Diskussionsveranstaltung mit Aleksandr Dugin
Ingrid Haselberger
Am Tag nach dem Vortrag Aleksandr Dugis zum Thema „Ideen für eine Zukunft Europas“ 1) warte ich gespannt, ob ich auch zur Diskussionsveranstaltung (geplantes Thema: Dugins Liberalismuskritik) zugelassen werde. Ich habe die Hoffnung fast schon aufgegeben – doch dann kommt doch noch die mail mit der Bekanntgabe des bis dahin streng geheim gehaltenen Ortes, an dem man sich am Abend versammeln will. Ich habe also tatsächlich die Ehre, auch hier dabeizusein!
Diesmal sind keine Journalisten da, überhaupt viel weniger Menschen, und fast nur Männer – anscheinend bin ich die einzige Frau, die nicht in Begleitung eines Mannes gekommen ist.
Bevor es beginnt, komme ich ins Gespräch mit einigen Teilnehmern. Jemand fragt mich, woher ich komme – offenbar meint er, ich sei die Abgesandte einer Organisation (;-) schon wieder ein „James-Bond-Gefühl“); er scheint überrascht, vielleicht sogar enttäuscht, daß ich ganz allein und aus privatem Interesse hier bin.
Ein sympathischer älterer Herr klärt mich auf:
Es seien Außerirdische, die alles hier auf Erden steuern. Sie sähen zwar aus wie Menschen und lebten auch hier auf der Erde, aber in Wirklichkeit handle es sich dabei um »hohe geistige Wesenheiten.« Als Hellseher könne man sie erkennen...
Ich frage:
Können Sie das auch sehen? Ist vielleicht jetzt einer hier, in diesem Raum?Er:
Ich kann das selbst nicht sehen. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, daß Professor Dugin so eine hohe geistige Wesenheit ist.Auch Donald Trump sei von solchen »hohen geistigen Wesenheiten« eingesetzt, für die Übergangszeit brauche es jetzt gerade jemanden wie ihn; wenn er seine Aufgabe erledigt haben werde, würde er durch jemand anderen ersetzt werden...
Er sei Geopolitik-Berater, sagt der nette Herr. Auf meine Frage, wen er denn berate, antwortet er:
Hauptsächlich Konzerne. Ich würde auch Regierungen beraten – aber die wissen entweder schon alles, oder sie wollen es gar nicht wissen...Nach der kurzen Begrüßung gibt es für mich eine Überraschung: zunächst ergreift nicht Aleksandr Dugin das Wort, sondern der Brite Hugh James – und er hält ein Plädoyer
für den klassischen Liberalismus 2).
Das freut mich von Herzen – Dugins Feldzug gegen alles, was mit Liberalismus zu tun hat, ist mir mehr als unbehaglich, und ich bin gespannt, was ein Liberaler in diesem Rahmen hier zu sagen hat:
»Der Herr Dugin ist antiliberal – es ist für mich als gebürtiger Brite sehr schwer zu verstehen, wie jemand antiliberal sein kann.«
Und überzeugend stellt James dar, daß der klassische Liberalismus sich weder gegen Gott noch gegen die Nation richtet:
Sowohl Großbritannien als auch die USA sind Länder mit großem Nationalstolz. Und schon die Präambel der Unabhängigkeitserklärung der USA 3) bezieht sich auf die unveräußerlichen Rechte, mit denen jeder Mensch
von seinem Schöpfer beschenkt ist --- diese (gottgegebenen) individuellen Rechte sind es, die dem Staat in einem liberalen System Grenzen setzen (daß das auch wirklich funktioniert, sieht man daran, daß die Gerichte nicht alles zulassen, was die Politik - beispielsweise Donald Trump - will.)
Dem Liberalismus gehe es schlicht um die
Handlungsfreiheit des Einzelnen– mit der wichtigen Folge, daß im klassischen Liberalismus jeweils derjenige, der handelt, auch die Konsequenzen seines Handelns zu tragen habe.
