wenn ich im Leben stehe, sind nicht schon der Lebenskampf, das Leben selbst, die Arbeit, die ständige Entbehrung, die Notwendigkeit, anderen zu geben, andere zu lieben, genug?! Gebe Gott, daß die Kräfte auch dazu reichen, aber nun soll man Kräfte für die Unterordnung unter eine einzelne Persönlichkeit hergeben und sie für schwierige Übungen verwenden, nicht auf dem Wege der Lebensarbeit an seinem Posten, sondern auf dem Wege der Hingabe (wenn auch einer zeitweiligen) an einen passiven Zustand.
Lieber, seien Sie mir um Christi willen nicht böse, verstehen Sie, daß nicht eine Dame mit einem Federbusch mit Ihnen spricht, sondern meine Seele mit ihrem Zweifel umgeht. Ich bin von ganzer Seele glücklich, daß es auf der Welt so eine Kraft wie Steiner gibt, aber ich bin tief traurig und fürchte, daß diese Kraft, anstatt in den Seelen die Kräfte zu steigern und ihnen auf dem Lebensweg eine Hilfe zu sein und sie nicht von ihrer Lebensaufgabe hinwegzuführen, sie statt dessen auf sich selbst konzentriert und sie in ihr Unbekanntes vertieft!
[…]
Ich bringe Ihnen meine Furcht zum Ausdruck! Ich glaube Ihnen, daß Sie gut sind, glaube auch, daß Steiner gut ist und über Gutes spricht und nachdenkt, aber seine Wege? Weiß er selbst, wohin sie führen?
Lieber, schreiben Sie, was machen Sie? Was macht Assja? Werden Sie noch lange dort sein? Ich weiß, daß Sie hierher auf Ihren Lebensweg zurückkehren werden, ich weiß, daß Sie für ihn jetzt alles opfern!


Christus mit Ihnen,

Ihre M. Morosowa

Aus der (knapp 30 Buchseiten umfassenden) Antwort Andrej Belyis (Januar 1913, Berlin):

Liebe, vertraute
Margarita Kyrillowna,
Werden Sie mir diesen merkwürdigen, unfrisierten Brief verzeihen 
[…]
Liebe, Gute: Ihr Brief strahlt eine solche Wärme aus; und so ist es mir leicht und angenehm, auf Ihre Zweifel am Doktor zu antworten (genauer, an seiner Sache):[…]Doktor Steiner: Schüler von Haeckel und sehr gut informiert über die neuesten wissenschaftlichen Entdeckungen; […] sein Beruf ist die Geheimwissenschaft, aber er besitzt leidenschaftliche religiös-philosophische Überzeugungen. 
[…]
Der Doktor ist Okkultist; aber auch ein religiöser Verkünder und ein Mystiker, ähnlich wie S.N. Bulgakow politischer Ökonom ist; aber die Religiosität von S.N. hat retrospektiv seine politischen Ansichten verändert, wie früher die politische Ökonomie Einfluß hatte auf den Weg, auf die Intensität des Herangehens an ein religiöses Problem überhaupt; so hatte der Okkultismus des Doktors Einfluß auf die Intensität seines Eingehens auf ein religiöses Problem; und umgekehrt: die christliche Verkündigung des Doktors wirkt sich heute auf seine Ansichten von den Aufgaben und Zielen der Geheimwissenschaft aus. Okkultismus und Religion haben genausoviel Berührung miteinander, wie die Religion mit Fragen der politischen Ökonomie Berührung hat: sie haben Berührung, dürfen aber nicht miteinander vermischt werden. Und mein Vertrauen zum Doktor in der Sphäre der Geheimwissenschaft hat Berührung mit meiner Begeisterung für seine mystische und religiöse Mission: sie haben Berührung, dürfen aber nicht miteinander vermischt werden: auf dem Gebiet der Geheimwissenschaft studiere ich beim Doktor; auf den Gebieten der Mystik, der Religion, begeistere ich mich, erkläre ich mich einverstanden, streite ich, vergleiche ich meinen Standpunkt mit dem seinen, nehme ich mir, was ich brauche usw. Die Lehre und das liebevolle Vertrauen, die Geheimwissenschaft und die individuelle Mystik des Doktors vermischen sich in den Seelen seiner Schüler nicht; die Freiheit der persönlichen Initiative, die Freiheit des Gedankens, des Verhältnisses zum Doktor sind unbegrenzt; persönliche Initiative und persönliches Schöpfertum werden beim Doktor lediglich beflügelt: wer das nicht versteht, versteht weder am Doktor noch an der Schülerschaft beim Doktor etwas.
[…]
 

