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Der ziemlich kurze Brief zum nicht sehr fernen Abschied

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So langsam klingt die Musik aus, wie das nun einmal so ist. Nicht dass die Lust, die Frechheit oder die Reflexion verglommen wären - oder die Freude am Formulieren. Ohnehin schwankte sowohl die eigene Freude an der Auseinandersetzung, dem Dialog und dem Streitgespräch ähnlich wie die Beteiligung der Leser, Kommentatoren und Mitstreiter. Seit November 2010 hatten wir immerhin 1,13 Millionen Leser und viele Kommentare. Wie viele genau, kann ich nicht mehr sehen. Eventuell hat Blogspot schon Vorgaben des neuen EU- Datenschutzgesetzes, das ab Ende Mai verpflichtend ist, umgesetzt, ich weiß es nicht. Das DSGVO ( hier Informationen bezüglich der rechtlichen Grundlagen www.blogger-ratgeber.com/dsgvo/ ) ist schon lange angekündigt; die Hoffnung, dass es in vernünftiger Form verabschiedet und zur neuen Norm für den Datenschutz werden würde, bestand bis zuletzt.

Jetzt zeigt sich, dass die Hürden für Blogger selbst dann, wenn sie wie die Egoisten nicht kommerziell arbeiten, keine Werbelinks u.ä. beinhalten, immer größer werden, je mehr man sich mit den juristischen Fallstricken beschäftigt. Es entsteht der Eindruck, dass ein neues Eldorado für Abmahn- Anwälte eröffnet werden wird. Wir hatten das immer wieder- auch als Drohszenario von anthroposophischen Positionen, die uns zum Verstummen bringen wollten. Genau das könnte nun der EU mit dem DSGVO gelingen. Das Problem liegt im Schutz der Internet- User in Bezug auf ihre Identifizierbarkeit im Netz- die IP und alle relevanten Daten zur Identität des Nutzers werden sozusagen verabsolutiert- und das bis zu einem Maß, das die Funktionalität einschränkt oder beendet. Die Zwischenspeicherung der IP wird technisch z.B. zum Einlesen der Schriftart oder der Zählung der tatsächlichen Leser benötigt. Für jeglichen Kommentator sollen in Zukunft Anmelde- Formalitäten mit Einverständnis- Erklärungen nötig werden- tatsächlich in schriftlicher Form. Selbst Emojis und selbst gewählte Avatare können zum Problem werden, da sie von entfernten Servern geladen werden und möglicherweise Daten auslesen, speichern oder weiterverwenden, für die dann der Blog- Betreiber, der direkt nichts damit zu tun hat, zur Verantwortung gezogen werden kann. Das vorhandene Netz kann nur kontrolliert werden von professionellen Betreibern, die die gesamte IT überschauen. Das Kappen des direkten, offenkundigen Kontaktes zu den diversen sozialen Netzwerken, von Twitter über Facebook bis Google+, habe ich bereits vollzogen. Genau mit diesen Netzwerken wurden ja bislang die neuen Leser gewonnen und Kontakte gepflegt. Aber welche Daten z.B. Facebook unter der Oberfläche aus dem Blog zieht, kann kein Betreiber beurteilen oder beeinflussen. Verantworten soll er es dennoch.

Die üblichen Fallstricke bzgl der Datenschutzerklärungen zusätzlich zum Impressum kommen obendrauf. Man möchte für ein kleines, privat betriebenes Blog ohne Einnahmequelle auch nicht gerade auf juristischer Beratung bestehen- es macht einfach keinen Sinn. Aber das Hauptproblem stellt sicherlich die Kommentar - Funktion dar, da der Server vom offenkundig kommerziell orientierten Google bereit gestellt wird. Bislang sind keine implementierten Datenschutzerklärungen und garantierte Anonymisierungen der IP- Adressen für Nutzer erkennbar. Die Erfassung von Nutzer- Statistiken wird so wenig möglich sein wie eine vernünftige Optik durch eingespeiste Schriften. Angesichts der juristischen Lage stellt sich die Frage, wie viel vom Blog noch übrig bleibt und ob das Betreiben in dieser Form noch Sinn macht. Wenn in dieser Hinsicht nicht noch kurzfristig vonseiten Blogspots eindeutige Schritte unternommen werden, wird das Blog in dieser Form nur noch einige Wochen betrieben werden können.

Bobby: Propaganda durch Manipulation - Deformation statt Information

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Das geht ja gar nicht…


Ganser, Jebsen, Rothfuß Quelle *1)

In jeder Hinsicht hat Daniele Ganser - Pardon: "Doktor" Daniele Ganser - die Erwartungen seines Publikums in sein Basler Vortrag "Was ist das eigentlich, dieser sogenannte Krieg gegen den Terror?"(*2) voll und ganz erfüllt.

Nebenbei: Doktor Daniele Ganser legt großen Wert auf seinen Doktortitel. Auf jedem Flyer, sogar auf Facebook nennt er sich "Dr. Daniele Ganser". Keinen ernst zu nehmenden Wissenschaftler, sogar keinen Forscher von Weltrang präsentiert sich auf Facebook mit der akademischen Aufmachung. Gerade er, Dr. Ganser, hat es aber anscheinend bitter nötig so seine wissenschaftliche Ernsthaftigkeit mit Nachdruck "unter Beweis zu stellen".

Dieser Wunsch soll hiermit, auch in diesem Beitrag, Rechnung getragen werden. Als "Arbeitstitel" sozusagen wird der "Friedensforscher" als "Dr. G." bezeichnet werden.

Der Vortrag (*3) im "Teatro alla Scala" des Paracelsus Zweiges der anthroposophischen Gesellschaft in Basel, kurz Basler Scala, war Teil eines Happenings der größten der Diven der lebenden Verschwörungslegenden. Er sollte allerdings besser nicht als Veranstaltung, sondern eher als "Verunstaltung" bezeichnet werden: Als Verunstaltung der Wahrheit. Die zentrale, manipulative Frage des Happenings war: Können wir "den" Medien vertrauen? Und Dr. G. stellte, damit verbunden, immer wieder explizit und suggestiv die Autonomie des Denkens und Fühlens seiner Zuhörer beim "Konsum" von zeitgenössischen Medien infrage.

Die Frage sollte aber eigentlich vielmehr sein: Kann denn überhaupt den skurrilen Thesen eines Dr. G. vertraut werden?

Allein schon das Stellen einer solchen Frage wäre aus der Sicht des anthroposophischen Veranstalters natürlich undenkbar. Die Anwendung des von Dr. G. propagierten kritischen Beobachten des Denkens und Fühlens ausgerechnet in Zusammenhang zum Person des Vortragenden, wäre mit Sicherheit als eine bösartige Eingebung ahrimanischen Intellektes zu betrachten und stünde ganz und gar in Widerspruch zu den Impulsen "hygienischen Friedensübens" dieser denkwürdigen Tagung und sollte deshalb sträflichst vermieden werden. Verständlicherweise, denn sonst könnten eventuell abwegige Zweifel an der Integrität des allseits lieb gewonnenen und guruhaft verehrten "Friedensdoktors" aufkommen und das wurde sich mit dem erhabenen Nimbus des Vortragenden gewiss nicht vertragen. Das gilt ebenso für das wiederauflebende, selbstgerecht zusammengebastelte Weltbild anthroposophischen Selbstverständnisses in Jahrhunderte altem Verschwörungsglauben an lebensfremde, teilweise selten verbogen anmutende Weltanschauungen. Sie werden heute erneut mehr und mehr zu einer beliebten, reaktionär- identitären Lebenshaltung mystisch gefühlter Scheinesoterik und Misstrauen in neuzeitlichen Entwicklungen, die das Leben dunkel zu umringen drohen.

Es ging in diesem ominösen Vortrag aber ausdrücklich und exklusiv um die Frage, ob die Medien westlicher Staaten, die sogenannte "Mainstream-Medien" - dieses Unwort ist für sich genommen schon eine bösartig-suggestive Generalisierung-, als vertrauenswürdig anzusehen sind. Die Antwort war von vornherein klar: Genau diese Glaubwürdigkeit wurde von Dr. G. von der ersten bis zur letzten Minute systematisch und umfassend untergraben. Dr. G., ein Könner und Kenner der Zunft der Verschwörungsideologen, bediente sich in seinem Vortrag mal wieder seines nahezu unerschöpflichen Repertoires suggestiver Fragestellungen, Propagandamethoden und Manipulationskünste. Er hat seine Geschichten schon hundertfach vorgetragen und immer weiter perfektioniert. Sein Lieblingssatz ist dabei stets ein entrüstetes "Das geht ja gar nicht". Jeder der vielen Lacher im Publikum landet dabei genau an der richtigen Stelle, jede Pointe sitzt: Ob offene Lügen, verborgene Lügen, Halbwahrheiten, scheinbare Wahrheiten, Verdrehungen, Verbiegungen, Verzerrungen und Ablenkungen, Dr. G. verfertigt ein für ihn und für seine Ziele genehmes Meinungsbild bei seinen Zuhörer. Ein Spitzenagent der KGB könnte ihm das Wasser nicht reichen. Dadurch wird die von ihm so eindringlich beschworene Autonomie des Denkens und Fühlens der Zuhörer - jetzt aber im Verhältnis zur Person des Vortragenden und seiner mehr als fragwürdigen Inhalte-, in Frage gestellt und von ihm höchstpersönlich ausgehöhlt. So verstellt sich Meinungsbildung mit der "Methode Ganser". Keiner der Zuhörer in der Basler Scala kriegt es mit, so ist der Eindruck.

Dr. G. bestreitet zwar zunächst scheinbar eine einheitliche Einstufung der Medien. Die von ihm aufgelisteten, angeblichen "Mainstream-Medien" -da fehlen kaum welche-, sind  aber ausgerechnet die Medien, die sich nicht der bedingungslosen und pauschalen Verteufelung westlicher Gesellschaften unterordnen, so wie es von der russischen Staatsführung und ihrer Netzwerke tagtäglich vorgegeben wird. Deren Medien aber, also die Russland - affinen Medien und die russischen Staatsmedien, gerade sie sollen absurderweise, nach Ansicht von Dr. G., für die Vielfalt in der heutigen Presselandschaft herhalten. Allerdings ausdrücklich und ausschließlich unter "Quarantäne" der besonderer "Zuwendung" und "Schutz" des russischen Staatsapparates gegen die bösartige Meinungsmache des Lügen-Imperiums USA und seiner Erfüllungsgehilfen. Denn der Friedenswillen, die Humanität und die Vertrauenswürdigkeit dieser russisch gepolten Medien - im Sinne und nach Vorgabe des Kreml-, sie sollen nach Meinung des "Friedensforschers"über jeden Zweifel erhaben sein.

Russische und Russland- affine Medien und Netzwerken sind in Wirklichkeit aber Teil einer staatlichen Zwangskultur der Machteliten Putins - Darüber schweigt Dr. G.-, die sich in den freiheitliche Staaten des Westens ohne Behinderung entfalten können, und die sich der Vorzüge der Freiheit hemmungslos bedienen, sie besser gesagt missbrauchen, im Sinne hybrider Kriegsführung der russischen Staatsmafia. Sie haben nach der Direktive der Staatsführung nur einen Existenzgrund: Destabilisierung und Zerstörung gerade der freiheitlichen Staaten und Staatengemeinschaften, Destabilisierung und Zerstörung gerade der freiheitlichen Gemeinschaftsstrukturen und Formen des sozialen Zusammenlebens dieser Staaten, Destabilisierung und Zerstörung freiheitlichen Denkens und Handelns der Menschen. Letztendlich sind sie Teil eines definitiven Angriffs auf die Individualität und die Würde und Freiheit des Menschen.

Die Freunde des Meinungsmachers Dr. G., auch sie waren da und sie wurden zur Bühne zitiert: "Friedensmoderator" Ken Jebsen, "Friedensprofessor" Dr. Rainer Rothfuß und "Friedensdoktor" Daniele Ganser, sie wurden gemeinsam gefeiert. Euphorisch wurde der Kompass der gemeinsamen Machtentfaltung beschworen unter gegenseitiger Mut-Zusprechung, auch des Publikums, für die Sache der Seligsprechung einer neuen Medienrevolte:

"…Die Medien, die sich als Medien verbreitet haben, das sind ab jetzt die alternativen Medien und wir die Medien …"

(Wortlaut Ken Jebsen).

Beinahe kullern die Tränen der Rührung im Paracelsus Zweig…

Im Sinne der "Druschba" (Freundschaft) (*4) des Friedensprofessors Rothfuß wird ein "bewegendes Zeugnis" tiefer Verbundenheit zu den Zielen des Kremls zelebriert, sozusagen als neu verstandenen "Zeichen der Zeit" eurasischen Völker der Gegenwart:

"…Bis 2015 war Rothfuß Professor für politische Geographie in Tübingen. Sogar zum Geschäftsführenden Vorsitzenden der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Deutsche Sektion e.V. (IGFM) wurde er 2015 gewählt. Doch dieses Amt hatte er nur wenige Monate inne. Denn Rothfuß gab dem Onlinesender "NewsFront" ein Interview, in dem er sein einseitiges Weltbild im Ukrainekonflikt offen zeigte. 

NewsFront ist ein Propagandakanal ganz auf der Linie des Kremls. Schuld am Krieg in der Ukraine ist allein der Westen, Russland ist das Opfer, so der Tenor. Auf Rothfuß' Auftritt bei NewsFront folgte die Abwahl vom IGFM-Vorsitz. Heute tritt Rothfuß vor allem auf bekannten verschwörungsideologischen Kanälen wie NuoViso, KenFM oder KlagemauerTV auf. Der Sender KlagemauerTV, der von der Sekte "Organische Christus Generation" betrieben wird, verbreitet immer wieder Hetze gegen Flüchtlinge und Homosexuelle, gibt Scientologen und Holocaustleugnern ein Podium. Ein Umfeld, mit dem Rothfuß offenbar keine Berührungsängste hat.

Auch auf der Internetseite der Initiative "Druschba" (*5) sind als Unterstützer sogenannte Alternative Medien aufgeführt, unter anderem "KenFM", "Quer-Denken.TV" oder "Sputniknews.com". Auf diesen Kanälen greift Rothfuß unwidersprochen etablierte Medien an. Die Friedensfahrten, sagt er beispielsweise bei "KenFM" seien notwendig, "um die Russen kennenzulernen, denen wir entfremdet werden sollen seitens der westlichen Medien"… Die Aktivisten lenken die Reisenden auch auf die von Russland besetzte Krim - und zwar in das Hauptquartier des Bikerclubs "Nachtwölfe". Die wiederum sind eng mit Präsident Wladimir Putin verbunden, verehren Stalin und lehnen die westliche Demokratie ab. Als paramilitärische Kämpfer waren sie auf Seiten der Separatisten in der Ostukraine aktiv an Kampfhandlungen beteiligt.

Hinter den schönen Bildern der Druschba-Friedensfahrten verbirgt sich eine einseitige Sicht auf den Krieg in der Ukraine, in der westliche Medien angeprangert werden und Putins Russland als Opfer einer Kampagne inszeniert wird…"

(NDR 01.11.2017: Unkritische Berichte: "Wenn Frieden für Propaganda missbraucht wird")

Ob Wladimir Michailowitsch Grinin, russischer Botschafter, in Basel auch zugegen war, zur gemeinsamen Feier schicksalhafter Verbundenheit? Als Friedensprofessor Rothfuß Ende 2014 Grinin einlud begann es im Lehrkörper der Uni Tübingen heftig zu brodeln. Es entwickelte sich zu einem heftigen Überkochen, als Rothfuß darauf bestand, auch den Schweizer Friedensdoktor einzuladen zum Vortrag am 15.12.2014 "Die Terroranschläge vom 11. September 2001 und der "Clash of Civilizations" (*6).

Dr. G. spricht über Dr. Joseph Goebbels - auch der NS-Reichspropagandaminister war ein Großmeister der Propaganda und Manipulation-, und vergleicht ihn mit der angeblichen Kriegspropaganda des ehemaligen Außenministers Colin Powell der Vereinigten Staaten. Hier Abschnitt 00:29:09 - 00:29:26 im Originalton:

"…Goebbels, der Propagandaminister von Hitler, hat gesagt, es spielt keine Rolle ob etwas wahr ist oder nicht. Es muss einfach immer wiederholt werden und auf allen Kanälen laufen, und das ist so. Das sind die Gesetze der Propaganda…"

Das klingt doch alles sehr vertraut. Dr. G. weiß es anscheinend aus Erfahrung sehr genau und spricht hier, vermutlich ohne dass er es bemerkt, in eigener Sache …


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Quellen:

*1)
Bild: "Friedensarbeiter" Ganser, Jebsen & Rothfuß (Quelle: YouTube, Kanal Daniele Ganser)
https://www.youtube.com/watch?v=4bF-3rulJz0

*2)
Plakat Öffentliche Tagung "Terror, Lüge und Wahrheit"
https://www.perseus.ch/wp-content/uploads/2017/12/Plakat_Scala_A2_Terror_6_kl.pdf 

*3)
Video Dr. Daniele Ganser: "Können wir den Medien vertrauen?" (Basel 03.03.2018)
https://www.youtube.com/watch?v=4bF-3rulJz0 

*4)
NDR 01.11.2017: Unkritische Berichte - "Wenn Frieden für Propaganda missbraucht wird"
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Unkritische-Berichte-Wenn-Frieden-fuer-Propaganda-missbraucht-wird,russland1106.html 

*5)
Internetseite der Initiative Druschba
https://druschba.info/ 

*6)
Irma Kreiten: "Rainer Rothfuß goes Querfront - Tübinger Ringvorlesung "Clash of Civilizations""
http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.de/2014/12/rainer-rothfu-goes-querfront-tubinger.html 

Heilpädagogische Reichsbürger und die Heilige Anthroposophische Wut

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Damals - vor einer Generation- wollte ich unbedingt schon während des Studiums ein längeres Praktikum in einer sonderpädagogischen anthroposophischen Schule machen, weil ich mir in den Kopf gesetzt hatte, dort läge meine berufliche Zukunft. Aber das erwies sich als schwierig. Der Rektor - der sich bei jedem Gespräch verbat, so genannt zu werden, denn „Wir sind Republikaner“ (was so viel heißen sollte wie Ur- Ur- Demokraten) - ließ sich mehrfach verleugnen, wollte gar nicht erst zum Gespräch bitten, denn ich käme ja von einer staatlichen Uni. Solche Leute, ließ der Rektor wissen, nähmen sie nicht, sie hätten eigene Institute, in denen derganze Mensch und der Geist geschult würde.

Aber, so hatte mich damals schon der Umgang gelehrt, Penetranz zieht bei Anthroposophen immer, bleib ihnen im Nacken, dann geben sie bald nach. Und tatsächlich: Irgendwann empfing mich der Rektor in seinem komfortablen Büro - er hatte als einziger im Kollegium ein solches, und eine Sekretärin dazu, und natürlich jede Menge Termine in Stuttgart-, erklärte aber vorab wiederum, man entscheide in diesem Haus republikanisch- und verkündete dann aber ohne jede Rücksprache, ich könne schon am Montag anfangen. Nach einigen Tagen durfte ich dann nicht nur einzelne Stunden, sondern ganze Epochen unterrichten, und nach zehn Tagen ging der Rektor auf Reisen und auf Tagungen, und ich hatte die Klasse für mich.

Nun gut, die jungen Menschen haben mich ertragen, und ich habe viel gelernt. Das institutionell bizarre Verhalten, das zwischen arroganter Abweisung und der Übergabe aller Verantwortung schwankte, zog sich durch das System. Als es dann mit mir als Gründungslehrer zum Start einer staatlich anerkannten Krankenhausschule kommen sollte, zog ein leitender Arzt im letzten Augenblick den Stecker und verpulverte das Geld für eine Krankenhaus- eigene Reitanlage, um sein teures Hobby mit Therapie zu verknüpfen und seine Allmacht zu demonstrieren. Die zu gründende Krankenhausschule erholte sich erst nach sieben Jahren von diesem Desaster- ein bekanntes Phänomen, aber ich war natürlich weiter gezogen. Das Aufschlürfen von privaten Sponsoren, Firmen und staatlichen Quellen in allen möglichen anthroposophischen Institutionen, die ich damals kennen lernte, war das geringste Problem, denn es ging auch um Missionen und um das Bedienen gewaltiger Egos in strikt autoritären Strukturen, die rechthaberisch bis zur Selbstverstümmelung verblieben, umgeben von spirituell suchenden und willigen Mitarbeitern, die schlecht bezahlt und überarbeitet ihr devotes Nonnen- Karma abarbeiteten- so absonderlich anti- intellektuell und unkritisch eingestellt, dass es nicht verwundert, dass sie sich z.B. - wie in der Rendsburger Waldorfschule (1)- einen Reichsbürger als Geschäftsführer auswählten, der sich nicht nur autoritär und anmaßend bis zum Bankrott der Schule gebärdete, sondern - als bekennender staatsbürgerlicher Autist- auch die Pensionskassen dieser Mitarbeiter nicht bediente. Ebenso wird es nicht verwundern, dass die wundergläubigen Anti- Intellektuellen der Szene einem Polit- Hochstapler wie Daniele Ganser wie dem legendären Rattenfänger hinterher tanzen, ganz gleich, welches trübe russische Wässerchen er ihnen reicht und welchen Preis sie letztlich zahlen werden. Dass der Preis für Anti- Intellektualismus hoch ist, sollten zumindest Deutsche eigentlich in den Genen haben, aber, wie Daniele Ganser weiß, wählen sich die Schafe ja gerne einen Metzger zum Herrn, dem sie blind folgen. Und was heißt schon blind? Sie alle haben, vor allem als Anthroposophen, aber ganz besonders als Heilpädagogen, das Gefühl, zu den Auserwählten des fünften nachatlantischen Zeitalters zu gehören, die dem Christus unmittelbar folgen, in der Tradition der Einweihungen bis zurück zur Steinzeit, um teilzuhaben am ewigen Leben der strebenden Rechtgläubigen. In dieser Perspektive ärgert man sich nicht über ein paar Lappalien wie verzockte Pensionen.

Gut und schön, was meine hier geschilderten persönlichen Erfahrungen betrifft, aber die sind eine Generation her und mithin veraltet. Wie sieht es denn aktuell aus? Sehen wir uns doch Karen Swassjans auch schon wieder fast 15 Jahre alte Festschrift „zum 80jährigen Bestehen von Rudolf Steiners Heilpädagogischem Kurs“ mit dem Titel „Anthroposophische Heilpädagogik. Zur Geschichte eines Neuanfangs“ (2) an. Allerdings: Neuanfang? Schon der Begriff „Heilpädagogik“ mit der darin enthaltenen spezifisch ärztlichen Perspektive ist im Rest der Welt spätestens seit 1945 unter die Räder gekommen. Man neigt dazu, die kommunikativen und inklusiven Handlungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zu verbessern und sieht das ganz deutlich und mit Absicht als Aufgabe der Pädagogik. Der Anspruch zu „heilen“, der bei Steiner ja in der Figur des einem Eingeweihten ähnlichen Arztes gipfelt, der die leiblich- seelisch- intellektuellen Probleme seines Schützlings aus der Perspektive seines höheren Geistselbst erkennt und regelt, potenziert die ärztliche Allmacht- Stellung bzw. verzerrt sie bis in die Abstrusität hinein. Steiner selbst konnte und durfte so handeln- auch ohne Arzt zu sein besteht der „Heilpädagogische Kurs“ ja aus seiner hellsichtig- medizinisch- konkreten Besprechung einiger zufällig anwesender Kinder, die von den kommenden jungen anthroposophischen Heilpädagogen betreut wurden. Aus dieser zufälligen und einmaligen Besprechung „aus höherer Warte“, aber in klassischer diagnostischer Manier, hat man in der Folge eine Systematik der gesamten Heilpädagogik ableiten wollen- obwohl die meisten gesellschaftlich weit verbreiteten Probleme dabei nicht vorkamen, aber dafür bei den Kindern, denen Steiner damals begegnete, z.B. exotische Stoffwechsel- Erkrankungen vorlagen, die zu einem „seelischen Wundsein“ führten, das Steiner Hysterie nannte. Zudem stahl eines der anwesenden Kinder, woraufhin Kleptomanie zum Kanon der anthroposophisch zu behandelnden heilpädagogischen Typen hinzugefügt wurde. Man kann sich vorstellen, dass auch in den wichtigsten und verbreitetsten Werken, die eine Systematik der anthroposophischen Heilpädagogik darstellen wollten (wie Walter Holtzapfels Kinderschicksale Entwicklungsrichtungen (3)) dementsprechend wild spekulierend moralisiert wurde: „Auch das Kleinkind ist zunächst ein amoralisches Wesen, das keinen Eigentumsbegriff kennt und sich die moralischen Urteile erst im Heranwachsen erwerben muss. Da kann es sein, dass ein Kind moralblind ist. Es entwickelt keinen Sinn dafür, die Moral aufzunehmen. Rudolf Steiner brauchte direkt den Vergleich mit der Farbenblindheit. Bei Farbenblinden ist der Sehsinn gestört. Wo aber ist der „Moralsinn“ zu finden?“ (Holtzapfel, 91)

Aber zurück zu Swassjans „Neuanfang“. Die autoritativ- esoterische Heiler- Ausrichtung, die Steiner zusätzlich zum zufälligen und moralisierenden Behandlungskanon vorgegeben hatte, führte auch in vielen Heimen und Dorfgemeinschaften zu fortdauernden Konflikten aufgrund der autoritären Strukturen. Genau die möchte Swassjan zementieren, inklusive des Geist- Heiler- Ansatzes, dem er verächtlich die heutige Tendenz einer Psychiatrie entgegensetzt, die „gänzlich unter dem Zeichen der Toleranz und Publizität (steht): Sie eifert dem fortschrittlichen Bewusstsein und dessen Innovationen nach und glaubt ihren Mangel an Wissen und Können durch Mitgefühl und Humanität aufzuwiegen. Der Grundsatz: Die Menschen sind ihrem Ursprung nach gleich, besagt implizite: alle Menschen, auch behinderte. Ob der Unfähigkeit, letztere in geziemender Weise zu behandeln wird dafür gesorgt, ihre Rechte zu gewährleisten.“ (S. 30) Dem „Gesundheitswesen“ schlechthin weist Swassjan „Ähnlichkeit mit einer paramilitärischen Organisation“ (S. 18) zu, die eine bloße „Bekriegung der Krankheiten“ (S. 17) betreibe. Die gesamte Sonderpädagogik sei betrieben von „behinderten Ärzten und Pädagogen“ (S. 10), denn behindert müsse der doch sein, der Anthroposophie nicht zu seinem Weltbild erhebe: „Einer Medizin - einer Kultur als solcher-, die es auch heute noch fertigbringt, von der Anthroposophie keine Notiz nehmen zu wollen, bleibt nichts übrig, als von der Anthroposophie selbst unter die Lupe genommen zu werden.“ (S. 10). Dementsprechend lehne sich die so aufgefasste Heilpädagogik als Speerspitze der Geistheiler- Fraktion gegen „Schrittmacher(..) des Materialismus“ auf, die im „geist- und seelenlosen Fleisch Geisteskrankheiten und Seelenstörungen aufzustöbern“ (S. 11) versuchten und begründe sich lieber selbst als „bewusst gewollte und gekonnte Intervention ins fremde Karma“ (S. 11). Natürlich fertigt der tobende Geistheiler- Fan Swassjan auch noch die Standardwerke der akademischen Heilpädagogik ab, in denen anthroposophische Heilpädagogik nicht einmal im Literaturverzeichnis (S. 9, Anm. 2) erscheine. Die „Totschweiger der Anthroposophie“ (S.10) vergleicht er direkt mit stalinistischen Techniken von Mord und Lüge. Am Ende dieser denkwürdigen Wutrede (S. 12) stammelt er von einem Weg ins Leben im Angesicht „der sterbenskranken Kultur“.

Aber leider breitet er stattdessen weiterhin im Verlauf der Denkschrift sein bizarres Weltbild aus, das von gehorsamen Fleisch- Automaten und dem „mechanisch abgerichteten Verstand“ determiniert scheint, aber auch von Visionen einer mittelalterlichen Psychiatrie, in der die „verrückten Weibspersonen“ .. „wie Hunde an die Tür ihrer Zelle gekettet“ (S. 29) wurden. Swassjan erregt sich über „erotische Dienstleistungen für Geisteskranke“ (S. 30, Anm. 16), die er als „Trend“ ansieht und über ein „politisch korrektes Kauderwelsch“, das in der Behinderung etwas sieht wie „lediglich als alternativ begabt“ (dito). Sex, Gleichberechtigung, Humanismus: Wie kann man nur? Der anthroposophische Geistheiler Swassjan erinnert an den Heilpädagogen Pickert, der einer der Schüler Steiners im Heilpädagogischen Kurs gewesen war: „Mit jugendlicher Begeisterung hatten wir uns bemüht, in den stumpfen Gemütern unserer Kinder ein weckendes Licht zu entzünden.“ (4)

Ach ja, die stumpfen Gemüter, die Totschweiger, die geilen Irren, mechanischen Hirne und Fleisch- Automaten: Die Welt des anthroposophischen Geistheilers ist nicht gerade von Sympathie, Empathie, Anteilnahme oder dem Versuch der Teilhabe geprägt. Dafür findet er sich selber geil. Denn der Swassjansche Heilpädagoge ist „Mitarbeiter der Götter, keineswegs im übertragenen Sinne, sondern sozusagen amtlich.“ (S. 61) Er behandle nämlich das „kranke Kind noch zu Lebzeiten“ so, wie die Götter erst erst „posthum“ täten- greife also beim Behandeln des „minderwertigen Kindes“* in das Karma ein. „Der Heilpädagoge“ bekleide demnach „das Amt eines Gottes“, denn nach unserem Tod seien wir alle, „nach all den Fahrlässigkeit des irdischen Komforts“, als Ich behandlungsbedürftige Wesen und in den Augen der Götter behindert. Diese Rolle nähme der anthroposophische Heilpädagoge lediglich schon während des Lebens ein: „Der Heilpädagoge, der als sein niederstes Wesensglied den Ätherleib zu handhaben hat, gleicht sich somit dem Engel nicht im übertragenen, mystischen oder sonstigen Sinn an, sondern in der Tat. Er tritt dem kranken Kind aus der Zukunft entgegen, die er als Gegenwart leben muss, weil sein Ziel nicht das gewesene Karma des Kindes, sondern das kommende ist.“ (S. 66) Er kann dies alles, weil der Heilpädagoge glücklicherweise über ein Geistselbst als „geläuterter Astralleib, anders: durchlebtes und entseuchtes Kamaloka“ (S. 80) verfüge, und nicht wie wir anderen als eine dieser ordinären sieben Milliarden Fleischmaschinen auf diesem Planeten herum läuft, für die gilt: "Je verschlampter die Worte, desto unsauberer die Gedanken, desto unentwickelter das Geistselbst.“ (S. 80). Übrigens ist man ein solches Engel- Götter- Heilerwesen von Geburt an oder gar nicht: „Man ist genial oder man ist es eben nicht.“ (S. 85) Ich vermute, dass es allerdings für alle außer Rudolf Steiner schwer werden wird, an das geniale Ego von Karen Swassjan auch nur im Ansatz heran zu kommen.

