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Erdhüter, die Transformation der Menschheit und der wahre deutsche Geist

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YouTube- Livestream Burkarts
Natürlich möchtest du so bleiben, wie Du bist. Vielleicht in einer etwas optimierten Version, Ich 2.0., sozusagen, oder Wir 2.0., oder gar "Das wahre Deutschland". Vielleicht erleuchtet und, in jedem fall, fit für die evolutive Zukunft, wie man sich die auch immer vorstellt.  Spiritualität verspricht immer eine optimierte Version deiner selbst, wodurch sie ihre kapitalistischen Ursprünge verrät: Die Ware wird immer besser, und um diesen Fakt zu garantieren, ist spezifisches Konsum- Verhalten unabdingbar- in welcher Form auch immer. Aber all das erscheint harmlos gegenüber den schmuddeligen Vermischungen von esoterischen Heilsversprechen, extremer Hybris und rechtspopulistischen Szenarien, die im biederen Ton apokalyptische Überlebensstrategien ausbreiten.

Manche beziehen ihr Selbstbild als Weltheiler, Erwachter, spiritueller Freiheitskämpfer auf die politische Gegenwart, wobei durch die gefühlte Besonderheit der eigenen Person, die ins spirituelle Nirgendwo erweitert wird, keinerlei Kritik möglich ist. Ein nettes Beispiel hat Jim Palmenstein gerade in der NbA- Facebook- Gruppe (No Bullshit Anthroposophie siehe 1) vorgestellt (2) - einen „Erdheiler“ namens Wolfgang Hahl, der mittels Kristallen, die er an Anhänger verkauft, ein Netzwerk über die Erde zieht, das, wie er in Rundbriefen verkündet, auch einen Dritten Weltkrieg und die negativen Auswirkungen des angeblichen Zustroms von Migranten zu verhindern in der Lage sein soll (3): „Viele alte Stammleser .. werden sich bestimmt noch daran erinnern, dass ich 2003 zu Beginn des damaligen USA-Irak-Krieges eine mächtige Durchsage aus der geistigen Welt bekam mit der Aufforderung, einen europaweiten Schutzkreis aus Amethyst-Erdenhüter-Kristallen aufzubauen. Einerseits, um die spirituelle Entwicklung und Transformation aller Menschen anzuregen und zu fördern (..) sowie andererseits einen konkreten energetischen Schutz gegen radikal-islamistischen Terror zu bilden. Dabei wurde mir deutlich erklärt, dass Europa in nicht allzu ferner Zukunft in kriegerischen Auseinandersetzungen zerfallen und größtenteils zerstört werden könnte, geschürt und provoziert durch Terroranschläge und gewalttätige Eskalationen radikal-islamistischer Kämpfer. Dies sei aber nicht von der göttlichen Quelle beabsichtigt oder mit ihr in Einklang und gerade Deutschland hätte wegen seiner geostrategischen zentralen Lage wie auch politischen Verantwortung in der zukünftigen menschlichen Entwicklung eine überaus wichtige und tragende Rolle zu spielen, um den Frieden zu bewahren, die nicht durch derartige zersetzende terroristische Provokation zerstört werden dürfe, weil ansonsten ganz Europa im Chaos versinken würde.

Der „Erdheiler“, der nicht nur persönlich zur spirituellen Vollendung gelangt, sondern jetzt auch Retter Europas ist, wird - gemeinsam mit einer verstreuten Gruppe von Kristall- Anbetern, als nächste Stufe der heute gängigen Entwicklung auch noch zum politischen Analysten. Das ist das heute gängige Muster, das das erleuchtete Ego zum Weltdeuter und -retter erweitert, wobei es in apokalyptischen Zeiten stets ums Ganze geht, nämlich um die nationale (oder europäische) Rettung. Auch inhaltlich spiegelt dieses Muster meist die gängigen populistischen Narrative, die sich als anti- globalistisch verstehen und dazu aufrufen, die Wagenburg aufzurichten (einen „europaweiten Schutzkreis .. aufzubauen“ 3) und sich gegen islamistische, amerikanische, liberale Einflüsse zu wappnen. Wie üblich liegt der aufgeladenen Rhetorik eine Dynamik zugrunde, die unter den apokalyptischen Zeitphänomenen eine „Transformation aller Menschen“ (3) wirksam sieht- so etwas wie einen kollektiven Gärungsprozess. Unser Erdheiler bezieht die näheren Anweisungen bezüglich der Rettungs- Maßnamen glücklicherweise direkt als "mächtige Durchsage aus der geistigen Welt“ (3). Wer möchte da widersprechen.

Unter den alten weißen Welterklärern ist uns auch Axel Burkart bekannt - hier sein YouTube - Channel (4), der mit seiner sonoren Stimme Vertrauen versprüht, aber auch zu direkten Spenden auf sein Konto auffordert („Als Verwendungszwecke bitte „Unterstützung“ angeben“ 5) oder aber zu einem Besuch in seinem Shop. Herr Burkart warnt in Engel- Vorträgen davor, dass man heutzutage nicht einmal sicher sein könne, dass man, wenn man nachts, friedlich eingeschlafen, in der geistigen Welt herum streife, in den eigenen Körper zurück finde, weil da möglicherweise schon jemand anderes drin säße. Glücklicherweise sorgen „geistige Wesen“ (5) dafür, dass dieses Malheur nicht passiert, was andererseits, wenn man einmal groß denkt, heutzutage einer Nation im Zuge der Umvolkung sehr wohl zustossen könnte, zumal wir alle komplett beherrscht seien von der großen „Mama“- der öffentlichen Meinung, den Medien und Politikern- der auch bei ihm konstatierte Zustand einer „großen weltweiten Krise“ (6).

Er selbst, behauptet er in diesem Live- Stream, weiß aber, wie man da heraus findet. „Europäische Völker im deutschen Geist“ (6) sollten ihm folgen - und nicht den Alliierten, die schon in den Nürnberger Prozessen einseitig Kriegsverbrechen abgeurteilt hätten. Wir wissen leider nicht, was die „Mächtigen vorhaben“ (6), aber doch eindeutig - so Burkart- einen Dritten Weltkrieg. Deutschland sieht Burkart als das Land an, wo die „Araber hin wollen" - „Alle wollen hierher“, weil wir ein Land wie ein Paradies darstellten, das zugleich wirtschaftliche und politische Führungskraft sei. Die spirituelle Aufgabe zeige sich auch darin, dass Deutschland, verleumdet, beschimpft, von den Aliierten besiegt, immer wieder aus Trümmern auferstehe, immer als deutscher Geist, der den Freiheitsgeist als Volk darstelle. Leider kündigt er 8 Vorträge an, um dieses Thema zu umreissen. Burkart, der sich gern weitschweifig - um nicht zu sagen geschwätzig - ausbreitet, und die Rolle eines geistigen Wesens einnimmt, der den deutschen Geist bewahrt, der sich offenbar im Tiefschlaf befindet und nicht in seine Flasche zurück findet, weil der Korken zu fest sitzt, hat zwar in seinem YouTube- Kanal über 20000 Follower, aber seinem Live- Auftritt im Channel wohnten gerade mal 21 bei. Dieses ewige Schwadronieren aus ein paar anthroposophischen Versatzstücken, reaktionärer Deutschtümelei, Geschichtsklitterung und abstruser Selbstinszenierung als „Wissender“ hat ja auch einen einschläfernden, geradezu hypnotischen Charakter. Man entwickelt automatisch Anzeichen akuter Narkolepsie beim Zuschauen (7).