Ihre Worte vom Aufgeben des Willens sind völlig verständlich, denn sie entstehen natürlicherweise im Nebel der Moskauer voreingenommenen, schimärischen, intellektuellen und nur intellektuellen Vorstellungen vom Doktor und von seinem Weg. Man braucht den Doktor nur einmal persönlich zu sehen oder einmal mit ihm zu sprechen, um zu begreifen, wie unbegründet und scholastisch die Meinung ist, die Sache des Doktors sei ein Kloster und nicht der Aufbau einer neuen, religiösen Kultur, und der Weg zum Doktor sei das Aufgeben des Willens anstelle der Vergrößerung der schöpferischen Unabhängigkeit.
Hier haben Sie es: «Kein Lehrer der Esoterik hat, indem er diese Regeln (d.h. der Meditation, Konzentration, Kontemplation) gibt, die Absicht, durch sie über Menschen zu herrschen. Niemand schätzt und hütet die menschliche Selbständigkeit so wie die Lehrer des Okkultismus... Der Orden, der alle Eingeweihten umfaßt, ist von einer Wand umgeben... Tritt nun der Eingeweihte aus dem geschlossenen Raum nach außen und nimmt Verkehr mit den Menschen auf, dann tritt für ihn ein drittes strenges Gesetz in Kraft: <Achte auf jede deiner Taten und ... Worte so, daß durch dich kein Mensch einen Druck auf seinen freien Willensentschluß erleidet>...» («Der Weg zur Einweihung», russ. Übers. S 64) und weiter: «Wer sich überzeugt hat, daß ein Lehrer der Esoterik von eben dieser Stimmung durchdrungen ist, der wird nicht um seine Selbständigkeit fürchten, wenn er den praktischen Regeln folgt, die ihm geboten werden»(ebenda, S. 64).
Habe ich mich überzeugt, daß es so ist? Ich habe mich mehr als genug überzeugt, denn ich sah zuviele Menschen ringsum, deren Tragödie nicht darin bestand, daß der Doktor ihren Willen band, sondern darin, daß er ihren beharrlich bewiesenen Willen nicht aufgriff und es vermied, auf diesen oder jenen Entschluß Einfluß zu nehmen.
Und daß Doktor Steiner ein Eingeweihter ist, das ist mir ebenso klar wie z.B., daß Nietzsche kein Unbegabter ist. Das, gestatten Sie, weiß ich: da wir alltäglich in der Umgebung des Doktors leben, haben wir uns einfach daran gewöhnt, solche Tatsachen des Beweises hierfür zu sehen, daß wir ganz bewußt unseren Mund verschließen und schweigen müssen, um nicht selbst bei nächsten Freunden als Lügner dazustehen. 
[…] der Doktor ist nicht deswegen für mich ein Hierophant, weil man aus seinen Büchern die Gebärde weiser Erhabenheit ablesen kann, sondern er ist dewegen für mich ein Lehrer, weil er mit seinem ganzen Leben nichts anderes tut, als seinen Schülern die kranken und müden Füße zu waschen. 
[…]
Ich habe doch eine seltene Fähigkeit: einen Brief von 40 Seiten zu schreiben, der über den Doktor das erklärt, was für Schüler des Doktors etwas Selbstverständliches ist. Denn es versteht sich von selbst; der «Okkultismus» des Doktors, seine «Einweihung», und «Weisheit» sind für uns erhellt und erwärmt von seinem weltoffenen Wirken, seiner Selbstaufopferung und seiner unermeßlichen christlichen Menschenliebe.
Einen vielseitigeren Menschen als diesen kenne ich nicht: in den Zeiten zwischen allem Wichtigen gibt er sich mit Kindern ab, gräbt ein bäuerliches Weihnachtsspiel nach Art der bäuerlichen Mysterienspiele Ungarns aus und übt es ein, befaßt sich persönlich mit dem Mischen von Farben, liest ägyptische Hieroglyphen, erfindet neue Farben, kennt sich wunderbar in der Geschichte der Malerei aus; nach seiner Methode ist irgendwo eine Mühle mit einem neuen System der Drehung der Räder gebaut worden. Doktor Steiner ist: Mathematiker, Naturforscher, Goetheexperte, Novalisverehrer, persönlich mit deutschen Dichtern der Moderne bekannt, ehemaliger Theaterexperte, ehemaliger Erzieher (er hat einen Idiotenerzogen: jetzt scheint der «Idiot»ein vernünftiger Mensch zu sein); außerdem gibt er Doktor Peipers (einem Schüler) Hinweise, wie die Methoden der okkulten Medizin anzuwenden sind, und kennt selbst die Heilkräfte von Pflanzen.
[…] 
Ja, verstehen Sie Vertraute: lassen wir alle Fragen von Okkultismus, Einweihung, Weisheit beiseite, so stehen wir doch vor einem Wunder: Doktor Steiner. Ich kenne nichts Schöneres, Sonnenhafteres, Wärmeres, Energischeres, Heitereres als Doktor Steiner.
Bei Gott, ohne Übertreibung: er ist selbst das heitere, allumfassend begeisternde Licht.