Das Heiler- Konzept mit seiner Komponente der geistigen Selbst- Vollendung, das von Swassjan in Anlehnung an Steiner bis zur Karikatur verstellt wird, versteigt sich in engelhaft- geläutertem Geistheilertum. Das Autoritative, Rechthaberische und Unfehlbare in solchen verstiegenen Selbstbildern ergeht sich in eitler Verachtung der Mitmenschen und der gesamten Gegenwartskultur. Statt sich von dieser zutiefst ungesunden Haltung zu distanzieren, feiert Peter Selg genau diese Pathologie: „In der Fülle geschichtlicher oder viel­mehr geschichtszentrierter Veröffentli­chungen erschien vor kurzem in Dorn­ach ein bemerkenswertes Buch, eine funkelnde Schrift: der aus Armenien stammende Philosophieprofessor Karen Swassjan schrieb einen großen, ebenso unerwarteten wie glanzvollen Essay über die anthroposophische Heil­pädagogik in sieben Kapiteln, eine Un­tersuchung im vorgeblichen Gewand des Historischen. ‹Zur Geschichte eines Neuanfangs›, ja ‹zum 80jährigen Beste­hen von Rudolf Steiners Heilpädagogi­schem Kurs› sollte (den Verlags-Unterti­teln zufolge) offensichtlich noch etwas Weiteres, Zusätzliches und Ergänzendes beigetragen werden - indes: «Es wird aber nicht die Geschichte erzählt, son­dern ein Karma erörtert.»“ (5)

Das Karma dieser in ihren Elfenbeintürmen verbarrikadierten  geläuterten Astralleiber wie Karen Swassjans ist offensichtlich, langsam, aber sicher an ihrer überkochenden Wut und ihrem überbordenden Ego zu ersticken. Ab und zu müssen sie ein stetig radikaler werdendes schriftliches Statement abgeben, um sich selbst zu feiern und die Gegenwart und die Mitmenschen mit Verachtung zu überschütten. So weit es diese Typen tatsächlich in freier Wildbahn außerhalb des Dornacher- Geistheiler- Reiches geben sollte, sollte man Institutionen, in denen sie sich ausbreiten, weiträumig meiden. Die Mentalität, die ihre eingebildete Superiorität aus Verachtung speist, führt zweifelsohne in ein selbst gewähltes Reichsbürgertum, das mehr oder weniger vollständig aus der Gegenwart heraus gefallen ist.

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Lit. & Links

1 https://www.shz.de/lokales/landeszeitung/elternverein-will-waldorfschule-aus-der-insolvenz-fuehren-id19549091.html
2 K. Swassjan, Anthroposophische Heilpädagogik Zur Geschichte eines Neuanfangs. Dornach 2004
3 W. Holtzapfel, Kinderschicksale Entwicklungsrichtungen, Dornach 1966
4 S. Pickert in: Erinnerungen an Rudolf Steiner, Stuttgart 2001, S. 447
*Formulierung Steiners aus dem „Heilpädagogischen Kurs“
5 http://www.menschenkunde.com/swassjan/selg_heilpaedagogik.html
6 Grafik von der Website http://www.geistheiler-schamanen.de/index.htm


Ideen für eine Zukunft Europas?

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Ingrid Haselberger


Ende Jänner erlebte ich einen Vortrag und eine Diskussionsveranstaltung in Wien, von denen ich längst hier im Blog berichten wollte – nun nehme ich die „Titelstory“ der dieswöchigen Ausgabe der Wochenschrift „Das Goetheanum“ zum Anlaß, das endlich zu tun. Denn vieles, was Kai Ehlers in seinem Artikel »Europa ohne Russland?« 1) sagt, erinnert mich an Aleksandr Dugins Ausführungen in seinem Vortrag »Ideen für die Zukunft Europas« am 25.1.2018 und in der Diskussionsveranstaltung mit ihm am darauffolgenden Abend.

Es war zunächst sehr geheimnisvoll, ich kam mir ein wenig vor wie James Bond:
Kurz nach meiner Anmeldung per mail erhielt ich eine Antwortmail: »Sind Sie die Sängerin?« - Thomas Bachheimer hatte mich also sofort gegooglet; per Telefon fragte er mich dann nach meinem Geburtsdatum (wenn ich ein Datum nach 1980 angegeben hätte, hätte er mich nicht zugelassen, sagte er: die Gefahr, daß ich zur Antifa gehören könnte, wäre ihm in diesem Fall zu groß gewesen...).
Der Ort der Veranstaltungen wurde zunächst geheimgehalten und jeweils erst einige Stunden vor Beginn per mail bekanntgegeben.
In seiner Begrüßung 2) – in der Begriffe fallen wie »die absolutistische Herrscherin Deutschlands« oder »das Transatlantische Diktat«, das zu einer »gestörten Beziehung zu Rußland« geführt habe – betont Bachheimer, wieviel Mut es erfordert habe, Professor Dugin nach Wien einzuladen, gratuliert auch uns Zuhörern zu unserem Mut, hierherzukommen, und beruhigt alle jetzt vielleicht doch noch ängstlich Gewordenen: »Wir können uns hier recht sicher fühlen.«
Mein James-Bond-Gefühl verstärkt sich noch weiter, als er nach dem Vortrag auf mich zukommt und bekennt: »Vor Ihnen habe ich wirklich Angst gehabt...«

Mein erster Eindruck: das Publikum besteht hauptsächlich aus jungen Männern; auch einige ältere Männer sind hier, ein paar Journalisten – aber nur sehr wenige Frauen.
(Anthroposophen sehe ich übrigens keine. Das stimmt zusammen mit meinem Eindruck, daß der Satz: »Die Politik betrachtet sie [die Anthroposophische Gesellschaft] nicht als in ihrer Aufgabe liegend.« aus dem Gründungsstatut 1923 hier in Wien einen hohen Stellenwert hat.)

Über den „Hexenmeister“ Dugin, den feurigen Sänger blutrünstiger Lieder, hat Michael Eggert schon vor gut zwei Jahren geschrieben 3) – an diesen beiden Abenden aber erlebte man den Professor Aleksandr Dugin 4), der vor dem größtenteils andächtig lauschenden Publikum (auf Deutsch) seine Vorstellungen über die Zukunft Europas entwickelte.

Europa, so Dugin, sei dabei, seine Identität zu verlieren (»Alle Konservativen in Europa denken auch so!«). Er spricht vom »europäischen Logos«, von Apoll und Dionysos, von der 2000 Jahre lang die europäische Identität bestimmenden »vertikalen patriarchalischen Hierarchie« der »Lichtbringer«, von Platon und Aristoteles, von Schelling und den christlichen Mysterien...
Mit der Aufklärung aber sei eine neue Zeit angebrochen, man orientierte sich mehr und mehr am Materialismus und dem Glauben an ewigen Fortschritt – und heute gäbe es eine »waagrechte Hierarchie«, es herrschten präeuropäische, »subelische« Ideen (erst später finde ich heraus: Dugin bezieht sich mit »Ssubele« auf die Göttin Kybele).
Europa befinde sich derzeit in einer Untergangsbewegung (und Dugin erwähnt wiederholt Oswald Spenglers vor 100 Jahren erschienenes Werk über den »Untergang des Abendlandes«).
Am Ende dieser Niedergangsgeschichte stehe die heutige liberale EU.

Der Liberalismus – das ist ganz eindeutig Dugins Feindbild.
Denn das »Subjekt des Liberalismus« ist das Individuum, es gehe dabei also um die »Befreiung von allen Formen kollektiver Identität« (Familie, Nation, Geschlecht...), und schließlich, im Transhumanismus, sogar um die Unsterblichkeit, also um die »Befreiung vom einzigen Kollektiven, das wir noch haben als Menschen: dem Tod«.
Aleksandr Dugin aber ist überzeugt:
Der Mensch ist nur dann Mensch, wenn er eine kollektive Identität hat!

Es gehe jetzt in Europa darum, den »Fehler im Programm« zu finden und zu beseitigen, der diese Untergangsspirale in Gang gesetzt habe. Das sei eine sehr schwere Herausforderung, Europa befinde sich in einer »metaphysischen Situation«: »Wir müssen den europäischen Logos, die Lichtanschauung,die Vertikale retten!«
Das »Ereignis von Europa«, wenn es denn weiterhin existieren wolle, müßte sein: den Untergang in einen Übergang zu verwandeln.

Und Dugin spricht von einer zukünftigen multipolaren Welt, in der, wie schon Herder formulierte, die einzelnen Völker wie die Saiten einer Harfe zusammenklingen, auf der ein Gott spielt – im Gegensatz zum Schreckensbild einer vom Liberalismus beherrschten universell-globalen Welt.
Es gebe eine einzige »liberale Formula, das ich gerne unterschreiben kann. Das ist der Satz: Leben und die anderen leben lassen.«

Nun – das wenigstens klingt ja recht schön, fast könnte man an Rudolf Steiners Grundmaxime der freien Menschen denken: Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnisse des fremden Wollens...
 
Aber ich denke an Putins „Lizenz zum Töten“ 5); ich denke an Anna Politkowskaja, an Aleksandr Litwinenko, an Boris Nemzow, an Sergej und Julia Skripal; ich denke an Dugins zorniges »Töten! Töten! Töten!« 6) …
Und ich denke auch an sein Buchüber die»Vierte Politische Theorie« 7), in dem er schreibt, der Liberalismus müsse »besiegt und vernichtet« werden (S 53) – in seiner Vision einer multipolaren Welt würde es also einen liberalen Pol nicht geben. 
Und geradezu verächtlich spricht er von der »Menschenrechts-Ideologie«, die heute »praktisch zum Zwang« werde (S 16), denn die liberale westliche Welt, das betont Dugin immer wieder, sei ein »implizit totalitäres System«.
Auch in einem erst jüngst veröffentlichten Interview 8) macht Aleksandr Dugin sehr deutlich, was er von den Menschenrechten hält:
»Das moderne, atlantische und nicht natürliche Europa pocht auf die Universalität der Menschenrechte, die für die gesamte Menschheit gelten würden, ohne dabei zu fragen, was der Mensch ist. Das Verständnis des Menschen ist von den jeweiligen Traditionen abhängig.«

Beim »Lebenlassen der anderen« geht es der Tradition, der Aleksandr Dugin sich verbunden fühlt, also ganz offensichtlich um kollektive Identitäten, nicht aber um den einzelnen individuellen Menschen.
Dieser „kollektive“ Begriff des Liberalismus 9) muß wohl zugrunde gelegt werden, wenn Dugin sagt, es gäbe heute in Rußland mehr Liberalismus als im Westen. Die russische politische Elite sei zwar »eine Katastrophe«, aber Putin sei »ein guter Zar«. 
Immerhin – er freue sich, daß es »in Österreich jetzt besser« geworden sei 10).

Mit vielen Fragen, die sich erst nach und nach in mir präzisieren, gehe ich nach Hause – und auch die „James-Bond-Gefühle“ sind wieder da: man bedeutet mir geheimnisvoll, ich werde erst morgen im Laufe des Tages erfahren, ob ich zugelassen werde zur Diskussionsveranstaltung am folgenden Abend (26. Jänner 2018), die an einem anderen (selbstverständlich ebenfalls zunächst geheimen) Ort stattfinden und zur Gänze Dugins Liberalismuskritik gewidmet sein wird.

Davon in meinem nächsten Aufsatz.

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1) Kai Ehlers'Goetheanum-Artikel ist online nur für Abonnenten zugänglich; aber er macht seine Positionen zu Rußland in einem ganz aktuellen, längeren Aufsatz auf seiner website deutlich: http://kai-ehlers.de/2018/04/angst-vor-russland-warum-der-genauere-blick-auf-die-putinschelte/
2) Hier ein Mitschnitt der Vorreden und Auszüge aus Dugins Vortrag: https://youtu.be/gVpNx2HPmw0?t=3


4) Aleksandr Dugin leitete von 2010 bis 2014 den Lehrstuhl für Soziologie der Internationalen Beziehungen an der Lomonossow-Universität in Moskau.


6) gegen Ende dieses Videos: https://www.youtube.com/watch?v=R_63IswcVnA

7) A. Dugin: Die Vierte Politische Theorie, 25.9.2013, Verlag Arktos Media


9) Ich denke dabei auch an die Kontroverse Sommerfeld – Weise über den Geltungsbereich der Unantastbarkeit der Würde des Menschen: http://diedrei.org/tl_files/hefte/2017/Heft11-2017/17-leserforum-DD_1711.pdf

10) Seit 18.12.2017 haben wir in Österreich eine »türkis-blaue« Regierung (Koalition aus ÖVP und FPÖ).

Nachlese zur Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft

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Bernhard Albrecht Hartmann


Foto: Goetheanum
 Was im Zuge der diesjährigen Generalversammlung 1) als Sturmlaufen - wie wiederholt nach aussen hin verlautbart wurde - von sogenannten Hardlinern wider den Vorstand und die Generalsekretäre am Goetheanum seinen Ausdruck fand, scheint mir tiefer betrachtet eine mehr als grobe Missdeutung wiederzugeben. Sturm ja, aber ein Zeiten-Sturm im Hinblick auf mehr Transparenz, nicht im eigentlichen Sinne ein Sturm gegen die beiden abgewählten Herren des Vorstandes, für deren Arbeit durchaus die ein oder anderen sachlich begründbaren Argumente und darüber hinaus auch Sympathien vorhanden waren.
Ich will mit der Einschätzung der Sachlage sogar so weit gehen, dass diese Generalversammlung nicht jenes Ende hätte nehmen müssen, wenn nicht derartig viele Transparenz-Mängel im Vorfeld und bei der Generalversammlung selbst zu Tage getreten wären. So ist die Abwahl letztlich als quasi Kollateralschaden eines zeitgeistigen Sturmlaufs zu sehen. Ein Umsturzversuch gewisser Hardliner, wie die Presse vollmundig meinte schreiben zu können, hat jedenfalls nicht stattgefunden.

Es ist heute einfach nicht mehr möglich, an eine grössere Mitgliedschaft so „nichts sagend“ heranzutreten wie geschehen und das anscheinend selber gar nicht zu bemerken. Das Sensorium der Mitglieder für die Qualität des Gesagten in dieser Weise zu unterschätzen zeugt - und mir ist bewusst, dass dies hart klingt - einfach von Weltfremdheit und ist schlichtweg unprofessionell. Im Gespräch mit mir fremden Mitgliedern habe ich jedenfalls mehrfach ungefragt Rückmeldungen zu hören bekommen, die genau in diese Richtung deuteten.
Die nachhaltig wahrzunehmende immer wieder neu sich manifestierende Augenhöhe mit den Mitgliedern ist in dieser Gesellschaft verloren gegangen. Und dies nicht erst im Zuge dieser Generalversammlung, sondern schleichend schon sehr viel länger. Von einem gewissen Gesichtspunkt aus ist sie zeitgemäss auch nicht wirklich entwickelt worden. Die Abwahl war demgemäss ein Alarmzeichen, ein sehr dringliches Alarmzeichen, sich über den Zustand dieser Gesellschaft deutlich anders und tiefer reichend Klarheit zu verschaffen. Mit anderen Worten sich Rechenschaft zu geben, was es eigentlich heisst, in heutiger Zeit Vorstand einer Gesellschaft mit einer geistigen Aufgabe zu sein und dieses Amt auch spirituell aktiv ausfüllen zu wollen.

In der Einführung zur Aussprache fiel ein Satz, der mich aufhorchen liess. Das Wort vor der Generalversammlung zu ergreifen, bedeute, einen besonderen Ort zu betreten. In welcher Weise dies ein besonderer Ort sei, wurde allerdings nicht gesagt.
So will ich nach beinahe vierzig Jahren des Schweigens aus eigenem Erfahren heute etwas dazu sagen:
In diesen Saal hinein zu sprechen kann als ein Herantreten an die Schwelle zum Geistigen hin erfahren werden.
Wie das?
In der Weise, dass, wie Rudolf Steiner das für den grundständig zu erneuernden Gemeinschaftskörper einer zukünftig geistesgegenwärtigen Anthroposophischen Gesellschaft nach der Weihnachtstagung benannt hat, alle eigenen Vorstellungen im Sprechen von diesem Ort her zu löschen seien. Ein innerer Feuerprozess müsse im Sprechen gewissermassen als Oberton mitschwingen können. Auf eine andere Weise könne in tatsächlicher Repräsentanz der anthroposophischen Bewegung hier nicht gesprochen werden.
So streng hat das nach meinem in langen Jahren erarbeiteten Verständnis Rudolf Steiner benannt.
Und dem Vorstand wie den Generalsekretären obliegt es, dafür Zeugnis abzugeben, dass dieser innere Vorgang im Sprechen zu, wie noch mehr im Antworten auf Mitgliederfragen qualitativ wenigstens ansatzweise beispielhaft wirksam wird. Das ist das eigentlich spirituelle Geheimnis von Augenhöhe, ist die Kraft, die aus tatsächlicher Augenhöhe hervorgehen kann, die anthroposophisches Leben hervorbringt.
Mit anderen Worten: Das Sprechen vor der Generalversammlung kommt einem Gang nach Emmaus gleich. Wo hier sprechend die Worte nicht deutlich bemüht so geformt werden, dass „der Dritte“ leise raumgreifend anwesend werden kann, fehlt dieser Gesellschaft genau diejenige Dynamik in ihrer eigentätig zu entwickelnden Gestaltungskraft, die sie vor der heutigen Welt berechtigterweise als zeitgerecht modern dastehen lässt.
Und eben hier beginnt die stets sich erneuernde Schwierigkeit des Stehens dieser Gesellschaft in Augenhöhe vor der Welt, bzw. des Stehens des Einzelnen in Augenhöhe „vor sich selbst.“ Das Stehen in unerschrockener Augenhöhe vor sich selbst bereitet nämlich den Zugang für ein begleitend Inspiriert werden Können durch den Dritten im Dialog mit dem anderen Menschen, bzw. einer grösseren Gemeinschaft von Menschen, innerlich vor.
Es geht also bei einem Sprechen von diesem Ort um das aufrechte Stehen im Ich, um ein aktiv unmittelbares Bezeugen seiner Kraft in innerem Gleichgewicht. Das wiederum kann Geistesgegenwart der nicht unbedingt einfachen Art herausfordern. Die Möglichkeiten, hier die Augenhöhe zu sich selbst wie zur Gemeinschaft der Anzusprechenden zu verlieren, sind vielfältig, insbesondere in einem freigegebenen Dialog zwischen Sprecher von vorne und Sprechenden von der Saalseite her. Es geht grundständig ans Eingemachte des Ego in der eigenen Seele der Menschen, auf beiden Seiten, während eines derartigen Dialogprozesses. Darin liegt aber auch die stets neue Bewährung einer spirituell ausgerichteten Gemeinschaft, inwieweit sie, sich entwickelnd, vorankommt, bzw. sie durch mangelnde Geistesgegenwart in die Stagnation abgedrängt wird.
Das Stehen im Ich ist über ein ideelles Anschauen desselben hinaus und jenseits verbaler, auch anthroposophischer Abstraktionen des Verstandesdenkens vom Grund her nämlich mit dem Erfahren eigener seelischer Nacktheit verbunden, die auch nur über eine kleinere Wegstrecke auszuhalten einigen Mut erfordert. Die Winkelzüge des Ego, diese Nacktheit bei sich selber zu verbergen, bzw. die Möglichkeit, bei Dialogpartnern den Sturz in diese Nacktheit zu übersehen, sind gross, geht es doch um sehr subtile seelische Vorgänge, die erst einer reiferen seelischen Beobachtung zugänglich und von daher handhabbar werden. Es ist eben etwas ganz anderes, vom Ich zu reden oder dieses zu leben, und aus dieser Haltung heraus ein anderes keimenden Ich zu schützen. Der Schutz des Ich aber ist die grösste Aufgabe eines spirituell wirkenden Vorstandes am Goetheanum.

Auch hier ist im besinnenden Nachgang dieser Generalversammlung selbstklärend für „alle Beteiligten“ in freier Weise zu prüfen, welche Missgeschicke diesbezüglich geschehen sind.
Es geht also heute um Missgeschicke, die sich allzu leicht unbemerkt einschleichen, wenn die Zurückdrängung des Leibes, von der Rudolf Steiner in seiner Philosophie der Freiheit schreibt, nicht gelingt. Möglicherweise deshalb nicht gelingen konnte, weil dieses Forschungsfeld bis heute in meinen Augen zu wenig praktisch nachvollzogen, bzw. in seiner ganzen Tragweite forschend hinterfragt und seiner Bedeutung gemäss weiter geführt wurde. Mit der Folge, dass die Entflechtung von Astralleib und Ätherleib, die an die Zurückdrängung des Leibes eng gekoppelt ist, im sozialen Raum der Anthroposophischen Gesellschaft zu wenig als heilende Kraft dualer Konfliktfelder erkannt und demgemäss entwickelt werden konnte.
Von der Seite der inneren Bewegung der Zurückdrängung des Leibes her betrachtet, kann innerhalb sozialer Prozesse sogar gesagt werden, dass das Gelingen bzw. Nichtgelingen der Zurückdrängung des Leibes nicht wenig Bedeutung dafür hat, inwieweit die Anthroposophische Bewegung verduftet – oder eine Möglichkeit findet, zu einer zeitgerechten Metamorphose im sozialen Raum hin zu finden. Als selbstverständlich bestehend kann sie in meinen Augen jedenfalls nicht betrachtet werden, ist sie doch an die repräsentative Ichtätigkeit von Menschen gebunden. An eine Ichtätigkeit, die auch den Drachen in seine Schranken zu weisen vermag, der in der Bemühung um die Zurückdrängung des Leibes ebenfalls innerlich sein Unwesen zeigen kann. Der Einzelne, der im grossen Goetheanum-Saal sprechend vor die Mitglieder dieser Gesellschaft tritt, wird auf die eine oder andere Weise immer auch auf den werdenden Leib der Anthroposophischen Bewegung einwirken, je nachdem, wie wach er von seinem Ich her ist.

Der einführende Sprecher zur Aussprache der diesjährigen Generalversammlung hatte also allen Grund, auf diesen besonderen Ort hinzuweisen.

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1) Siehe auch meine früheren Kommmentare zum Geschehen in der Generalversammlung:
hier (3 Teile), hier und hier






Was uns verbindet

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Bild Karsten Massei
Natürlich ist es leichter, anzuprangern und Fehlentwicklungen zu konstatieren, als tatsächlich selbst qualitative, relevante, konstruktive Beiträge zum Dialog zu verfassen. Aber die qualitative Ebene ist immer schwerer zu greifen, und noch schwerer zu formulieren. Zu oft bemerkt man selbst trotz ernsthafter Bemühungen das Vorherrschen von Vokabeln, Standards, Formeln, Phrasen. Eigentlich müsste die tatsächliche Erfahrung - die immer eine esoterische, d.h. mehrschichtige Qualität hat-, ja jegliche Erfahrung durch sprachschöpferische Aktivität ausgedrückt werden. Man kann nicht wirklich zurück greifen auf die Sprache und die Vorstellungen der Vergangenheit, wenn man mit Wirklichkeit konfrontiert ist - oder anders ausgedrückt: Das Jetzt fügt sich nicht in die sprachlichen Muster, die vergangen sind, und das sind sie notwendigerweise immer. Sprache beschreibt stets etwas, was bereits Konvention geworden ist. Aber auch das Denken und die Vorstellungen sind durch Sprache, Konvention und innere Kontextualisierung geprägt, durch die Geschichte eigener Erfahrung und deren Interpretation, durch einen reifen Erinnerungsleib voller gesammelter, geordneter und auch geschönter Geschichten, die so tun, als gäbe es eine zusammenhängende biografische Geschichte, die das Bild dieser meiner Person trägt. Aber auch das sind Geschichten, die eigentlich Vergangenheit sind; die aber, sobald man sie zu betrachten versucht, ein Eigenleben entwickeln; sie greifen nach einem, verwickeln einen, lassen einen in Scham, in vergangenes Glück, in stille Wünsche abgleiten, bis man sich in der alten Geschichte so verstrickt hat, dass sie das betrachtende Ich und jegliche Aufmerksamkeit verschlingt.

Ja, man muss regelrecht Stärke entwickeln vor der Kraft der eigenen Erinnerung. Man dachte, die Geschichten seien etwas wie ein abgelegter Film- aber berührt man die Oberfläche der eigenen Erzählung, erhebt sie sich, erwacht zu Leben und reißt eventuell nicht nur irgendwelche Wunden auf: Vielleicht sind es die Gespenster, die im Dunkeln kauern, die, um derentwillen man der geworden ist, der man ist- um die man eine seelische Insel gebaut hat, eine Burg, für die man gepflanzt, gesät, geackert hat, für die man vielleicht ein anständiger Mensch geworden ist, für die man geglaubt, für die man einen Beruf ergriffen oder für die man ein Vermögen angehäuft hat. Nun liegen die inneren Geister im Untergrund und reißen das Maul auf, und die eigene Welt stürzt auf sie ein.

Diese Dinge kann man nicht umgehen, wenn man „spirituell“ arbeitet. Es ist eigentlich eine Position der Stärke, der Souveränität, aus der man das seelische Gesamtbild, die biografische Struktur anschauen und das aushalten kann, dass dann auch die Brüche sichtbar werden, die Unaufrichtigkeit, das, was wie eine treibende Kraft, aber als Wunde und Schwäche, zugleich konstituiert und destabilisiert. Man muss das nicht moralisieren, mystifizieren oder mit christlicher oder anderer religiöser Begrifflichkeit überziehen; die menschliche Zwitterhaftigkeit zwischen biologisch- biografischer Erzählung und einem bewussten, aktiven Betrachter und Gestalter bedient solche Widersprüche; es ist kein individuelles Drama, oder eben doch, weil jegliche individuelle Geschichte ein solches Drama enthält. Die „Erlösung“ kann nur in dem aktiven Betrachter, in der bewussten Entität liegen, der das Drama entwirrt, sich der Geschichte, der Irrtümer und Verwirrung stellt, aber sich eben auch aus der Determination befreit. Die Souveränität im persönlichen Drama klärt die Angelegenheit und relativiert sie damit auch. Die konstruktiven Kräfte haben eine nicht mehr nur persönliche Note - zumindest nicht in dem Sinne, dass man in das eigene Drama verwickelt und von ihm getrieben wird. Aber es ist auch nicht etwas, was man ab- und weglegen könnte. Es ist eher so, dass die Kräfte, die das persönliche Trauma bindet, frei werden, und zur Verfügung stehen- als Bewusstseinkräfte, als Möglichkeit zur reinen Gegenwärtigkeit, als Möglichkeiten in der sozialen Gestaltung. So bindend die innere Wunde und die biografischen Gespenster waren, so unendlich ist die Entfaltung der vorher gebundenen Kräfte; die Entfaltung ist wie der Schnittpunkt einer kosmischen Energie- und Erkenntnisquelle. Die magische Bindung, der seelische Pflock, sie enthalten zugleich den heilenden Wendepunkt. Das ist eben die Maja, die große Illusion: Dass es kein Entkommen aus dem inneren Drama gäbe.

Einer der wenigen anthroposophischen Autoren, der diese wirklich spirituell- allgemeingültigen und vielschichtigen Themen bearbeitet, ist Karsten Massei. Auch in seinem neuesten Buch, „Erde und Mensch. Was uns verbindet“, geht er in aphoristischen Betrachtungen nicht nur auf das innere Drama, sondern auch auf das Verhältnis zur Natur und auf das Leben nach dem Tod ein. Der innere Wendepunkt klingt bei ihm so: „Durchaus ist eine innere Kraft nötig, um auszuhalten, was passiert, wenn ich mich den Bildern meines Lebens überlasse. Es kann leicht geschehen, dass ich übermannt werde von Erinnerungen, dass dadurch ein Nacherleben beginnt, das für mich schwer zu ertragen ist. Ich stürze dann in die Erlebnisse ab, vor denen ich mich bisher wohlweislich zu schützen wusste.“ (S. 132) Das „Licht der eigenen Aufmerksamkeit“ hellt eben auch das auf, was eben diese Aufmerksamkeit in Beschlag zu nehmen vermag, dem man schwer standhalten, ja das man kaum erkennen kann, obwohl es für andere Menschen vielleicht ganz offensichtlich ist. Für einen selbst ist es ein blinder Fleck im Auge.

Und zugleich, in dieser Blindheit und Schwäche, gilt eben auch das, was Massei als das eigentliche Wesen der bewussten Entität beschreibt: „Das Ich ist der Name, den man sich selbst gibt; aber es ist mehr, es ist die Kraft, aus der unsere Individualität hervorgeht, und es ist noch mehr: es ist das Wesen, in dem sich unser höheres Wesen, unser göttliches Selbst äußert. Wir sind unserer Natur nach geistige Wesen, eigentlich Götter. Im Ich, seinem für uns zwiespältigen Wesen, seiner Flüchtigkeit und Macht, offenbart sich unsere göttliche Natur.“ (S. 126)

Bei Karsten Massei sieht man in seinen über die letzten Jahren erschienenen Büchern eine immer weiter gehende Öffnung. Zuerst klang er wie ein hellsichtiger Heiler, der sich ganz den Pflanzenkräften und elementaren Wesen widmen will. Das scheint auch tatsächlich die Ebene zu sein, auf der Massei seinen Zugang findet. Aber von da aus widmet er sich dem Menschen und Schicksal in einem immer umfassenderen Sinne. In vieler Hinsicht trifft er dabei auf allgemein gültige Punkte, die für jeden spirituell interessierten und arbeitenden Menschen von Interesse sind - die Sprachbilder (Imaginationen), in denen sich Massei sich ausdrückt, erhalten eine Transparenz und Tiefe, die sich von Buch zu Buch steigert. Er wird damit zu einem der wenigen echten zeitgenössischen spirituellen Lehrer aus anthroposophischem Zusammenhang.