Womöglich liegt es ja daran, dass ich nicht deutsch genug, nicht erwacht, nicht meiner Freiheit bewusst oder gar von einem unreinen Geist besessen bin, der während des Schlafs meinen Verstand umvolkt hat. Man kann es nicht wissen. Ihr alten weißen Männer, die Ihr uns Dämmernden und Besessenen und Liberalen die Welt, die Engel und die Politik erklärt, und Manna aus der „göttlichen Quelle“ (Wolfgang Hahl) schlürft, rettet uns!

Verweise

1 No Bullshit Anthroposophie - Gruppe 
2 http://erdenhueter-kristalle.de/werdegang-des-zentrumleiters-und-erdheiler-wolfgang-hahl/?fbclid=IwAR2jtqYKHe8VzeDgx1qqf4VUw1VirC_SPXgYthbaZCOPDlgMila0F-M8ZGw
3 http://erdenhueter-kristalle.de/wp-content/uploads/2016/01/Spiritueller-Rundbrief-zur-derzeitigen-Fl%C3%BCchtlingssituatio-205.pdf?fbclid=IwAR1c7IJvYTZ-42unHPYJo7-frvLzPiyHOs_K6tOmHTkfTKqsnphXlWE-WME
4 https://www.youtube.com/channel/UCfuSf2VRuxbPQqmpxFGYN8g
5 https://www.youtube.com/watch?v=Qtb66TlPPvY
6 https://www.youtube.com/watch?v=GuUnil2j0P0
7 „Die Narkolepsie ist eine Hypersomnie zentralnervösen Ursprungs ohne Bezug zu schlafbezogenen Atmungsstörungen. Sie gehört zur Gruppe der Schlafsüchte, da ihr eine Störung der Schlaf-Wach-Regulation zu Grunde liegt. Im Volksmund wird die Erkrankung daher auch als „Schlafkrankheit“ oder „Schlummersucht“ bezeichnet.“ Wikipedia




Sacred human Kult. Die Welt der destruktiven Kulte und ihr anthroposophischer Repräsentant, Sebastian Gronbach

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Willkommen, Ihr Blumenkinder. Habt Ihr heute schon etwas für Euer Karma getan?

Habt Ihr die schweren, dunklen Schatten, die Eure Existenz bis zum Ende der Weltentage belasten werden, ein wenig aufgelöst?

Aber wie unterscheiden zwischen Scharlatanen, die Euch ein wenig knechten, ausbeuten und mit Bullshit abfüllen wollen, und den Wahren, Guten, wie zum Beispiel diesem Himalaya- Lama, die nur alle paar Jahre mal aus seiner Höhle im Himalaya heraus kommt, um Euch zu segnen und Euer kleines Karma widerwillig zu reinigen:

 

Okay, der war jetzt vielleicht nicht das, was Ihr sucht. Monate lang in einer zugeschneiten Höhle zuzubringen ist ja nicht nach jedermanns Geschmack. Zumal der Lama ja selbst im Video äußert: Keine Ahnung, warum die alle wollen, dass ich ihnen die Hand auflege. Keine Ahnung, was denen das bringt. Aber aus Mitgefühl tue ich ihnen den Gefallen.

Wer die modischen, Social- Media- erprobten Hipster- Erleuchtungsprofis unserer Hemisphäre vorzieht, sollte allerdings mit einiger Vorsicht gesegnet sein, wenn man nach der Guru- Jägerin Bo Scofield geht, über die z.B. Die Presse schreibt: „Auf der Jagd nach falschen Heiligen und Heilern. Sie hat die Missbrauchsvorwürfe rund um Agama Yoga Thailand aufgedeckt, Psychosekten enttarnt und die körperlichen und psychischen Übergriffe Dutzender Gurus ans Tageslicht gebracht. Aufdeckerin Be Scofield ist unter selbst ernannten Heilern gefürchtet.“ (1)

Diese Jägerin („Die Onlinejournalistin – 38, trans und queer – ist die Antisektenheldin des Digitalzeitalters. Als Ein-Frau-Mission hat sie bereits ein Dutzend Gurus als falsche Heilige vom Thron gestoßen.“ (1) ist Vielen durch ihre Enthüllungen über den niederländischen Massen- Erleuchtungsprofi Benthino Massaro bekannt geworden, über den sie - ebenso wie über zahlreiche andere Missbrauchsfälle in dieser Szene- u.a. auf ihrer eigenen Website schreibt. In der integralen Szene ist sie auch bekannt durch ihre vor nahezu zehn Jahren publizierten skeptischen Berichte zum Instant- Guru Andrew Cohen (2), der auch in der anthroposophischen Welt einige Bekanntheit wegen der Verherrlichung dieses umstrittenen Gurus im Szene- Blatt Info3 erlangte. Eine Reihe von ehemaligen Anthroposophen, aber auch heutigen Funktionären hängen diesem brachialen Erleuchtungs- Heilsversprecher noch immer an. Dazu gehört auch der ehemalige Autor - bei Info3 und im Verlag Freies Geistesleben- Sebastian Gronbach, der in Anlehnung an Andrew Cohen und Ken Wilber, aber auch weiteren Versatzstücken aus Hinduismus, Küchen- Psychologie und einigen Brocken Rudolf Steiner einen Ashram gründete, der mit den üblichen Heilsversprechen einige Jünger und Anhänger anlockte. Inzwischen plant der überschaubar große Kult seine Übersiedlung nach Österreich, wo das Echo auf dieses Vorhaben zumindest in der betroffenen Gemeinde nicht allzu berauschend ist, wie „meinbezirk“ unter dem Titel „Fragwürdiger Sektenzugang in Steinberg“ (3) schreibt:

Derzeit wohnen die ca. 25 Personen religiös spirituellen Sektenmitglieder in einer Art klösterlichen Gemeinschaft, genannt „Sacred Human Ashram Rheinland“ noch in Wachtberg bei Bonn. Aber das sollte sich bald ändern, denn sie wollen nun mit ihren Mitgliedern nach Steinberg ziehen. Eine Gönnerin hat das ehemalige Hotel „ASI-Lodge“ im September 2018 gekauft. Oberguru Sebastian Gronbach und seine Mitglieder möchten das Hotel bewohnen und einen Teil in Form einer Gästebeherbergung im Rahmen eines Hotelbetriebes führen.

Vermutlich wird auch der gerade neu erschienene Insider- Bericht zweier ehemals führender Anhänger das Klima nicht gerade verbessern. Joachim Wetzky und Susanna Machowinski gehen in „Sacred Human. Ein Report über Sebastian Gronbach und seinen religiösen Kult“ (4) der Geschichte und Binnenstruktur dieser sektenartigen Verbindung nach, bei der - bizarrer Weise- aus den sich explizit als liberal verstehenden anthroposophischen Kreisen ein doktrinärer Führerkult entsprang, in dem Gronbach und seine Frau Fedelma ihre Jünger unentgeltlich für sich arbeiten lassen (Gronbach lässt sich sogar Brote schmieren und zwingt Jüngerinnen, mit seinem Foto ins Bett zu gehen), aber das Ganze als Überwindung von deren Ego zum Zwecke der baldigen Erleuchtung verkaufen.