* * *

Vertraute, Gute: mein ganzer Brief ist ja ein richtiges Durcheinander; 
[…]
Ich sehe Sie, Vertraute: und ich sehe, Sie sagen: «B.N. läßt sich fortreißen. Doktor Steiner ist für ihn ein Wunderding.» Aber es ist doch so: es ist nicht schwierig zu glauben, daß so etwas Vielseitiges und Sonnenhaftes wie der Doktor, den ich beschrieben habe, fesselt; aber es ist schwierig zu glauben, daß der Doktor, den ich in der Vielfalt seiner Erscheinungsformen beschrieben habe, ein blasses Schema des echten Doktors ist. Wenn Sie glauben werden, daß es so ist, dann wird Ihnen das etwas ironische Schweigen der melancholisch veranlagten Schüler des Doktors bei Kritik an seinen Büchern und Handlungen verständlich werden; und Sie werden meine cholerische Begeisterung bei der Beschreibung des Doktors verstehen und meinen ganzen Verdruß, daß die Freude meines Glaubens an das Wunderding, genannt der Doktor, von denen, die ich gern habe, lediglich aus Unkenntnis, d.h. zufällig, nicht geteilt wird...

* * *
[…]
Assja und ich gratulieren Ihnen zum russischen Neujahr. Wir wünsche Ihnen Licht, Freude und Glück. Und viel Mut.
Nun Christus mit Ihnen
Ich verbleibe Ihr Sie sehr verehrender
Boris Bugajew 
  

Why Gnomes?

Freie Fahrt voraus für Putin!

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Bildschirmfoto FAZ
Während Russlands altersschwacher Flugzeugträger seinen Weg durch die Ostsee, den Ärmelkanal und im Atlantik vorbei an Frankreich Richtung Syrien nimmt, um von russischem Diktator dem Menschenschlächter Assad weitere Gunstbeweise zu erbieten, posten anthroposophische Freundeskreise bei Facebook fleissig neue geheime Informationen über Thinktanks von Hillary Clinton, deren Ziel es sei, die Welt zu erobern und zu zerstören- so krude Verschwöungstheorien - die aber nicht mehr so genannt werden sollen-, dass Donald Trumps billige Anwürfe dagegen fast blass werden. Die demonstrative Aufrüstung russischer Schiffe Russlands im Mittelmeer dagegen wird komplett ignoriert und läuft vermutlich nach dem Schema von Russia Today als Vaterlandsverteidigung.