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Karsten Massei, Erde und Mensch. Was uns verbindet, Basel 2018
Website Karsten Masseis

Der Liberalismus, die „Vierte Politische Theorie“ und das „christliche Europa“

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Diskussionsveranstaltung mit Aleksandr Dugin

Ingrid Haselberger


Am Tag nach dem Vortrag Aleksandr Dugis zum Thema „Ideen für eine Zukunft Europas“ 1) warte ich gespannt, ob ich auch zur Diskussionsveranstaltung (geplantes Thema: Dugins Liberalismuskritik) zugelassen werde. Ich habe die Hoffnung fast schon aufgegeben – doch dann kommt doch noch die mail mit der Bekanntgabe des bis dahin streng geheim gehaltenen Ortes, an dem man sich am Abend versammeln will. Ich habe also tatsächlich die Ehre, auch hier dabeizusein!
Diesmal sind keine Journalisten da, überhaupt viel weniger Menschen, und fast nur Männer – anscheinend bin ich die einzige Frau, die nicht in Begleitung eines Mannes gekommen ist.

Bevor es beginnt, komme ich ins Gespräch mit einigen Teilnehmern. Jemand fragt mich, woher ich komme – offenbar meint er, ich sei die Abgesandte einer Organisation (;-) schon wieder ein „James-Bond-Gefühl“); er scheint überrascht, vielleicht sogar enttäuscht, daß ich ganz allein und aus privatem Interesse hier bin.
Ein sympathischer älterer Herr klärt mich auf:
Es seien Außerirdische, die alles hier auf Erden steuern. Sie sähen zwar aus wie Menschen und lebten auch hier auf der Erde, aber in Wirklichkeit handle es sich dabei um »hohe geistige Wesenheiten.« Als Hellseher könne man sie erkennen...
Ich frage: Können Sie das auch sehen? Ist vielleicht jetzt einer hier, in diesem Raum?
Er: Ich kann das selbst nicht sehen. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, daß Professor Dugin so eine hohe geistige Wesenheit ist.
Auch Donald Trump sei von solchen »hohen geistigen Wesenheiten« eingesetzt, für die Übergangszeit brauche es jetzt gerade jemanden wie ihn; wenn er seine Aufgabe erledigt haben werde, würde er durch jemand anderen ersetzt werden...
Er sei Geopolitik-Berater, sagt der nette Herr. Auf meine Frage, wen er denn berate, antwortet er: Hauptsächlich Konzerne. Ich würde auch Regierungen beraten – aber die wissen entweder schon alles, oder sie wollen es gar nicht wissen...

Nach der kurzen Begrüßung gibt es für mich eine Überraschung: zunächst ergreift nicht Aleksandr Dugin das Wort, sondern der Brite Hugh James – und er hält ein Plädoyer für den klassischen Liberalismus 2).
Das freut mich von Herzen – Dugins Feldzug gegen alles, was mit Liberalismus zu tun hat, ist mir mehr als unbehaglich, und ich bin gespannt, was ein Liberaler in diesem Rahmen hier zu sagen hat:
»Der Herr Dugin ist antiliberal – es ist für mich als gebürtiger Brite sehr schwer zu verstehen, wie jemand antiliberal sein kann.«
Und überzeugend stellt James dar, daß der klassische Liberalismus sich weder gegen Gott noch gegen die Nation richtet:
Sowohl Großbritannien als auch die USA sind Länder mit großem Nationalstolz. Und schon die Präambel der Unabhängigkeitserklärung der USA 3) bezieht sich auf die unveräußerlichen Rechte, mit denen jeder Mensch von seinem Schöpfer beschenkt ist --- diese (gottgegebenen) individuellen Rechte sind es, die dem Staat in einem liberalen System Grenzen setzen (daß das auch wirklich funktioniert, sieht man daran, daß die Gerichte nicht alles zulassen, was die Politik - beispielsweise Donald Trump - will.)
Dem Liberalismus gehe es schlicht um die Handlungsfreiheit des Einzelnen– mit der wichtigen Folge, daß im klassischen Liberalismus jeweils derjenige, der handelt, auch die Konsequenzen seines Handelns zu tragen habe.
Die »goldene Zeit des Liberalismus« sei allerdings 1914 zu Ende gegangen: als klar wurde, daß auf diese Weise weder die Wirtschaftskrise noch den Weltkrieg verhindert werden konnte, versuchte man, politisch zu intervenieren, um die bestmögliche Lösung für die meisten Menschen zu erreichen. Mit demInterventionismus entstand ein neuer, sozio-demokratischer Gesellschaftsvertrag: der Staat setzte der Handlungsfreiheit des Einzenen Grenzen und gab eine Garantie gegen negative Handlungskonsequenzen (Stichwort: Bankenrettung...).
Und Hugh James erkennt durchaus an, daß die Sozialdemokratie viel Gutes für die Menschen erreicht hat.
Aber 1914 begann noch ein weiterer Strang: Seit dem ersten Weltkrieg dominierten die Angloamerikaner die Welt; unter ihrer Führung wurden internationale Institutionen begründet (James erwähnt das Council on Foreign Relations, den Völkerbund und, nach dem 2. Weltkrieg, die Vereinten Nationen), um die Welt neu zu gestalten... und heute sei man dabei, Schritt für Schritt Nationalstaat, Wohlfahrtsstaat und Demokratie abzuschaffen – und dadurch die Sozialdemokratie ihrer notwendigen Grundlagen zu berauben. 4) Es entstehe eine neue Ebene, die jenseits der demokratischen Kontrolle agiere.
Das gehe einher mit einer Krise der Sprache (»Das habe ich von Prof. Dugin übernommen.«). Wir hätten heute ungenaue, schwammige Begriffe 5), es gebe Sprachverbote, Plattformen wie google und facebook übten Zensur, Realität dürfe nicht mehr dargestellt werden 6) …
»Wenn wir die Kontrolle über unsere Sprache verlieren, dann verlieren wir unsere Identität, da wir die Identität derer annehmen, die unsere Sprache beherrschen und sie uns zuteilen.«
Und Hugh James ist überzeugt: es ist dieser Utopismus, den Aleksandr Dugin eigentlich meint, wenn er den Liberalismus kritisiert.
Die Antwort auf den Abgrund, in den der Utopismus unweigerlich führen müsse, ist für Hugh James der »richtig verstandene klassische Liberalismus«, in dem der Staat zwar Anreize setzen könne, der Impuls für das Handeln aber jeweils aus dem Individuum komme.

Damit steht er in eklatantem Gegensatz zu Aleksandr Dugin, der in seinem Buch Die Vierte Politische Theorie 7) schreibt (S 53ff):
»Liberalismus muß besiegt und vernichtet, das Individuum von seinem Pedestal herabgeholt werden. Könnten wir irgendetwas dem Liberalismus entnehmen - eben diesem hypothetisch besiegten und desorientierten Liberalismus?
Ja. Es ist die Idee der Freiheit […] Die Vierte Theorie soll eine Theorie der absoluten Freiheit sein […] Freiheit ist der größte Wert der Vierten Theorie, denn sie deckt sich mit ihrem Zentrum und ihrem dynamischen, energetischen Kern. Der Unterschied besteht darin, daß diese Freiheit als eine menschliche aufgefasst wird und nicht als Freiheit für das Individuum. Als die vom Ethnozentrismus verliehene Freiheit, die »Daseins«-freiheit, die Kulturfreiheit, die Gesellschaftsfreiheit und die Freiheit zu allen Subjektivitäten - außer der eines Individuums.«

Wie weit diese nicht-individuelle Freiheit geht, zeigt sich, wenn Dugin im folgenden nicht als philosophisch-theoretische Erwägungen anstellender Professor spricht, sondern als Politikberater im Bewußtsein seines Einflusses (man beachte das »wir«!):
»Warum wir Donald Trump geschützt haben, und warum wir mit Steve Bannon gute Beziehungen haben: sie sind so wie wir gegen das, was wir Ultraliberalismus nennen. Wir haben also verschiedene Punkte gemeinsam.«
Und als später ein älterer Herr das Buch Projekt Eurasien erwähnt (wie stolz ist er, daß er es in der russischen Originalsprache gelesen hat...), in dem Dugin das Internet als »на́ша гла́вная служба«, unsere Hauptwaffe, bezeichnet, wird Dugin noch deutlicher:
»Es war Putins Idee, in die amerikanische Wahl zu gehen. Das Internet ist ein Raum, der niemandem gehört. Es war virtuelle Geopolitik, unsere legitime Reaktion auf die Angriffe der Atlantisten. 8) Die USA denken, wir waren da sehr stark – aber ich kenne keine Details.«
Es gibt diesbezüglich für Dugin (und wohl auch für Putin) also keinerlei Unrechtsbewußtsein. 9)
Das ist offenbar die Konsequenz der unbegrenzten Freiheit der Subjekte einer multipolaren Welt nach der Vorstellung Aleksandr Dugins.

Sein Publikum scheint dem einiges abzugewinnen – man steigert sich dabei aber auch in doch (zum Glück) überzogene Erwartungen hinein:
In einem früheren Interview habe Dugin gesagt, die russische Armee könne jederzeit Europa einen Besuch abstatten, so ein jüngerer Zuhörer. Und erwartungsvoll fragt er: »Wann kommen Sie?«
Dugins Antwort ist deutlich: »Das war eine Provokation!« (sein Unterton drückt in etwa aus: Glaubt ihr wirklich, wir werden uns die Mühe geben, eure Probleme für euch zu lösen? So blöd könnt ihr doch nicht sein! Nein. Das müßt ihr schon selber machen...)
Und ich höre den halblauten Zwischenruf: »Wie schade! Damit wäre unser Flüchtlingsproblem auf einen Schlag gelöst...«

Dabei sind alle Menschen im Saal sich offenbar einig: es sei immens wichtig, daß Europa christlich bleibe.
Ich staune: wie bringen sie das unter einen Hut?
Ein Christentum ohne unveräußerliche Menschenrechte, die für alle Menschen gelten, unabhängig davon, in welche „kollektive Identität“ sie hineingeboren sind? Denn mit Dugins Willen, den Liberalismus zu vernichten, geht auch die vehemente Ablehnung der »Ideologie der Menschenrechte« einher, die in der globalisierten Gesellschaft praktisch zum »Zwang« werde... 10)

Denn Dugin wettert – im Saal wie auch schon in seinem Buch – nicht nur gegen den Liberalismus, sondern auch gegen die Globalisierung (S 212):
»Seelisch ist die Globalisierung die Herstellung einer großen Parodie, das Reich des Antichrist. Die Vereinigten Staaten sind das Zentrum dieser Expansion. Amerikanische Werte geben vor, »universale« zu sein. In der Wirklichkeit ist das eine neue Form der ideologischen Aggression gegen die Vielfalt der noch in der übrigen Welt existierenden Kulturen und Traditionen. Ich bin entschieden gegen westliche Werte […] Daher sollten Traditionalisten und die Verfechter traditioneller Prinzipien und Werte dem Westen entgegentreten und den Rest der Welt verteidigen, insofern dieser Rest Zeichen der Erhaltung der Tradition aufweist […]«

Dabei gibt es nur ein Problem (S 89):
»Es sei nebenbei bemerkt, daß gerade aus der liberalen These, der Mensch sei frei, folgt, daß er immer frei ist, »Nein« zu sagen, wem immer er es sagen will. Darin besteht das gefährliche Moment der Freiheitsphilosophie, die unter der Ägide der absoluten Freiheit ihr langsam die Freiheit entzieht, zur Freiheit»Nein« zu sagen. Das westliche liberale Modell sagt: »Wollen Sie uns widerstehen? Bitte, Sie haben das Recht, aber Sie wollen doch nicht Ihre Waschmaschine zurückgeben, oder?« Die Waschmaschine ist das Totschlagargument der Fortschrittsfreunde. Jeder will ja eine Waschmaschine – Schwarze, indigende Völker, Konservative und Orthodoxe.«

Die Waschmaschine scheint also fast so etwas wie ein universaler Wert zu sein...
Aber Aleksandr Dugin will sie offenbar wirklich zurückgeben:
»Entsinnt man sich der Metaphysik der Waschmaschine in ihrem Bezug zu den echten Werten eines philosophischen Systems, dann muß man zu dem Schluß kommen, daß das Leben des Menschen ohne die Waschmaschine möglich ist und vielleicht sogar durchaus glücklich sein könnte.«

Ich versuche zu begreifen, wie man so denken kann wie Dugin (denn daß man so denken kann, ist ja ganz offensichtlich).
Aber es fällt mir schwer – und es gelingt mir nicht, es in Einklang zu bringen mit allem, was ich bisher von unserer europäischen Kultur, vom Christentum und auch von der Anthroposophie verstanden zu haben meine.
Ich denke an Rudolf Steiners Ausspruch: »An Gottesglauben Stelle glaub ich an den freien Menschen!«
Für Aleksandr Dugin aber scheint es keinen freien Einzel-Menschen zu geben; er sieht nur „kollektive Identitäten“ (»Der Mensch ist nur dann Mensch, wenn er eine kollektive Identität hat!«) – die zwar im Sinne einer multipolaren Welt untereinander kooperieren können, in denen der einzelne in sie hineingeborene Mensch aber gewissermaßen gefangen bleibt.
Dugins Vision einer multipolaren Welt setzt die „Reinerhaltung“ unterschiedlicher Kulturen/Ethnien/Zivilisationen voraus – um den Preis, daß der einzelne Mensch nicht frei zwischen ihnen wählen können würde: denn der Liberalismus, die Freiheit des Einzelnen, wäre kein Pol in dieser seiner Welt.


Im Anschluß an die Diskussion (in der es auch noch viel um Geopolitik und „Achsen“ geht) gelingt es mir, Aleksandr Dugin zwei Fragen zu stellen:

War es nicht der Christus, der dazu anleitete, dem Nächsten zu helfen, auch wenn dieser Nächste einer anderen „kollektiven Identität“ angehört? 11)
War es nicht der Christus, der die Menschen überhaupt aus der „kollektiven Identität“, in die sie hineingeboren waren, herausgeführt und ihnen zum Bewußtsein gebracht hat, daß es auch selbstgewählte gemeinsame Identitäten geben kann? 12)

Dugins Antwort (zur ersten Frage sagt er nichts) verblüfft mich: in der Orthodoxen Kirche könne der Mensch nur in die Irre gehen, wenn er den ihm von Gott vorgezeichneten Weg verlasse und es allein versuche. Dazu zitiert er sogar ein Sprichwort (dessen Wortlaut ich leider vergessen habe).

Ich habe mich bisher noch nie näher mit der Orthodoxie befaßt – zu Hause recherchiere ich im Internet und stoße auf das Filioque-Problem. 13)
Wie oft habe ich das gesungen –Credo in Spiritum Sanctum, qui ex Patre Filioque procedit(Ich glaube an den Heiligen Geist, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht) - - -
Im Glaubensbekenntnis der orthodoxen Kirche aber geht der Heilige Geist nicht auch aus dem Menschensohn, sondern ausschließlich aus dem Vatergott hervor. Das Filioque, auf dem, wie Rudolf Steiner sagt, unsere gesamte abendländische Kultur beruht 14) – das gibt es in der orthodoxen Kirche nicht.

Ich habe das Paulus-Wort »Nicht ich, sondern der Christus in mir« immer so verstanden, daß es für jeden einzelnen Menschen die Möglichkeit gibt, zu seinem eigenen inneren „göttlichen Funken“ zu gelangen, zum „Menschensohn“ in seinem Inneren – zu dem, was in der Anthroposophie als das „Ich“ bezeichnet wird.

Michael Eggert hat vor kurzem Karsten Massei zitiert: 15)
»Das Ich ist der Name, den man sich selbst gibt; aber es ist mehr, es ist die Kraft, aus der unsere Individualität hervorgeht, und es ist noch mehr: es ist das Wesen, in dem sich unser höheres Wesen, unser göttliches Selbst äußert. Wir sind unserer Natur nach geistige Wesen, eigentlich Götter. Im Ich, seinem für uns zwiespältigen Wesen, seiner Flüchtigkeit und Macht, offenbart sich unsere göttliche Natur.«
Ja. Und ist dieses göttliche Selbst, das in jedem einzelnen Menschen wohnt, nicht unseres Schutzes wert?
Bereits im Römischen Recht wurde zum Schutz des ungeborenen Kindes ein Curator Ventris bestellt, ein Vertreter der Leibesfrucht, der dafür zu sorgen hatte, daß der Rechtsgrundsatz eingehalten wurde: Nasciturus pro iam nato habetur, quotiens de commodius eius agitur Der Ungeborene wird einem bereits geborenen Kind soweit gleichgestellt, wie es ihm zum Vorteil gereicht. 16)

Die Gleichheit aller Menschen im Rechtsleben, wie Rudolf Steiner sie fordert – und damit die für alle Menschen ohne Ansehung der Person gültigen, unveräußerlichen Grundrechte, auf die sich die westliche Welt geeinigt hat – verstehe ich als einen Schutz für den „Menschensohn“, der im Inneren eines jeden Menschen lebt – auch und gerade, solange er erst in Entwicklung begriffen und gewissermaßen noch ungeboren ist.

Sollte hier etwa der „Fehler im Programm“ liegen, den Aleksandr Dugin sucht?

Wenn es tatsächlich so wäre: diesen „Fehler“ würde ich sehr gerne beibehalten.

- - - - - - -

1) hier habe ich darüber berichtet: https://egoistenblog.blogspot.co.at/2018/04/ideen-fur-eine-zukunft-europas.html

2) hier ein Mitschnitt dieses Referats: https://www.youtube.com/watch?v=ItHF-_COcdw

3) die Präambel der Unabhängigkeitserklärung der USA: https://de.wikipedia.org/wiki/Unabh%C3%A4ngigkeitserkl%C3%A4rung_der_Vereinigten_Staaten#Pr%C3%A4ambel

4) Für Hugh James ruht die Sozialdemokratie auf den Grundvoraussetzungen der Demokratie mit Mehrheits-Wahlrecht (zur Legitimation des Gewaltmonopols, das der Staat benötigt, um die Freiheiten des Einzelnen einzuschränken), des Wohlfahrtsstaates (denn die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit dem „Preis-Leistungsverhältnis“ drückt sich in den Wahlergebnissen aus) – und des Nationalstaates: aus nationaler Solidarität sei der wohlhabende Wiener Unternehmer bereit, den Vorarlberger Bergbauern (oder auch die Pension eines Wirtschaftskammerpräsidenten mit Zweitwohnsitz am Wörthersee) zu subventionieren. Sehr viel weniger Bereitschaft gebe es allerdings bezüglich der Kinderbeihilfe für bulgarische Kinder, oder der Finanzierung von Kriegen in Afghanistan oder sonstwo...


5) Als Beispiel nennt er das Dilemma der Demokratischen Partei im Vor-Wahlkampf der US-Präsidentschaftswahlen: auf der einen Seite Hillary Clinton, die Vertreterin der reichsten 1% des Landes, auf der anderen Seite Bernie Sanders, der Gegner dieser 1%. »Die Partei war total zerspalten – aber alle nannten sich „liberal“.«
Oder: auch wenn auch heute noch der Faschismus als der Prototyp des Antiliberalismus gelte: heute seien es nicht die Faschisten, die uns einschränkten, sondern die Antifaschisten...

6) Hugh James erzählt von einem Mathmatiklehrer, der entlassen wurde, weil er ein Mädchen, das sich selbst für einen Buben hielt, als „Mädchen“ angesprochen hatte. In den Zeitungen sei gestanden, der Lehrer habe sich geweigert, diese in seinen Augen falsche Realität anzuerkennen, weil er ein Christ sei. Er hätte sich aber, so James, auch als Mathematiker weigern können: »Solange wir sagen können, 2+2=4, folgt alles andere daraus. Winston [die Hauptfigur in George Orwells Roman 1984, I.H.] aber wird gezwungen, 2+2=5 nicht nur zu sagen, sondern auch zu denken...«
Siehe dazu auch newspeak (https://de.wikipedia.org/wiki/Neusprech) und doublethink (https://de.wikipedia.org/wiki/Doppeldenk)

7) Alexander Dugin: Die Vierte Politische Theorie, Verlag Arktos Media, 2013

8) Dugin sieht »zwei Amerika«:
Das »realistische« der Kontinentalisten und Donald Trumps (»Wir sind auf ihrer Seite!«) und das »globalistische« der Atlantisten.
Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Continentalism
und https://en.wikipedia.org/wiki/Atlanticism

9) Wieder denke ich an sein Buch Die Vierte Politische Theorie:
»Der Prozeß, der tatsächlich einen globalen Charakter besitzt, ist die Umstellung der einst siegreichen Moderne auf die Postmoderne. Es gibt Zentren, Brennpunkte, Orte und Regionen, wo dieser Prozeß logisch und folgerichtig abläuft. Diese sind der Westen, Westeuropa und besonders die Vereinigten Staaten von Amerika, wo eine historische Gelegenheit zur Errichtung der optimalen modernen Gesellschaft nach im westeuropäischen Denken entwickelten Prinzipien unter Laborbedingungen bestanden hat, nämlich das Schaffen auf einem unbeschriebenen Blatt, ohne die Bürde der europäischen Tradition, in einem »leeren« Raum – Indianer hat man bekanntlich nicht als Menschen angesehen. […] Auf diese Weise hat das spezifisch amerikanische System einen idealen Ort für die Verwirklichung eines Maximums an Freiheit angeboten, aber das nur für Weiße und um den Preis eines entschloßenen [sic] Auschlusses [sic] aller anderen. Allerdings sind die Vereinigten Staaten von Amerika die Avantgarde der Freiheit und die treibende Kraft des Übergangs zur Postmoderne.«
Heute gibt es mit dem Internet einen neuen »leeren Raum«.
Und Aleksandr Dugin findet offensichtlich nichts dabei, mit diesem herrenlosen Raum nach Gutdünken zu schalten und zu walten – ähnlich wie damals die Europäer (die dann zu Amerikanern wurden) ohne jedes Unrechtsbewußtsein mit dem bis dahin „wilden“ Westen verfuhren...

10) Ich denke dabei auch an die Kontroverse Caroline Sommerfeld – Claudius Weise über den Geltungsbereich der Unantastbarkeit der Würde des Menschen: http://diedrei.org/tl_files/hefte/2017/Heft11-2017/17-leserforum-DD_1711.pdf

11) vgl. Lukas 10,25-37 – das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, dem Fremden, der einem halb tot auf der Erde Liegenden (an dem ein Priester und ein Levit achtlos vorbeigegangen waren) zu Hilfe kommt, seine Wunden versorgt und ihn auf eigene Kosten in eine Herberge bringt.

12) vgl. Markus 3,31-35:
»Da kamen seine Mutter und seine Brüder; sie blieben vor dem Haus stehen und ließen ihn herausrufen. Es saßen viele Leute um ihn herum und man sagte zu ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und fragen nach dir.
Er erwiderte: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?
Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.«

13) https://de.wikipedia.org/wiki/Filioque

14) »Es hat seine guten Gründe, daß in der damaligen Zeit der Westen jenes «filioque» hinzugefügt hat zum Ausgehen des Heiligen Geistes aus dem Vater, denn alle die Kräfte, die sich im europäischen Westen entwickelt haben, welche die Impulse für die Kultur Europas gegeben haben, hängen damit zusammen.«
(GA 147, S 11)

15) https://egoistenblog.blogspot.co.at/2018/04/was-uns-verbindet.html

16) Dieser Grundsatz hat sich in § 22 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches erhalten: »Selbst ungeborne Kinder haben von dem Zeitpuncte ihrer Empfängniß an, einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. In so weit es um ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu thun ist, werden sie als Geborne angesehen«








Rudolf: Meine ganz persönliche „Aktion Syrien“

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Altstadtbummel in Damaskus
Meine ganz persönliche „Aktion Syrien“ war alles in allem ein sehr aufschlussreiches und unbeschreiblich intensives Erlebnis. In wirklich jeder Hinsicht. Touristisch wie menschlich – und auch geistig, im Sinne des auch angestrebten eigenen Bildes über den Syrien-Konflikt.

Ich möchte keine Details über die Gruppe preisgeben, die ihre Tour seit einem halben Jahr gründlich vorbereitet hatte und mir und einer weiteren Person aus Südtirol die Möglichkeit geboten hat, mitzureisen – buchstäblich in letzter Minute, und bis zur effektiven Einreise ohne jegliche Garantie. Das Einreisevisum wurde erst an der Grenze erteilt, da ein Ansprechpartner in Syrien eine Einladung kurzfristig an die betreffende Grenzstation geschickt hatte. Dazu war es notwendig, dass die gesamte Gruppe einen Umweg zu einem kleineren Grenzübergang in Kauf nahm, der angeblich „einige Besonderheiten“ aufweist. Die übrigen Mitglieder der Gruppe verfügten über ein bereits 6 Monate im Voraus beantragtes Touristenvisum – ja, auch das gibt es, wenn es auch kaum erteilt wird, da die Regierung anscheinend sehr negative Erfahrungen mit alleine im Land herumreisenden Ausländern gemacht hat.

Insgesamt 15 Teilnehmer aus 3 Ländern hatten auf Initiative einer Person mit ausgezeichneten Kontakten in Syrien ein Programm zusammengestellt und reisten 12 Tage lang durch den von der Assad-Regierung beherrschten Teil Syriens.

Die im Voraus geplanten Programmpunkte waren:
Der Besuch einer christlichen Gemeinde, mit der wir den Palmsonntag (in der orthodoxen Kirche zeitgleich mit unserem Osterfest) feiern durften, und mit der wir Gespräche führten über mögliche Unterstützungen ihrer Tätigkeiten,
eine „touristische Rundreise“ (wenn auch mit gewissen Einschränkungen),
und ein Zusammentreffen mit Vertretern von Religionsgruppen und Glaubensgemeinschaften sowie in Syrien lebenden Ausländern.



Innenhof der Omajaden-Moschee
Das Erleben der touristischen Sehenswürdigkeiten – die Städte Damaskus, Tartous, Latakia, Hama, Kvarbou und weitere kleinere Orte, archäologische Stätten wie die Kreuzritterburg „Krak de Chevaliers“, Ugarit, und Amrid – und auch das persönliche zufällige und keinesfalls geplante und programmierte Zusammentreffen mit ganz gewöhnlichen Menschen bildeten die Höhepunkte dieser unbeschreibbar erlebnisintensiven Reise.
Aus Sicherheitsgründen waren der geplante und auch zugesagte Besuch eines russischen Militärstützpunktes, sowie die heißersehnte Fahrt nach dem absoluten touristischen Highlight, der Wüsten-Ruinenstadt Palmyra, letztlich doch nicht möglich.

In den 12 Tagen in Syrien trafen wir lediglich einen einzigen (!!) „echten Journalisten“, eine „free lancerin“ aus Spanien (geradezu todesmutig von der alleine reisenden Dame) und ebenfalls einen einzigen (!!) anderen „echten Touristen“, einen Russen.

Die Reise hatte keinen offiziellen Charakter, d.h. sie war weder von einer europäischen Regierungs- oder sonstigen Stelle, noch von der Assad-Regierung offiziell eingefädelt oder genehmigt. Demzufolge wurde auch kein von der Regierung vorgegebenes Programm absolviert, sondern nur das eigene selbst vorbereitete und geplante. Dieses war schon aus Sicherheitsgründen nicht auf den Tag genau festgelegt und ließ Abweichungen zu, um der schwer vorhersehbaren Lage vor Ort besser Rechnung tragen zu können.


Bewegungen im Land waren grundsätzlich frei möglich, wenn auch fast immer dem gemieteten Bus an den Ausfallstrassen aus den Ortschaften, d.h. von einem Kontrollpunkt zum anderen, eine bewaffnete Eskorte von Militärangehörigen der Assad-Armee oder anderen Sicherheitskräften beigestellt wurde. Die Begleitfahrzeuge wurden immer am nächsten Kontrollpunkt gewechselt. Die Militärs waren durchwegs überaus freundlich und sehr besorgt um die Sicherheit der Gruppe.

Oft mussten, um möglicherweise von Islamisten durchsetzte Gebiete zu umfahren, zeitraubende Umwege in Kauf genommen werden.
Beispielweise war ein kurzer Abschnitt der Autobahn Aleppo-Damaskus immer noch in der Hand einer Terrorgruppe, was statt der 15 Minuten, die nötig gewesen wären, um diesen Abschnitt zu durchfahren, einen stundenlangen Umweg über Bergstraßen erforderte.
Über ein so gut wie überall (fast unbegreiflicherweise) ausgezeichnet funktionierendes Handy-Netz (auch Auslandsgespräche und Internet sind nirgendwo ein wirkliches Problem) tauschen alle Menschen ständig Infos über die überall naturgemäß volatile Sicherheitslage aus.

Das aus direkter Erfahrung gewonnene Bild von Syrien weicht erheblich von jenem ab, das in unseren Köpfen aufgrund der einseitigen und auslassenden Berichterstattung existiert.


touristisches Motiv ohne Touristen
auf Touristen wartender Laden



Ausländer zahlen mehr

Sehr viele Einheimische, mit denen wir spontan zusammentreffen und sprechen konnten, freuten sich unbeschreiblich über die Anwesenheit einer Touristengruppe, nahmen uns regelrecht in die Arme und hießen uns unendlich willkommen. Man merkte es ihnen an, wie unendlich wichtig für sie dieses kleine Normalisierung versprechende Zeichen war, das wir mit unserer Reise setzten. Außerhalb der Hauptstadt versicherten sehr viele Menschen uns glaubhaft, seit mindestens 6 Jahren keine Ausländer mehr gesehen zu haben.



nicht erwünschtes Christkind

Alle sprachen die Hoffnung aus, dass der Krieg bald vorbei sein möge, allerdings – und das ist das Überraschende und Unerwartete – nicht durch Zusammenbruch der Assad-Regierung, wie es uns in unseren Medien als „ersehnter Volkswille“ immer verkauft wird, sondern durch die endgültige Vertreibung aller Terrorgruppen. Es wurde ausschließlich von Terrorgruppen und Kriminellen gesprochen, die schuld an allem Übel seien.