Die selbstkritisch geschriebene Selbsterkundung dieses Abhängigkeits- Verhältnisses, dem das Ehepaar Gronbach als kühl inszeniertes Social- Media Produkt vorsteht, entlarvt das Konstrukt mit Hilfe der Stimmen zahlreicher ehemaliger Anhänger als einen der heute typischen destruktiven Kulte. Wetzky und Machinowski gehen den Prinzipien und Arbeitsweisen solcher Kulte analysierend nach. Die Untersuchung ist so komplex, dass sie als Vorlage für Sektenbeauftragte, Helfer und Angehörige von Opfern solcher Kulte dienen kann:
Da wir der Ansicht sind, Zeugen, Mittragende und Betroffene von destruktiven Tendenzen innerhalb einer neuen religiösen Gruppierung gewesen zu sein, begannen wir eine intensive Recherche über Sebastian Gronbach und Sacred Human durchzuführen. Zum Zweck der Dokumentation wurden mit 20 ehemaligen SchülerInnen Interviews geführt, mit 12 weiteren ehemaligen SchülerInnen über Chat kommuniziert sowie mit einem betroffenen Lebenspartner gesprochen. Auch kommunizierten wir mit sechs Menschen, die gravierende persönliche Erfahrungen mit Gronbach erlebten, vier ehemaligen SchülerInnen, die nichts über Sebastian berichten wollten, sowie mit fünf SchülerInnen, die kurz vor ihrem Austritt waren bzw. äußerst kritisch Gronbach und Sacred Human gegenüberstanden, dann aber wieder „bekehrt“ in den Kult zurückfielen. Wir waren im Austausch mit ca. 25 anderweitig Betroffenen und Experten aus den Bereichen Psychologie, Therapie, Gemeinschaften, Politik und Spiritualität. Zusätzlich stehen wir im Austausch mit Sektenstellen in NRW, Essen, Bayern und Österreich. Insgesamt kommen wir für diesen Report auf über 80 Kontakte, die sich alle um die Analyse der neuen religiösen Gruppierung Sacred Human und ihren Kultführer Sebastian Gronbach drehten.“ (4)

Die Autoren sind tatsächlich eng und über lange Zeit vertraut gewesen mit dem Kult, dessen Pseudo- Guru und seiner Frau: „Joachim Wetzky, der erste Autor dieses Reports, war einer der ersten Schüler von Sebastian Gronbach, in der Zeit von April 2014 bis November 2018. Susanna Machowinski, zweite Autorin, war Gronbachs Schülerin von August 2015 bis November 2018.“ (4)

Nun mag man argumentieren, dass es in der Verantwortung jedes Einzelnen liegt, ob er sich als erwachsener Mensch in Unterwerfungsgesten in die Struktur eines Clans begibt, die Verbindung zu Verwandten, Freunden und Geliebten aufgibt oder vernachlässigt, und sich den elaborierten, exaltierten Predigten eines selbst ernannten Menschheitsführers aussetzt, um dann im Ashram Möhren zu schnippeln, den Mittagsschlaf der Clan- Chefin auf Zehenspitzen buchstäblich zu achten und als Diener unentgeltlich den Hausherrn zu umsorgen, der sich als gottähnliches Wesen anbeten lässt. Das Zwingende und Destruktive eines solchen Kults erschließt sich nur dann, wenn man sich selbst in einer schwierigen oder traumatischen Situation, anfällig und schwankend befindet, und sich dann von den destruktiven Methoden wie „Lovebombing“ - ein systematisches Umwerben von Gronbach und den Mitgliedern- emotional einlullen und in die Clan- Struktur des autoritären Kults einfangen lässt. Ab dann greifen die Strategien der Bestrafung, des Liebesentzugs und der Drohung der Verstossung - archaische, plumpe, aber effektive Strategien von Zuckerbrot und Peitsche.

So beschreibt es auch Susanna Machowinski selbst, die auf diese Weise eingebunden wurde: „Sebastian Gronbach wirkt meiner Ansicht nach besonders auf Personen mit tendenziell schwachem Selbstwertgefühl, zu denen ich mich auch zähle, magisch anziehend. Die Sehnsucht, so zweifelsfrei von mir und der Richtigkeit meines Lebensweges überzeugt zu sein, wie er es von sich und seinem Weg ist, war einer der Hauptgründe, warum er mich anzog. Ich kam aus einer emotional und intellektuell enorm belastenden und verfahrenen Situation - meine Beziehung war ein einziges Desaster und ich hatte mich in sehr zweifelhafte weltanschauliche Kreise hinein manövriert - und versprach mir dadurch Hilfe und Rettung. Denn bei ihm hatte ich das Gefühl, geliebt und gesehen zu werden. Er schrieb mir immer wieder persönliche Nach- richten, erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden und stand mir bei in schwierigen Situationen. Schnell sprachen wir auf sehr vertrauliche Weise miteinander. Es ist auch gar nicht mein Interesse, ihm seine Liebe im Nachhinein abzusprechen. Was ich mich jedoch schon länger frage, ist, wen oder was er da eigentlich liebt. Ich glaube inzwischen, dass er seine Adepten als Verlängerung seiner selbst betrachtet, sie entgegen seiner Behauptungen doch nicht in ihrer Einzigartigkeit sieht, sondern nur in ihrer Funktion in Bezug auf ihn, Sebastian.“ (4)

Auf der anderen Seite stehen die narzisstischen Allmachts- Fantasien Gronbachs, der - manchmal als Christus, manchmal als Guru oder auch als Moses- Figur- (5) Heilsversprechen von sich gibt, die den Anhängern Erlösung von ihren Problemen in Form einer „Karma- Auflösung“ vorgaukeln: „Du musst nur den Rest deines Lebens neben mir herlatschen und gar nichts mehr machen und all dein Karma wird gelöscht. Das ist super easy, mehr musst du nicht machen. Das ist so einfach und überhaupt nicht anstrengend.“ (4)  Das eigentlich Destruktive an dem System besteht nach Joachim Wetzky darin, dass durch die Unterwerfung unter die Struktur, das systematische Unterdrücken von eigener Initiative das ohnehin angeschlagene Selbstwertgefühl der Anhänger unter dem Deckmantel spiritueller Ziele immer wieder und immer weiter unterminiert wird, was aber als sakrales Ziel der Ego- Überwindung verklärt wird: „An diesem Beispiel sieht man unserer Ansicht nach eindrücklich, wie Gronbach die Leistung seiner Anhänger absorbiert und als seinen eigenen Verdienst beansprucht. Diese Form der Entmündigung und des Absprechens eigener Verdienste wirkt sich schleichend zerstörerisch auf das Selbstwertgefühl aus. Gronbach stellte das als Teil der spirituellen Praxis des Guru-Yoga dar, als wirkungsvolles Mittel dafür, dass das Ego sich nicht diesen Erfolg greift und eine Anhaftung daran entwickelt. Es kam immer wieder vor, dass er uns dazu anhielt, zu erwähnen, dass „alles von ihm komme“ und wir „alles ihm zu verdanken“ hätten.“ (4)

Das „archaische Kollektiv“ (4) verlangt Ausschaltung jedes kritischen, eigenständigen Denkens und die Unterwerfung unter den Guru- Typen und seiner Ehefrau; falls doch Zweifel bei Einzelnen auftreten sollten, droht Gronbach ihnen mit dem Sturz in die Hölle: „..gibt es unglaubliche Erschütterungen, wo der ganze Himmel sich schwarz färbt, die ganze Seele nimmt für den Moment von 1.000 Ewigkeiten Leid auf sich, da tut sich die Hölle auf..“ (4)