Währenddessen macht sich das Netz über den Zustand des russischen Schiffs lustig, denn die Rauchfahne des altersschwachen Antriebs hängt wie eine schwere grauschwarze Fahne über dem Meer. Es ist bekannt, dass nicht einmal die Toiletten funktionieren, dass die Wasserrohre desolat sind und vorsichtshalber ein kompletter Feuerwehrwagen auf dem Deck steht. Die Pannen des Schiffs sind Legende und stehen für den Zustand der ganzen russischen Industrie, die es nicht einmal fertig bringt, einen einzigen vernünftigen PKW aus eigener Produktion auf die Beine zu stellen. Freilich, ein Land in Schutt und Asche zu legen, die eigenen Bauern bis in den Ural hinein zu bestehlen und propagandistisch meisterhaft in Europa und in den USA zu agieren- das bringt das Regime des rohstoffreichen Landes sehr wohl fertig. Kein Wunder, dass die Welt vor der Neustationierung atombombenfähiger Raketen in Kaliningrad zittert, denn Länder in einen Zustand wie Grosny oder Aleppo zu versetzen- dazu ist Russland jederzeit fähig, auch wenn es selbst weder wirtschaftlich noch sozial irgend etwas auf die Beine stellen kann. Der russische Durchschnittslohn soll stetig gefallen sein, auf inzwischen 5oo Dollar im Monat.

Währenddessen zeigen aktuelle Umfragen, dass das tief sitzende Misstrauen gegenüber Hillary Clinton und Angela Merkel in Deutschlands rechtspopulistischer AfD und Der Linken identisch hoch ist. Neue politische Kampagnen gegenüber den Demokraten, vom inzwischen offen antisemitischen Wikileaks gestreut, werden zeitgleich im Moskauer Staatsfernsehen und von Donald Trumps Wahlkampfteam veröffentlicht- mit identischem Inhalt. Das sind Hinweise darauf, wie intensiv die Investitionen und Interventionen des russischen Geheimdienstes in seinem asymmetrischen Krieg inzwischen sind. Die irreale Unterfütterung einer agitierten Öffentlichkeit kostet vermutlich genau die Summen, die Russland zum Aufbau einer florierenden Zivilgesellschaft fehlen. Der Riese lebt von der Substanz- er höhlt sich durch den aggressiven Schein selbst aus. Freilich, die Hoffnung, in Donald Trump einen Satelliten ins Weiße Haus befördern zu können, ist einfach zu groß. Vielleicht wird die Verzweiflung der Strategen Moskaus wie Wladislaw Surkow - ein Mann, der eigentlich eine unerwünschte Person in Europa ist, aber dennoch in Berlin am Tisch mit Angela Merkel saß - in den kommenden Wochen bis zur Wahl so groß, dass es zu offenen kriegerischen Handlungen kommt.