Viele Syrer erzählten uns von Greueltaten, die sie selbst oder enge Freunde oder Familienmitglieder erlebt hatten. Besonders schlecht kam dabei die freie syrische Armee (FSA) weg, die laut Meinung all derjeniger, die sich dazu äußerten, nicht einmal aus irregeleiteten Glaubenskämpfern bestünde, sondern vorwiegend aus reinen Kriminellen und Deserteuren. In Maloulla, einem christlichen Ort mit einem sehr berühmten, in eine steil abfallende Felswand gebauten Kloster, konnte man die durch die Islamisten angerichteten Schäden noch deutlich sehen. Auf Christus- und Mariendarstellungen wurde geschossen, die Gesichter entstellt.

Die Menschen erzählten uns von dem Leid der Klosterfrauen, und dass viele christliche Zivilisten umgebracht worden waren oder aus der Ortschaft fliehen mussten – dass die Geflüchteten aber heute, nach der Befreiung vom islamistischen Terror, zum Teil wieder zurückgekehrt sind.

Sie erzählten auch von den von der Assad-Regierung geförderten „Wiedereingliederungsprogrammen“ zugunsten jener Minderheit unter den Moslems, welche anfänglich mit den Islamisten kooperierten, dann aber fliehen mussten und nun reumütig in ihre Häuser zurückkehren möchten, weil sie bemerkt haben, daß die islamistischen „Rebellen“ und „Kämpfer“ nicht für eine Verbesserung ihrer Lebensumstände stehen, sondern für tiefstes Mittelalter – sofern sie nicht überhaupt aus entleerten Gefängnissen weiter Teile der Welt stammen. Diese Wiedereingliederung stellt eine für alle Beteiligten nicht gerade leichte Herausforderung dar.

Mit internationaler Hilfe ist zur Zeit auch schon der Wiederaufbau von niedergebrannten Kirchen und zerstörten Kulturdenkmälern im Gange, auch für den ausländischen Besucher ein deutliches Zeichen der Normalisierung. Im Kloster von Maloulla und den dortigen Kirchen berichteten uns die Aufsichtspersonen, wie es ihnen gelungen war, beim Anrücken der Terroristen bewegliche Kulturgüter noch schnell in Sicherheit zu bringen und damit vor Zerstörung und Diebstahl zu bewahren.

Überall erlebten wir eindeutige, angesichts der geschilderten traumatischen Erfahrungen mit islamistischem Terror auch durchaus nachvollziehbare, pro-Assad Stimmung. Und zwar unabhängig davon, ob es sich bei den Gesprächspartnern um Christen oder Moslems handelte.

Wenn Vorwürfe gegen das Assad-Regime laut wurden, betraf es nicht die von westlichen Medien kolportierte „Abschlachtung des eigenen Volkes“, sondern so gut wie immer die Amnestie, welche Assad denjenigen aus den Islamisten-Gebieten zurückkehrenden oder gefangen genommenen syrischen Kämpfern gewährt, die sich zunächst von den Islamisten als Söldner anwerben ließen, dann aber zurückkehrten. Denn schließlich hätten diese ja aufs eigene Volk geschossen und müssten eigentlich dafür hart bestraft werden.

Die Bevölkerung betrachtet Assad als Garant für Stabilität und kulturell-fortschrittliche, einigermaßen an westlicher Kultur orientierte und an westlichen Grundsätzen ausgerichtete Politik – während die Islamisten, auch wenn sie vom Westen finanziert bzw. sonstwie unterstützt werden (auch das ist den meisten Einheimischen sonnenklar), als kulturelle wie politische Rückwärtsentwicklung wahrgenommen werden.





Assad ist allgegenwärtig















Vor allem gebildete Syrer ließen durchblicken, dass ihrer Ansicht nach der Westen ganz klar versagt hätte, dass er – mit Verweis auf das in Afghanistan, Lybien und dem Irak hinterlassene Chaos – offenbar nicht in der Lage sei, dem syrischen Volk vernünftige Perspektiven zu bieten und dem Land Freiheit, Wohlstand und Demokratie zu bringen.

Der westlichen Lesart, wonach der Westen ebenfalls Krieg gegen die Islamisten führe, begegnete man mit Unverständnis und tiefer Ablehnung dieser Sichtweise.

Der Konflikt ist für die allermeisten Menschen kein Bürgerkrieg, sondern die berechtigte Reaktion der Regierung auf einen kriminellen und völkerrechtswidrigen Überfall von hauptsächlich ausländischen bzw. auslandsunterstützen Terrorgruppen und Kriminellenbanden.

Die Menschen wünschen sich Freiheit und weitgehend auch westlichen Lebensstil. Ich habe vor allem in Damaskus, aber auch anderswo, Frauen alleine in Bars sitzen gesehen, westlich gekleidet, aufgeputzt und geschminkt, in kleinen Gruppen, manchmal auch nur zu zweit (tagsüber sogar alleine), welche sogar noch nach 23 Uhr abends ohne Männerbegleitung Alkohol trinken und Wasserpfeife rauchen. Das gibt es kaum in Europa.

Für dieses westlich inspirierte Lebensmodell steht in den Augen der Syrer nur Assad, und es verwundert nicht, dass die Vereinnahmung durch Islamisten zutiefst abgelehnt wird.

Natürlich fragten wir uns, warum dies niemals journalistisch in den westlichen Medien kolportiert wird. Der so eklatante Widerspruch, in dem sich der Westen befindet, wenn er auf der einen Seite Assad als „üblen Diktator“ verteufelt, auf der anderen Seite aber den Menschen dort keine Alternativen bietet, trat hier offenkundig erlebbar hervor und stand immer wieder im Raum und in der Diskussion.

Denn die Islamisten und anderen Terrorgruppen sind sicher keine Alternative. Die Menschen fühlen sich im Stich gelassen, und sie kennen das auch uns wohlbekannte Schicksal der Bevölkerungen in den vom Westen als Horroszenarien dargestellten Diktaturen, die später „befreit“ wurden, aber heute immer noch von warlords beherrscht werden. Immer wieder fallen die Verweise auf Afghanistan, Libyen und den Irak.

Viele Einheimische sprechen es aus, dass nicht Assad-Syrien das undemokratischste, politisch und kulturell rückschrittlichste arabische Land ist, oder der Irak und Libyen dies waren, sondern die mit dem Westen engstens kooperierenden absoluten Monarchien à la Saudi-Arabien und die Ölscheichtümer. 






Jedenfalls war es sehr erhellend, mit eigenen Augen zu sehen, dass längst nicht ganz Syrien niedergebombt ist, wie durch das einseitige und alleinige Zeigen in Schutt und Asche liegender Straßenzüge im Fernsehen suggeriert wird. Die Versorgungslage ist ausgezeichnet – wenn natürlich auch die Wirtschaft als Folge des Krieges und des damit verbundenen Flüchtlingselends leidet, mit dadurch hervorgerufener Armut und sehr niedrigen Löhnen.

In den Städten findet man überall belebte Straßen, in Damaskus sogar extremen Verkehr mit Staus, gut besuchte und von Waren überquellende Märkte und Bazare, Restaurants mit Tanz und Musik.

Wer denkt bei Syrien an solche Bilder? Warum sieht man kein einziges solches Bild in unserem Fernsehen? Das fragten sich viele von uns immer wieder...
Das gewohnte Narrativ, das von unseren westlichen Medien geprägte Syrienbild – bestehend allein aus zerbombten Häusern, Schulen und Krankenhäusern – trat durch diese Reise in den Hintergrund, und ein anderes, nicht minder reales und vor allem selbst wahrgenommenes wurde für uns greif- und erlebbar.

Die Herzlichkeit und Fröhlichkeit der Menschen, die ihre Hoffnungen nicht aufgegeben haben, gaben auch uns Hoffnung.

Ich habe viele zuvor nicht für möglich gehaltene Aspekte im Zusammenhang mit den so unendlich komplexen Kriegsursachen erfahren – deren genaue Beschreibung allerdings das Ausmaß eines kurzen Reiseberichtes bei weitem sprengen würde.

Immer deutlicher wurde unser Eindruck, dass der Syrienkrieg wohl nur ein Baustein ist in einer aus Dominanzgründen gegenüber Russland und China und aus wirtschaftlichen Gründen vom Westen betriebenen Destabilisierungskampagne, welche von Afghanistan über den mittleren und nahen Osten bis nach Nordafrika reicht. Die Menschen in Syrien sind unfreiwillige Opfer des ganzen Theaters. Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen bzgl. der Kriegsgründe treten angesichts der realen Erlebnisse vor Ort als nicht mehr zielführend in den Hintergrund.

Ob das angestrebte eigene Bild betreffend den Syrienkonflikt auch wirklich absolut und „umfassend real“ sein kann, ist und bleibt natürlich eine offene Frage, die ich keinesfalls mit ja beantworten kann.

Jedenfalls ist der Konflikt durch viel zu viele, sich oft auch nur lokal artikulierende, interagierende Interessen bestimmt, als dass man sie alle rational zu einem Gesamtpuzzle zusammenfügen könnte. Die derzeitige Situation wird sich sicherlich nicht erklären lassen durch vereinfachende Modelle des Guten hier und des Bösen da, die sich immer genau und eindeutig erkennbar auf einander getrennt gegenüberstehenden Seiten bekämpfen.

Eine Frage drängt sich allerdings auf:
Ist es nicht ein sehr viel gefährlicheres Spiel mit dem Feuer, vermeintlich lokale Konflikte zu schüren und damit einen Weltenbrand zu riskieren, als das überfällige Gebot der Stunde umzusetzen, im Sinne eines Ausgleichs mit allen Beteiligten?

Die Erkenntnis stellt sich ein, dass das ernsthafte Verhindernwollen eines weltweiten Konflikts vor allem Bereitschaft zum Verzicht erfordert, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in puncto eines moralischen Überlegenheitsanspruchs.

Klar ist, dass derjenige, der sich die Mühe macht, vor Ort zu recherchieren, in Bezug auf eigene Erkenntnis nur dazugewinnen kann – auch wenn er dabei gewisse Risiken in Kauf nimmt, nicht nur physische vor Ort, sondern auch, von Freunden in der Heimat missverstanden zu werden.


Von dieser Reise nach Syrien bin ich trotz vieler auch erschreckender Erfahrungen unermesslich reich belohnt nach Hause gefahren. Belohnt nicht nur durch zuvor nicht für möglich gehaltene menschliche Erfahrungen, die sich unauslöschlich in die Seele gebrannt haben und die ich nie mehr missen möchte, sondern vor allem auch durch die sich zur Gewissheit heranbildende persönliche Erkenntnis, dass sich in Syrien zur Zeit sehr wahrscheinlich auch unser eigenes Schicksal, die Zukunft der gesamten Welt entscheidet.

Es geht nicht um einen Dienst für den Frieden durch die kriegerische Beseitigung eines schlimmen Diktators.

Es geht letztlich um die Erkenntnis, dass Frieden niemals durch Krieg erreicht werden kann, sondern nur durch gegenseitige Achtung, Annäherung, Ausgleich, menschliche Begegnung mit dem (meistens auch nur vermeintlichen) Gegner – sei es in anderen Teilen der Welt oder auch in uns selbst.

Dear Members Oder: Okkulte Gefangenschaft und andere Machtspiele

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Dear Members. Euer Vorstand.
Es gibt wohl nichts Schöneres für ein Ego, sich an der Spitze einer Geheimgesellschaft zu sehen- womöglich im Kreise alternativer Intellektueller, die die Scharen einer Weltgesellschaft führen und determinieren, der sie die Brosamen ihrer Erkenntnisse gelegentlich zuwerfen, hauptsächlich aber auf die des Meisters selbst verweisen, dessen exorbitantes Einweihungs- Wissen sie ja verwalten.

Es gibt eine gewisse Arroganz dem Volk in den Zweigen gegenüber, draußen im Lande und jenseits der Weltmeere- man weiß nie so recht, wie die reagieren, was sich ja auch letztens wieder auf der Dornacher Hauptversammlung gezeigt hat: Das Volk hat mal wieder gebockt, und die Gründe sind durchaus vielschichtig.

Das anthroposophische Völkchen hat eben diese latent anarchosophische Seite, die durchaus ihren Charme haben kann. Aber der Anthroposoph an sich (ein utopisches Wesen, dem man nur selten tatsächlich und in Person begegnet) wittert hinter den Kulissen des Weltgeschehens eben - und ist damit ist dem Pegida- Anhänger an sich verwandt - Verschwörungen, aber eben auch in der eigenen Führungsschicht. Das war schon immer so, gehört dazu wie die Schattenseite der Geheimgesellschaft, und wird seit jeher als Keule geschwungen von VT- Heftchen wie Meyers „Europäer“.

So ging es z.B. vor und nach der Jahrtausendwende jahrelang einerseits um die Phrase „okkulte Gefangenschaft“, in der sich die Anthroposophische Gesellschaft angeblich befände - eine pure Verschwörungstheorie als Beschönigung der Tatsache, dass der ununterbrochene Bedeutungsverlust der organisierten Anthroposophie unaufhaltsam war und ist. Die Theorie besteht konkret darin, dass Freimaurer- Logen beschuldigt wurden, dies durch Kontakte in den Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft zu bewerkstelligen. So munkelten die Europäer über ihren Vorsitzenden Schmid Brabant 2012 - (1):

Der Vorsitzende wurde von Freimaurerlogen zu Referaten eingeladen (u.a. in Basel) und hielt anlässlich einer Jahresversammlung der Freimaurer-Vereinigung Quattor Coronati am 6. Juli 1990 im Grundsteinsaal des Goetheanum einen Vortrag über Anthropoposophie und Freimaurerei. Warum denn nicht? So wird vielleicht zurecht ein mancher fragen. Es geschah dies aber stets hinter dem Rücken der ahnungslosen Mitglieder (von denen viele allerdings in diesen Dingen auch keine Ahnung haben wollten), ohne Offenlegung solcher immerhin nicht ganz nebensächlichen Querverbindungen..“ (1) Zugleich wird auch in den Raum gestellt, dieser inzwischen (2001) verstorbene Vorsitzende Schmid- Brabant sei eben Vertreter der Bewegung gewesen, die die Anthroposophische Gesellschaft ins öffentliche Leben hinein stellen wollte: „Mit diesen letzten Äußerungen hat der am 11. Februar 2001 verstorbene Vorsitzende die im wesentlichen von ihm selbst impulsierten und geleiteten Bemühungen, die Mitglieder der AAG auf den Jahrtausendwechsel vorzubereiten, der ganzen Gesellschaft einen weltoffenen, weltweiten Charakter zu geben, mit einem Male als weitgehend gescheitert hingestellt.“ (1) Er habe selbst von „okkulter Gefangenschaft“ der Anthroposophischen Gesellschaft gesprochen, aber, wie Die Europäer beklagen, in einem nominalistischen Sinn: Dass der verquere Okkultismus die Gesellschaft hindere, handlungsfähig, offen und im Dialog zu bleiben. Die Europäer - und viele damals aktive Anthroposophen- dagegen insinuierten, Schmid Brabant stehe unter okkulter Beeinflussung der Logen, mit denen er Umgang pflege. Das Anliegen Schmid Brabants wurde also in sein gerades Gegenteil verkehrt und zur Attacke genutzt. Das funktionierte damals schon- auch ohne Internet.

Damals war ein neu aufgenommenes Vorstandsmitglied - Bodo von Plato- bereits dabei und griff die Intention Schmid Brabants, die Anthroposophische Gesellschaft sei in ihrem eigenen okkultistischen Gehabe gefangen, und solle hinaus geführt werden, auf und führte sie weiter: „Von Plato, damals bereits designiertes und seit Ostern 2001 durch die Generalversammlung bestätigtes neues Vorstandsmitglied, warf die Frage auf: «Werde es den notwendigen Ruck in der Entwicklung der Anthroposophischen Gesellschaft noch geben?» Und er beantwortete sie u.a. mit der Forderung: «Es müsse von der Hochschule aus an der Aufhebung der okkulten Gefangenschaft gearbeitet werden.»“ (1)

Von Plato hatte also nun rund 17 Jahre Zeit, die verschrobene, mit sich selbst verstrickte, introvertierte Gesellschaft des gepflegten Pseudo- Okkultismus zu reformieren und gleichzeitig finanziell - bei alternder und schrumpfender Mitgliedschaft und einem äußerst ungünstigen Wechselkurs durch den gegenüber Euro und Dollar überbewerteten Schweizer Franken-, auf neue Beine zu stellen. Davon ist tatsächlich wenig gelungen, weshalb die Abwahl überfällig war. Der Pseudo- Okkultismus ist in weiten Teilen der anthroposophischen Stammtische ins Nirvana der Verschwörungstheoretiker, EU- Skeptiker und Putin- Fans abgerutscht und wittert mit derselben geschwollenen, rechtslastigen Nase wie Viktor Orban. Die Intellektuellen der Bewegung, die die Führungskader, die Organisation, Verlage, Finanzen und Hochschulstellen besetzen, pflegen ihren exklusiven Lifestyle, der hierarchisch aufgebaut ist, nach dem Prinzip einer säkularen, aber klassischen Einweihungsstätte. Sie geben Kurse in den Städten, halten Kontakte zu diversen esoterischen Vereinigungen, organisieren Tagungen, kennen die Geldgeber aus einigen tragenden Konzernen. Der Bodo- von- Plato- Stil hat sicherlich einige Noblesse, eindeutig Stil und ist nun - gescheitert. Die mit diesem Stil und dieser rein strukturellen, absolut säkularen Hierarchie verbundene Selbstgefälligkeit und Arroganz hat die alten, lange verdrängten Seilschaften über ein Vierteljahrhundert verärgert und zum Umsturz angestachelt- nachdem man schon Schmid Brabant hatte erledigen wollen. Nun soll der „weltweite, weltoffene Charakter“ (s. 1) endlich, 2018, zurück geschraubt werden.

Dass man in diesem Zusammenhang wie in diesem Blog Bobby (2) die Bühne, die von Marcus Schneider allerlei Verschwörungstheoretikern, Rechtspopulisten und Putin- Protagonisten gegeben wird, zu diesem Zeitpunkt nicht für Zufall hält, kann man zumindest als Ausdruck einer Besorgnis ansehen : „Marcus Schneider, Präsident des veranstaltenden Paracelsus-Zweiges der Anthroposophischen Gesellschaft, sieht keine Probleme: "Das ist doch interessant" sagt er und plädiert für ein "offenes Geistesleben". "Die Einseitigkeit sei gerechtfertigt zur Einseitigkeit, die einem sonst durch die Medien um die Ohren geschlagen" werde. Die Vorträge seien ganz im Sinn von Rudolf Steiner, da man versuche, "hinter die Kulissen" zu schauen und hätten eine "hygienische Funktion".

Gerold Häfner, Leiter der Sektion Sozialwissenschaften der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft  zur "Scala"-Veranstaltung: "Wir nehmen nicht urteilend Stellung zu Ankündigungen anderer Veranstalter." Und: "Anthroposophie setzt sich für die Freiheit jedes einzelnen Menschen sowie für ein freies Geistes- und Kulturleben ein." Dazu gehörten die Denk- und Redefreiheit sowie auch das Recht, Veranstaltungen durchzuführen“.

Die Umkehrung des „weltweiten, weltoffenen Charakters“ in die „hygienische“ Präsentation der rechten Erfüllungsgenossen eines neuen populistisch- anthroposophischen Okkultismus, der sich anti- amerikanisch, anti- europäisch und anti- demokratisch gibt, im Schulterschluss mit Assad- und Putin-Verstehern, und stets im Bannkreis dessen, was RT (Russia Today) als Parole des Tages ausgibt, ist sie schon längst vollzogen? Werden die Netzwerke der säkularen Bodo- von- Plato- Truppe gekappt? Und was dann? Die finanzielle Lage mit den vor sich hingeschobenen Millionen Defiziten der Anthroposophischen Gesellschaft wird sich durch populistisches Poltern nicht verbessern- im Gegenteil. Schon seit Jahren verlassen liberale Mitglieder, Freunde und Spender die Gesellschaft, weil sie sich in ihr nicht mehr wieder finden.

Der Rest- Vorstand versucht, was zu retten ist, setzt auf Transparenz und hat einen zweiten Brief an die Mitglieder geschrieben, in dem ihnen nach den turbulenten Tagen nach der Generalversammlung Fortführung und Intensivierung der koordinierten Arbeit mit Hinzuziehung neuer kompetenter Mitarbeiter, eine befristete Übergangsphase mit Mackay und von Plato, aber auch eine Wiederauflage der Faust- Aufführung für 2020 versprochen wird. Man will zeigen: Wir haben verstanden. Wir sparen. Wir geben euch eure Festspiele. Wir koordinieren. Wir arbeiten. Aber haltet uns die reaktionären Dumpfbacken vom Hals.

Dornach, May 14, 2018
Second letter to Members
Dear Members,
The weeks after the General Assembly have been extremely intense at the Goetheanum. The non-affirmation of a further term of office of Paul Mackay and Bodo von Plato raises the question with many members near and far, above all also among the co-workers at the Goetheanum, as to how it will continue after the agreed transitional period. The previously well-established in-house operations, as well as the connections all over the world need to be reorganized. After our first report of 13th April (see "Anthroposophy Worldwide", no. 5/2018) there now follows a second letter, allowing you to participate in the further progress.
The Executive Council and the Goetheanum Leadership have defined a clearly structured process for all upcoming changes. The outcomes of these analyses, evaluations and decision-making processes are still open in many areas, but the process is progressing steadily. At present, we still assume that the new appointments of mandates and tasks for all management areas will be finalized on the 11th and 12th June at the retreat of the Goetheanum Leadership.
In the deliberations, it is clear that the determination of the future leadership of the General Anthroposophical Section within our School of Spiritual Science, is a particular challenge. Related to this are the questions of profile, the current themes and focus of the research of this section, which is important for the overall development of the School. All this will be hard to clarify in the four weeks leading up to the retreat. Nevertheless, here too we stand by our decision regarding all the tasks at the Goetheanum: the management mandates will be reassigned at the June retreat. In the interim, Paul Mackay and Bodo von Plato continue to carry out their previous responsibilities within the currently responsible Collegium of the Sections.
At present we are receiving many urgent messages regarding the possibility of how, in the future, members of our Society distributed around the world can be appropriately involved in decisions of the General Assembly, e.g. in the reaffirming of Council members, amendments to the statutes or the membership subscriptions. The Goetheanum Leadership has now mandated Gerald Häfner (Head of Social Sciences Section) and Justus Wittich (Member of the Executive Council) to launch a process by the end of June that will lead to proposals for new forms of participation. These can then be discussed in 2019 at the General Assembly and possibly decided upon. The General Anthroposophical Society, as it exists today and has developed on a worldwide scale, should be visible and reflected right down to the statutes. Involved in this from the outset, are the 19 General Secretaries, representing 18 Country Societies on five continents. At the same time, the interaction with the other 14 Country Societies (with less than 500 members) is being intensified this year.

An important decision has been made regarding the intended next performance of "Faust", scheduled for 2020. There will not be a modified repeat of Christian Peter’s production of 2016/17. In discussion with all the participants of the stage ensemble and Goetheanum Leadership – as expressed in a letter of the responsible mandate group - it became clear "that it is not productive to stand in the past and at the same time want something new." In this respect, there is now a complete restart! Due to a lack of resources for a large-scale project, there will be a shorter version in 2020 with "highlighted accents of important aspects of the content". The production team which has come together consists of Andrea Pfaehler (for drama production), Isabelle Fortagne (assistant producer), Eduardo Torres (director of Eurythmy), Agnes Zehnter (coaching artistic speech), Stefan Hasler (director) and Nils Frischknecht (production manager).
We also want to mention that the in-house organization of the Goetheanum has been through various stages of development and upheaval since the General Assembly. Therefore, the newly established management team: Stefan Hasler, Justus Wittich and, until June, Paul Mackay, is now dealing with the interdepartmental work processes within the organization. A weekly operational meeting with ten carrying co-workers ensures the interface of the eleven sections and the house management with the leadership.
Finally, there have been a number of changes within the co-worker body, as part of this development process. For example, Martin Zweifel, the long-standing head of the Building Administration and, in recent years, responsible for the successful renovation of the Goetheanum, was elected by the Municipal Council on May 1st 2018 as director of the Construction Administration of Dornach. We congratulate him warmly and thank him for the great achievements of recent years. In the coming months we will now reorganize our Building Administration department.
For the Goetheanum Leadership Ueli Hurter and Justus Wittich“


Verweise

1 http://www.perseus.ch/wp-content/uploads/2012/02/okkulten-Gefangenschaft-der-AAG.pdf
2 https://egoistenblog.blogspot.de/2018/02/bobby-kuschelig-basler-faschingsschwank.html

Niemand hat das Rosenkreuz für sich gepachtet

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Quelle Anthrowiki
Irene Diet ist ja nie ein Kind der Traurigkeit gewesen, zum Beispiel in ihren Auseinandersetzungen mit Mieke Mosmuller, der sie in ihrem vorgeblichen Kampf um die Rettung der Anthroposophie im Grunde Inkompetenz und Selbstverliebtheit vorwarf, inklusive einer Sammlung von Mosmuller anhimmelnden Anhängern- wozu vor allem Holger Niederhausen gehört. Nun hat Irene Diet allerdings mit derselben Inbrunst um die wahre Anthroposophie gekämpft wie ihre Kontrahentin, hat ebenso wie Mieke Mosmuller ihren eigenen Verlag begründet, und hat sogar für einen Wikipedia - Eintrag von sich selbst gesorgt. Das könnte man auch für ein wenig selbstverliebt halten.
Sie hat, wie die oben erwähnte Kritik an Mosmuller zeigt, auch keinerlei Berührungsängste, und sie publiziert ihre Kampfschriften auch im Rahmen des nicht gerade angesehenen Lochmann- Verlags. (1)

Nun ist in einer aktuellen, von Irene Diet vom Zaun gebrochenen Auseinandersetzung, Anna- Katharina Dehmelt ins Visier geraten, deren „Institut für anthroposophische Meditation“ (2) nicht nur zu den renommierten anthroposophischen Seiten gehört, sondern auch Einfluss auf die anthroposophische Presselandschaft, ja den Kurs der anthroposophischen Bewegung insgesamt gehabt hat- nicht zuletzt gipfelnd in einer globalen Initiative des Goetheanum zur Meditation (3), Arbeiten, Seminaren und Tagungen.

Selbst Irene Diet gibt zu, dass (4) Dehmelt und auch das Goetheanum damit einen Nerv des Zeitgeistes treffen: „Unter denjenigen, die sich der Anthroposophie Rudolf Steiners verbunden fühlen, kann ein Überdruss an der bisherigen Art, wie diese vertreten wurde, beobachtet werden. Viel zu sehr hat man bisher versucht, sich auf den Boden einer Wissens-Anhäufung zu stellen, was zunehmend als äußerlich erfahren wird, da es mit dem eigenen Sein und Erleben nicht zu verbinden ist. Denn nach Wirklichkeits-Erkenntnis strebt der heutige Mensch; von einem solchen Wissen, das so an ihn herantritt, dass er es nicht im eigenen Erleben wiederfinden kann, hat er nichts.“ Dass das Thema „Anthroposophische Meditation“ von außen stehenden Institutionen wie z.B. Dehmelts Website und Aktivitäten ins Dornacher Zentrum geführt worden ist und dort eine Lücke zu schließen scheint, die den allgemeinen Bedeutungsverlust des Goetheanum aufhalten könnte, konstatiert Diet ebenfalls. Allerdings stellt sich die Anthroposophische Gesellschaft damit auch in einen Mainstream, in einen Markt und in eine Konkurrenz, die von Yoga, Kult, Selbstoptimierung bis hin zum hinduistischen Guru- Verschnitt a la Andrew Cohen oder Sebastian Gronbach reicht. Im esoterischen Supermarkt wird bedürfnisgerecht erleuchtet. In diese Gesellschaft soll das Goetheanum nun auch rücken? Und sich gar zu behaupten haben?

Die Kritik, die Irene Diet auf etwa 15 Seiten ausrollt, besteht im Kern in der Behauptung, Anna-Katharina Dehmelt - gesehen als Repräsentantin von Vertretern der „Anthroposophischen Meditation“ - böte eine falsche bzw. verflachte Interpretation von Rudolf Steiner meditativer Begrifflichkeit an. Diet stellt sich damit in eine Linie mit den Intentionen des „Nachrichtenblatts“ (siehe 5), die seit langem - auch in dem begleitenden Heft- eine Welle von Anschuldigungen gegen die durch die Mitgliedschaft nicht bestätigten - und damit entlassenen - Vorstandsmitglieder Mackay und von Plato voran treiben. Der liberale, weltoffene Kurs des (nun z.T. abgelösten) Vorstands soll somit ebenso attackiert werden wie der der „Anthroposophischen Meditation“. Der letztgenannte Impuls steht für Irene Diet im Rahmen einer Art populärer Wellness- Techniken: „Mit ihrem Anliegen treffen die Vertreter der „Anthroposophischen Meditation“ auf ein weit verbreitetes Phänomen: Meditation und Meditieren gehören heute zu den allgemein üblichen Erholungs- und Entspannungspraktiken.“ (4)

Irene Diet stösst sich vor allem daran, „was die Vertreter der „Anthroposophischen Meditation“ unter „Imagination“, „Inspiration“ und „Intuition“ verstehen, wie man diese übt und erarbeitet, wurde von Anna-Katharina Dehmelt 2009 in der Zeitschrift „die Drei“ entwickelt und dargestellt“(4).  Da - so Diet- „Dehmelt (..) einige Jahre vorher zusammen mit Sebastian Gronbach, Jelle van der Meulen, Alexander Schaumann und Michael Schmock eine „Firma für Anthroposophie“ begründet (hatte), die sich „als Experimentierfeld für neue Arbeitsweisen in und mit der Anthroposophie“ verstand“, verbreitete sich auch die dort gepflegte Betrachtungsweise bzgl Imagination, Inspiration und Intuition - insbesondere aber in den „Seminaren, Kolloquien und Tagungen zur „Anthroposophischen Meditation““ (4).