Die »goldene Zeit des Liberalismus« sei allerdings 1914 zu Ende gegangen: als klar wurde, daß auf diese Weise weder die Wirtschaftskrise noch den Weltkrieg verhindert werden konnte, versuchte man, politisch zu intervenieren, um die bestmögliche Lösung für die meisten Menschen zu erreichen. Mit dem
Interventionismus entstand ein neuer,
sozio-demokratischer Gesellschaftsvertrag: der Staat setzte der Handlungsfreiheit des Einzenen Grenzen und gab eine Garantie gegen negative Handlungskonsequenzen (Stichwort: Bankenrettung...).
Und Hugh James erkennt durchaus an, daß die Sozialdemokratie viel Gutes für die Menschen erreicht hat.
Aber 1914 begann noch ein weiterer Strang: Seit dem ersten Weltkrieg dominierten die Angloamerikaner die Welt; unter ihrer Führung wurden internationale Institutionen begründet (James erwähnt das
Council on Foreign Relations, den
Völkerbund und, nach dem 2. Weltkrieg, die
Vereinten Nationen), um die Welt neu zu gestalten... und heute sei man dabei, Schritt für Schritt Nationalstaat, Wohlfahrtsstaat und Demokratie abzuschaffen – und dadurch die Sozialdemokratie ihrer notwendigen Grundlagen zu berauben. 4) Es entstehe eine neue Ebene, die jenseits der demokratischen Kontrolle agiere.
Das gehe einher mit einer
Krise der Sprache (»Das habe ich von Prof. Dugin übernommen.«). Wir hätten heute ungenaue, schwammige Begriffe 5), es gebe Sprachverbote, Plattformen wie google und facebook übten Zensur, Realität dürfe nicht mehr dargestellt werden 6) …
»Wenn wir die Kontrolle über unsere Sprache verlieren, dann verlieren wir unsere Identität, da wir die Identität derer annehmen, die unsere Sprache beherrschen und sie uns zuteilen.«
Und Hugh James ist überzeugt: es ist dieser
Utopismus, den Aleksandr Dugin eigentlich meint, wenn er den Liberalismus kritisiert.
Die Antwort auf den Abgrund, in den der Utopismus unweigerlich führen müsse, ist für Hugh James der »richtig verstandene klassische Liberalismus«, in dem der Staat zwar
Anreize setzen könne, der
Impuls für das Handeln aber jeweils aus dem Individuum komme.
Damit steht er in eklatantem Gegensatz zu Aleksandr Dugin, der in seinem Buch
Die Vierte Politische Theorie 7) schreibt (S 53ff):
»Liberalismus muß besiegt und vernichtet, das Individuum von seinem Pedestal herabgeholt werden. Könnten wir irgendetwas dem Liberalismus entnehmen - eben diesem hypothetisch besiegten und desorientierten Liberalismus?
Ja. Es ist die Idee der Freiheit […] Die Vierte Theorie soll eine Theorie der absoluten Freiheit sein […] Freiheit ist der größte Wert der Vierten Theorie, denn sie deckt sich mit ihrem Zentrum und ihrem dynamischen, energetischen Kern. Der Unterschied besteht darin, daß diese Freiheit als eine menschliche aufgefasst wird und nicht als Freiheit für das Individuum. Als die vom Ethnozentrismus verliehene Freiheit, die »Daseins«-freiheit, die Kulturfreiheit, die Gesellschaftsfreiheit und die Freiheit zu allen Subjektivitäten - außer der eines Individuums.«
Wie weit diese nicht-individuelle Freiheit geht, zeigt sich, wenn Dugin im folgenden nicht als philosophisch-theoretische Erwägungen anstellender
Professor spricht, sondern als
Politikberater im Bewußtsein seines Einflusses (man beachte das »wir«!):
»Warum wir Donald Trump geschützt haben, und warum wir mit Steve Bannon gute Beziehungen haben: sie sind so wie wir gegen das, was wir Ultraliberalismus nennen. Wir haben also verschiedene Punkte gemeinsam.«
Und als später ein älterer Herr das Buch
Projekt Eurasien erwähnt (wie stolz ist er, daß er es in der russischen Originalsprache gelesen hat...), in dem Dugin das Internet als »на́ша гла́вная служба«,
unsere Hauptwaffe, bezeichnet, wird Dugin noch deutlicher:
»Es war Putins Idee, in die amerikanische Wahl zu gehen. Das Internet ist ein Raum, der niemandem gehört. Es war virtuelle Geopolitik, unsere legitime Reaktion auf die Angriffe der Atlantisten. 8) Die USA denken, wir waren da sehr stark – aber ich kenne keine Details.«
Es gibt diesbezüglich für Dugin (und wohl auch für Putin) also keinerlei Unrechtsbewußtsein. 9)
Das ist offenbar die Konsequenz der unbegrenzten Freiheit der Subjekte einer multipolaren Welt nach der Vorstellung Aleksandr Dugins.