Währenddessen strömen die anthroposophischen Freunde, wie man hört, weiterhin zu Veranstaltungen, in denen propagandistische Satelliten Moskaus wie Daniele Ganser die FSB- Geschichte von den amerikanischen Aggressionen streben können- unbelehrbar auch dann, wenn im extrem rechten Kopp- Verlag ganze Tagungen solcher Leute abgehalten werden, bei denen die US- feindliche und antisemitische Linie jedermann vor Augen geführt wird, der über einen politischen Restverstand verfügt. Die "angloamerikanischen Denkfabriken" produzieren danach die „Massenzuwanderung“ und „Migration“, um Europa zu unterwandern, heizen den Konflikt in Syrien an und stecken hinter der Destabilisierung der arabischen Region. Faschistische Seiten wie der „Honigmann“ bedienen die propagandistisch-antisemitische Front, in der der jüdische Milliardär George Soros als Hintermann hinter den amerikanischen Interessen agieren soll: „Wir wissen, dass es einen jüdischen Plan (Coudenhove-Kalergi, Nicolas Sarkozy) gibt, Europa durch Massen-Einwanderung und Rassenmischung für die NWO reif zu machen. Wir wissen jetzt auch wer dahinter steht: Rothschild-Agent George Soros hat seinen Plan dargelegt und kürzlich gesagt, dass seine Organisation ”Open Society” dahinter stehe – und dass er 500 Mio. Dollar in das Projekt investiere. Ausserdem wissen wir, das die Grossmeister europäischer Freimaurerlogen (Judentum für Nicht-Juden) die Masseneinwanderung aktiv unterstützen. Soros arbeitet offensichtlich mit der kommunistischen Jüdin  und Superfreimaurerin, Angela Merkel, in dieser Maulwurf-Arbeit auf Total-Chaos und Bürgerkrieg in Europa hin zusammen – wie so oft hier nachgewiesen.

In diesem Sinn argumentiert auch der Kopp- Verlag mit Daniele Ganser und seinem ideologischen Umkreis, wenn im Kongress folgende Themen behandelt werden: „Wie Amerikas Hardliner im Pentagon den Konflikt in Syrien anheizen.
• Welche Rolle angloamerikanische Denkfabriken bei der Manipulation der öffentlichen Meinung spielen.
• Wie das »unsichtbare Netz« aus Denkfabriken, Geheimdiensten, Lobbygruppen und Medienkonzernen funktioniert.
• Wie die Propagandamaschine des Pentagons funktioniert und wir mit Mitteln der Desinformation und durch »Hofberichterstattung« im Interesse der Mächtigen manipuliert werden.
• Welche Rolle spielt die Ölgeopolitik beim Krieg in Syrien?
• Welche Rolle spielt George Soros bei der Flüchtlingskrise?
• Lässt sich nachweisen, dass George Soros den Arabischen Frühling auslöste?
• Wie agiert Soros, und was hat er mit Europa vor?

Der „jüdische Plan“, der „Rothschild- Agent George Soros“, die „Superfreimauererin“ Angela Merkel- ist das die anthroposophische Agenda dieser Tage? Jede Waldorfschule, die solche Thesen eines Propagandisten wie Ganser in ihren Reihen verbreitet, wird Jahre und Jahrzehnte später, wenn der Spuk vorüber ist, kleben bleiben an diesem antisemitischen Gift. Da können sich anthroposophische Medien- und Schulvertreter noch so sehr winden, sie seien ja nur weltoffen und liberal. Wer den Kopf in dieses Wespennest hineinsteckt, wird ihn ohne Stiche nicht mehr heraus bekommen.

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Links:
http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/deutschland/redaktion/kopp-kongress-geopolitik-warum-die-welt-keinen-frieden-findet-.html
https://derhonigmannsagt.wordpress.com/tag/george-soros/

Donald Trumps Chakra- Problem

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Deepak Chopra ist einer dieser kalifornischen Yoga- und Meditationslehrer, die telegen, intelligent, modern und aufgeklärt daher kommen, sehr fern von indischem Walliwalla, von mystischen Versprechungen oder als Vertreter einer autoritären Guru- Renaissance wie neuerdings wieder Andrew Cohen. Stattdessen verspricht Chopra, abgeleitet aus klassischen Atem- und Meditationstechniken, ehr die zunächst weltlichen Dinge: Ruhe, Ausgeglichenheit, Frieden, „Schönheit von innen“. Dass Meditation auch „auf die Welt“ wirkt, begründet er damit, dass eine gemeinsame Seinsebene Natur und Mensch durchdringe - auch wenn seine Vorstellungen dahingehend vielleicht - für den praktizierenden Steiner- Schüler - etwas vage bleiben mögen, geht er doch über die Egozentrik der üblichen Lehrer dieser Art hinaus; auch über das gängige Ego- Super-Ich- Konzept.
Das primitive, dem Konzept nach ur- katholische Prinzip der New- Ager „Überwinde dein Ego, und ich verspreche dir die Erleuchtung“ bleibt ja meist ein spirituelles Versprechen, das den Schüler (wie der Esel, dem eine Möhre vor der Schnauze baumelt) nur abhängig macht von den Weisungen und geheimen Wünschen des Gurus. Freilich, es bleibt bei Chopra eine Verbindung zwischen Mensch, Natur und Kosmos, die er nicht aus irgendwie „höherer Erkenntnis“ schöpft, sondern auf die Quantenphysik bezieht, also auf heute gängige, letztlich mathematische Vorstellungen einer subatomaren gegenseitigen Durchdringung: „Quantum physicists have shown that a unified field of intelligence gives rise to everything in the universe, including our body, the stars, the galaxies, subatomic particles, and all else. The cosmos is the extended body we all share, and our every thought and intention ripples out into the universal consciousness and has an effect.