Die Erfahrungen vieler Beteiligter an diesem Kult, ihre Loslösungs- und Emanzipationsversuche, das rituelle Verstossen- Werden, die nachhallenden Traumata und die Scham, Teil einer solchen perfiden Strategie gewesen zu sein, wird in dem vorliegenden Report ebenso dargestellt wie Analysen zur Struktur solcher Gruppierungen angestellt werden. Die Sekte wäre nicht so interessant, wenn sie nicht so typisch da stehen würde: Der heutige Trend geht zu solchen Mini- Kulten, die auf den Zerfall der großen Sekten der vorherigen Generation (u.a. Scientology, Osho, TM) folgen, wie Sektenbeauftragte mit Sorge konstatieren. Selbst in kleineren Städten tummeln sich heute Hunderte verschiedenster Kulte, mit unterschiedlichsten religiösen, ideologischen oder politischen Heilsversprechen, aber mit ähnlichen Strukturen. Insofern dient der vorliegende Bericht nicht nur der Aufarbeitung der Betroffenen, sondern auch als Grundlage für das Funktionieren solcher Kulte und der Hilfestellung für Opfer und deren Angehörige.


Anmerkungen und Verweise

1 https://diepresse.com/home/schaufenster/leben/5569211/Auf-der-Jagd-nach-falschen-Heiligen-und-Heilern 
2 http://www.integralworld.net/scofield1.html
3 https://www.meinbezirk.at/schwaz/c-lokales/fragwuerdiger-sektenzugang-in-steinberg 
https://www.sacredhumankult.de/
5 Gronbach: "Hier in der Wüste Sinai, fühle ich die MOSES-Energie.

Dies ist meine Mose Meditation - für jeden der will:
„Ich sitze aufrecht und entspannt und halte die Schultern breit.
Frei von der Arroganz des Egos, bin ich bereit, gemeinsam an jener Arche zu bauen, mit der wir unsere Welt vor dem Untergang retten.
Ich bin bereit, mein Volk durch die Wüste zu führen, nachdem es der Tyrannei der Ego-Illusion entkommen ist.
Ich verlasse dazu mein Haus und Hof um denen zu predigen, die Witwen und Kinder missachten und falsch Zeugnis reden.
Ich nehme das Kreuz auf mich, dass den Punkt ❌ bezeichnet: Den entsetzlichen Schnittpunkt, wo Gott mich zwingt ich selbst zu sein und den Preis dafür zu zahlen. Ganz und im Voraus.
Ich werfe die starre, tote, bösartig tyrannische Schlange wieder in das Chaos, aus dem sie einst gemacht wurde.
Ich lasse mich nicht von einer unsicheren Zukunft irre machen, sondern errichte eine bessere, sinnvollere, fruchtbare Ordnung.
Ich achte also auf meine Haltung. Ich höre auf mich hängen zu lassen und mich in der Ecke herumzudrücken.
Ich bin gefährlich. Und ich lasse tief beruhigendes Serotonin durch meine Nervenbahnen fließen!
Ich lebe lustvoll, friedvoll, stark, still!
Zum Wohle aller, die eines guten Willens sind.
Ich bin ein Anführer. Wir sind viele. Und Gott ist das Größte!“"

Fuck you, alter Sack!

Deine allerbesten Buddies, Impf- Gegner und die post- anthroposophische Bewegung

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Quelle Info3
Guten Morgen, Ihr Sternenkinder. Heute schon eine Erleuchtung gehabt? Oder sich wenigstens ein bisschen überlegen gefühlt? Oder sich für einen transzendentalen Erbkörper eingesetzt, indem Ihr die Kinder vom Impfen gegen Masern abgehalten habt? Keine Sorge, Ihr seid nicht allein. Die Rechts- Populisten rund um den Erdball und Euch eint das Gefühl, die Regierungen und Eliten, Großindustrie und Pharma- Unternehmen hätten sich gegen Euch verschworen: „Populists are often suspicious of the establishment and authority figures. Antivaxers are hostile to government, medical institutions, Big Pharma and science. In several countries – Italy, France, Poland, the US – both are on the rise.“ (1)

Daher ist die Verweigerung der Masern- Impfung folgerichtig und der erste Schritt, um sich gegen die globale Verschwörung der Fachleute, Wissenschaftler und Polit- Strategen zu wehren. Denkt dran, erst schwächen Sie Euer heiliges Erbgut, und dann ersetzen sie Euch gegen ein paar eingeschleuste Migranten: Neger, Syrer, Polen oder Mexikaner. Es ist eine gewaltige Verschwörung, aber Ihr seid ja glücklicherweise gewarnt worden. Die Nebenwirkungen der Total- Verweigerung muss man in Kauf nehmen: Tausende von Erkrankten allein in Italien mit der dort agitierenden rechten Regierung: „Last year Italy had the second largest measles outbreak in Europe, with more than 4,000 cases and four deaths. That followed two years when vaccination rates fell below 90% for the first time in a decade, while the anti-establishment Five Star Movement (M5S) and the far-right League vocally backed the antivaxers’ conspiracy theories.“ (1) - aber insgesamt Zehntausende von Erkrankten in Europa. Notorische Impf- Verweigerer finden sich, immer wieder explizit erwähnt, unter Anthroposophen und den ihnen nahe stehenden Waldorfschulen, die sich damit einreihen in die globalen „anti- systemischen“ Strömungen: „What the WHO calls vaccine hesitancy is complex. The anthroposophy movement started by Rudolf Steiner in Germany, and now also big in Sweden, does not embrace vaccines. Nor do some religious groups, and there are refuseniks among rightwing anti-authoritarians, anti-establishment movements and liberal-leaning enthusiasts for alternative lifestyles.“ (1)

Der Zusammenhang zwischen dem Erstarken populistischer Bewegungen und der Impf- Skepsis in Europa ist durch eine aktuelle Untersuchung belegt worden (2). Man kann von einem grassierenden anti- wissenschaftlichen Populismus sprechen- ein Phänomen, das seit Rudolf Steiners Zeiten auch ein Teil der anthroposophischen Agenda gewesen ist. Dass sich das Problem inzwischen nicht nur auf nationaler Ebene als Thema in den Vordergrund schiebt - Jens Spahn plant ja an einem Gesetz zur Impf- Pflicht in Bezug auf Masern (3)-, sondern global, dafür sorgt nicht zuletzt der Clown in der Gestalt des US- Präsidenten, der seit Jahren herum- twittert, Impfungen führten zu Autismus: „Further afield in the US, Donald Trump has met well-known anti-vaccination campaigners, including Wakefield, and expressed sympathy with their ideas. For example, in 2014 he tweeted: 'Healthy young child goes to doctor, gets pumped with massive shot of many vaccines, doesn't feel good and changes -- AUTISM. Many such cases!‘

Ja, viele Fälle virulent ausbrechender Idiotie. Aber leider wird so etwas, was früher vielleicht in einer Zwangsjacke gelandet wäre, sehr leicht von begeisterten Massen zum Staatspräsidenten gemacht oder in den Bundestag gewählt. Man möchte angesichts der schrumpfenden Intelligenz- Restbestände beinahe zu Verschwörungstheorien greifen: Was ist nur mit den Leuten los?