Sein Publikum scheint dem einiges abzugewinnen – man steigert sich dabei aber auch in doch (zum Glück) überzogene Erwartungen hinein:
In einem früheren Interview habe Dugin gesagt, die russische Armee könne jederzeit Europa einen Besuch abstatten, so ein jüngerer Zuhörer. Und erwartungsvoll fragt er: »Wann kommen Sie?«
Dugins Antwort ist deutlich:
»Das war eine Provokation!« (sein Unterton drückt in etwa aus:
Glaubt ihr wirklich, wir werden uns die Mühe geben, eure Probleme für euch zu lösen? So blöd könnt ihr doch nicht sein! Nein. Das müßt ihr schon selber machen...)Und ich höre den halblauten Zwischenruf: »Wie schade! Damit wäre unser Flüchtlingsproblem auf einen Schlag gelöst...«
Dabei sind alle Menschen im Saal sich offenbar einig: es sei immens wichtig, daß
Europa christlich bleibe.
Ich staune: wie bringen sie das unter einen Hut?
Ein Christentum ohne unveräußerliche Menschenrechte, die für
alle Menschen gelten, unabhängig davon, in welche „kollektive Identität“ sie hineingeboren sind? Denn mit Dugins Willen, den Liberalismus zu vernichten, geht auch die vehemente Ablehnung der »Ideologie der Menschenrechte« einher, die in der globalisierten Gesellschaft praktisch zum »Zwang« werde... 10)
Denn Dugin wettert – im Saal wie auch schon in seinem Buch – nicht nur gegen den Liberalismus, sondern auch gegen die Globalisierung (S 212):
»Seelisch ist die Globalisierung die Herstellung einer großen Parodie, das Reich des Antichrist. Die Vereinigten Staaten sind das Zentrum dieser Expansion. Amerikanische Werte geben vor, »universale« zu sein. In der Wirklichkeit ist das eine neue Form der ideologischen Aggression gegen die Vielfalt der noch in der übrigen Welt existierenden Kulturen und Traditionen. Ich bin entschieden gegen westliche Werte […] Daher sollten Traditionalisten und die Verfechter traditioneller Prinzipien und Werte dem Westen entgegentreten und den Rest der Welt verteidigen, insofern dieser Rest Zeichen der Erhaltung der Tradition aufweist […]«
Dabei gibt es nur ein Problem (S 89):
»Es sei nebenbei bemerkt, daß gerade aus der liberalen These, der Mensch sei frei, folgt, daß er immer frei ist, »Nein« zu sagen, wem immer er es sagen will. Darin besteht das gefährliche Moment der Freiheitsphilosophie, die unter der Ägide der absoluten Freiheit ihr langsam die Freiheit entzieht,
zur Freiheit»Nein« zu sagen. Das westliche liberale Modell sagt: »Wollen Sie uns widerstehen? Bitte, Sie haben das Recht, aber Sie wollen doch nicht Ihre Waschmaschine zurückgeben, oder?« Die Waschmaschine ist das Totschlagargument der Fortschrittsfreunde. Jeder will ja eine Waschmaschine – Schwarze, indigende Völker, Konservative und Orthodoxe.«
Die Waschmaschine scheint also fast so etwas wie ein universaler Wert zu sein...