Es handelt sich, um es kurz zu machen, um eine säkulare, pragmatische Betrachtung dieser esoterischen Differenzierungen des Bewusstseins. Irene Diet verdeutlicht die Art und den Grad der Säkularisierung in den Darstellungen Dehmelts an deren Darstellungen zur Meditation des Rosenkreuzes:

Eine derartige Grundlegung (wie bei R. Steiner, M.E.) fehlt in der Darstellung Anna-Katharina Dehmelts, die doch damit eine „grundlegende Einführung“ in die anthroposophische Meditation zu geben meint. Dehmelt beginnt ihre Darstellung unmittelbar mit den sogenannten „drei Stufen der höheren Erkenntnis“, ohne dass vorher der prinzipielle Unterschied, der zwischen dem gewöhnlichen Bewusstsein und einem höheren besteht, auch nur erfragt worden wäre. Setzt man aber die von Rudolf Steiner gegebene Grundlage an den Anfang der Überlegungen, ergibt sich sofort ein klares Bild: Es wird deutlich, dass die von Anna- Katharina Dehmelt und den anderen Vertretern einer „Anthroposophischen Meditation“ beschriebenen Erfahrungen und Übungen an demjenigen vorbei gehen, wovon Rudolf Steiner spricht. Die Übungen, die von diesen Vertretern vorgegeben oder angeboten werden, gehen nämlich davon aus, dass sich aus den an sinnlichen Objekten gemachten Beobachtungen und aus an diesen gebildeten Vorstellungen unmittelbar und direkt die erste Stufe einer „höheren Erkenntnis“ entwickeln lasse: die der Imagination nämlich.“ (4) Und in der Tat, die pragmatischen und säkularen meditativen Lehrer, die mit Imagination, Inspiration und Intuition arbeiten (und über diese Begriffe nachdenken), setzen ganz explizit am Bewusstsein des Menschen an, wie er es vorfindet, wenn er sich selbst betrachtet. Der pragmatische Ansatz ist gegenwarts- und bedürfnis- orientiert. Das im Sinne von Diet erst zu erlangende „höhere Bewusstsein“, das zu differenzierter „höherer Erkenntnis“ führen könnte, ist und bleibt ein dualistisches Versprechen, ein manichäisches Abstraktum.

Gerade die Rosenkreuz- Meditation lädt geradezu zu allen denkbaren vertieften Betrachtungen und Meditationen ein- wie auch ein Blick in eine Suchmaschine beweist, die 93000 Treffer dazu aufzählt. Darunter gehören auch solche, die das Rosenkreuz mit Mantram als Zeichen in höchster persönlicher Not anempfehlen, wie hier bei den Egoisten beschrieben:

Es weiset dieses Zeichen mir
Lebenssieg über Todesmacht.

In mir fühlen will ich
Dieses Zeichens Sinn.

Es wird mich aufrichten

Und aufgerichtet tragen
In allen Lebenssphären.“ (Rudolf Steiner)

Selbst wenn einer explizit meditativ arbeitenden Schülerin Rudolf Steiners, die mit dem inneren Bewusstseinswandel und dem Wahrnehmen der Chakra- Tätigkeit, dem Strom der Lebenskräfte gut vertraut ist, die säkularen Betrachtungen der Pragmatiker und Praktiker der populären „Anthroposophischen Meditation“ als ungenügend erscheinen, können diese doch zumindest nicht nur viele Menschen erreichen, sondern ihnen auch zu Diensten sein: Fokussierung im Alltagsleben, Entspannung und innerer Ausgleich durch Vorstellungs- Meditationen sind doch nichts verachtenswertes, ganz im Gegenteil. Wer sich dann entschließen sollte, in den inneren Kern, in den explizit rein geistigen meditativen Bereich von Steiners Begrifflichkeit in „Die Geheimwissenschaft“ vorzudringen, dem können die Fokussierungs -Übungen nur nützlich sein. Den Widerspruch, den Irene Diet zwischen den Strömungen innerhalb der anthroposophischen Gegenwart konstruiert, muss man so nicht sehen, sondern, ganz im Gegenteil, viele andere Ansätze und Bedürfnisse daneben setzen: Die heilend-mantrische (s.o.), die mystische, die traditionell rosenkreutzerische, die die Formensprache betrachtende, die der Logen usw: Das Rosenkreuz gehört niemandem, und die Begriffe Rudolf Steiner sind vielschichtig und mehrdeutig. Er selbst hat - da hat Irene Diet sicherlich recht- eine anspruchsvolle existentielle Wandlung damit artikuliert - vielleicht so grundlegend und weitreichend wie die Erleuchtung Buddhas unter dem Bodhi- Baum: „Diese Losreißung kann nicht früher geschehen, als bis der Mensch fühlt: jetzt stelle ich etwas vor durch Kräfte, bei denen mir meine Sinne und das Gehirn nicht als Werkzeuge dienen. Das erste, was der Mensch auf diesem Wege erlebt, ist ein solches Freiwerden von den physischen Organen. (...) Das ist das erste rein
geistige Erlebnis: die Beobachtung einer seelisch-geistigen Ich- Wesenheit“ (R. Steiner nach Diet in Nachrichtenblatt PLUS)

Vielleicht kann man das existentielle Erlebnis, das vom Imaginativen bis zum Intuitiven in der Betrachtung des Rosenkreuzes führen kann, so umreißen, dass das Bewusstsein des Meditierenden, das in höchster Konzentration, aber in Gelassenheit, in den Bereich der Zeitlosigkeit und in strömende Lebenskraft eintritt - zweifellos etwas, was Samadhi entspricht-, in der Betrachtung des Rosenkreuzes in das Menschheits- Dilemma schlechthin eintritt und es selbst erfährt und durchleidet: Das schwarze Kreuz als Symbol für die Körperlichkeit mit all ihren Facetten - auch die des Haftens und des Todes- schlechthin. Der Adept tritt selbst in den Strom der sieben Rosen ein, in ein mithin kosmisches Selbsterleben, das aber mit dem Kreuz auch in perfekter, inniger Harmonie besteht, wobei er Himmelsrichtungen, Gestalten und Lebensformen mit den himmlischen Kräften im eigenen Bewusstsein vereint. Das Rosenkreuz wird so zum Symbol, ja zum Knotenpunkt der Einweihung, der inneren Neugeburt.

So verpufft Irene Diets Attacke gegen die Pragmatiker an den eigenen Ansprüchen. Unter der sehr hoch gelegten Latte Rudolf Steiners ist sehr wohl Platz für Vielfalt, Platz für Interpretations- Spielräume und für das Experiment mit Erfahrungsräumen. Niemand hat das Rosenkreuz für sich gepachtet, niemand hat Deutungshoheit über die Begriffe Rudolf Steiners, deren innere Weite und Offenheit zu Interpretationen geradezu heraus fordert. Und niemand muss ohne Not einen neuen Konflikt herbei reden und neue Wunden innerhalb der anthroposophischen Bewegung aufreißen.


1 http://www.lochmann-verlag.com/Diet_Moosmuller_no.78.pdf
2 http://www.infameditation.de/institut/anna-katharina-dehmelt/
3 http://www.meditation.goetheanum.org/die-initiative/die-initiative/
4 Ein Nachrichtenblatt PLUS Nr. VI – 29. April 2018)
https://egoistenblog.blogspot.de/2018/05/dear-members-oder-okkulte.html






Die Christus- Michael- Regenbogen-Menschheit geht ihren Weg oder: Willkommen im 21. Jahrhundert

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Im Nachklang der Generalversammlung 2018, die den Abflug der zentralen Führungsmitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft erleben durfte, wird es zunehmend bizarrer- auch weil so vieles an Interessenlagen und Verrücktheiten aus dem Umfeld deutlich zutage getreten ist und nun teilweise  wieder zugeschüttet werden soll. Nirgends kann man diese Prozesse besser beobachten als in „Ein Nachrichtenblatt PLUS Nr. VII – 28. Mai 2018“, das sich wieder und in diesem Flugblatt ausschließlich dieser Generalversammlung widmet.

Zunächst schüttet der Herausgeber Roland Tüscher einen Korb von Häme in Richtung „Tagespresse“ und „Info 3: Jens Heisterkamp und Ramon Brüll“ aus. Er bezeichnet diese als „unkritisch“, da sie - vor allem durch ihren Bericht darüber, dass „Hardliner“ die Macht am Goetheanum übernommen hätten - völlig „auf diese falsche politische Fährte herein gefallen“ wären. Irgendwie passt es Tücher aber auch nicht in den Kram, dass Heisterkamp den ganzen Prozess als „ganz normale(n) demokratische(n) Abstimmungsvorgang“ betrachtet. Auch Ramon Brüll bemühe unliebsame Begriffe wie „Wahlpropaganda“ und „konservative Fraktion“, begrüße aber auch den demokratischen Prozeß an sich. Tüscher, der vor der faktischen Ablösung der Vorstandsmitglieder genau diese gemeinte Wahlpropaganda der konservativen Kreise betrieben hatte, stört sich nun trotz seiner erfolgreichen Intrige daran, dass in der Generalversammlung überhaupt demokratische Prozesse hatten stattfinden können: „Desgleichen Ramon Brüll, Redaktion Info 3. Er bemüht Schlagworte wie „konservative Fraktion“, die „demokratischen Rechte und Grundsätze“ und „Wahlpropaganda“ ohne die Problematik des politischen Wahlverfahrens im Geistesleben als solches zu berühren. Er setzt den politischen „Modus der Mitbestimmung“ als selbstverständlich voraus und scheint die Fragestellung nach einer ganz anders geformten „Mitbestimmung“, einer Mitgestaltung im freien Geistesleben nicht zu kennen.

Wenn man dem folgt, darf man annehmen, dass nach der demokratisch bewirkten Abwahl des wegen seiner Liberalität (und der Finanzkrise) in Misskredit geratenen Vorstands nach der Installation einer geeigneten konservativen Führung jegliche demokratische Legitimation schleunigst abgeschafft werden soll- selbstverständlich aus geisteswissenschaftlichen Gründen. So wird auch die Generalsekretärin für Großbritannien von Tüscher angegriffen, dass sie mit ihrer Forderung, alle Mitglieder hätten das Recht zu wählen, „die Politisierung des Geisteslebens in der Anthroposophischen Gesellschaft“ und „Internationalismus“ betreibe. Tüscher behauptet - ganz im Sinne der offenbar hinter ihm stehenden nationalistischen Schweizer Interessenkreise - auch, die Anthroposophische Gesellschaft sei keinesfalls eine „globale Gemeinschaft“, sondern konzentriere sich ganz dicht um Dornach herum: „Marjatta van Boeschoten behauptet, wir seien eine globale Gemeinschaft geworden und hebt dieser gegenüber hervor, die Mehrheit der an der GV Anwesenden seien lokal oder aus Europa gekommen. Schauen wir die Realitäten an: Mehr als drei Viertel aller Mitglieder der AAG leben in europäischen Industrienationen oder sind direkt am Goetheanum angeschlossen. Eine globale Gemeinschaft?“ Er fragt ja nur. Da können die englischen und amerikanischen Vertreter denken und schreiben, was sie wollen- das Goetheanum bleibt in Dornach und nur dort!

Nachdem Tüscher sich den Schaum vom Mund gewischt hat, gibt er das Zepter an einen gewissen John Ermel weiter, der die Liste der Vorwürfe gegen den bisherigen Vorstand weiter ausbaut. Ihm geht es gegen die Ästhetisierung des Beton- Goetheanum- Baus, die dazu geführt habe, dass die mehr oder weniger typischen Anthroposophen- Kunstwerke früherer Generationen, ja sogar „Mysteriendramensiegel“ einfach abgehängt worden seien. Das Innere des Baus muss derartig voll gehängt gewesen sein von diesem spezifischen Anthro- Kitsch, dass ein eigenes Ausstellungshaus geplant gewesen sei. Herr Ermel, so weit ist das klar, tut empört: „Aber diesen Kunstimpuls generell aus einem Bau zu verbannen, der als Herzgefäss der anthroposophischen Bewegung auch ein lebendiges Zeugnis für die Fruchtbarkeit im künstlerischen Ausdruck sein sollte, ist unverantwortlich.“- obwohl er abschließend dann doch bestätigt, dass diese Kunstwerke durch eine Stiftung, die dafür ein „Vermögen“ hingelegt habe, nahe des Goetheanums im April 2018 ein eigenes Ausstellungsgebäude erhalten habe. Heilige Maria von Sivers, warum dann das Geschrei, die Klagen, die wütende Enttäuschung? Es geht hier nicht um Kunst, das ist klar, sondern um die Ästhetik, den klaren, nüchternen Blick auf die Formensprache des Goetheanum. Die konservative Fraktion will den spezifischen Deko- Plüsch der 50er Jahre und davor zurück („Sogar einige Skulpturen von Oswald Dubach sind verschollen, ganz zu schweigen von der Vernichtung der Theater-Kulissen von Walther Roggenkamp, Arne Klingborg, Jan Stuten, William Scott-Pyle etc., welche teilweise noch unter der Regie von Marie Steiner und Albert Steffen entstanden sind“), so wie sie die Globalisierung und Demokratisierung der Gesellschaft zurück drehen möchte. Daher wird zeitgleich in einem weiteren versendeten Pamphlet aus dieser Schmiede (Ein Nachrichtenblatt PLUS Nr. VIII – 28. Mai 2018) der populistische Anthroposophen- Führer Daniele Ganser gegen die „sog. Qualitätspresse“ verteidigt: „Man hat es geahnt: Wenn wir in diesem Land ein Problem mit der Pressefreiheit, mit dem Missbrauch der Pressefreiheit durch die freie Presse haben, so kann das Problem nicht Roger Schawinski sein, sondern diejenigen Vertreter der sog. Qualitätspresse, die mit hohem intellektuellen Niveau ihre niedere Gesinnung, die Dritte instrumentalisiert, zu kaschieren versuchen. Auf demjenigen Niveau, welches die NZZ an sich selbst zu stellen pflegt, ist auch dieser Versuch einer Diskreditierung von Daniele Ganser gescheitert.“

Dass der Meister des pro- russischen Framings, Daniele Ganser, mit offenen Armen im anthroposophischen Intrigantenstadel rechnen kann, war zu erwarten. Was für eine Führung aber wünschen sich die Reaktionäre für sich selbst? Jean Cousquer gibt schon mal den Ton vor: „Wir wollen einen Vorstand der mit Gewicht der Wahrhaftigkeit spricht.“ Das bedeutet, übersetzt in Alltagssprache vor allem: „Nicht eine falsche Freiheit durch die man Rudolf Steiner zum Verschwinden bringt und sich als freier Denker und Eigenschöpfer der Anthroposophie darstellt – das wäre eine Lüge“. Die gemeinte „Freiheit“ ist also die, jegliche kritische Beschäftigung mit dem Werk Rudolf Steiners zu unterlassen und zu der Naivität zurück zu kehren, die Worte des Meisters seien sakral und ohne Interpretation wortwörtlich aufzufassen- was die Gesellschaft allerdings auf den Status eines Kultes reduzieren würde. Jegliche eigene Interpretation als „freier Denker“ sei gegen diese „Freiheit“ gerichtet und bringe den Meister „zum Verschwinden“.

Dann wird es noch wirrer - in einer Form, dass eine Zusammenfassung nicht mehr möglich ist -, aber mit dem Grund- Tenor, der „Christus- Impuls“ und der „Michaels- Impuls“ seien durch die bisherige Führung unterdrückt worden, wodurch sich die wahrhaft spirituellen Menschen nicht mehr der Anthroposophischen Gesellschaft anschließen würden, was dann wohl die Überalterung und die Millionen- Defizite erklären soll. Vielleicht wird die bizarre Sicht deutlich: „..die Michael-Impulse all jener anderen großen Persönlichkeiten, die sich, um mit Rudolf Steiner zu arbeiten, um die Jahrhundertwende inkarniert haben, sind vom Vorstand und dem Goetheanum (und den nationalen Gesellschaften?) noch immer ausgeschlossen, sind nicht willkommen: so viele Mitglieder und Nichtmitglieder, aufrichtige Forscher auf dem Gebiet der Anthroposophie, können sich im Goetheanum und in der Anthroposophischen Gesellschaft nicht zu Hause fühlen. Selbst die Fotos Rudolf Steiners sind unsichtbar.“

Ja, alles unsichtbar! Wir wollen unsere Strömung wiederhaben! Ja! „Wo alle Michaelisch-Christlichen Strömungen im Goetheanum und in der AAG zu Hause sind“! Ja! Nochmals: Wie stellen sie sich nun eine neue Führungsstruktur im Hause vor? „Mit einer “Regenbogen”-Leitung - wie sie von Rudolf Steiner gewollt wurde -, in der alle Farben der Anthroposophie und der CHRISTUS-MICHAELS-MENSCHHEIT vertreten sind.“ Ach, so. Danke, Herr Benoît Dusollier. Wir werden darüber nachdenken und melden uns wieder. Bis dahin empfehlen wir ein paar Globuli oder vielleicht auch etwas Stärkeres.

So geht es Artikel für Artikel, Heftchen für Heftchen weiter. Ich habe, muss ich gestehen, etwas den Überblick verloren. Aber es ist offensichtlich ein Wust von Vorwürfen, der sich über die bisherige Leitung und deren Repräsentanten ergießt- auch in Richtung Landesgesellschaften, Funktionäre, unabhängige Geister, selbständige Denker, demokratisch Gesinnte, über den Tellerrand Hinausschauende. Der Ruf nach dem allmächtigen Führer, einem Vertreter für den sakrosankten Meister, ist laut, der identitäre Charakter, der sich gegen die „Internationalisierung“ der Anthroposophie richtet, deutlich. Säuberungen der Ränge, um Ästheten, Demokraten und andere Liberale auszumerzen, sind zu erwarten. Platz soll in dieser Gesellschaft sein für die CHRISTUS-MICHAELS-REGENBOGEN-MENSCHHEIT, und so soll auch ihre Führung gestrickt sein. Wir wollen schöne Festspiele! Wir wollen lila Vorhänge! Wir wollen Populisten und rechtsnationalistische Redner im Goetheanum! Wir wollen Querfront! Wir wollen Anthro- Kitsch und Schweizer Käse! Schluss mit „demokratischen Rechten und Grundsätzen“.

So gehen sie hin, die Obamas der Anthroposophischen Gesellschaft, und machen Platz für die Schreihälse, Intriganten und Populisten. Willkommen im 21. Jahrhundert.

Freischwimmen ohne Führerschein oder: Das Meer in mir

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Nun habe ich Anna- Katharina Dehmelts letzten Newsletter bzgl anthroposophischer Meditationswege (1) gelesen und bin darin wieder einmal über fortschrittliche Anthroposophen, die sich mit Anna- Katharina ausgetauscht haben, gestolpert, die sich mit der Tatsache der Übung auseinander setzen und vielleicht etwas leichtfertig die Mühen des Übens für sich ablehnen, oder auch in den Alltag verschieben- manchmal mit dem Unterton „Ich suche nicht, ich finde“. Es hat etwas von jemandem, der am Strand steht und postuliert: Ich suche das Meer nicht, denn es ist hier irgendwo.

Das stimmt ja auch, es ist wirklich nicht fern, und wir alle sind uns einig, dass Trockenübungen über die Technik der richtigen Schwimmbewegungen auf heißen Steinen nicht unbedingt dem Schwimmen näher bringen.

Es gibt auch zahllose Prediger, die am Strand auf und ab gehen und uns die Welt von der Perspektive des Schwimmers aus erklären. Aber, wie soll man sagen, auch wenn sie viele Leser und Zuhörer haben, wirken sie doch kein bißchen nass. Und ihre Erläuterungen, denen sie Schweiß und Tränen beifügen, ermuntern nicht und erfrischen noch weniger.

Dann gibt es große Gruppen, die eine Kette um einen Anführer bilden und sich tatsächlich in Richtung der Wellen bewegen, mutig geworden, da es im gegenseitigen Halt einen gewissen Schutz vor dem Ertrinken geben soll. Der Guru besprüht die Gruppe mit etwas Wasser aus seinen Händen, und die Gruppe wirkt enthusiasmiert, und weitgehend zufrieden gestellt. Sie stimmen eine hinduistische Hymne über das Schwimmen im Wasser an.

Es gibt auch Verkäufer, die Meerwasser in Flaschen abgefüllt haben, die reißenden Absatz finden. Und viele lesen, haben eine Bibliothek am Strand aufgestellt, über die Kunst des Schwimmens und über die sagenhaften Wasserwesen der Tiefsee. Viele haben Rituale entwickelt, die oft aus der Vorzeit stammen, kullern, oder robben am Strand, bauen Kirchen aus Sand, haben fantastische Kleidung angelegt, und gehen zwei Schritte voran, drei seitwärts, und rollen wieder zurück.

Und andere wiederum überlegen: Warum Schwimmen, wenn man auch denken kann, man sei nass? Warum die Mühen, warum die Selbstüberwindung, warum den Gefahren trotzen?

Die, die im Wasser ihre lockeren Bahnen ziehen, dagegen schweigen, geniessen und wundern sich über das Getöse am Strand. Warum schwimmen? Na, weil es erfrischt. Weil es das natürlichste Element ist. Weil man es im Schlaf kann, im Mutterleib, vor der Geburt, nach dem Tod. Weil es den weiten Horizont bietet, in dem Himmel und Meer ineinander verschmelzen. Weil man die Wellenbewegungen spürt, in denen sich das Meer ausspricht, dessen Sprache man nur sehr dunkel versteht. Weil oben wie unten ist, außen wie innen, Ich wie Nicht- Ich. Weil das Nicht- Ich des Körpers das Ich des Meeres spürt. Weil der Wind in den Haaren spielt. Weil der Glanz der Sonne auf dem spiegelnden Wasser sich mit dem Licht des Bewusstseins mischt. Warum schwimmen? Weil die eigene Kraft der Schwimmzüge sich einbindet in die Strömungen des Meeres, reines Glück des Übereinklangs.

Wie kann man darauf verzichten wollen? Wie kann man es mit Trockenübungen verwechseln? Na ja, natürlich, „Ich suche nicht, ich finde“ ist ein großes Wort. Das Natürlichste, das Meer in mir, war zu Zeiten und über lange Zeiten auch zugleich das Fernste. Und als ich es gefunden hatte, war der erste Gedanke, meine Güte, wird das in jedem Leben so schwierig sein, oder gibt es da einen verdammten Lerneffekt? Die Verwirrungen der Suche - die Verwirrung der Tatsache des Suchens an sich- standen mir vollkommen vor Augen. Aber man vergisst das, wenn man dann schwimmt, so wie der Fernfahrer ans Mittelmeer die lange Fahrt, die Staus und die Toiletten auf der Autobahnraststätte. Spricht sich das Meer in mir aus, ist es, wie zu sich selbst zurück gekehrt zu sein, nach einem Dreiviertel Leben im Exil. Warum war so schwierig? Warum konnte ich mich nicht einfach erinnern? Das Meer war immer da, ich war nur seltsam gestrandet- ein Wal im fremden Element. Oder, besser gedacht, in einem gedachten fremden Element. Gestrandet in einer Autobahnraststätte mit seltsamen Ausbruchsversuchen und voller Weltverbesserungs- und Selbstoptimierungs- Broschüren. Fremd war ich allein.

Was nun den Schlüssel betrifft- das war letztlich eine einzelne Imagination, die keinerlei Besonderheit hatte. In der Wüste der konzentrierten Wachheit ein winziger Quell. Aber, als ich mich dem kleinen Sprudel, der unvermittelt im Boden aufkam, zuwandte, hatte dieses Wasser eine unsagbare, ausströmende Süße, eine Verheißung und einen Trost. Ja, es gibt es, das "Wasser des Lebens". Es war meine blaue Blume. Es ging nicht darum, irgend wohin zu kommen, irgendwie zu werden oder irgendwas zu finden. Es ging darum, sich zu beugen, und diesen Quell zu pflegen. Ganz auf dem Boden, im untersten Grund, an der trockensten Stelle, entsprang das Meer. In der Trockenheit habe ich schwimmen gelernt.

Bademeister, da kommt wieder einer!

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1 http://www.infameditation.de/2018/05/newsletter-fruehsommer-2018/

Revolution 2018

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Die Horstkapelle arbeitete an ihrem Album TAXI EDELWEISS ( We are so proud of our homeland) Leider wurden die Fördergelder aus dem deutschen Heimatministerium gestrichen,so dass die Arbeit nicht zu Ende geführt werden konnte, jedoch gibt es hier den Jingle zu der Single MINDFUCK aus dem Album TAXI EDELWEISS. The Revolution will be televised* HF

Die russische Meta- Mafia und ihre globalen Netzwerke

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Russischer Bär extrem
Nach einigen Tagen Informationssuche über den aktuellen Stand der Crystal Meth-, Fenthanyl-, Heroin- und Kokain- Routen und lokaler neuer Höchststände im Konsum, landete ich auch bei YouTube bei einer Dokumentation des russischen Propaganda- Senders RT, der bei uns immer noch nicht kontrolliert ist. Die Dokumentation beschäftigt sich über mehrere Jahre mit den Opium- Anbaugebieten in Afghanistan und läuft unter dem Titel „Afghan Overdose. Inside opium trade“. (1)

Die russischen Reporter bewegen tatsächlich vor Ort, besuchen Süchtige - die es auch in Afghanistan in steigendem Maße und in kaum vorstellbarem Elend gibt- und Bauern, begleiten diverse Einsatzkommandos und dürfen als Highlight sogar eine echte Schießerei filmen. Vielleicht führte letztere zu über 1,5 Millionen Aufrufen der Dokumentation, obwohl die Schießerei wahrscheinlich ebenso gespielt ist wie die herzergreifende Intervention der hyperaktiven Reporter, die einen Süchtigen, finanziell unterstützt, in eine Entzugsklinik führen. Angeblich erwartet die Frau des Süchtigen gerade ein Kind. Die Intervention geht schief wie so vieles im Film, der Süchtige ist schon am nächsten Tag wieder auf der Straße und fordert neues Geld. Die Reporter bezahlen ihn und Andere, vor allem die Polizei vor Ort, um das Elend ausgiebig filmen zu dürfen. Anschließend geht es ins Hinterland von Kabul, um die Drogenbauern zu filmen, deren Produktion stetig zunimmt, auch wenn die eine oder andere Beschlagnahmung von Feldern öffentlichkeitswirksam gezeigt wird- auch in dieser Dokumentation. Worum es den Russen aber eigentlich geht, ist die jeweilige Nähe von US- und NATO- Militärcamps. Penetrant wird erst das Versagen der Allianz gegen den Opium- Anbau vorgeführt, um dann im späteren Verlauf der angeblichen Dokumentation Taliban- Kronzeugen vorzuführen, die eifrig behaupten, die US- Truppen wären die Organisatoren und Abnehmer der gesamten Heroin- Produktion. Die Botschaft und Absicht der Pseudo- Dokumentation schält sich heraus: Das Elend der Süchtigen, die Protektion der Bauern, die Korruption des Staates und der Militärs. Es wird, so wird deutlich, Zeit, dass moralische Kräfte wie die russische Seite wieder einmal in Afghanistan für Ordnung sorgen.

Nichts könnte falscher und unwahrer sein. Diese Pseudo- Dokumentation soll vielmehr von der Tatsache ablenken, dass die „nördliche Route“ des Heroinhandels bis nach Mitteleuropa (und weiter) nicht nur ganze Länder auf der Route nachhaltig korrumpiert, deren Eliten weite Teile der Gewinne abschöpfen, sondern sehr effektiv von russischen und ukrainischen Mafia- Gruppen kontrolliert und organisiert wird, die nicht nur untereinander - trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen, die der Kreml betreibt- bestens kooperieren, sondern auch unter dem Schutz des russischen Staates stehen. Vladimir Putin selbst war in seiner Petersburger Zeit „liased with the Tambovskaya and Barsukov“ (2), also mit lokalen Vory- Organisationen. Mit seinem Aufstieg hat er einerseits die zu offensichtliche Kooperation von Politikern mit Mafia- Gruppen wie dem Moskauer Bürgermeister Yury Luzhkov in den letzten Jahren (2010) unterbunden, andererseits landesweite Absprachen zwischen den diversen konkurrierenden Gruppierungen, die ja auch bestimmten Ethnien wie den georgischen „Highlandern“ entstammten, befördert. Als Folge davon erscheint der Kreml schon lange als verborgener Puppenspieler, der sich einerseits der kriminellen Organisationen bedient, aber auch von ihnen determiniert wird: „..rather thean being under the control of the criminals, the Kremlin (or at least the security apparatus) is a shadowy puppeteer making the gangs dance on ist strings..“ (3)

Den diversen kriminellen Gruppierungen im Land wird immer wieder deutlich gemacht, dass der Staat die „mächtigste Gang“ darstellt, die - selbst im mörderischen Tschetschenien- eine Art von Frieden durch pure Feuerkraft und nackte, umfassende Gewalt schaffen kann: „The state is once again the biggest gang in town, and local and national political/ administrative figures are stronger than their criminal counterparts“ (4) Putin selbst ist eben nicht in erster Linie politisch der russische Strongman, er ist vor allem der Mann, der die in Ethnien, Regionen und auf Straßengang- Niveau operierende Mafia strukturiert und in den Dienst des Staates gestellt hat - Vladimir Putin ist der Schattenmann, der diesem wilden Tier des sich zerfleischenden organisierten Verbrechens den KGB als strukturierendes Element aufgezwungen hat. Der Preis dafür ist allerdings hoch: Ein vom Kopf bis zum Fuß korrumpiertes System.