Die Anthroposophen dagegen schwimmen endlich mal vorne auf der populistischen Welle mit. Sollte man meinen. Aber nein. Michael Schmock, seit 2016 Generalsekretär der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland (4), hat von dem ganzen Wahn offenbar gar nichts mitbekommen. Er arbeitet sich immer noch an den Schriftgelehrten unter den Steiner- Jüngern ab, die die Deutungshoheit als eingebildete geistige und kulturelle Superiorität als Banner durch die Gegend tragen: „Und diese reine Text-Pflege der Anthroposophie habe ich als einseitig empfunden. Also habe ich viele Veranstaltungen mit Menschen aus den Lebensfeldern gemacht, wo ich ja herkam: Landwirtschaft, Sozialtherapie, Waldorfschule und so weiter. Das war für mich Anthroposophische Gesellschaft! Dabei habe ich eine innere Perspektive entdeckt, die ich so beschreiben würde: Die Anthroposophie braucht sowohl die innere Vertiefung – das ist ihr wesentlich –, als auch den konkreten Zugriff, das Hineinstellen in die gesellschaftlichen Aufgaben, die Notwendigkeiten, die eben die Gesellschaft stellt. Wie sich das aufeinander bezieht, hat mich interessiert, nicht nur das, was sich abgesondert im stillen Kämmerlein realisiert.“ (4)

Michael Schmocks Haltung einer „spirituellen Gastgeberschaft“ durch die Anthroposophische Gesellschaft, die soziale Anliegen aufgreift, artikuliert und fokussieren hilft, mündet in dem selbstlosen Mantra „Die Anthroposophische Gesellschaft ist nur ein Teil der Anthroposophischen Bewegung. Die Anthroposophische Bewegung als Ganzes ist das Gefäß für die Anthroposophie.

Schmock konzentriert sich also offensichtlich auf die produktiven, sozialen Arbeitsfelder im Umkreis der anthroposophischen Bewegung mit ihren offenen, engagierten und konkret wirkenden Mitarbeitern. Das hässliche, ewig beleidigte, mit sich selbst beschäftigte innere Anthroposophen-Kind, das alle populistischen und paranoiden Anwandlungen absorbiert, transzendiert und transpiriert, wird ignoriert und ruhig gestellt. Aber wie soll das funktionieren? Weite Teile der Szene strömen doch in Vorträge und Seminare der „Friedensforscher“ und Rechtspopulisten, lauschen deren YouTube- Videos und verbreiten entsprechende Newsletter, hetzen in Facebook- Gruppen und planen den Aufstand im Goetheanum. Aber gut, Herr Schmock fühlt sich selbst als Moderator für die produktiven Kräfte, die sich sozusagen frei machen können vom hoch ideologisierten Insider- Betrieb: „Und daher fühle ich mich in dieser Rolle als Generalsekretär der Anthroposophischen Gesellschaft am richtigen Platz, weil damit die Anthroposophie selbst in ihrer ganzen Ausbreitung zusammenwirkt.“ (4)

Leider gehören zur „ganzen Ausbreitung“ der Anthroposophenschaft aber eben auch die sich selbst verstümmelnden Ideologen, Phantasten und Spinner. Was die Impf- Pflicht betrifft, hört man zum Beispiel, dass selbst dort, wo sie Pflicht ist, anthroposophische Ärzte gegen Gebühr Atteste wegen angeblicher Unverträglichkeit der Kinder ausstellen. Das führe zu sehr geringen Durchimpfungen z.B. an kalifornischen Waldorfschulen. Wenn nun tatsächlich eine schwere Epidemie von solchen ideologischen Verweigerern ausgehen sollte, wird es schnell zu nur zu verständlichen Empörung in der Öffentlichkeit und Politik kommen. Die „ganze Ausbreitung“ egozentrischer, hoch ideologisierter Pseudo- Esoterik würde sozusagen auf die realistischen gesellschaftlichen Interessen der Allgemeinheit stossen. Die Virulenz solcher und vieler anderer toxischer Ingredienzen der „Bewegung“ schlicht zu überhören, ist in diesem Sinne eine etwas fragwürdige Strategie eines verantwortlichen Generalsekretärs.

Aber wer soll schon in diesem monströsen Wespennest Dornacher Bauart herum stochern? Wer will die erregten Männlein und Weiblein in ihrer grotesken anthroposophischen Selbstüberschätzung gegen sich aufbringen? Und wohin sollte das führen? Die pflegen ja seit 100 Jahren das monologische, rechthaberische Wutbürgertum- lange bevor irgend jemand diese Spezies als solche kannte. Heute besiedeln die ja faktisch den Planeten.

Übrigens kommt Info3, die ehemals anthroposophische Monats- Zeitschrift, nicht umhin, den Generalsekretär auch danach zu fragen: „Bei info3 kommt seit dem Neuauftritt im Herbst 2019 das Wort „Anthroposophie“ im Untertitel nicht mehr vor. Hat Sie das gestört?“ (4) Nein, hat es natürlich nicht. Anything goes. Hauptsache offen und peaceful miteinander, und wir sind alle wahnsinnig tolerant.

Der Generalsekretär verkneift sich auch jede spitze Gegenfrage, zum Beispiel wie es so geht mit den Auswüchsen des spirituellen Anything-Goes, die von Info3 populär gemacht wurden, promotet oder produziert. Dazu gehören ja nun auch aggressive Promotion- Aktionen autoritärer Guru- Figuren, was nun so gar nicht in die Peace- Love- Toleranz- Linie zu passen scheint. Der ehemalige Mitarbeiter Sebastian Gronbach jedenfalls betreibt weiterhin, allerdings mit erheblich erweitertem Team- z.B. von PR- Spezialisten, Sterbehelfern und selbsternannten Trauma- Therapeuten (5)-, seine Akquise immer neuer Kunden seines Sacred- Human- Kultes. In diesem Sommer geht es quasi auf Tournee. Lassen wir auch diese exquisite Seitenlinie (ehemals) anthroposophischer Eskapaden im Originaltext auf uns wirken, wobei wir still meditieren und versuchen, die „ganze Ausbreitung“ anthroposophischer Bewegungsmuster in uns wirken zu lassen:

"underground-satsang-tour - erleuchtung pur - hautnah – menschlich – ohne filter 

Liebe XY,
Wir hatten gefragt, in welchen Städten Sebastian bei seiner Satsang-Tour Station machen soll. Wir sind überwältigt von Eurem Feedback. 
Insgesamt dreißig Städte stehen auf Eurer Wunschliste. Und wir wollen diese Satsang Tour genau so spontan realisieren, wie die Idee zustande kam. 
Aber es ist anders als alles was man sonst so gewöhnlicherweise kennt. 
Es ist die Underground-Satsang-Tour
Schon zweimal ist Sebastian erfolgreich und anonym mit einer Underground-Satsang-Tour durch Deutschland unterwegs gewesen. 
Dieses krasse Setting wollen wir jetzt neu auflegen. Und Du und Deine engsten Freundinnen und Freunde spielen dabei die entscheidende Rolle. 
Das erfolgreich erprobte Underground-Satsang-Setting ist so simpel wie es klingt: 
Satsang in Deinem privaten Zuhause. Nur Du, Deine allerbesten Buddies, ohne Show, zutiefst menschlich, intim, direkt, Erleuchtung pur. BÄM. 
Du trägst kein Risiko, Du musst null öffentliche Werbung machen, nur Deine 9 bis allerhöchstens 20 liebsten Freundinnen und Freunde einladen, wir basteln mit Dir alles in enger Absprache zusammen, Du hast keine finanziellen Verpflichtungen – vielleicht einmal durchs Zimmer staubsaugen wäre cool. 😊 
Nutze die Power eines solchen Underground Satsang-Events, um Dein Space zu einer energetischen Kraftzentrum zu machen. Werde zum Hotspot für die erwachte Liebe. Gib Sebastians Satsang spontan ein Zuhause. Bitte melde Dich am besten noch heute und behalte dieses kleine Geheimnis bitte für Dich. Bringe nur Deinen echten Kumpels und ehrlichen Freundinnen die Leidenschaft für Erleuchtung ins Haus. 
Oder wann hast Du zuletzt etwas Geheimnisvolles zum ersten Mal gemacht? 
Bitte melde Dich entweder heute oder in den allernächsten Tagen, damit wir alles besprechen können und auch Deine Stadt in den Unterground-Tourplan einbauen können. 
Sebastian freut sich auf Dich.
Deine Heike.