When we meditate, we quiet our mind and slip into the silence that’s the source of all happiness. There we discover increasing levels of bliss, inspiration, and love. Our experience of these powerful states creates vibrations that help heal the planet. As a famous Vedic verse states, “It is our duty to the rest of humanity to be perfectly healthy, because we are ripples in the ocean of consciousness, and when we are sick, even a little, we disrupt cosmic harmony.” Through meditation, we expand our awareness of the blissful nature of divine intelligence and contribute to greater peace and love in our world.“ Quelle auf Chopra Website.

Angenehm allerdings, dass dieser praktische Lehrer Eloquenz und Humor besitzt. Auch das unterscheidet ihn von den glubschäugigen Heilsversprechern. Hier lässt er sich über die genitalen Chakra- Probleme des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, dessen Egozentrik Chopra immer wieder beschäftigt:


Georg Kühlewind und die Bewegung des Geistes

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Georg Kühlewind ist vor einer Generation -ab 1980- auch mein Lehrer gewesen- einer der mir auch persönlich bekannten Lehrer, die einem aktiv Suchenden Orientierung gaben, wenn auch nicht im Sinne eines traditionellen Gurus. Das wäre für einen kühlen, wissenschaftlichen Geist, der den Menschen „als Wort und Gespräch“ darstellte, ein viel zu persönlicher und vor allem passiver Ansatz gewesen. Aber didaktisch wirken wollte Kühlewind schon- sind doch seine Bücher fast immer - auf manchmal durchaus altbackende Art und Weise- von „Übungen“ und ganzen, manchmal durchnummerierten Übungseinheiten durchdrungen. Dieses Lehrerhafte bis Professorale hatte er auch im persönlichen Auftreten, manchmal humorvoll zwinkernd, aber häufig scharf und kritisch insbesondere gegenüber schwadronierenden Anthroposophen, in deren Zweigen und Seminaren er auftrat und lehrte. Sein Credo, nie über etwas zu sprechen, was nicht selbst zur inneren Erfahrung gehörte, stieß den oft okkult spekulierenden Second- Hand- Esoterikern sauer auf, auch wenn Kühlewind wegen seiner souveränen Kompetenz stets gut besucht und als Lehrender umschwärmt war. Sein umfangreiches dichtes Werk zur systematischen intellektuellen und spirituellen Schulung hat dank des Verlages Freies Geistesleben - neben wissenschaftlichen, z.b. sprachwissenschaftlichen Publikationen- ein langjähriges Publikum gefunden. In „Licht und Freiheit. Ein Leitfaden für die Meditation“ (2004)* hat Kühlewind im Anhang auch einige persönliche Anmerkungen zu seinem Meditationsstil hinterlassen, die diesen seinen Hauch von Zen - von reduzierter Technik- recht gut wiedergeben.