Aber Aleksandr Dugin will sie offenbar wirklich zurückgeben:
»Entsinnt man sich der Metaphysik der Waschmaschine in ihrem Bezug zu den echten Werten eines philosophischen Systems, dann muß man zu dem Schluß kommen, daß das Leben des Menschen ohne die Waschmaschine möglich ist und vielleicht sogar durchaus glücklich sein könnte.«
Ich versuche zu begreifen, wie man so denken kann wie Dugin (denn
daß man so denken kann, ist ja ganz offensichtlich).
Aber es fällt mir schwer – und es gelingt mir nicht, es in Einklang zu bringen mit allem, was ich bisher von unserer europäischen Kultur, vom Christentum und auch von der Anthroposophie verstanden zu haben meine.
Ich denke an Rudolf Steiners Ausspruch: »An Gottesglauben Stelle glaub ich an den freien Menschen!«
Für Aleksandr Dugin aber scheint es keinen freien Einzel-Menschen zu geben; er sieht nur „kollektive Identitäten“ (
»Der Mensch ist nur dann Mensch, wenn er eine kollektive Identität hat!«) – die zwar im Sinne einer multipolaren Welt untereinander kooperieren können, in denen der einzelne in sie hineingeborene Mensch aber gewissermaßen gefangen bleibt.
Dugins Vision einer multipolaren Welt setzt die „Reinerhaltung“ unterschiedlicher Kulturen/Ethnien/Zivilisationen voraus – um den Preis, daß der einzelne Mensch nicht frei zwischen ihnen wählen können würde: denn der Liberalismus, die Freiheit des Einzelnen, wäre
kein Pol in dieser seiner Welt.
Im Anschluß an die Diskussion (in der es auch noch viel um Geopolitik und „Achsen“ geht) gelingt es mir, Aleksandr Dugin zwei Fragen zu stellen:
War es nicht der Christus, der dazu anleitete, dem Nächsten zu helfen, auch wenn dieser Nächste einer anderen „kollektiven Identität“ angehört? 11)
War es nicht der Christus, der die Menschen überhaupt aus der „kollektiven Identität“, in die sie hineingeboren waren, herausgeführt und ihnen zum Bewußtsein gebracht hat, daß es auch selbstgewählte gemeinsame Identitäten geben kann? 12)
Dugins Antwort (zur ersten Frage sagt er nichts) verblüfft mich: in der Orthodoxen Kirche könne der Mensch nur in die Irre gehen, wenn er den ihm von Gott vorgezeichneten Weg verlasse und es allein versuche. Dazu zitiert er sogar ein Sprichwort (dessen Wortlaut ich leider vergessen habe).
Ich habe mich bisher noch nie näher mit der Orthodoxie befaßt – zu Hause recherchiere ich im Internet und stoße auf das
Filioque-Problem. 13)
Wie oft habe ich das gesungen –
Credo in Spiritum Sanctum, qui ex Patre Filioque procedit(Ich glaube an den Heiligen Geist, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht) - - -
Im Glaubensbekenntnis der orthodoxen Kirche aber geht der Heilige Geist nicht auch aus dem Menschensohn, sondern ausschließlich aus dem Vatergott hervor. Das
Filioque, auf dem, wie Rudolf Steiner sagt, unsere gesamte abendländische Kultur beruht 14) – das gibt es in der orthodoxen Kirche nicht.
Ich habe das Paulus-Wort »Nicht ich, sondern der Christus in mir« immer so verstanden, daß es für jeden einzelnen Menschen die Möglichkeit gibt, zu seinem eigenen inneren „göttlichen Funken“ zu gelangen, zum „Menschensohn“ in seinem Inneren – zu dem, was in der Anthroposophie als das „Ich“ bezeichnet wird.