underground-satsang-tour - erleuchtung pur - hautnah – menschlich – ohne filter"

Nun denn, Ihr allerliebsten Buddies, weiter mit der Leidenschaft für das Wahre, Schöne, Gute und Bekloppte!
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Verweise:

1 https://www.theguardian.com/world/2018/dec/21/rightwing-populists-ride-wave-of-mistrust-of-vaccine-science
2 https://www.sciencedaily.com/releases/2019/03/190301123250.htm
3 https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-05/masern-impfpflicht-infektionskrankheiten-spahn-geldbussen
4 https://www.info3-verlag.de/zeitschrift-info3/die-anthroposophische-gesellschaft-ist-ein-gastgeber/
https://sacredhuman.guru/unsere-experten/


Anthroposophie für Außerirdische oder das anthroposophische Stockholm- Syndrom

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Quelle Weltbild
Der böse Bube ist wieder da, das Schreckensbild der Stock- im- Hintern- Anthroposophen, die ihr Monopol auf anthroposophische Deutungshoheit als vom Himmel gefallen ansehen: Helmut Zander hat mal wieder ein Buch über Anthroposophie geschrieben (1), nicht akademisch, weniger analytisch, sondern über die anthroposophische bunte Welt in ihrer ganzen Pracht, ihren Ausläufern, Wendungen, Expansionen, den absterbenden Partien, den inneren Widersprüchen. Er hat dazu ein enzyklopädisches Format gewählt, das der Sache, als Buch betrachtet, den inneren roten Faden nimmt, aber dafür natürlich als Nachschlagwerk für Interessenten aus den verschiedensten Bereichen dient - viele davon wahrscheinlich Waldorfeltern in spe, die sich kundig machen wollen, aber nicht zu sehr- und sich für Leser mit Konzentrationsschwankungen eignet, die ein überschaubares und konzentriertes Maß von Informationen auf einmal verarbeiten können oder wollen, um dann hier und da mal weiter zu lesen.

Okay, das ist kein akademisches Highlight, das ist etwas, was sich gut verkaufen läßt. Und warum auch nicht? Die ganze Fülle der bunten anthroposophischen Welten, Initiativen, Bewegungen, eingehend und fair betrachtet und vorgestellt- das ist doch etwas. Einerseits hat Zander merklich eine bestimmte Agenda - er verdächtigt einen Großteil der Bewegung, protestantischen Ursprungs zu sein-, überwindet diese aber auch und berichtet einfach, teilweise mit offenkundigem Erstaunen, was sich in der Szene initiativ tummelt und bewegt. Er konstatiert dabei auch das immer wieder erstaunlich virile liberale Element, das aller „esoterischer“ Ideologie zum Trotz die unterschiedlichsten, individuellsten Entwicklungen möglich macht. Nehmen wir nur mal die Banken, von GLS bis Triodos, die sich durchaus unterschiedlich verorten, verschieden wirtschaften, sich unterschiedlich engagieren und den Schwerpunkt entweder auf lokale Initiativen oder aber auf globales Engagement setzen. Zander zeigt auf, dass sowohl die ideologische Bindung wie auch das typisch nationale Ideal des Wirtschaftens völlig unterschiedliche Modelle schaffen, die dennoch miteinander kooperieren. Das Erstaunen über diese Vielfalt zieht sich durch Zanders Buch. Wie sollte man auch nicht erstaunt sein über die ausufernde Popularität der Waldorfpädagogik in China, die Hunderte von Gründungen nach sich zieht- nicht zuletzt wegen einer gnadenlosen Pauk- Pädagogik in den staatlichen Schulen. Es bilden sich - schon aus der Not, so etwas privat zu finanzieren, Baugemeinschaften in China, die dann manchmal zusammen ziehen und letztlich kulturstiftend zu wirken beginnen. Zander sieht sich interessiert Fotos von chinesischen Waldorf- Tafelbildern an, auf denen sich in Pastelkreide Nils Holgersson mit Buddha kreuzt.

Natürlich kommen die internen Konflikte nicht zu kurz. Der Clash der einstmals so innig verbundenen dm- alnatura Konzerne wird ausführlich dargestellt. Dabei wird völlig zurecht die Differenz zwischen dem Streben nach absoluter Marktdominanz um jeden Preis und dem anthroposophischen Gesäusel eines ehemaligen Konzernchefs wie Werner charakterisiert. Zander stellt sogar Wetten auf den Ausgang des vorerst beigelegten Konflikts an - alnatura hat seine Markenrechte bewahrt und kooperiert inzwischen mit den großen Lebensmittel- Konzernen und mit der dm- Konkurrenz.

Auf diese Weise ackert sich Zander durch die ganze Szene- detailreich, relativ fair, manchmal spannend, aber vielleicht auch beliebig- sicherlich, wie er auch zugesteht, auch mit dem Fokus auf die mitteleuropäische Ausprägung. Die Grundlagen kommen vor, werden von Zander aber nur selten sarkastisch oder befremdet vorgetragen (die zwei Jesusknaben u.a.), sondern eher sachlich: „Die Überzeugungen von anthroposophischen Bankern oder die Entwicklung des Kindes gemäß der Waldorfpädagogik versteht man ohne diese „esoterischen“ Hintergründe nicht. Aber es gibt noch eine kompliziertere Antwort. Sie lautet, dass die Anthroposophie einen philosophischen „Monismus“ vertritt, indem sie Anspruch erhebt, Geist und Materie als unterschiedliche Aggregationsformen ein und derselben Sache zu deuten. Für Anthroposophen ist die Welt materialisierter Geist. Diesen Geist nennt Steiner auch das „Göttliche“, und wenn alle Materie eine andere Form des Geistig-Göttlichen ist, ist auch der Mensch göttlich, zumindest in seinem innersten Kern.“ (2) In manchen Kapiteln wie denen zur Christengemeinschaft oder dem Nebeneinander von anthroposophischer Gesellschaft und Bewegung spielen die Grundlagen zwar eine größere Rolle, aber auch hier liegt der Fokus auf den internen Konflikten, Selbstdefinitionen, Gegenbewegungen und Trends. Ein Resümee Zanders liegt doch darin, trotz der offenkundigen Überalterung, Säkularisierung und heftigen internen Konflikten innerhalb der anthroposophischen Bewegung doch auch eine erhebliche Dynamik, Vielfalt und Beweglichkeit zu konstatieren. Mag kaum noch jemand Rudolf Steiner tatsächlich lesen wollen, möchte der globalisierte Mittelstand doch gerne sein Geld anständig anlegen, vernünftige Lebensmittel erhalten, Kindern technologie- freie Spielräume bieten und eine Natur vorfinden, die nicht in synthetischem Dünger und Monokulturen erstickt. Während die hoch ideologisierten Dornacher Schriftgelehrten tatsächlich niemanden mehr interessieren, expandieren die ursprünglich anthroposophischen Impulse nicht nur global, sondern auch durch Konzerne, die sich dem verantwortlichen Wirtschaften selbst verpflichten.