Er beschreibt darin, dass er 40 Jahre lang - seit 1964 - sein „übendes Leben“ trotz zahlreicher Experimente auf einen einfachen Grundkanon zurück führte. Die täglichen Übungen hätten ihm die konzentrierten Grundlagen und die Energie für die „Aufgaben des Alltags, wie Forschen, Vorlesungen und Seminare Halten und auch für das Schreiben“ vermittelt. Die Konzentrationsübungen, die - je nach Bedürfnis und Anforderungen- zu mehreren Meditationsübungen am Tag führten, bauten sich häufig zu vielen „Meditationen in einem Bogen“ auf, insbesondere dann, wenn er sie schreibend niederlegte. Termindruck und überhaupt „eine zeitliche Grenze“ wirkten sich für ihn störend aus. Seine Grundlage aber sei stets der Prolog des Johannesevangeliums gewesen. Ansonsten habe er als Einstiegsthema seit 1964 nichts als ein Objekt der Konzentrationsübung, nämlich „meine elfenbeinernen Essstäbchen“ genutzt. Es habe sich gezeigt, dass der Wunsch, dieses Grundthema des meditativen Einstiegs zu variieren, lediglich dann aufkam, wenn „die Aufmerksamkeit nicht ganz und gar“ fokussiert gewesen sei, wenn also Ablenkungen im Spiel gewesen wären. Er sei durch diese Praxis in jeder Situation - „wenn es darauf ankommt“ - recht konzentriert gewesen und habe im engeren Sinne auch keine Konzentrationsübungen machen müssen. Die „kritische Intensität“ der Aufmerksamkeit, um in eine meditative innere Haltung in der Zeitlosigkeit überzugehen, die früher durch zumindest einige Minuten gedauert hätte, erreiche er heute - 2004 - „meist in wenigen Sekunden“, und wachse dann stetig, „ohne Anstrengung und mit Freude“. Für die Moralisten und Puristen hängt er noch daran, dass diese Freude „nicht zur Zerstreuung führen“ solle.

Man sollte bei Kühlewind nicht annehmen, dass es trotz dieser reduzierten, strengen Meditationselemente um eine trockene, intellektuelle Kunst gegangen wäre. Was er unter „das Auferstehen des Wortes“** verstand, entsprach einem modernen Samadhi- Erlebnis in höchster „Tätigkeit des Geistes“, in der Erfahrung der „Logos- Tätigkeit im Leben des Bewusstseins“ (S. 85).

Das, was man populär bei einem Eckhart Tolle*** als Präsenz - Erfahrung „Power of Now“ nachlesen kann, wird bei Kühlewind in eine systematische Schulung, eine komplexe Ausführung und Ausgestaltung und - zumindest gelegentlich- in christliche Konnotation gebracht. Vielleicht liegt gerade in der Komplexität Kühlewinds, aber auch in seinem dauernden Appell an die eigene Aktivität des Interessierten das Problem; Kühlewind sperrt sich implizit und explizit gegen leichte Konsumierbarkeit. Denn um innere Beweglichkeit geht es ihm: „Der Mensch kann auf sein Bewusstsein blicken, kann das Gedachte im Bewusstsein finden, und er kann durch diese Erfahrung zu der Erfahrung des in ihm Erfahrenden gelangen, des Erfahrenden, der nicht wie das Gedachte zur Vergangenheit gehört. Nicht in dem toten Vergangenheitsbewusstsein, sondern in dem Lebendigen, aus dem es genährt wird, aus dem es hervorquillt, kann der Mensch den Logos finden: dort lebt er. Der Mensch kann heute die Bewegung des Denkens erfahren, wenn er wirklich nach innen schaut, auf die Bewegung des Logos in sich selbst.