„Aber sei´s drum“, würde vielleicht Ex- Kanzler Schröder sagen, „Hauptsache es lohnt sich“. Das tut es. Galeotti breitet in drei umfangreichen Kapiteln die ganze Geschichte der russischen Vory- der sich ehrenvoll gebenden strukturierten russischen Kriminalität mit ihren spezifischen Ritualen und Hierarchien- aus, von den ersten Anfängen im Zuge der Urbanisisierung über das Fraternisieren mit dem kommunistischen System - gerne im Rahmen der gefürchteten Geheimpolizei- bis hin zu den Gulags Stalins. In den im ganzen Land verteilten Arbeitslagern saßen Millionen Sowjetbürger ein, die als Arbeitssklaven die Industrialisierung des Landes voran zu treiben hatten. Das Heer der Aufseher reichte für diese Masse von Gefangenen nicht aus, und zur internen, gewalttätigen Kontrolle waren die einsitzenden Verbrecher gern bereit, zu deren Ehrenkodex es gehörte, selbst niemals, unter gar keinen Umständen, zu arbeiten. Dass sie suki (Schlampen) genannt wurden, war für sie nur die Außensicht, sie selbst sahen sich als die Unbeugsamen, nicht als die Kollaborateure des stalinistischen Systems, die sie faktisch waren. Bis zum Tod Stalins 1953 waren die Gulags von mörderischen internen Kämpfen überzogen, in deren Verlauf sich die Gangs in ihrer Tattoo- Kultur und in ihren Führergestalten, den Paten (vorovskoi mir) ausgestalteten. Die Verbrecherkultur erhielt durch das ausgeprägte, das ganze riesige Land überziehende Lagerleben in den Gulags einen eigenen Kodex, Strukturen, ja sogar den Charakter eines Staates- im -Staat. Es entwickelte sich ein Slang, gewisse Moden und eine individualistische Kultur, die durch nichts zu brechen war. Das alles erklärt die bis heute bestehende Leidenschaft der Russen für diese Subkultur, die nicht nur zum Mythos und zum volkstümlichen Selbstgefühl geworden ist, sondern auch von einer Figur wie Vladimir Putin instrumentalisiert wird, der an den Widerstand der Vory appelliert und sich selbst durch von ihm öffentlich verwendeten Gang- Slang stilisiert. Aber der Mythos lebt.

Aber Putin nutzt nicht nur den Mythos. Er setzt dann auf die heutigen Mafia- Gruppierungen, wenn ihm der Einsatz regulärer russischer Truppen nicht als opportun erscheint. So funktionierte auch die Besetzung der Krim als Joint Venture lokaler Mafia- Truppen, die verkleidet als grüne Männchen, aber mit hochmodernen Sturmgewehren ausgerüstet den Wiederanschluss ans russische Reich durchexerzierten: „Although Crimea was Part of Ukraine, many of the Most lukrative criminal businesses, such as trafficking narcotics and counterfeit or untaxed cigarettes, depended on relationships with the Russian criminal networks. (..) When the Ukrainian began to totter as President Yanukovych struggled with the Maidan protesters, Moscow was able to begin to reach out to potential allies in Crimea through Underground channels..“ (5) So kamen Polizisten und „kleine grüne Männer“ bei diesem Staatsstreich zum Einsatz, wobei diese Männer manchmal Veteranen und Freiwillige, meist aber Fußsoldaten der örtlichen Gangster- Gruppierungen waren. Zum Lohn wurden nach der Besetzung Ländereien und Grundstücke unter Moskauer Regie „versteigert“, die Verwaltung komplett mit korrupten Getreuen besetzt und die „Steuern“ der lokalen Gangstergruppen an den lokalen Häfen gesenkt, so dass sich Schmuggel wieder lohnte. Dieselben Figuren agierten, zwar im Dienste des Kreml, aber auch der Mafia, wie auf der Krim, so im Donbas: „Thus, if in Crimea the arm was to create a new Order, in the Donbas it was as much as anything also to create chaos, even if a Controller, weaponised chaos.“ (6) Die Machtergreifung durch lokale kriminell Netzwerke war ja auch in Tschetschenien ein wesentlicher Teil russischer Kriegsführung, um Kontrolle über die Region zurück zu gewinnen.

Ähnlich wie im Arrangement mit den verbliebenen Oligarchen ist der Preis einer „Befriedung“ und Einverleibung ganzer Regionen durch mafiöse Gruppierungen allerdings hoch: Weder Zivilgesellschaft noch Wirtschaft können in diesem Würgegriff prosperieren, und der Hunger der Blutsauger muss regelmäßig durch vom Kreml organisierte Großveranstaltung und Pseudoprojekte gestillt werden, die in grandioser Weise zu Verschwendung, Korruption und Diebstahl missbraucht werden. Zu solchen Großveranstaltungen gehören z.B. Olympische Spiele (in Sochi sollen um die 15 Milliarden Dollar versickert sein (7)) und aktuell die Fußball- Weltmeisterschaft, aber auch Casinos in allen Teilen des Landes. Selbst die Erschwernisse durch Sanktionen und russische Gegensanktionen nützen der Mafia. So wird im Gegenzug auf der Route des afghanischen Heroins Richtung Mitteleuropa durch dieselben Kuriere französischer Käse importiert, wobei so eine „chesserunner gang“ (8) durch den Käse alleine in sechs Monaten 34 Millionen Dollar Verdienst machte. Staatliche Veterinärämter helfen bei solchen lukrativen Deals, die zudem den anhaltenden Bedarf nach „sery gastronom“ (graue Delikatessen) bedienen. Teilweise ist auch der KGB in Schmuggelaktivitäten in Richtung EU beteiligt, da aus diesen Geschäften die Mittel abgeschöpft werden, die zur Propaganda in Mitteleuropa gebraucht werden- so etwa gewisse Anteile am Schmuggel unverzollter Zigaretten. Man darf vermuten, dass Ähnliches auch für den Heroin- und Crystal-Meth- Handel gilt: Mitteleuropa wird von innen und von außen attackiert, von Propaganda, Bestechung, Drogengeldern und durch die Stärkung der rechten und linken Ränder, aber auch durch die Drogen selbst. Zudem köchelt der Krieg in Syrien immer so viel, um durch Bombardierungen und staatsterroristische Akte Druck auf Europa durch die anhaltende Flut von Flüchtlingen aufzubauen, denn die Destabilisierung der Mitte Europas liegt im Interesse des Kreml und entspricht den subversiven Taktiken Putins.

So hält die Kooperation zwischen Unterwelt und russischer Staatsführung an, die seit den Gulags besteht, an- allerdings unter anderen Vorzeichen. Dass Oligarchen, Kreml, Mafia und KGB die Standbeine eines modernen russischen Staates werden könnten, hatte niemand nach dem Dienstantritt Putins ahnen können- im Gegenteil, die Zähmung der Straßenkämpfe zwischen rivalisierenden Gangstergruppen, der desolaten wirtschaftliche Lage, der Macht der Oligarchen, des Auseinanderfallens des weitläufigen und disparaten Flächenlandes traute man dem KGB- Mann Putin durchaus zu. Aber schon der Fall Bill Browder, des größten ausländischen Investors in dieser Zeit ab der Jahrtausendwende, zeigte (9), dass Putin weniger herrschte als eine Art Waffenstillstand zwischen den Haien und den Bären aushandelte, in deren Mitte er saß, und den größten Happen stets für sich beanspruchte. Dabei war Browder durchaus mit Putin verbunden gewesen wie er schreibt (9): „Man könnte sich fragen, warum Wladimir Putin zuließ, dass ich all das überhaupt tat. Weil unsere Interessen sich eine Zeit lang überschnitten, deswegen tat er es. Bei Putins Amtsantritt als Präsident im Januar 2000 wurde er dem Titel nach zwar Präsident der Russischen Föderation, aber die tatsächliche Macht des Präsidenten hatten Oligarchen, Regionalgouverneure und organisierte Verbrecherbanden an sich gerissen. Putins oberste Priorität war von Anfang an, diesen Männern die Macht wieder zu entreißen und sie wieder dem zurückzugeben, dem sie rechtmäßig gehörte, dem Kreml – oder genauer gesagt sich selbst..“ (10)

Das “Bügeln“ von Ausländern ist heute fester Teil des russischen Sprachkanons. Es funktioniert im Zusammenspiel von KGB, korrupten Steuerbehörden und Gerichten und der Mafia. Im Falle des Milliarden schweren Fonds Bill Browders wurde ihm persönlich die Einreise verweigert, wobei sein Fond zeitgleich wegen angeblich ausstehender Zahlungen beschlagnahmt und vor Gericht einem Mafia- Schläger übertragen wurde, der die Beute dann verteilte. Browders junger Anwalt Magnitsky wurde in Haft genommen, verprügelt, in einem Schauprozess sowjetischer Machart gedemütigt und nach einem Jahr ermordet (11). Der Fall hat kontinuierlich vor Augen geführt, dass Putins Staat durch und durch mafiös strukturiert ist, dass jeder Investor, der sich mit diesem Konglomerat eines Verbrecherstaates einlässt, wissen sollte, was er tut. Der Magnitsky-Act ist kein Akt willkürlicher Sanktionen, sondern eine in der westlichen Welt praktizierte Vorsichtsmaßnahme, um illegitime Geldflüsse aus russischen Quellen im jeweiligen Land zu kontrollieren und ggf. zu unterbinden. Es ist offensichtlich, dass sich die Putin- Administration davon in ihrer Handlungsfähigkeit beeinträchtigt fühlt. Es hat daher schon der Wahl Versuche der Einflussnahme auf die Trump- Administration durch eine KGB- Anwältin gegeben: „The Magnitsky Act returned to the news again in 2017 when it emerged that lawyer Natalia Veselnitskaya – who controversially met with President Donald Trump's son Donald Trump Jr and son-in-law Jared Kushner at Trump Tower in New York on 9 June 2016 to discuss information she claimed she had to the detriment of rival presidential candidate Hillary Clinton – had been long involved in work to see the act repealed.“ (12)

Aber die Frage ist, ob das Monster, das Putin in seinem Mafia- Staat und seinen hybriden Kriegen schuf, nicht längst dem russischen System entwichen und zu einem internationalen globalisierten Biest geworden ist, das Teile der Geldströme der Welt beherrscht und damit durchaus in der Lage ist, Regierungen in fast allen Teilen der Welt zu stürzen. Vladimir Putin bedient zwar bestimmte Vory- Klischees, um sich der kollektiven Empfindungen der Russen zu vergewissern - das Bild von Russland als ein von allen anderen Nationen verstossener unschuldiger Außenseiter, er selbst als einer, der die Sprache der Straße und der Gangster in seinen öffentlichen Auftritten spricht und also einer von ihnen ist, er selbst als einer, der aus einfachsten Verhältnissen stamme und sich hochgekämpft habe (13), ebenso wie er das im Chaos befindliche Gebilde der Verräter des Sowjetreichs wieder zu einem modernen Staat geformt habe. Letzteres ist ja auch nicht unwahr. Das sowjetische System war implodiert und musste neu erfunden werden. Vielleicht verbot sich eine Demokratie im westlichen Stil schon wegen der Vorherrschaft der Profiteure des Chaos, den Oligarchen, aber auch den rivalisierenden Mafia- Banden, die in den 90ern ein Blutbad nach dem anderen anrichteten und ihre Gewaltexzesse auch in viele andere Nationen hineintrugen.

Putin hat nicht nur den Staat neu aufgestellt, sondern durch die Formung, Einigung und Strukturierung der Vory mit Hilfe des KGB ein neues Instrument des Staates selbst aufgebaut, das im Schatten bleibt, aber gleichwohl staatliche Aufgaben erfüllt wie die Ermordung von Journalisten und Systemgegnern, Reformern und Opponenten zu Putin selbst, aber auch die Organisation des dauerhaften Krieges mit der Ukraine, die Einverleibung der Krim und die schmutzigste Mordarbeit in Syrien. Journalisten, die über diese Zusammenhänge berichten, sterben häufig (14).

In den letzten Jahren ist aber eine ganz andere, neue Form der Vory russischen Zuschnitts aufgefallen, die wesentlich smarter auftritt, ja eigentlich als Meta- Mafia, die, wie ein Ermittler es ausdrückte (15), handelt as „the criminals behind the criminals, not controlling them, but selling them everything they need“. Mit dieser Taktik hat eine globale Expansion stattgefunden, die ohne neue digitale Technik nicht möglich wäre, die die digitalen Geldströme per Smartphone in beliebigen Mengen zu leiten in der Lage ist, aber auch logistische Bewegungen globalen Ausmaßes möglich macht. Schwerpunkte sind heute Versicherungsbetrügereien im US- Medicare- System, Kooperation mit latein- amerikanischen Drogensyndikaten, Geldwäsche im Mittelmeerraum, Menschenhandel Richtung Ostasien, Waffenhandel in Afrika, Rohstoff- Schmuggel, Immobilienkauf im globalen Maßstab. Die Vory tritt dabei in Kooperation mit den lokalen Verbrechern auf- vor allem durch Korruption der globalen Geldkreisläufe: Die Rolle der neuen Mafia besteht in „providing financial services to the global underworld. Any criminal needs the ability to move und above all lauter their Profits so that they can use the money they make safely, without law enforcement being able to prove connection to a crime“ (16).

Die Hunderte von Milliarden Dollar aus den globalen Verbrechernetzen werden in Immobilien in London, Sydney, New York und Berlin- Charlottenburg angelegt, blähen den Markt auf, beeinflussen aber auch ganze Volkswirtschaften, und damit die Politik. Es werden einfach gewaltige Mengen investiert, die Banken verdienen, Städte prosperieren, und die Politik verschließt die Augen. Letztlich korrumpiert dieses von Putins globaler Vory reinvestierte Drogen-, Waffen- und Menschenhandel- Geld ganze Volkswirtschaften und politische Systeme. Rechtsradikale Parteien werden offen in Mitteleuropa durch diese Gelder finanziert, Propagandasender wie RT unterhalten, die Londoner City aufgekauft, aber auch Berliner Thinktanks mit ehemaligen SPD- Politikern bestückt. Putin ist seit 2010 dazu übergegangen, die Vory, mit deren Hilfe er zuerst den russischen Staat strukturiert hatte, zum globalen Instrument zu machen. Insofern ist die Überschneidung von Interessen mit dem Trump- Clan nicht gerade überraschend. Die pervertierten globalen Geldströme spülen ohnehin eine neue Elite an die Macht, die sich - wie etwa Roman Abramowitsch- Staatsangehörigkeit einfach kaufen (17) können, ebenso wie Fußballclubs oder was auch immer. Es ist eine Elite, die zunehmend an die Macht drängt. Zumindest über Vladimir Putin wird seit Jahren behauptet, er horte im Ausland Hunderte von Milliarden. Er selbst weist solche Gerüchte zurück: „Das Gerede über große persönliche Reichtümer sei aber "Müll", habe er in Richtung von Journalisten geschimpft. "Sie nehmen alles aus der Nase von irgendjemanden und schmieren es in ihre kleinen Zeitungen.““ (18) Diese Elite ist über nationale Bezüge hinaus gewachsen- ihre Kinder studieren an attraktiven Standorten, wofür z.B. die Flugstrecke Moskau- London ausgelegt ist: Als täglicher Schulweg.

Die Vory haben in kürzester Zeit als Meta- Mafia ein globales Netzwerk angelegt. Es ist keine echte Expansion- es ist eine Infiltration des Handels und Bankwesens. Trotz der nachgewiesenen Funktion einer Großbank wie der HSBC in der Finanzierung des globalen Drogenhandels (19) scheint das Problem im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht recht anzukommen. Dass die Vory in die globalen Märkte eingesickert sind, sich Politik und Medien im Sinne ihres Dienstherrn Vladimir Putin kaufen, dürfte ein wesentlicher Grund für den Aufstieg des Trump- Clans und das Wanken der Europäischen Union sein. Der Magnitsky- Act, den immer mehr Nationen verabschieden und der mit Sanktionen gegen Vertreter der Oligarchen und Vory verbunden sind, kann nur ein erster Schritt sein, um die verbrecherischen Geldströme wieder unter Kontrolle zu bringen. Das für ganze Volkswirtschaften schmerzliche Verzichten auf den Zustrom illegitimer Gelder wird ein schwieriger Akt werden. Mark Galeotti fragt sich in seinem Resümee auch, ob Putin die globalisierte Vory mit den aus ihr entspringenden neuen Eliten wirklich unter Kontrolle halten kann. Sie könnten sich letztlich auch gegen ihn wenden oder ganz andere Interessen verfolgen. Es ist nur unwahrscheinlich, dass das jemals demokratische, liberale und kooperative Ziele sein werden, ob mit Putin oder ohne ihn.

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1 https://youtu.be/6psfGxfc4lg
2 Mark Galeotti, The Vory. Russia´s Super Mafia, New Haven and London 2018, S. 211
3 Galeotti, S. 210
4 Galeotti, S. 239
5 Galeotti, S. 245f
6 Galeotti, S. 249
7 Galeotti, S. 234
8 Galeotti, S. 232
9 Ausführliche Darstellung des Falles bei den Egoisten: https://egoistenblog.blogspot.com/2016/10/ein-ganz-gewohnlicher-russischer-mord.html„EIN GANZ GEWÖHNLICHER RUSSISCHER MORD“
10 Aus Bill Browders „Red Notice“ https://www.theguardian.com/books/2015/mar/26/red-notice-how-i-became-putin-no-1-enemy-bill-browder-review
11 In diesem Punkt unterscheiden sich die Darstellungen bei Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Sergei_Leonidowitsch_Magnitski und bei Browder. Wikipedia verlässt sich offenbar auf die Ergebnisse der Obduktion, Browder spricht von Totschlag durch Gefängniswärter.
12 https://www.independent.co.uk/news/world/americas/us-politics/magnitsky-act-bill-browder-arrest-spain-vladimir-putin-russia-kremlin-a8375766.html
13 In der Markus- Lanz- Reportage „Russland“ https://youtu.be/4sKZN02ZOcg wissen ehemalige Petersburger Nachbarn nichts von diesen „einfachsten Verhältnissen“
14 „In einem seiner letzten Artikel befasste sich Maxim Borodin mit Beerdigungen. Der 32 Jahre alte Journalist, der für das Jekaterinburger Nachrichtenportal „Nowyj Djen“ (Neuer Tag) schrieb, berichtete Mitte März, dass in der Stadt Asbest im Swerdlowsker Gebiet die Leichname zweier Männer ihren Verwandten übergeben worden seien. Die beiden seien „Veteranen des Donbass“, des Krieges in der Ostukraine, und zuletzt Kämpfer des privaten Militärunternehmens „Wagner“ gewesen. Borodin brachte den Tod der Männer in Zusammenhang mit Berichten über Dutzende oder gar einige Hundert russische Söldner, die am 7.Februar bei einem amerikanischen Angriff auf Kräfte des Assad-Regimes nahe der syrischen Stadt Deir ez-Zor ums Leben gekommen seien“ in: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/weshalb-der-russische-journalist-maxim-borodin-sterben-musste-15545113.html
15 Galeotti, S. 195
16 Galeotti, S. 196
17 https://www.welt.de/wirtschaft/article176795779/Roman-Abramowitsch-Russischer-Milliardaer-ist-jetzt-Israeli.html
18 http://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/200-milliarden-dollar-vermoegen-wie-reich-ist-putin-wirklich-a-1018696-3.html
19 http://www.spiegel.de/wirtschaft/grossbank-hsbc-soll-geldwaesche-betrieben-haben-a-845158.html

Was ist so schwer, dass ich es nicht ändern kann?

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Anmerkungen zur Aufarbeitung der Folgen der Generalversammlung der AAG 2018 an Hand des 4. Briefes an die Mitglieder. 
 
Bernhard Albrecht Hartmann


http://www.goetheanum.org/aag/generalversammlung-2018/vierter-brief-an-die-mitglieder-mitte-juni-2018/

Auf das erste Lesen hin vermittelt dieser Mitgliederbrief ein erhebliches Tätig-Sein der Verantwortlichen hinter den Kulissen. Anscheinend hat die Goetheanum-Leitung nach dem so nicht erwarteten Ausgang der Generalversammlung eine Betriebsberater-Firma aufgeboten, in der alle internen Abläufe einer genauen Überprüfung unterzogen wurden, um organisatorische Lecks und systemische blinde Flecken aufzuspüren. Das lässt den Eindruck aufkommen: wir als Goetheanum-Leitung nehmen euch - die Mitglieder - ernst und wollen alles tun, um die beanstandeten Mängel an Transparenz in der Kommunikation zu beheben. Und in der Tat scheint sich einiges zu ändern innerhalb der internen Abläufe der Zusammenarbeit am Goetheanum – d.h. der aktuellen Kenntnis von einander, was die Mitarbeiter und die Goetheanum-Leitung wechselseitig jeweils tun. Dies betrifft auch die sachbezogenen Verantwortlichkeiten, die deutlich an Kontur hinzugewinnen. Es entstehen transparentere Strukturen, Strukturen, die Sicherheit vermitteln und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen sich bestreben. So die Ansage.


Erstaunen stellt sich bei mir allerdings ein, wenn ich in diesem Brief an die Mitglieder lese, „dass dem Vorstand insbesondere die Pflege der inzwischen zu einer Weltgesellschaft angewachsenen Anthroposophischen Gesellschaft obliegt.“
Weltgesellschaft: Ist dies nicht ein Zustand der AAG, der so schon mindestens ein halbes Jahrhundert besteht? Warum also sieht sich die Goetheanum-Leitung jetzt veranlasst, ein besonderes Auge gerade darauf zu lenken?
Und Pflege: Hat nicht Rudolf Steiner die Pflege der Anthroposophie als die herausragende Aufgabe der Mitglieder und des Vorstandes der AAG bezeichnet? Warum also gerade nach dieser Generalversammlung beinahe schlagwortartig wieder die Hinwendung auf diese Aufgabe? 


Versuche ich mich ein wenig an die Geschehnisse hinter den Kulissen der gegenwärtigen um Neuordnung bemühten Vorgänge am Goetheanum lauschend heranzutasten, dann wird in mir die eine Frage immer lauter: Wird hier das Scheitern in Bezug auf die individuelle Verantwortung, die Pflege der Anthroposophie wirkkräftig ins Leben hinein zu tragen, nicht erneut verschleiernd behandelt? Und dies gerade anlässlich des Umstandes, dass bei dieser Generalversammlung die Rehabilitierung von Ita Wegmann und Elisabeth Vreede anstand.
Wird im Nachgang dieser Generalversammlung - und der verbreitet erschrocken in sich und um sich herum zur Kenntnis zu nehmenden Gedanken und Emotionen - etwa wieder einmal Geschäftigkeit zu sehr in den Vordergrund gespielt und damit möglicherweise Wesentliches nicht gesehen? 

Denn andernfalls: Hätte der Mitgliederbrief dann nicht noch mehr Offenheit in der Kommunikation vertragen, hätte die Augenhöhe zu den Mitgliedern an Stelle des "wir bringen das schon wieder in Ordnung" nicht tiefer greifend die individuelle Verantwortung des Einzelnen wie der Gemeinschaft als Ganzes für das Scheitern benennen müssen?
 

Das Bewusstsein für den inneren lebendigen Ausdruck im gesprochenen Wort - seine individuelle Lebensgebärde - anstelle des sich Verbergens hinter dem „Wir“ ist in den letzten 50 Jahren unter den Mitgliedern erheblich angewachsen, und damit auch die Mitverantwortung. Dies hier so deutlich anzumerken fällt mir alles andere als leicht.
Dieses Scheitern nicht klarer zu benennen, ist in meinen Augen nämlich das grösste Manko, warum die verschiedenen Krisensituationen in der Geschichte der AAG bis heute im Untergrund weiter schwären und von Zeit zu Zeit sich immer wieder einmal auf die eine oder andere Weise neu entzünden. Es geht und ging bei all diesen Vorkommnissen letztlich immer um das Eingeständnis der individuellen Verantwortung einer jeden der miteinander im Konflikt sich befindenden Personen, ganz gleich, auf welcher Seite im Konfliktfeld diese Person auch steht oder stand. 

Es geht darum: inwieweit habe ich der Pflege der Anthroposophie meinerseits nicht genügend Rechnung tragen können? Habe ich anderen möglichen Sichtweisen in inneren Erwägungen zur Sache genügend Raum eingeräumt? Oder habe ich etwa die andere Seite stillschweigend für aus meiner Sicht bestehende Mängel allzu schnell in Haftung genommen, ohne offen den Mut aufzubringen, für eigenes Versagen einzustehen?
 

Warum dies: Weil der so geartete michaelische Mut, auf eigene blinde Flecken hinzuschauen, in seiner Folge Bilde-Kräfte freisetzt, die in Selbsterkenntnis-Prozessen gleichsam kompostiertes Seelen-Material still in ein Verhalten umzuwandeln weiss, auf dessen Grundlage im weiteren Verlauf dann von Fall zu Fall Lösungen für ein miteinander Weitergehen zu finden sind. Dass in dieser Hinsicht andere spirituelle Bestrebungen heute mitunter fortgeschrittener agieren, als dies bei nicht wenigen Anlässen innerhalb der AAG geschieht - auch ein Eingeständnis in dieser Richtung -, könnte angesichts der Vorkommnisse um die diesjährige Generalversammlung am Ende einen Kraftzuwachs für die weitere Arbeit innerhalb der AAG nach sich ziehen. Zumindest könnte das Hinblicken darauf eigene dogmatische Festlegungen sichtbarer werden lassen und damit ihrer zeitnotwendigen Auflösung zuführen.
Radikales Aufwachen also aus einer Vielzahl unter dem Deckel gehaltener Illusionen. Mit Goethe gesagt: „Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.“ 

Im Sinne Rudolf Steiners gesagt: nicht die Verwaltung des „Kulturerbes“, sprich des hinterlassenen Wortschaffens, ist die Aufgabe unter „Hochschulperspektive“, sondern der Erwerb einer in sich dynamischen michaelischen Haltung, welche für Mitglieder und Leitung im Sprechen zueinander erfahrbar werden kann. Also ins Leben gebrachte Anthroposophie. Die mittlerweile vergleichsweise wie automatisierte Sukzession auf Rudolf Steiner wäre also zu hinterfragen.
Und: Diese Anthroposophische Gesellschaft kann ihr Fortleben nur insoweit immer neu begründen und daraus Mehrwert schöpfen - sprich: weiterhin finanzielle Mittel für sich in einem genügenden Umfang sicherstellen -, als sie in ihren Mitgliedern und insbesondere in ihrer Leitung sich auf ein individuelles, im jeweiligen Lebensaugenblick zu gründendes Verwirklichen der Pflege der Anthroposophie zu stützen weiss. Mithin: alles Vorstellen über Anthroposophie ist zu verbrennen. Wenn Krisen zukünftig vorausgreifend gegriffen und bewältigt werden wollen, dann geht es um ein tätiges Hervorbringen von Anthroposophie im jeweiligen Lebensaugenblick.

Was bedeutet das: Sprechen und Denken in der Gegenwärtigkeit der Schwelle zur geistigen Welt. 

Denn was Rudolf Steiner als Schwelle benannte und beschrieb, das ist unter mittlerweile nicht wenigen jüngeren Menschen unmittelbares Empfinden und Erfahren. Wer lauschend genauer hinschauen will, der erfährt es unmittelbar. Auf der Stirne einander sich begegnender Menschen steht wechselseitig heute vermehrt geschrieben: Erkenne Dich selbst. Und wo das nicht „beherzigt“ wird, dort kann es immer weniger zu tatsächlich menschlichen Begegnungen kommen, und krisenhafte Konflikte bauen sich unvermeidbar auf.
Die seelische Beobachtung ist heute als sozialgestalterisches Element gefragt. Aber genau diese von Rudolf Steiner seiner Philosophie der Freiheit zugrunde gelegte Methode ist vielleicht die am wenigsten geübte in der Pflege anthroposophischen Lebens.
Angewandt auf die verschiedenen vergangenen und gegenwärtigen Konfliktfelder kann sie deutlich machen, dass sämtliche Konflikte ein grundlegendes Muster in sich tragen. Sie sind, bei aller Verschiedenheit in der Ausgangslage, Produkte dual ausgerichteter Sichtweisen, einer mehr oder weniger weit und tief reichenden Vorstellungsverhaftung im Umgang von Mensch zu Mensch.
Vorstellungen aber - werden sie nicht beständig reflektiert immer wieder einer von innen her tätig zu bildenden Erneuerung unterzogen - haben es so an sich, zu Barrieren vor der Schwelle zu werden und ein begleitendes Empfinden zu verstärken: „Wir sind noch nicht so weit, die Schwelle zum unmittelbaren Erfahren des Geistes zu überschreiten.“ Sie verführen, je länger sie unverändert sich erhalten können, zu Schläfrigkeit und Mutlosigkeit, anstatt einer michaelischen Wachheit für den anthroposophisch zu gestaltenden Lebensaugenblick zum Durchbruch zu verhelfen. Und sie verleiten von dort her voraussehbar zu Kampfverhalten um die Oberhoheit der jeweils eigenen allein für richtig gehaltenen Vorstellungsperspektive.

Wer das bei sich nicht zu ändern weiss, „den bestraft das Leben.“


© Bernhard Albrecht Hartmann
 

Weitere Beiträge zum Thema:
https://ich-quelle.blogspot.com/2018/03/einige-anmerkungen-zur-aussprache-der.html
https://ich-quelle.blogspot.com/2018/04/nachlese-zur-generalversammlung-der.html
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Bobby: Die Stunde der Geier

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Geier warten auf ihr Totenmahl
Ein Kommentator, er nennt sich Florian Geier, zu Michaels Eggerts Beitrag "Die russische Meta- Mafia und ihre globalen Netzwerke":

"…Eggert reitet voll auf der Atlantikbrücken political correctness. Der ist entweder völlig verblendet oder wird dafür bezahlt, sowas zu schreiben. Voll im Sinne der Reeducation und Mind control (Gehirnwäsche)…"

Geier haben schon immer ein besonderes Vergnügen daran entwickelt, auf den letzten Resten verstorbener Menschlichkeit herumzupicken. Sie warten voller Sehnsucht auf ihr Totenmahl. Ein schauriges Schauspiel der absurden Propagandasprüche und amerika - feindlichen Verschwörungsspinnereien, das hier im Blog kommentarlos und widerspruchslos hingenommen wird.

Das gilt aber auch für die propagandistische Machenschaften und ganz "persönliche Aktionen" des Ultra-Querfrontlers "Karl M." der hier werkelt hinter den Pseudonymen der ehrenwerten Herrschaften "Anonym" und "Rudolf", die "die anthroposophische Szene seit Jahren mit Querfront-Material überziehen", so Michael Eggert in seinem Kommentar zu Rudolfs "Meine ganz persönliche "Aktion Syrien"". Die Hintergründe des Syrientrips Herr Rudolfs wurden im Kommentarbereich des Artikels offengelegt und zeigen seine Verbindungen zu den dunkelsten Netzwerken der Putin- Mafia. Auch im Zusammenhang seines aktuellen Kommentares an dieser Stelle gibt der Sowjet- "gebügelte" Netzwerker "Anonym/Rudolf/Karl M." mal wieder eine Kostprobe seiner bösartigen Verdrehungen und Verzerrungen des russischen Sprachkanons.