Diesen Umbrüchen geht Zander erfolgreich nach. Es ergibt sich ein nicht oder kaum polemisches Bild, wobei man sich hier und da fragt, ob Zander nicht doch ein wenig unter dem Stockholm- Syndrom leidet- wenn er etwa bekennt, dass seine Familie, ja selbst seine eigene Familie tatsächlich Demeter- und Wala- Produkte konsumiert. Zanders Sympathien gegenüber dem Info3- Umfeld sind ganz offensichtlich, seine persönlichen Begegnungen offenkundig zahlreich, das Erstaunen über die Vielfalt und den häufig konstatierbaren Pragmatismus bemerkbar. Mag sich das Klischee vom Anthroposophen noch sehr gegen den Zeitgeist stemmen, tatsächlich assimilieren die Schulen, wenn es an der Zeit ist, nicht nur schnell Gedanken wie Inklusion und Integration, sondern tun auch so, als seien das ursprünglich anthroposophische Anliegen. Wenn es denn Not tut oder Fördergelder winken, werden die ideologischen Stellschrauben schnell ausgetauscht. Auf der anderen Seite entsteht durch äußere Traditionen, aber auch Haltungen eine angenehme Kontinuität im Sinne eines Markenkerns; man erkennt anthroposophische Marken, Häuser, Institutionen meist unmittelbar.

Allerdings trifft Zander, ganz offensichtlich durch lange Erfahrung, auch die markanten inneren Widersprüche so vieler anthroposophischer Institutionen, in denen Schein und Sein eklatant auseinander klaffen: „Im Hintergrund der inneranthroposophischen Auseinandersetzungen steht ein extrem schwieriges Kapitel, das man als Außenstehender nur mit Vorsicht berührt, weil jeder Fingerzeig von Anthroposophen oft als verletzend empfunden wird: die autoritäre Diskussionskultur. Zuerst einmal denkt man bei Anthroposophen vielleicht an das Gegenteil. Denn ja doch, es gibt das hohe Ethos der individuellen Eigenständigkeit und die Forderung nach Dogmenfreiheit, es gibt kollektive Leitungsorgane, entstanden etwa aus der Idee der Lehrerrepublik in der Waldorfschule. Aber es gibt auch die Realität, die ganz anders, nämlich hierarchisch aussieht. Der Dreh- und Angelpunkt der Probleme ist gleichzeitig Herz der Anthroposophie, der Anspruch auf höhere Erkenntnis. Sie verspricht Klarheit, Eindeutigkeit, Widerspruchsfreiheit. Aber weil man darüber nicht verhandeln kann und eine Interpretation diese „Objektivität“ bedroht, wird die höhere Erkenntnis zu einer Maschine der Produktion von Autorität, weil man mit der Berufung auf seine Einweihung oder zumindest einen Eingeweihten – in der Regel auf Steiner selbst – jeden Diskurs beenden konnte und oft genug beendet hat. Diese Streitigkeiten werden oft als erkenntnistheoretische Debatten deklariert, aber psychologisch geht es meist um etwas anderes, um Deutungsmacht. Deshalb kommt bei all den vielen Diskussionen dann häufig doch keine offene Debatte zustande.“ (3) So mancher hoch Engagierte hält diese Widersprüche auf Dauer nicht aus, wie Zander ausführt.

Zander konstatiert aber auch, dass die Dynamik, die aus Spannungen um den Pluralismus, die Anthroposophie- internen Dogmen und Versuche, eben diese aufzubrechen (um dann vielleicht in Beliebigkeit zu landen) zu immer neuen Umbrüchen auch im Kernbereich der anthroposophischen Verwaltung führen: „Von Anthroposophen, die den Meister eng an seinen Texten entlang auslegen, bis zu Anhängern, die in seinem Werk nur methodische Anregungen sehen, blüht ein weites Spektrum, dessen Vielfalt für eine zahlenmäßig kleine Weltanschauungsgemeinschaft wie die Anthroposophische Gesellschaft bemerkenswert ist. Diese Pluralität findet sich bis in den Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft hinein, in dem etwa Sergej O. Prokofieff saß (gest. 2014), für den deftigste Polemik gegen Andersdenkende offenbar zur Bedingung seiner Identität gehörte, aber auch Bodo von Plato (abgewählt 2018), der die langsam in Gang kommende kritische Aufarbeitung der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft mit angestoßen hat. Jeder, der seinen eigenen Weg gehen will, kann sich eben auf Steiners Postulat der Dogmenfreiheit berufen. Dass sich dabei Dogmatismus und Antidogmatismus die Hand reichen, ist auch Anthroposophen klar: Über „die Spannung zwischen dogmatischen Tendenzen in der AAG [Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft] und beliebigem Relativismus“ konnte man auch in einer offiziösen anthroposophischen Publikation zur „Goetheanum- Welt- Konferenz“ 2016 lesen.“ (4)

Was hat Zander in seinem Kompendium vergessen? Die schlimmsten politischen Exzesse, die das Netz zu dem Thema bereit hält, hat Zander uns erspart. Und manche exotischen Erscheinungen wie die stigmatisierte Judith von Halle oder der hinduistisch brambassierende Sebastian Gronbach sind aus der Perspektive Zanders heraus relativ unspektakuläre Phänomene. Das gnostische Selbsterlösungs- Element bei Steiner macht ihm bemerkbar viel mehr zu schaffen. Aber dennoch. Hier liegt vor uns eine faire, fleissig recherchierte, ziemlich umfassende Darstellung anthroposophischer Welten vor, die man sogar einigermaßen gut unterhalten lesen kann. Natürlich ist der Blick Zanders der von oben auf ein Meerschweinchen - Gehege. Mal schweift der Blick hier hin, mal dorthin, mal ist es vernünftig, mal exotisch, mal widersprüchlich, mal großartig. Der Blick wirkt nicht auf Augenhöhe- was das Buch letztlich eben doch prägt und das Lese- Vergnügen einschränken kann. In Wirklichkeit durchziehen die inneren Widersprüche, die ideologischen Altlasten, die nicht mit gewachsenen internen Strukturen ja die gesamte Gesellschaft. Der Blick von oben separiert und zerstückelt die Szene und lässt sie so exotisch vergrößert wirken, als würden Aliens einen Blick auf Stammesrituale abgelegener Bergvölker werfen. Aber vielleicht ist eine gewisse Exotik ja auch verkaufsfördernd, wer weiß? Die sehr stark zeitlich gebundenen Konflikte und Trends, die Zander zum Beispiel in Bezug auf Waldorfpädagogik in China, Konzern- Revierkämpfe der anthroposophischen Drogeriemärkte und Hahnenkämpfe im Dornacher Verwaltungszentrum ausbreitet, werden zeitnah Neuauflagen dieses Buchs nötig machen. An manchen Stellen schrammt diese Berichterstattung ja haarscharf am Tratsch vorbei (welcher Kontrahent in der Wirtschaft wie mit wem verwandt oder verheiratet ist). Aber gut. Unterhaltung ist nicht schlechtes. Und fair bleibt das Gesamtbild allemal.