Michael Eggert hat vor kurzem Karsten Massei zitiert: 15)
»Das Ich ist der Name, den man sich selbst gibt; aber es ist mehr, es ist die Kraft, aus der unsere Individualität hervorgeht, und es ist noch mehr: es ist das Wesen, in dem sich unser höheres Wesen, unser göttliches Selbst äußert. Wir sind unserer Natur nach geistige Wesen, eigentlich Götter. Im Ich, seinem für uns zwiespältigen Wesen, seiner Flüchtigkeit und Macht, offenbart sich unsere göttliche Natur.«
Ja. Und ist dieses göttliche Selbst, das in jedem einzelnen Menschen wohnt, nicht unseres Schutzes wert?
Bereits im Römischen Recht wurde zum Schutz des ungeborenen Kindes ein
Curator Ventris bestellt, ein Vertreter der Leibesfrucht, der dafür zu sorgen hatte, daß der Rechtsgrundsatz eingehalten wurde:
Nasciturus pro iam nato habetur, quotiens de commodius eius agitur–
Der Ungeborene wird einem bereits geborenen Kind soweit gleichgestellt, wie es ihm zum Vorteil gereicht. 16)
Die
Gleichheit aller Menschen
im Rechtsleben, wie Rudolf Steiner sie fordert – und damit die für
alle Menschen ohne Ansehung der Person gültigen, unveräußerlichen Grundrechte, auf die sich die westliche Welt geeinigt hat – verstehe ich als einen Schutz für den „Menschensohn“, der im Inneren eines jeden Menschen lebt – auch und gerade, solange er erst in Entwicklung begriffen und gewissermaßen noch ungeboren ist.
Sollte hier etwa der „Fehler im Programm“ liegen, den Aleksandr Dugin sucht?
Wenn es tatsächlich so wäre: diesen „Fehler“ würde ich sehr gerne beibehalten.
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1) hier habe ich darüber berichtet:
https://egoistenblog.blogspot.co.at/2018/04/ideen-fur-eine-zukunft-europas.html2) hier ein Mitschnitt dieses Referats:
https://www.youtube.com/watch?v=ItHF-_COcdw3) die Präambel der Unabhängigkeitserklärung der USA:
https://de.wikipedia.org/wiki/Unabh%C3%A4ngigkeitserkl%C3%A4rung_der_Vereinigten_Staaten#Pr%C3%A4ambel4) Für Hugh James ruht die Sozialdemokratie auf den Grundvoraussetzungen der Demokratie mit Mehrheits-Wahlrecht (zur Legitimation des Gewaltmonopols, das der Staat benötigt, um die Freiheiten des Einzelnen einzuschränken), des Wohlfahrtsstaates (denn die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit dem „Preis-Leistungsverhältnis“ drückt sich in den Wahlergebnissen aus) – und des Nationalstaates: aus nationaler Solidarität sei der wohlhabende Wiener Unternehmer bereit, den Vorarlberger Bergbauern (oder auch die Pension eines Wirtschaftskammerpräsidenten mit Zweitwohnsitz am Wörthersee) zu subventionieren. Sehr viel weniger Bereitschaft gebe es allerdings bezüglich der Kinderbeihilfe für bulgarische Kinder, oder der Finanzierung von Kriegen in Afghanistan oder sonstwo...
5) Als Beispiel nennt er das Dilemma der Demokratischen Partei im Vor-Wahlkampf der US-Präsidentschaftswahlen: auf der einen Seite Hillary Clinton, die Vertreterin der reichsten 1% des Landes, auf der anderen Seite Bernie Sanders, der Gegner dieser 1%. »Die Partei war total zerspalten – aber alle nannten sich „liberal“.«
Oder: auch wenn auch heute noch der Faschismus als der Prototyp des Antiliberalismus gelte: heute seien es nicht die Faschisten, die uns einschränkten, sondern die Antifaschisten...