Nicht nur durch die Propaganda-Aktionen von Herr Rudolf wird eine Bühne des Putin-Appeasements bereitet. Ein Podium der Verharmlosung, Relativierung und Verschleierung gibt es auch für die Identitären der Neuen Rechten. Besonders auffällig sind hier die unkritische und merkwürdig einfühlsame, milde Darstellung des Milieus dieses Personenkreises (Caroline Sommerfeld, Martin Semlitsch, der Neo-Faschismus von Alexander Dugin). Der Anspruch lautet: Man solle, notabene unter Hinweis auf Rudolf Steiner-Zitate, ausgehend von einer angeblich vorhandenen Ansichtstreue der Beobachtung ihrer erlebten Wirklichkeit der Propaganda, ohne negative "Vorurteile" auf Augenhöhe "mit Rechten reden". Die daraus abgeleitete inhaltliche Gleichberechtigung der Sichtweisen offensichtlich neurechter "Wahrheitsfindung", dürfte absurder kaum vorstellbar sein. Die Identitären der neuen Rechten wollen kein Mitreden, sondern die Sprache der autoritären Erlösungsangebote (Martin Sellner). Nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party (Götz Kubitschek). Ihre politischen Gegner werden als "Läuse" bezeichnet (Martin Semlitsch).


Ähnlich sieht es der Historiker Volker Weiß  in seinem sehr aufschlussreichen Aufsatz "Debatte oder Protest: Wie weiter gegen rechts?" und stellt der Sinn solcher Diskussionen nicht nur ausdrücklich in Frage, sondern geht weit darüber hinaus und warnt eindringlich vor den Propagandaschlachten mit den Menschenverächter:

"Mit Rechten reden"… man müsse sie nur an bestimmte diskursive Regeln gewöhnen, im gepflegten bürgerlichen Diskurs ließe sich schließlich noch jeder Dissens normalisieren um sie zu stellen und ihre Positionen argumentativ zu entkräften… 

…Das aber ist eine fatale Fehleinschätzung, denn das intellektuelle Zentrum der Neuen Rechten, das Milieu des von Kubitschek geleiteten Antaios-Verlages, hat gar kein Interesse an einer Annäherung durch inhaltliche Auseinandersetzung, sondern verachtet die Debatte grundsätzlich: "Die Diskussion ist die Visitenkarte, mit der der Tod reist, wenn er inkognito geht"… Rechten durch den Nachweis ihrer Unlogik beizukommen, läuft ins Leere, da sie nicht an einer kohärenten Argumentation interessiert sind… Jede Aufnahme einer Debatte durch diese Rechte ist somit rein instrumenteller Natur. In der Antaios-Zeitschrift "Sezession" ist nachzulesen, wie sehr man sich historisch den Verfechtern der Diktatur verpflichtet fühlt. Statt der Debatte und des Austauschs von Argumenten pflegt man einen autoritären Kult um "Tat und Entscheidung",… das Bürgertum  als "diskutierende Klasse", die schleunigst zum Schweigen gebracht werden müsse. Schon Carl Schmitt formulierte in eben diesem Geiste während der Weimarer Krisenjahre die staatsrechtlichen Grundlagen für die Diktatur. Ziel beider war das Ende der Debatte. Für diese Denkschule ist "das ewige Gespräch" der Liberalen eine Vorstellung von "grausamer Komik". Daher hat Schmitt in der "Politischen Theologie" den Diskurs als das eigentlich zu Überwindende bestimmt. Was dagegen "die gegenrevolutionäre Staatsphilosophie auszeichnet", schreibt Schmitt, sei "das Bewusstsein, dass die Zeit eine Entscheidung verlangt"…

…"In den jüngst bekannt gewordenen Richtlinien des Troll-Netzwerkes "Reconquista Germanica" ist zu lesen: Es "geht nicht darum, wer Recht hat, sondern wer vom Publikum Recht erhält." Erlaubt ist in der Anonymität alles: Persönliche Beleidigungen, Lügen, gefälschte Pornographie, Drohungen gegen die Familie. Diese aggressive Strategie folgt dem Vorbild der US-amerikanischen Altright, zu der man im Hause Antaios gute Kontakte pflegt. Zum Netzwerk von "Reconquista Germanica" zählt auch der Antaios-Autor Martin Sellner. Der Österreicher hat die Anleitungen von "Reconquista Germanica" selbst empfohlen. Er ist ein enger Mitstreiter Kubitscheks und Kopf der "Identitären", der seine politischen Lehrjahre in der harten Neonazi-Szene absolvierte…"

…Gewachsen ist diese Neue Rechte, die in erheblichem Umfang noch immer die alte ist, somit weniger an ihren Gegnern als an deren Gesprächsangeboten, die sie erst zu akzeptablen Partnern machten. Gewachsen ist sie auch an den unzähligen Reportern, die zu Kubitscheks "Rittergut" Schnellroda pilgerten und sich fasziniert den Ziegenstall zeigen ließen…"

(Auszugsweise aus: »Blätter für deutsche und internationale Politik« 6/2018, Seite 41-44)
https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2018/juni/debatte-oder-protest-wie-weiter-gegen-rechts

Volker Weiß setzt Maßstäbe in der Forschung zur Geschichte und Gegenwart der extremen Rechten- nicht nur in Deutschland. Zuletzt in seiner Schrift "Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes" zeigt er die brisante Entwicklung des neuen rechten Denkens schonungslos auf.

Verschwörungsideologien und Verschwörungsmythen der extremistischen Machart finden sich mittlerweile täglich auch im Umfeld eines sich als anthroposophisch bezeichnende Bürgertums. Vier Verschwörungsideologen hatten auf Einladung vom Paracelsus-Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft in Basel in März dieses Jahres die Welt als ein von geheimen Mächten gesteuertes Marionettentheater erklärt. Für Daniele Ganser, Elias Davidsson, Thomas Meyer und Ken Jebsen von KenFM werden Terroranschläge von Geheimdiensten organisiert, lügen die Medien und ist alles anders als es scheint. In der Schweizer Tagespresse heißt es dazu: Verschwörungstheoretiker kapern die anthroposophische Bewegung. Von anthroposophischer Seite blieb eine Klarstellung aus.

Nach Meinung der Basler Verschwörungsmystiker kann heute, seit der Ermordung vor beinahe 60 Jahren des UNO-Generalsekretärs Dag Hammarskjöld, kein bedeutender und integrer Politiker mehr gefunden werden. Bis auf einem natürlich, in Russland, "der ja sehr dämonisiert ist heute." Putin-Versteher Thomas Meyer, seine Zuneigung für den Mythos des Zaren im Kreml, mitsamt seiner Verbrecher-Banden der Blutsauger der russischen Mafia, scheint bedingungslos zu sein. Die okkulte Gefangenschaft  des Perseus-Verlegers führt zu den seltsamsten Blüten scheinesoterischen Glaubens, Verdrehungen und Lügen. Thomas Meyer, das Musterbeispiel schlechthin eines vom Kreml "gebügelten" Anthroposophen. Der Irrglauben seiner Sektenanhänger, dazu gehören auch die Mitvortragenden der Basler Veranstaltung, scheint ebenso bedingungslos zu sein.

Mit etwas Verspätung gab es nun, nach dieser Tagung der Baseler Verschwörungsideologen, unter Beteiligung der Zeitschrift Info3, ein Treffen von einigen Vertretern der anthroposophischen Bewegung, die mit ihren individuellen Stellungnahmen das Verbreiten von Verschwörungsgedanken nicht unwidersprochen lassen wollten:

"…Im anthroposophischen Umfeld begegne ich immer wieder Vertretern der krudesten Ideologien: Holocaustleugnung, Theorien der Verschwörung durch Juden, Jesuiten, Bilderberger oder Freimaurer, spirituell verbrämte Deutschtümelei… Gemeinsamer Nenner solchen Denkens ist die faszinierte Fixierung auf "das Böse" und sein Wirken in der Welt sowie die Auffassung des Weltgeschehens als einem von einer kleinen Gruppe manipulierten Marionettentheater. Und dies ausgerechnet im Kontext der Anthroposophie, die wesentlich der Entwicklung des freien Individuums und des selbstständigen Denkens gewidmet ist!…  Für die verbohrten bis fanatischen Vertreter solch unsauberen, unredlichen und unanständigen Denkens und ihre suggestiven Methoden schäme ich mich vor der Welt. Mit diesen "terribles simplificateurs" will ich nichts zu tun haben. 

(Dr. David Marc Hoffmann, Rudolf Steiner Archiv)

"…Verschwörungstheoretische Weltbilder aber wirken sich verheerend aus, weil sie die fatalistische Grundstimmung verbreiten: Ich bin das blinde Opfer von okkulten Strippenziehern, nichts ist, wie es scheint, aber wenn ich das erst einmal durchschaut habe, passt plötzlich alles wunderbar einfach zusammen… Ein apokalyptisches Grundgruseln, das die Komplexität der Welt auf die Machenschaften verborgener Mächte reduziert.
(Henning Kullak-Ublick, Vorstand im Bund der Freien Waldorfschulen)

"Indes erstaunt es – und erstaunt dann auch wieder nicht –, dass es im Umkreis der anthroposophischen Bewegung eine überraschend große Zahl an Interessenten gibt, die unkritisch die neuesten verschwörungsideologischen Versatzstücke aufnehmen und dann im Gestus des arrivierten Besserwissers weitergeben… Und einmal ehrlich: Warum soll man sich denn auch der Mühe des abwägend-diskursiven Denkens unterziehen, wenn es so verlockende Angebote gibt, die dazu verhelfen, alte Feindbilder zu nähren, die ein simples Schwarz-Weiß-Denken befördern und die einem dann noch wirklich große Männer wie Herrn Putin präsentieren, der als friedliebender Europäer hingestellt wird?"
(Prof. Dr. Volker Frielingsdorf, Historiker, Alanus Hochschule)

"Was im 20. Jahrhundert die Ideologie war, das ist heute die „Stimmung“. Aus einer erstaunlich konstanten Gefühlslage wird über die Welt gedacht, empfunden und gehandelt – an die Stelle von Frage und Zweifel tritt etwas Absolutes: die empörte Grundstimmung."
(Wolfgang Held, Goetheanum)

Der Anthroposophie geht es um die Überwindung dieses einengenden Materialismus. Sie steht für einen mehrdimensionalen, holistisch-phänomenologischen Ansatz und schließt monokausale Erklärungsmuster aus. Demgegenüber bieten Verschwörungstheorien in grober Vereinfachung Welterklärungsangebote, die mit simplen Polarisierungen arbeiten und zudem oft spirituell aufgeladen sind. Anstelle eines materialistischen Reduktionismus tritt ein spiritualistischer Reduktionismus.
(Prof. Dr. Jost Schieren, Alanus Hochschule)

"Leider greifen manche Anthroposophen aber auch Vorstellungen einer von hintergründigen Strippenziehern geprägten Welt leichtfertig auf und beteiligen sich am Streuen von Gerüchten über einen gezielten „Bevölkerungsaustausch“ oder geheimdienstliche Attentate. Solche Verschwörungstheorien vergiften das soziale Klima und bieten neo-autoritärem Populismus jeglicher Spielart einen Nährboden… Anthroposophische Plattformen wie das Online-Medium "Ein Nachrichtenblatt" oder das Magazin "Der Europäer" verbreiten (nicht selten verbunden mit neo-nationalistischen Einschlägen) Misstrauen anstelle differenzierter Kritik und schüren Manipulierungs-Ängste anstelle des Vertrauens in die rechtsstaatlichen Strukturen demokratischer Gesellschaften."
(Dr. Jens Heisterkamp, Zeitschrift Info3)…"

Zitatauszüge aus folgenden Quellen:
https://www.info3-magazin.de/die-offene-anthroposophie-und-ihre-gegner-eine-stellungnahme/
https://www.info3-magazin.de/die-offene-anthroposophie-und-ihre-gegner/

Überfällige Stellungnahmen sind es, es geht dabei mit Sicherheit auch um den Druck der Öffentlichkeit und dadurch indirekt um die Weiterexistenz anthroposophischer Institutionen, die durch die krudesten Ideologien aus dem eigenen Umfeld gefährdet sein dürften. Hoffnungsvoll stimmen aber die sehr erfreulich deutlichen und unmissverständlichen Positionierungen der zitierten Verantwortungsträger anthroposophischen Wirkens. Erfahrungstatsache bleibt aber: Die Rache des geballten anthroposophischen Wutbürgertums an "denen da oben" wird nicht lange auf sich warten lassen. Es stellt sich die Frage, was sich durchsetzt; ob die Vertreter der anthroposophischen Bewegung im Umkreis der Zeitschrift Info3 das Stehvermögen haben werden, die Stürme der Entrüstung auszuhalten, und/oder ob sie Opfer der Zensur der eigenen Anhängerschaft sein werden, die durchaus im Einklang gesehen werden kann mit den Identitären der Neuen Rechten. Sie beinhaltet die Verachtung und Eliminierung der Diskussion, wenn sie abweicht von den Dogmen der eigenen Weltanschauung von der Ungleichwertigkeit von Menschengruppen. Im Sinne einer Orbanisierung und Putinisierung der Gesellschaft, vor allem aber im Sinne des Exits eines freien Geisteslebens. Auch hier gilt:

"Die Diskussion ist die Visitenkarte, mit der der Tod reist, wenn er inkognito geht".

Die Geier werden sich mit Wonne darüber hermachen.


Abschließend noch einen Kommentar der "Geierschen Art":

"Die GLS-Bank ist längst nicht mehr antroposophisch, und ihr Vorstand setzt sich aus Freimaurern und Jesuiten der schlimmsten Art zusammen. Einer der Vorstände ist gerade aus dem Vorstand der allgemeinen antroposophischen Gesellschaft geflogen. Wer weiß, ob die nicht auch bei den pädophilen Satanisten mitmachen? Würd mich nicht wundern…"

Der Kommentator Geier spricht wohl für sich und scheint so seine eigene, einschlägige Erfahrungen zu haben mit Freimaurern, Jesuiten und pädophilen Satanisten. Paul Mackay, bis 2012 Aufsichtsratsvorsitzender der GLS-Bank, dürfte aber das Zielobjekt seiner satanischen Verschwörungs-Einflüsterungen sein. Aber er hat recht, am 24. März 2018 stimmte die Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, nein, es sollte korrekterweise gesagt werden, das populistische Stimmvieh des Ganser- und Meyer-affinen Online-Mediums "Ein Nachrichtenblatt", in einer Karikatur eines demokratischen Wahlverfahrens, darüber ab, dass das Vorstandsamt von Mackay am Goetheanum nicht um sieben weitere Jahre verlängert werden sollte.

Obiger Kommentar erfolgte zum Artikel "GLS-Bank kündigt AfD-naher Erasmus-Stiftung das Konto – steckt die asozialistische "taz" dahinter?" Veröffentlicht bei "Journalistenwatch", eine populistische Webseite selbsternannter Vorkämpfer für eine stramm rechte Political Correctness, dazu eine einflussreiche Plattform der Neuen Rechten, am tiefbraunen rechtsäußeren Rand des Internets im Dunstkreis der AfD. Webseite, Artikel, Kommentar und Kommentator sprechen für sich und sind eine passende Illustration zum Inhalt meiner Ausführungen. Geier ist, nach eigener Angabe, Bauer. Demeter-Landwirt, wohl zu verstehen.

Bio aus brauner Erde? Nein danke!

Verweigerung der Gesprächsverweigerung

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Eine Replik (nicht nur) in eigener Sache

Ingrid Haselberger

Der Kommentator und Autor, der sich hier „bobby“ nennt, mokiert sich in seinem jüngsten Artikel Die Stunde der Geier darüber, daß ich hier in diesem Blog angeblich »eine Bühne des Putin-Appeasements« bereite, und schreibt weiter:

»Ein Podium der Verharmlosung, Relativierung und Verschleierung gibt es auch für die Identitären der Neuen Rechten. Besonders auffällig sind hier die unkritische und merkwürdig einfühlsame, milde Darstellung des Milieus dieses Personenkreises (Caroline Sommerfeld, Martin Semlitsch, der Neo-Faschismus von Alexander Dugin). Der Anspruch lautet: Man solle, notabene unter Hinweis auf Rudolf Steiner-Zitate, ausgehend von einer angeblich vorhandenen Ansichtstreue der Beobachtung ihrer erlebten Wirklichkeit der Propaganda, ohne negative "Vorurteile" auf Augenhöhe "mit Rechten reden". Die daraus abgeleitete inhaltliche Gleichberechtigung der Sichtweisen offensichtlich neurechter "Wahrheitsfindung", dürfte absurder kaum vorstellbar sein. Die Identitären der neuen Rechten wollen kein Mitreden, sondern die Sprache der autoritären Erlösungsangebote (Martin Sellner). Nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party (Götz Kubitschek). Ihre politischen Gegner werden als "Läuse" bezeichnet (Martin Semlitsch).«

„bobby“ bezieht sich damit offensichtlich auf einige meiner in letzter Zeit hier im Blog erschienenen Aufsätze. 1)
Und er unterstellt mir also, ich würde »inhaltliche Gleichberechtigung der Sichtweisen offensichtlich neurechter "Wahrheitsfindung"« propagieren.

Das ist eine grobe Fehleinschätzung und zeigt, daß er nicht nur mich, sondern auch Rudolf Steiner mißversteht, der dem von mir wiederholt Zitierten (GA 45):

»Jede Ansicht kann eine wahre sein, wenn sie treu das Beobachtete wiedergibt.
Und sie ist erst dann widerlegt, wenn nachgewiesen ist, daß ihr eine andere
berechtigterweise widersprechen darf, welche von demselben Gesichtspunkte
aus gegeben ist. Ein Unterschied hingegen von einer Ansicht, die von einem
anderen Gesichtspunkt aus gegeben ist, besagt in der Regel nichts.«


 ausdrücklich anfügt: 
»Wer diese Sache so faßt, der ist gegen den leichtwiegenden Einwand geschützt, daß jede Meinung bei solcher Auffassung gerechtfertigt erscheinen müsse. So wie das Bild eines Baumes eine ganz bestimmte Gestalt haben muß von Einem Gesichtspunkte aus, so muß auch eine geistige Ansicht von Einem Gesichtspunkte aus eine solche haben. Doch aber ist klar, daß man einen Fehler in der Ansicht erst nachweisen kann, wenn man sich über den Gesichtspunkt klar ist, von welchem aus sie gegeben ist.«

Zur Untermauerung seiner These, daß jeder Dialog mit „Rechten“ in der derzeitigen Situation nicht nur unangebracht, sondern sogar gefährlich sei (wenn nicht gar verbrecherisch), zitiert „bobby“ aus Veröffentlichungen verschiedener Menschen; ich beziehe mich im folgenden auf den Aufsatz „Debatte oder Protest: wie weiter gegen rechts?“ von Volker Weiß 2) (@ „bobby“: Vielen Dank fürs Aufmerksammachen!).

Volker Weiß benennt zwei »Strategieangebote [, die] derzeit dominierend [sind, …]: Erstens: Man müsse mit Rechten reden, um sie zu stellen und ihre Positionen argumentativ zu entkräften. Und zweitens: Man dürfe nicht gegen Rechte demonstrieren, denn das würde ihnen nur positive Aufmerksamkeit und die Opferrolle bescheren.«

Anschließend legt er dar, weshalb beide Strategien seiner Ansicht nach »an der Realität vorbei [gehen] und damit gerade denen nützen, die zu bekämpfen sie vorgeben.«

Vorausgeschickt kurz zur (laut Volker Weiß dominanten) Strategie der Vermeidung von Demonstrationen und öffentlichen Protesten gegen „rechts“: das ist nicht meine Agenda. Ich habe nicht das Geringste dagegen, daß jeder, der sich zu Protesten berufen fühlt, das tut, selbstverständlich auch in aller Öffentlichkeit.
Mir persönlich wäre es allerdings lieber, wenn man dabei im Auge behalten wollte, daß „pro-testare“ ursprünglich bedeutet, nicht gegen, sondern für etwas einzutreten, und also deutlich macht, wofür man eigentlich eintritt – ich halte es für erfolgversprechender, Alternativen darzulegen, statt es bei vehementen Widersprüchen und Anklagen bewenden zu lassen. Aber das soll nicht Thema dieser Replik sein.

Mich interessieren hier die Argumente gegen die zweite (laut Volker Weiß dominante) Strategie – also gegen jeglichen Versuch eines ruhigen und besonnenen Gespräches mit den „Rechten“.

Volker Weiß geht offenbar von der Voraussetzung aus, wer das öffentliche Gespräch sucht, tue das deshalb, weil er glaube, »dass rechten Aktivisten […] tatsächlich an einer inhaltlichen Debatte gelegen ist […] Das aber ist eine fatale Fehleinschätzung, denn das intellektuelle Zentrum der Neuen Rechten […] hat gar kein Interesse an einer Annäherung durch inhaltliche Auseinandersetzung, sondern verachtet die Debatte grundsätzlich […] Rechten durch den Nachweis ihrer Unlogik beizukommen, läuft daher ins Leere, da sie nicht an einer kohärenten Argumentation interessiert sind.«

Er verkennt damit die Aufgabe eines öffentlichen Gespräches. Denn im Gegensatz zu manchen Privatgesprächen geht es in öffentlichen Gesprächen (und jedenfalls in meinen Blog-Artikeln) gar nicht darum, den jeweiligen Diskussionspartner (bzw Autor – ich spreche ja meist gar nicht wirklich mit den Menschen, über deren öffentliche Äußerungen ich schreibe) von der eigenen Ansicht zu überzeugen. Sondern es geht in erster Linie darum, die verschiedenen Argumentationen öffentlich darzulegen (und zwar ohne dabei auf polarisierende Schlußfolgerungen und Unterstellungen zurückzugreifen, die ja vom jeweiligen „Gegner“ mit Leichtigkeit widerlegt und als Schürmittel für neu aufflammende Empörung instrumentalisiert werden könnten) – und es dann dem Leser zu überlassen, sich dazu seine eigene Meinung zu bilden.

Volker Weiß schreibt:

»Das Vorgehen der Rechten ist […] geprägt [durch] einen permanenten Aufbau von Spannung, Angst und Abhängigkeit. Diese Technik […] ist das Gegenteil eines reflexiven Gesprächs, das Spannungsabbau, Rationalität und Emanzipation fördert. Dem ist mit einem Gesprächsangebot kaum beizukommen. Es würde auch kaum angenommen werden, denn dieses „thymotische“ Element ist bekanntlich, wie der Sloterdijk-Schüler und MdB Marc Jongen propagiert, das Lebenselixier der Neuen Rechten. Ein Verzicht darauf würde sie ihrer schärfsten Waffe berauben. Und das weiß sie.«

Damit gibt er zu, daß »ein reflexives Gespräch, das Spannungsabbau, Rationalität und Emanzipation fördert«, die Rechten »ihrer schärfsten Waffe berauben« würde!

Als Vertreter der „Rechten“ nennt Weiß Götz Kubitschek und diagnostiziert, daß dieser »seit Jahren eben nicht die Debatte [beschwört], sondern die finale Krise, um endlich zur erlösenden Tat schreiten zu können.«
Ja – das mag durchaus so sein. Schlimm genug.

Aber warum in aller Welt sollte das nun mich dazu bewegen, Kubitschek und seinen Gesinnungsgenosssen willfährig zu sein, indem ich meinerseits jedes Gespräch verweigere und dadurch das Eintreten dieser von ihnen herbeigewünschten finalen Krise noch beschleunige? 3)

Nein. Ich stehe auch weiterhin zu meiner Verweigerung der Gesprächsverweigerung.

Auch noch aus einem anderen Grund:
Auf den aus dem »Troll-Netzwerk „Reconquista Germanica“« (auch von „bobby“) zitierten Satz:

»Es „geht nicht darum, wer Recht hat, sondern wer vom Publikum Recht erhält.“«

folgt bei Volker Weiß nichts anderes als die (ebenfalls von „bobby“ zitierte) Anklage:

»Erlaubt ist in der Anonymität alles: Persönliche Beleidigungen, Lügen, gefälschte Pornographie, Drohungen gegen die Familie. Diese aggressive Strategie folgt dem Vorbild der US-amerikanischen Altright, zu der man im Hause Antaios gute Kontakte pflegt.«

Wenn das stimmt, würde es für mich vor allem zeigen, wie „Rechte“ das Publikum einschätzen, von dem sie Recht erhalten wollen: offenbar ist es einerseits leicht zu täuschen und reagiert andererseits auf Drohungen und persönliche Beleidigungen nicht mit Widerstand, sondern mit Anhängerschaft...

So weit so gut (oder schlecht).

Das Interessanteste an dem Satz »Es geht nicht darum, wer Recht hat, sondern wer vom Publikum Recht erhält« ist für mich aber: daß er in vielen Fällen einfach wahr ist.

Spätestens seit dem Brexit oder der amerikanischen Präsidentenwahl sollten wir wissen, daß es in Staaten mit demokratischer Verfassung in Wirklichkeit tatsächlich nicht immer darum geht, wer Recht hat --- immer aber darum, wer von der Mehrheit Recht erhält.

Wie wollen wir mit dieser Tatsache umgehen?

Verweigern wir jegliches Gespräch? Sodaß diejenigen, mit denen wir nicht reden, alle sonst noch Unzufriedenen um sich sammeln, bis sie schließlich in der Mehrheit sind? 4)

Oder nehmen wir dieselben „Waffen“ in die Hand wie diejenigen, die wir bekämpfen wollen? Setzen auch wir auf Empörung, Angst und Schrecken, persönliche Beleidigungen, Lügen, Unterstellungen, unterschwellige Drohungen, Denunziantentum?
Würde sich dabei nicht herausstellen, daß die „andere Seite“ sehr viel geübter ist in der Handhabung solcher „Waffen“?

Was mich von den „Rechten“ (und vielleicht auch von Autoren wie „bobby“?) unterscheidet:
Ich vertraue der Urteilskraft des „Publikums“.

Gegen Ende meines zweiten Dugin-Artikels 5) erzähle ich von meinem kurzen Gespräch mit Aleksandr Dugin, in dem er mir erklärte, daß nach der Lehre der Orthodoxen Kirche der Mensch nur in die Irre gehen könne, wenn er den ihm von Gott vorgezeichneten Weg verlasse – wie es „der Westen“ getan habe, indem er sich, so Dugins Vorwurf, über Natur und Tradition hinwegsetzte.

Dann schrieb ich:

»Ich habe mich bisher noch nie näher mit der Orthodoxie befaßt – zu Hause recherchiere ich im Internet und stoße auf das Filioque-Problem. 6)
Wie oft habe ich das gesungen – Credo in Spiritum Sanctum, qui ex Patre Filioque procedit (Ich glaube an den Heiligen Geist, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht) - - -
Im Glaubensbekenntnis der orthodoxen Kirche aber geht der Heilige Geist nicht auch aus dem Menschensohn, sondern ausschließlich aus dem Vatergott hervor. Das Filioque, auf dem, wie Rudolf Steiner sagt, unsere gesamte abendländische Kultur beruht 7) – das gibt es in der orthodoxen Kirche nicht.«

Nun – ich stehe auf dem Boden des Filioque. Ich bin fest davon überzeugt, daß der „Heilige Geist“ heute nicht nur aus dem Vatergott hervorgeht, sondern auch aus dem Menschensohn --- und daß jeder einzelne Mensch diesen Menschensohn in sich entdecken kann.

Ich weigere mich, anzunehmen, daß die Menschen heutzutage nicht zur Einsicht fähig sind, wenn Tatsachen und Argumente ehrlich und in aller Ruhe auf dem Tisch liegen.
Ich weigere mich, anzunehmen, daß die meisten Menschen nur dann das „Richtige“ tun, wenn sie dazu gezwungen werden, indem man sie in heftige Empörung oder in Angst und Schrecken (oder auch beides) versetzt, sodaß sie reflexartig nach Strohhalmen greifen und die Meinungen annehmen, die ihnen verschiedene „Autoritäten“ vorgeben --- seien es nun „linke“ oder „rechte“, „politisch korrekte“ oder „politisch unkorrekte“.

Selbst wenn es derzeit tatsächlich so sein sollte (was ich, wie gesagt, nicht glaube): Ich weigere mich, mich in meinem eigenen Handeln von einer solchen Annahme leiten zu lassen.

Um mit Rudolf Steiner zu sprechen:
An Gottesglauben Stelle glaub ich an den freien Menschen.

Frei ist der Mensch aber nur dann, wenn er nicht reflexhaft handelt --- insofern sind meiner Überzeugung nach weder Angst und Schrecken noch auch heftige Empörung gute Ratgeber.
Ich setze daher weiterhin auf das ruhige, besonnene Gespräch, das, wie Volker Weiß es formuliert, »Spannungsabbau, Rationalität und Emanzipation fördert« ...


Um nicht mißverstanden zu werden:
Ich meine ausdrücklich nicht, daß alle anderen es ebenso machen sollten wie ich.
Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen Protest geboten ist, oder beißende Kritik – und dann freue ich mich über Menschen, die mit ein paar treffenden Worten Situationen oder Verhaltensweisen karikieren und punktgenau „aufspießen“.

Im Egoistenblog wird auch weiterhin Platz dafür sein.

Aber eben – wie auch schon bisher – nicht nur dafür.

Ich habe bei der Verfassung des neuen Impressums ganz bewußt darauf verzichtet, eine „Blattlinie“ anzugeben, die die politisch-weltanschauliche Richtung vorgibt, wie es in österreichischen Medien üblich ist. 8)

Statt auf „Tendenzschutz“ 9) zu pochen, herrscht hier im Blog gewissermaßen – solange es sich nicht um strafrechtlich Relevantes handelt – innere Pressefreiheit: »Die Blogbeiträge werden von unterschiedlichen Autoren verfaßt. Die in den Beiträgen vertretenen Meinungen sind die des jeweiligen Autors.« 10)

Der Egoistenblog wird auch weiterhin auf Vielfalt setzen.
Wir freuen uns auf lebhafte Diskussionen.