—————————
* Georg Kühlewind, Licht und Freiheit. Ein Leitfaden für die Meditation, 2005/2
** in: Kühlewind, Die Diener des Wortes. Der Mensch als Wort und Gespräch, 1981
***eckharttolle.com

Apokalypse now

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Schon vor einer Generation hat Georg Kühlewind von der „persönlichen Finsternis“ des Einzelnen gesprochen, von einer gewissen Korruption des „Alltagsbewusstseins“, das mehr und mehr Platz schaffe für das Unterbewusstsein, gerade weil es die Erfahrung der Wirklichkeit universellen Denkens, Fühlens und Wollens im Sinne einer Präsenz- und Icherfahrung verfehle. Wenn - so schrieb Kühlewind 1981*- „die überbewusste Intuition der Göttlichkeit verloren geht, dann wird das lebende und unbewusst fühlende und wollende Element nicht mehr mit einer geahnten geistigen Macht verbunden, ihr zugeordnet..“ und nimmt niedrige Formen an, immer neue Schatten des kollektiven Ego, die Gefühle und Impulse der niedrigsten Art anrühren und hochschwemmen.

In einem Zeitalter, in dem, wie die Phrase sagt, „die Menschheit über die Schwelle gegangen ist“, besteht zwar die Möglichkeit geistiger Selbstgewahrwerdung, die aber aktiv ergriffen werden muss. Ansonsten rühren die nicht genutzten Kräfte den Sud im kollektiven Inneren an, wodurch ein Unwohlsein, eine unbestimmte Wut gezüchtet wird, die sich beliebige Ziele ihres Zorns und ihrer Frustration sucht. Demagogen haben in solchen Situationen leichtes Spiel, denn „abgehängt“ fühlen sich Viele. Dass der zunächst unbestimmte Zorn eine Art nicht ergriffener geistiger Potenz ist, wird überspielt und geleugnet- der Zorn richtet sich gegen Fremde, Asylanten, Eliten oder andere Variablen.

Im Gegensatz zu Kühlewinds Zeit (und dem 20. Jahrhundert überhaupt) ist das heutige Kollektiv durch die neue mediale Gegenwart fast global. Die Gebildeten wie Ungebildeten, die westlichen wie östlichen Gemeinschaften huldigen neuen Diktatoren, Wut- Predigern, Demagogen und Dschihadisten. Statt realistischer Geistberührung auf den Grundlagen von Autonomie, Dialog und Anteilnahme wabern Gerüchte von „geheimen Zusammenhängen“ durch die Netze, die die ohnmächtige Wut anfeuern und mit beliebigen Inhalten füllen. Selbst die Vernünftigen suchen Schutz und rüsten auf vor Attentätern und zusammengerotteten Wutbürgern.

In den USA droht diese Woche die Wahl eines Präsidenten, der in jeder zivilisierten Gesellschaft noch vor Kurzem undenkbar gewesen wäre. Aber die Zivilisation steht angesichts der kollektiven emotionalen Lage vor dem moralischen Bankrott. Eine Art indifferenter Revolution liegt in der Luft. Offenbar entgleiten den Gesellschaften nicht mehr nur die Werte, sondern die Faktizität schlechthin. In moralisch- geistiger Hinsicht steht die Apokalypse vor der Tür, in der die demokratischen Grundwerte und -regeln außer Kraft gesetzt werden. Stattdessen räumen Diktatoren wie in der Türkei über Jahrzehnte gewachsene demokratische Gesellschaften in die Rumpelkammer. Alles schon da gewesen? Gewiss. Aber heute stehen die Demokratien von außen und innen generell und zeitgleich auf dem Prüfstand. Das Destruktive hat infektiöse Kraft erhalten und füllt die geistige Leere, fegt gesellschaftliche Werte und moralische Normen über Länder- und Kontinente- Grenzen hinweg fort. Der Winter steht vor der Tür.

"Apokalypse" bedeutet im von mir gemeinten Sinn wortwörtlich, dass die Dinge auf den Tisch kommen. Das, was auf dem Tisch bereits zu sehen ist, ist eine Erosion moralischer Kompetenz. Das Mitmenschliche, die Liebe zur Faktizität, die Dialogbereitschaft, Vernunft und Perspektiven müssen gegen die Widerstände eines taumelnden Kollektivs mit seinem Hass und seinen Verschwörungstheorien bestehen. Dazu ist der Einzelne aufgerufen.

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*Georg Kühlewind, Die Diener des Logos
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