6) Hugh James erzählt von einem Mathmatiklehrer, der entlassen wurde, weil er ein Mädchen, das sich selbst für einen Buben hielt, als „Mädchen“ angesprochen hatte. In den Zeitungen sei gestanden, der Lehrer habe sich geweigert, diese in seinen Augen falsche Realität anzuerkennen, weil er ein Christ sei. Er hätte sich aber, so James, auch als Mathematiker weigern können: »Solange wir sagen können, 2+2=4, folgt alles andere daraus. Winston [die Hauptfigur in George Orwells Roman 1984, I.H.] aber wird gezwungen, 2+2=5 nicht nur zu
sagen, sondern auch zu
denken...«
Siehe dazu auch
newspeak (
https://de.wikipedia.org/wiki/Neusprech) und
doublethink (
https://de.wikipedia.org/wiki/Doppeldenk)
7) Alexander Dugin: Die Vierte Politische Theorie, Verlag Arktos Media, 2013
8) Dugin sieht »zwei Amerika«:
Das »realistische« der
Kontinentalisten und Donald Trumps (»Wir sind auf ihrer Seite!«) und das »globalistische« der
Atlantisten.
Vgl.
https://en.wikipedia.org/wiki/Continentalismund
https://en.wikipedia.org/wiki/Atlanticism9) Wieder denke ich an sein Buch Die Vierte Politische Theorie:
»Der Prozeß, der tatsächlich einen globalen Charakter besitzt, ist die Umstellung der einst siegreichen Moderne auf die Postmoderne. Es gibt Zentren, Brennpunkte, Orte und Regionen, wo dieser Prozeß logisch und folgerichtig abläuft. Diese sind der Westen, Westeuropa und besonders die Vereinigten Staaten von Amerika, wo eine historische Gelegenheit zur Errichtung der optimalen modernen Gesellschaft nach im westeuropäischen Denken entwickelten Prinzipien unter Laborbedingungen bestanden hat, nämlich das Schaffen auf einem unbeschriebenen Blatt, ohne die Bürde der europäischen Tradition, in einem »leeren« Raum – Indianer hat man bekanntlich nicht als Menschen angesehen. […] Auf diese Weise hat das spezifisch amerikanische System einen idealen Ort für die Verwirklichung eines Maximums an Freiheit angeboten, aber das nur für Weiße und um den Preis eines entschloßenen [sic] Auschlusses [sic] aller anderen. Allerdings sind die Vereinigten Staaten von Amerika die Avantgarde der Freiheit und die treibende Kraft des Übergangs zur Postmoderne.«
Heute gibt es mit dem Internet einen neuen »leeren Raum«.
Und Aleksandr Dugin findet offensichtlich nichts dabei, mit diesem herrenlosen Raum nach Gutdünken zu schalten und zu walten – ähnlich wie damals die Europäer (die dann zu Amerikanern wurden) ohne jedes Unrechtsbewußtsein mit dem bis dahin „wilden“ Westen verfuhren...
10) Ich denke dabei auch an die Kontroverse Caroline Sommerfeld – Claudius Weise über den Geltungsbereich der Unantastbarkeit der Würde des Menschen:
http://diedrei.org/tl_files/hefte/2017/Heft11-2017/17-leserforum-DD_1711.pdf11) vgl. Lukas 10,25-37 – das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, dem Fremden, der einem halb tot auf der Erde Liegenden (an dem ein Priester und ein Levit achtlos vorbeigegangen waren) zu Hilfe kommt, seine Wunden versorgt und ihn auf eigene Kosten in eine Herberge bringt.
12) vgl. Markus 3,31-35:
»Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben vor dem Haus stehen und ließen ihn herausrufen. Es saßen viele Leute um ihn herum und man sagte zu ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und fragen nach dir.
Er erwiderte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?
Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.«
13) https://de.wikipedia.org/wiki/Filioque
14) »Es hat seine guten Gründe, daß in der damaligen Zeit der Westen jenes «filioque» hinzugefügt hat zum Ausgehen des Heiligen Geistes aus dem Vater, denn alle die Kräfte, die sich im europäischen Westen entwickelt haben, welche die Impulse für die Kultur Europas gegeben haben, hängen damit zusammen.«
(GA 147, S 11)
15)
https://egoistenblog.blogspot.co.at/2018/04/was-uns-verbindet.html16) Dieser Grundsatz hat sich in § 22 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches erhalten: »Selbst ungeborne Kinder haben von dem Zeitpuncte ihrer Empfängniß an, einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. In so weit es um ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu thun ist, werden sie als Geborne angesehen«