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1) Gemeint sind diese Aufsätze:

Wenn Linke mit Rechten reden und Rechte mit Linken leben
https://egoistenblog.blogspot.com/2017/12/wenn-linke-mit-rechten-reden-und-rechte.html


Der Elefant und sein Pressesprecher
https://egoistenblog.blogspot.com/2018/01/p-margin-bottom-0.html

Ideen für eine Zukunft Europas?  
https://egoistenblog.blogspot.com/2018/04/ideen-fur-eine-zukunft-europas.html

Der Liberalismus und die vierte politische Theorie
https://egoistenblog.blogspot.com/2018/05/der-liberalismus-die-vierte-politische.html

und wohl auch:

Erquicklicher als Licht... 
https://egoistenblog.blogspot.com/2018/01/erquicklicher-als-licht.html

Schon wer in diesen Aufsätzen nicht vor allem nach etwas sucht, an dem er Anstoß nehmen kann, sondern sie vollständig und aufmerksam liest, wird ein weniger einseitiges Bild gewinnen als offenbar „bobby“ – insbesondere wird er wohl kaum auf den Gedanken kommen, es gehe mir um »inhaltliche Gleichberechtigung der Sichtweisen offensichtlich neurechter "Wahrheitsfindung"«.
Dennoch möchte ich an dieser Stelle auch noch andere meiner bisherigen Blog-Artikel anführen – zur Information für interessierte Leser, und natürlich auch für „bobby“, dem insbesondere meine Aufsätze aus früheren Jahren wahrscheinlich nicht bekannt sind:

1938 - 2018: 80 Jahre „Anschluß" 
https://egoistenblog.blogspot.com/2018/03/80-jahre-anschlu.html

Collage zum »großen Tier« 
https://egoistenblog.blogspot.com/2017/02/collage-zum-groen-tier.html

»…und mehr bedarfs nicht« III: Verstehen, Verzeihen - Befreiung und Versöhnung https://egoistenblog.blogspot.com/2016/11/und-mehr-bedarfs-nicht-iii-verstehen.html

»…und mehr bedarfs nicht« IV: Die Kraft, Mensch zu bleiben https://egoistenblog.blogspot.com/2016/12/und-mehr-bedarfs-nicht-iv-die-kraft.html

It's the culture, stupid!
https://egoistenblog.blogspot.com/2015/08/its-culture-stupid.html

»Ja. Wir lachen hier!«  
https://egoistenblog.blogspot.com/2015/01/ja-wir-lachen-hier.html

2) https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2018/juni/debatte-oder-protest-wie-weiter-gegen-rechts

3) Wäre das nicht ein ähnlicher „vorauseilender Gehorsam“ wie die Strategie, gegen den IS-Terror, der sich gegen die individuelle Freiheit in westlichen Demokratien richtet, polizeistaatliche Mittel einzusetzen, die die Freiheit des Einzelnen einschränken – also gerade das zu tun, was auch der IS will?
Caroline Sommerfeld (in „Mit Linken leben“, siehe den ersten meiner unter 1) angeführten Aufsätze) bezeichnet den Islam als „paradoxen Verbündeten“...

4) Als Österreicherin habe ich hautnah erlebt, wie Gesprächsverweigerung einer zunächst ziemlich kleinen Partei nach und nach so viel Zulauf verschafft hat, daß sie aus den Wahlen im Jahr 2000 als zweitstärkste Partei hervorging und gemeinsam mit der drittstärksten Partei eine Regierung bildete...

5) https://egoistenblog.blogspot.com/2018/05/der-liberalismus-die-vierte-politische.html

6) https://de.wikipedia.org/wiki/Filioque

7) »Es hat seine guten Gründe, daß in der damaligen Zeit der Westen jenes «filioque» hinzugefügt hat zum Ausgehen des Heiligen Geistes aus dem Vater, denn alle die Kräfte, die sich im europäischen Westen entwickelt haben, welche die Impulse für die Kultur Europas gegeben haben, hängen damit zusammen.«
(GA 147, S 11)

8) https://de.wikipedia.org/wiki/Blattlinie

9) https://de.wikipedia.org/wiki/Tendenzschutz

10) https://egoistenblog.blogspot.com/p/impressum.html

Caroline Sommerfeld, die Neue Rechte und die Selbstzerfleischung der Waldorfschulen

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Hat mal jemand ein Auge drauf?

Nein, nicht auf den Hüter der Verfassungsschutzbehörde, der offenbar eine ganz eigene Agenda pflegt, die einem intellektuell raffinierten Selbstschuss- Mechanismus ähnelt, und der offenbar in Kauf genommenen Destabilisierung des Ansehens der politischen Führungsschicht dient, aber auch den demokratischen Institutionen. Hat jemand ein Auge auf Seehofer? Dem alten Mann aus Bayern, der es wider Erwarten und ohne Befähigung doch ins Ministeramt nach Berlin geschafft hat, getrieben eigentlich vor allem von seinem verhassten Nachfolger als Ministerpräsident des krachledernen Landes. Hat jemand ein Auge auf Bundeskanzlerin Merkel? Hat sie nicht bislang jeden über- ehrgeizigen politischen Opponenten geschickt aus dem Feld geschossen, vor allem wenn es Männer waren, die das - die Selbsterledigung- eigentlich verlässlich selber schafften? Was ist mit Merkels Strategien der Macht? Haben sie nicht vielleicht etwas Rost angesetzt, hängen nicht Spinnweben in den Mechanismen?

Hat jemand ein Auge auf die Anthroposophen? Ja, die erledigen sich ja nun wirklich zuverlässig selbst. Was die Intrigen, Machtspielchen, Sandkasten- Randale und Selbstzerstörungs- Mechanismen betrifft, so ist auf diesen Verein stets Verlass. Man muss nur mal anschauen, wie sich die vormals vorbildlich erscheinende englische Schule Kings Langley durch autoritären Führungsstil, Arroganz gegenüber kritischen Eltern und Schulaufsichtsbehörden, Vernachlässigung von simplen Aufsichtspflichten, innere Querelen bis zur Selbstzerstörung, und völlig inakzeptable Methoden der Beeinflussung (Drohbriefe an Eltern) (1) es zur eigenen dauerhaften Schließung geschafft hat. Wen es im Detail interessiert, kann das im Blog von Jeremy Smith (2) nachlesen, der auch die Geschichte des Geländes selbst, das auf frühe englische Könige im 13. Jahrhundert zurückgeht, darlegt, aber auch die inneren Mechanismen der Selbstzerstörung. Smith hat selbst mal in dieser Schule gearbeitet. Er schildert auch die Geschichte der zähen, sturen, alt- Steinerschen Leiterin der Schule, Margaret Cross, die diese Schule als ihr Lebenswerk bis 1955 etabliert, aber wegen anhaltender Konflikte mit sämtlichen Kollegen (3) im Grunde auch fast zugrunde gerichtet hatte. Es ist dann, nach einer so umfassenden Tradition und Verwurzelung doch erstaunlich, dass ein heutiges Kollegium mitsamt der typischen charismatischen Führungspersönlichkeit und den üblichen internen Konflikten nicht in der Lage ist, ein vernünftiges Arrangement mit der Schulaufsicht zu finden. Offenbar handelt es sich um die Art von Verblendung, die den nahenden Abgrund über Jahre zu ignorieren, schön zu reden und mit Phrasen zuzuschütten bemüht ist. Jedenfalls sind inzwischen auch die letzten Versuche, die Schule unter anderem Namen neu zu gründen, gescheitert- schon weil selbst die Versicherungen Zweifel an der Integrität des Unternehmens hatten.

Eine andere Schule, die nicht nur an den offenbar üblichen finanziellen Abgründen balanciert, sondern auch an ideologischen, ist geschlagen mit der identitären Rechten Caroline Sommerfeld-Lethen, die ihre Gegner gern direkt in der „Sezession“ von Ellen Kositza auseinander nehmen lässt. In diesem Fall handelt es sich nach identitärer Analyse eindeutig um „Repression“ und bei Frau Sommerfeld, die an dieser Wiener Schule vorher schon als ideologisierte Schulköchin unangenehm aufgefallen war, in ihrer Selbstsicht um eine Dissidentin. In ihrer Sicht ist aber die ganze Waldorfbewegung unterwandert von den Globalisten und Linken, die den eigentlich völkischen Rudolf Steiner so „verraten“ haben, dass er heute - so wie sie mit ihren Kindern selbst- aus Rudolf- Steiner - Schulen hinaus komplimentiert werden würde: „Sie haben, das weiß ich jetzt, Steiners Grundideen verraten und verkauft. Natürlich nicht nur diese fünf Hanseln im Vorstand von Waldorf Wien West, sondern in der ganzen institutionalisierten Anthroposophie ist seit etwa 10 Jahren etwas im Gange: derselbe Kurzschluß zwischen Kulturmarxismus und Globalisierung wie in der ganzen Linken, mit derselben Rhetorik für „Toleranz“, „Vielfalt“ und die „offene Gesellschaft“. Diese hat aber eine sinistre (Anthroposophen würden sagen: eine „ahrimanische“) Kehrseite, nämlich ideologisch motivierte Verfolgung von allem, was sich dieser Weltordnungsphantasie in den Weg stellt. Selbst die Linken in den 70er und 80er Jahren, von denen ja auch viele ihre Kinder auf Alternativschulen schickten und da als Eltern mitmischten, hatten keinen solchen Furor gegen Andersdenkende, keine Agenda „gegen Rechts“, so wie gegenwärtig. Rudolf Steiner würde heute, las ich mal in einer schönen Glosse in einem abtrünnigen Anthroposophenmagazin, aus der Anthroposophischen Gesellschaft ausgeschlossen werden wegen rechter Gedanken.“ (4)

Dass es nun die Kinder von Frau Sommerfeld- Lethen ausbaden müssen, ist zu bedauern. Man muss aber auch nicht gleich ein so wehleidiges Gesamtkonzert vom verfolgten, benachteiligten armen Rechten anstimmen wie Christian Geyer-Hindemith in der FAZ:Was war geschehen? Was hatten sich die Brüder zuschulden kommen lassen? Die Antwort lautet: Sie haben die falsche Mutter. Genauer: eine Mutter mit gefährlichen politischen Ansichten. So hat es der Schulvorstand gesprächsweise denn auch unverhohlen zum Ausdruck gebracht. Die Mutter, um die es geht, heißt Caroline Sommerfeld-Lethen, ist promovierte Philosophin und seit einigen Jahren publizistisch bei den Neuen Rechten unterwegs, ohne dass sie auf der Waldorfschule mit ihrem identitären Ideenwust Propaganda betrieben hätte und ohne dass ihre Söhne auf irgendeine Weise als indoktrinierte Störer im Unterricht auffällig geworden wären; im Gegenteil, sie waren beliebt, wie die herzzerreißenden Szenen am letzten Schultag noch einmal zeigten.“ (5)

Gewiss, herzzerreißend. Zudem ist der Vater auch noch ein übrig gebliebener Alt-68er, der mit Sommerfeld in einer oft und gern, auch in ihrem Buch (6) „Mit Linken leben“ thematisierten politisch spannungsreichen Ehe lebt und die Entlassung von Frau und Kindern als „Sippenhaft“ anprangert. Die Legende, die Sommerfeld-Lethen selbst spinnt („ideologisch motivierte Verfolgung von allem, was sich dieser Weltordnungsphantasie in den Weg stellt“), scheint durch den Herauswurf bestätigt. Allerdings benutzt Sommerfeld-Lethen die sich entfaltende Agenda, um - wie im oben genannten Sezession- Interview - die gesamte Wendung der Waldorfbewegung gegen Rassismus zu attackieren- also die so mühsam, über Jahrzehnte aufgebaute anthroposophische Aufklärung - auch in Abgrenzung zu mindestens kultur- chauvinistischen Äußerungen Rudolf Steiners. Diese Aufarbeitung hat die anthroposophische Bewegung, die selbst 1968 nie so recht internalisiert hatte und eng an der wortwörtlichen Auslegung der Worte ihres Gurus klebte, Kraft und Mühen gekostet, die womöglich jetzt von einer Schulköchin weggefegt werden?

Hat mal jemand ein Auge drauf? Immerhin sind wir mit der „Sezession“ in der ideologischen Schaltzentrale der „Neuen Rechten“ (was neu daran sein soll, erschliesst sich freilich nicht), wo sich Kubitschek mit dem seltsamen Björn Höcke trifft. Vielleicht möchte ja die Philosophin Sommerfeld einen entglobalisierten Rudolf Steiner als ideologischen Background dieser Rechten etablieren, einer völkisch interpretierten Anthroposophie mit klarer Orientierung auf den mitteleuropäischen weißen Menschen als Krone der Schöpfung? Mit Russland als Träger der nächsten Kulturepoche? Mit einem Steiner, der Schwangeren keine Negermusik zumuten wollte und geheime Logen hinter dem Weltgeschehen sieht, die bemerkenswert den angeblichen Plänen der „Weltelite“ und George Soros ähneln, die die alternde mitteleuropäische Bevölkerung mit „Flüchtlingen“ ersetzen will? Man lese das mal bei Compact nach (7) und hat schnell einen rechts interpretierten anthroposophischen Scherenschnitt des geheimen Weltgeschehens an der Backe kleben. Volksaustausch! Da werden bei Björn Höcke die Wangen rot und aufgeplustert.

Hat jemand ein Auge drauf? Wird der oberste Verfassungsschützer Hans- Georg Maaßen durch neue Enthüllungen Frau Sommerfelds Bemühungen unterstützen? Wird bald die nächste Waldorfschule in Selbstzerfleischung den Gang alles Irdischen gehen? Fragen über Fragen.
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1 https://www.telegraph.co.uk/education/2018/06/24/rotten-core-flagship-steiner-school-close-emerges-concerned/
2 https://anthropopper.wordpress.com/2018/07/29/death-of-a-steiner-school/
3 https://anthropopper.wordpress.com/2018/07/21/margaret-cross-rudolf-steiner-and-the-school-at-kings-langley/
4 https://sezession.de/59361/repression-im-gespraech-mit-caroline-sommerfeld
5 http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/waldorfschule-wien-schulverweis-wegen-neurechter-mutter-15775010.html?GEPC=s2
6 https://antaios.de/gesamtverzeichnis-antaios/einzeltitel/45278/mit-linken-leben
7 https://www.compact-online.de/george-soros-und-sein-7-punkte-plan-fuer-den-volksaustausch/

So bunt ist die anthroposophische Bewegung

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@alleswasmanbraucht bei Facebook
Die Risse gehen quer durch die Gesellschaften, ganz zweifellos- Hass und Abgrenzung, Enthemmung, Nationalismus, Narzissmus auf der einen Seite- Toleranz, Würde, Willkommens- und Dialogkultur auf der anderen Seite. Und natürlich sieht man diesen Riss auch durch die Anthroposophische Bewegung gehen:
Einerseits z.B. die „Festtage Mensch Würde Geist“, immer wieder ähnlich organisiert von der Anthroposophischen Gesellschaft NRW, dieses Jahr im Kulturhaus OSKAR in Bochum. Hier ein Begleittext - von @alleswasmanbraucht bei Facebook- im Vorfeld zum Thema Würde:

Zum Ende des letzten Jahres saßen wir bereits zusammen und überlegten, wie wir ein Fest im Jahr 2018 gestalten könnten. Dabei entstand die Idee, unsere Kräfte zu bündeln und gemeinsam mit der Initiative Menschlichkeit und vielen weiteren Partnern ein großes Begegnungsfest auf die Beine zu stellen. Und dies rund um das Kulturhaus Oskar, in dem die Anthroposophische Gesellschaft NRW ihren Sitz hat. Das Oskarhaus bieten mit seinen Seminarräumen, seinem Saal und dem angrenzenden Tanz-Schanzara-Platz viel Ermöglichungsraum für Kunst, Kultur, Musik, Tanz, Workshops, Lesungen .... Zudem konnten wir Räume in der GLS Bank reservieren, die gut erreichbar sind. Unser Wunsch ist es, gemeinsam mit Akteuren aus dem anthroposophischen Umfeld und mit der Nachbarschaft in Bochum Ehrenfeld ein abwechslungsreiches und intensives Programm für drei Tage zu entwickeln. Daran arbeiten wir seit dem Jahresbeginn in einem offenen Prozess, der Raum für Impulse, Ideen und Wünsche lässt. Wir würden uns freuen, ihr macht mit.... 
Das Thema WÜRDE lag uns von Beginn der Überlegungen an sehr am Herzen. So gehen wir seit vielen Monaten mit wachen Sinnen durch die Welt und fragen: Wo finden wir Würde? Was macht sie aus? Wie wird man denn ein Würdenträger? Und was ist eigentlich los mit unserem Umgang mit der Menschenwürde? All diese Themen wollen wir aufgreifen und in Begegnungen besprechen, sie wirken lassen, ihnen Raum geben..

Nun findet man leider im Internet unter Kulturhaus OSKAR eine ungesicherte Website vor, die bei neueren Browsern nicht mehr akzeptiert wird, und unter Arbeitszentrum NRW eine Seite, die „Sinn fürs Karma“ sowohl als auch eine eventuelle Mitgliedschaft empfiehlt, aber ansonsten anzeigt: Hier entsteht eine neue Internetpräsenz des Arbeitszentrums. Entsprechend mager sind die weiteren Informationsangebote.

Aber, natürlich, hinter den Kulissen sieht man die Initiativen, die Positivität, das Engagement der Jungen. Dem gegenüber steht die Welt der Ewiggestrigen, die die Parolen der Rechten, Nationalisten und Putinisten nachplappern und ihren Idolen wie KenFM oder Daniele Ganser blindlings folgen. Letzterer darf- so eine Meldung aus der Schweiz- auch von Seiten des Presserats nun als Verschwörungstheoretiker betitelt werden, auch wenn er ja eigentlich nur mal fragt: „Er stelle nur Fragen, sage Ganser immer wieder.“ Weitere aktuelle Informationen zum Wirken dieses bemerkenswerten Desinformations- Aktivisten kann man auf der Facebook- Seite „Daniele Ganser für Anfänger und Fortgeschrittene“ nachlesen. Wer aber mit Trump, Putin, Pegida und Verschwörung witternden Anthroposophen immer noch mit dem Mantra der „Lügenpresse“ meditativ beschäftigt ist, der kann auch gerne dem Ganser bei KenFM lauschen, der - mit einer leichten Schleimspur- die „Machtpyramiden westlicher Eliten“ bei YouTube „erschüttert“ (Begleittext KenFMs), wie das Internet schlechthin von diesen Polit- Propagandisten als das Aufklärungsmedium schlechthin hingestellt wird. Man muss schon sehr schlicht gestrickt sein, um das widerspruchslos zu schlucken.

Ja, die Einen sind lustvoll erschüttert und ergehen sich in Klagen über die Verstrickungen eingebildeter Eliten, die Anderen praktizieren den würdevollen Dialog. So bunt ist, glücklicherweise, auch diese Bewegung.

Die anthroposophische anti- liberale Hybris, wieder einmal entflammt

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Natürlich sind sie nicht alle gleich, die alten weißen Männer. Aber doch ein bißchen gleicher als andere, um George Orwell (1) zu paraphrasieren. Der Konservatismus liegt in der Natur des Alterns, so im allgemeinen, denn Flexibilität, Neugier, ungestümes Interesse, Multitasking- Fähigkeit und das Gefühl der offenen Wege, der unbegrenzten Möglichkeiten sind nun einmal vor allem das Privileg der Jungen. Die Alten kleben gern am Status Quo, was man in diesen Tagen gut an den alten weißen Männern der bayrischen CSU beobachten kann, die sich in besonderem Maße (nämlich bis hin zur Zerstörung der eigenen Regierungskoalition und Partei) an ihre Macht und Positionen klammern. Die Dissonanz zwischen Selbstwahrnehmung des Mächtigen und der Lächerlichkeit, die dieses Bild von außen abgibt, könnte nicht größer sein.

Die Verarbeitung sensorischer Impulse, die Fähigkeit zur Koordination, die Verlagerung räumlicher Abschätzung in Instrumente und z.B. die Außengrenzen eines PKWs- das lässt alles im Alter nach. Daher sieht man, wie viele Alte mit gedrosseltem Tempo krampfhaft versuchen, ihre Spur zu halten. Es ist eben nicht nur Erfahrung und Reife, was dieses Klammern am Status Quo hervor ruft- es liegt auch an der gedrosselten kognitiven Leistungsfähigkeit.

Die nachlassende Plastizität des Gehirns verlangsamt auch Top- down- Prozesse (2), d.h. das Erlernen und Beherrschen völlig neuen Inputs, neuer Medien, neuer Geräte. Installationen von Implantaten wie digitalen Hörgeräten werden komplizierter, weil die neuartigen sensorischen Impulse immer schwerer gedeutet und in das Verstehen integriert werden können. Neue Geräte und Technologien werden zum Fluch, weil der spielerische, aktive Umgang, das Erproben neuer Methoden der Aneignung verloren geht. Der Fahrkarten- Automat, das neue Smartphone, die Fernbedienung, das digitale Haus werden zu einer Herausforderung, die sich ständig verändernde (nicht nur technische) Umgebung wird immer mehr als bedrohlich, fremdartig und unverständlich wahrgenommen. Das Einspinnen in eine eigene Agenda, in kommunikative und kognitive Standards ist ebenso die Folge wie eine unbestimmte Wut - ein Prozess, der tatsächlich zur eskalierenden Isolation führen kann- in Form einer self- fulfilling prophecy. (3)

Gerade Anthroposophen haben sich das vielleicht ganz anders vorgestellt: Das Studium der Schriften, die Arbeit in meditativen Zusammenhängen, die Teilhabe an spirituellen Veranstaltungen sollte - so die Legende- zu einem Anwachsen von Weisheit, Bedeutung und Ansehen führen. Das bleibt, wie so viele andere Versprechen, was die Kulmination der anthroposophischen Bewegung und ihre Bedeutung in der Gesellschaft betrifft, offensichtlich aus. Vielleicht liegt es am Verlust der hypertrophen Selbstbilder, der ausgebliebenen Bedeutsamkeit und Sinnhaftigkeit, aber auch am Alterungsprozess schlechthin, dass so viele ältere Anthroposophen einen Furor auf die Gegenwartskultur entwickeln, der sich in einer immer schmaleren Perspektive, einer irrealen geistigen Verengung und Verleugnung von Faktizität, und vielfach auch in einer menschlichen und politischen Radikalisierung auslebt, aber zugleich auch in einem pompösen Selbstbild. In der Binnen- Selbstsicht wird die Weltdeutung, die durch nichts mehr zu hinterfragen ist, zu einer idealisierten, sektenartigen Absolutheit, zu einem Kleben am anthroposophischen Status Quo- bis hin zu ritualisierten, formelhaften sprachlichen Mustern („Anthro- Speech“).

Natürlich bemerkt man den greisenhaften Furor nicht nur in anthroposophischen Zusammenhängen - der Fremdenhass als die Angst vor dem Unbekannten, Neuen, kulturell Anderen ist seit jeher der simple Reflex der Senilität. Die Ausgrenzung und Bekämpfung des jeweils Fremden konstituiert ein Gefühl der Identität- für das Individuum, für eine Nation, für einen Rassisten oder für den Frauenhasser. Nichts konstituiert das Selbstgefühl besser als Hass. Dass mit vergreisenden demokratischen Systemen die Sehnsucht nach Führern - ganz gleichgültig, wie korrupt sie sein mögen - und nationalistischen und rassistischen Abgrenzungen entflammt, gespeist von diffusem Furor und einer Empörungs- Attitüde, die sich in surrealen Erklärungsmodellen eine Rechtfertigung sucht - Verschwörungstheorien-, ist tatsächlich ein geistig dekadentes Phänomen. Die simpelsten Reflexe des Anti- Liberalismus, der Homophobie, des Antisemitismus und Rassismus, die den neuen identitären Nationalismus füttern, sind Anzeichen einer Alzheimerisierung der Gesellschaften. Man kann nur auf eine rationale und kraftvolle Revolte der Jungen hoffen, die einen Ausgleich zu schaffen vermag gegen diese individuelle und gesellschaftliche Sklerotisierung, die offensichtlich ansteckenden Charakter hat.

Kann man in dieser Hinsicht auf kraftvolle Impulse aus der anthroposophischen Bewegung hoffen, die in ihrer 100jährigen Geschichte doch so oft enttäuscht hat (1933, 1968)? Wie eingesponnen sind diverse Repräsentanten in die Deutungs- Cluster der neuen Rechten, in das orbanisierte und trumpisierte Hohelied vom Sturz der liberalen Eliten, ob sie nun Clinton, Soros oder die Weisen von Zion heißen? Wie immun sind die anthroposophischen Repräsentanten gegen die identitären Reflexe, die vom Umsturz der globalisierten Systeme träumen? Nicht sehr, wenn man z.B. einem Lorenzo Ravagli folgt, (4) der auf seiner Website und vermutlich unter dem Pseudonym Sophie von Freiberg „Das Fiasko der „offenen Anthroposophie““ (Achtung, Anführungszeichen- Attacke!) beklagt.

Die liberale Elite, die von Freiberg innerhalb der anthroposophischen Bewegung lokalisiert und attackiert, umfasst Verleger und Autoren, die sich in der Zeitschrift Anthroposophie weltweit (Nr. 7-8/18) zu den antiliberalen Tendenzen der Gegenwart (5) geäußert hatten wie „Verminte Dialoge“, Verschwörungstheorien, Schwarz- Weißdenken, Simplifizierungen, Fanatismus, Vergiftung des sozialen Klimas, apokalyptisches Grundgruseln. Die Stelle von Clinton & Soros nehmen für Ravagli faktisch Held & Heisterkamp ein. Neben einem altväterlichen Sarkasmus fordert er für den aufrechten Anthroposophen der Gegenwart das Recht auf eskalierende Verschwörungstheorien ein. Selbst ein rein rationales Statement wie das von Dr. David Marc Hoffmann (Rudolf Steiner Archiv) findet bei von Freiberg keine Zustimmung, sondern nackte reaktionäre Hybris:

Im anthroposophischen Umfeld begegne ich immer wieder Vertretern der krudesten Ideologien: Holocaustleugnung, Theorien der Verschwörung durch Juden, Jesuiten, Bilderberger oder Freimaurer, spirituell ver­brämte Deutschtümelei und Bekämpfung des längst überholten Vorwurfs der deut­schen Alleinschuld für den Ersten Welt­krieg, die ‹Chemtrail›­These und dergleichen mehr. Gemeinsamer Nenner solchen Den­kens ist die faszinierte Fixierung auf ‹das Böse› und sein Wirken in der Welt sowie die Auffassung des Weltgeschehens als ein von einer kleinen Gruppe manipuliertes Marionettentheater. Und dies ausgerechnet im Kontext der Anthroposophie, die wesent­lich der Entwicklung des freien Individuums und des selbstständigen Denkens gewid­met ist!
Solche Ideologien sind mit einer auf­klärerischen Anthroposophie grundsätzlich nicht vereinbar, weder inhaltlich noch me­thodisch. Sondern sie missbrauchen einen Erkenntnisweg, der das Geistige im Men­schenwesen zum Geistigen im Weltall füh­ren will, für ihre billigen und eindimensio­nalen Welterklärungsmodelle und Macht­spiele. Für die verbohrten bis fanatischen Vertreter solch unsauberen, unredlichen und unanständigen Denkens und ihre suggestiven Methoden schäme ich mich vor der Welt. Mit diesen ‹terribles simplificateurs› will ich nichts zu tun haben. | Dr. David Marc Hoffmann, Rudolf Steiner Archiv“ (5)

Die Reaktion von Freibergs auf diese Aufrufe gegen den Missbrauch des anthroposophischen Erkenntnisweges besteht darin, die Verfasser als anonyme Verschwörer einzustufen: „Wer im Einzelnen diese »Vertreter und Vertreterinnen« waren und um welche »Einrichtungen« es sich handelte, erfährt man nicht. Man könnte aufgrund der Anonymität dieser Gruppe von Verschwörern und einer Verschwörung sprechen, die sogenannte »offene Anthroposophie«, eine subtile Erfindung dieser Verschwörer, »ins größere Gespräch« zu bringen.“ (4) Stattdessen phantasiert von Freiberg von einer Anthroposophie, die „in jeder Hinsicht revolutionär“ (4) sein sollte, und somit „mit allen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Konventionen“ bricht und „die Menschheit durch einen epochalen Bruch auf ein höheres Niveau des Bewusstseins“ (4) führt. Die Hybris, der Furor und das Superoritäts- Gefühl des vergreisten, frustrierten Anthroposophen ist hier mit Händen zu greifen- der „epochale Bruch“ mit allen Konventionen hat freilich etwas von hohlem Pathos, aber auch von einem Griff nach einem gefährlich irrationalen Moment, in dem essentielle Menschenrechte leicht zu bloßen „gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Konventionen“ werden.

Freilich, die wütende Hybris und die blindwütige Abkehr von den „Konventionen“, die die Gesellschaft zusammen halten, passen nur zu gut in eine anti- liberale, aufgeheizte politische Stimmungslage. Man kann diese Positionierung nicht nur unter der Rubrik gerontologische Problemfälle alter frustrierter weißer Männer subsumieren. Andererseits reicht ein Blick auf ein anthroposophisches Studienhaus der Gegenwart und das Alter und die Anzahl der Zweigleser doch aus, um zu sehen, dass das Gras drüber wächst und der empörte Schrei der verwundeten anthroposophischen Seele nur die Mauerblümchen erschüttert. Die egozentrische Selbstbedeutungs- Zuschreibung zeigt sich ja selbst in Ravaglis (von mir vermutetem) Pseudonym Sophie von Freiberg. Ravagli sieht sich offenbar in einer Linie mit Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, und seiner geliebten und ihn inspirierenden Sophie. Aber der Bezug vom anti- liberalen Zeitgeist - Pamphlet zu Novalis erscheint doch sehr, sehr weit hergeholt, um nicht zu sagen: Von lächerlicher Hybris diktiert.

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1 https://de.wikipedia.org/wiki/Farm_der_Tiere
2 Hier nur allgemein zu top- down und bottom-up- Prozessen: https://de.wikipedia.org/wiki/Top-down_und_Bottom-up
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Selbsterf%C3%BCllende_Prophezeiung
4 https://anthroblog.anthroweb.info/2018/das-fiasko-der-offenen-anthroposophie/?fbclid=IwAR0Pnqn3oNR6Rm_o3J22NStDaxehTvv1SxMCDSnaZzt4WHVr2AtP_o8Dpes
5 https://anthroblog.anthroweb.info/wp-content/uploads/2018/10/AWD2018_07_08_Offene_Anthroposophie.pdf


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