Verweise-----------------
1 Helmut Zander, Die Anthroposophie. Rudolf Steiners Ideen zwischen Esoterik, Weleda, Demeter und Waldorfpädagogik. Paderborn 2019
2 siehe 1, Einleitung, S. 8
3 siehe 1, S. 23
4 siehe 1, S. 81

Der anthroposophische Narzisst oder: Die gefühlte Selbst- Bedeutsamkeit

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Natürlich gibt es große, Generationen  übergreifende Trends, aus denen man seine biografische Agenda bezieht- oder man stellt sich gerade in den Gegensatz zu ihnen, und definiert sich im Widerspruch zu diesen Trends. Bei mir war es, was die anthroposophische Agenda betrifft, sicherlich ein Mix von beidem: Einerseits entsprang das Zündende daran dem Zeittrend, der (in den 70ern des letzten Jahrhunderts) eine Mischung von Hippie- Kultur, Spiritualität, steppenwölfischer Wahrheitssuche darstellte - eine romantische Wendung hin zum „Ewigen in mir“ und in der Natur; andererseits markierte das trotzige Statement „Ja, ich bin Anthroposoph“ in der kleinstädtisch- katholisch geprägten Umgebung und ihren Arbeitsplätzen einen Standpunkt, der zumindest nicht gerade der Karriere-, aber doch der trotzig abgerungenen Identität förderlich war.

Zu dieser Zeit lief eine solche Haltung unter dem Label Progressiv, und verstand sich als Part der alternativen Szene. Die tatsächlichen anthroposophischen Milieus und Arbeitsstätten mit ihren bleiernen Strukturen, den lokalen Guru- artigen Gestalten, den arroganten Globuli- Ärzten waren sehr schnell ebenso zu eng gestrickt wie häufig Anthro- Familien mit ihrem restriktivem Regelwerk, das vor allem auf Vermeidung von Konsum, Genuss und Medien setzte, um des ewigen Seelenheils willen. Die real existierende Anthroposophie des letzten Jahrhunderts hatte etwas von einem bleiernen Katechismus - die eigentliche Suchbewegung war längst zu einem formelhaften Abbeten von Zitaten, Geboten und Phrasen geronnen, aus dem immer wieder einzelne Persönlichkeiten - freie Geister- heraus ragten, manchmal - wie Beuys oder Kühlewind - kometenartig aufstiegen und bekannt wurden, aber zumindest intern in der Szene weder verstanden noch nachhaltig integriert wurden.

So konnte man beobachten, wie viele Paradiesvögel, Intellektuelle, Suchende in diese Szene strömten und dort sehr bald, nachdem der freundlich- alternative Rahmen durchdrungen war, auf die hierarchischen Strukturen, die interne Machtbalance (meist mit einer narzisstischen Führerpersönlichkeit), die Bigotterie, Ignoranz und den besserwisserischen Katechismus aufprallten. Selten erlebte man andernorts eine derartige Häufung von - gefühlt- „wichtigen Leuten“ an allen Schaltstellen, die mit einem intellektuellen Minimal- Einsatz stereotype Vorträge hielten und - zumindest damals- ein Buch nach dem anderen heraus gaben. In diesem Biotop konnten schlichte Naturen mit einer Begabung zur bigotten Machtentfaltung erstaunlichen Einfluss ergattern, solange sie frömmelnde oder esoterische Weisheiten von sich gaben, die den eigenen nackten Ehrgeiz verdeckten. Man konnte die Posten, die manchmal sehr lukrativ waren (in Form von Immobilien, Folgeaufträge auch für die Verwandtschaft, gesondert ausgehandelten Verträgen mit besonderen Gehältern, usw), nicht selten Generationen- übergreifend weiter geben und somit eine anthroposophische, manchmal auch Branchen- übergreifende Dynastie begründen.  Im Umkreis und nah am Zentrum großer Institutionen, Unternehmen und Bildungsunternehmen der Szene haben sich einzelne Persönlichkeiten immer ein überaus lukratives Einkommen und ein überaus angenehmes Heim schaffen können. Die Futtertröge sind heute rar gesät, freilich, und werden immer knapper.

Aber natürlich läuft nicht alles über die liebe Verwandtschaft. Wenn man im Um- und Dunstkreis solcher Milieus zu schaffen hat, bemerkt man auch die wundersame Kraft der Cliquen und des Buddy- Ismus. Eine fest gestrickte Gruppe, die sich gegenseitig schützt, Dynamik schafft, den Rücken frei hält und Geld und Bürgschaften beschafft, hat die Potenz, zusätzliche Menschen zu binden, die schließlich ganze institutionelle Gründungen fertig kriegen, die wiederum Aufträge, Geld und Kontakte generieren. Die Synergien sind enorm und führen nicht selten dazu, dass sich lebenslange Freundschaften entwickeln, eine Berufswahl getroffen wird und sich Karrieren anbahnen- oder zumindest ein Sprungbrett dorthin. Sind die Bindungen lang und tief genug, macht es nichts, wenn der Eine in Mumbai sitzt, ein Anderer sonstwo; die Scheidungen, die Freundschaften auch der Kinder, gemeinsame Wohnprojekte, Tausch der Partner- das alles wird in das Strickmuster des Milieus integriert, ohne irgend einen ideologischen Hintergrund. Aber dass diese weit gefasste Gruppe Waldorfschulen, -kindergärten und weitere Institutionen gegründet, gebaut und beherrscht hat, bleibt ein innerer Pol für diesen Kreis.

Und niemand ist hier abgedreht. Das sind (weitgehend) Leute aus der Wirtschaft- zumindest die des inneren Kreises. Die haben durch die Gründungen Kontakte in Verwaltung und Wirtschaft entwickelt. Aber auch wenn auf dieser Ebene der Gründer und Bauherren eine bestimmte Schicht innerhalb der Stadt involviert ist, die dann auch mit ihren Kindern in die Institutionen drängt, ist doch in den weiteren Kreisen jeder Aspekt des Bildungs- Bürgertums vertreten- bis hin zu „alternativen Lebensmodellen“, Künstlern und Medienschaffenden. In Deutschland bleibt das Schulgeld auch die staatliche Refinanzierung überschaubar. Dennoch ist die spezifische Verankerung und gesellschaftliche Durchmischung in jeder Waldorfschule sehr unterschiedlich.^

Jedem in diesem rationalen System ist aber doch klar, dass man ein wenig Tribut an das Surreale tragen muss. Während alle Beteiligten an den Gründungen, den Unternehmen, den Wohnverhältnissen, den Liebschaften und den Finanzierungen vernünftig agieren, braucht man ein paar Irre, um den anthroposophischen Schein zu wahren. Selbst die jährlichen Tagungen in Stuttgart und Dornach sind perfekt organisiert, gestylt, Lebensmittel- technisch korrekt und vom Material der Kleidung und Kladden nachhaltig. Alle führen den Kanon von Übungen durch, die die Generation der Achtsamen selbst am Arbeitsplatz, in der Freizeit und im Yogaseminar praktiziert, und legen für eine Stunde ihr Smartphone weg.

Aber den irren Anthroposophen, der seine verbalen Ergüsse aus christologischer Ich- Erkenntnis, dubiosen Anthro- Letters und einem Mix von Steiner- Zitaten und rechtsnationalem Gedankengut zusammen bastelt, muss man einfach haben, allerdings nur mit einem halben Vertrag und kurz vor der Pensionierung stehend. Jeder weiß, dass er mit der dürren, aber energischen Schritts daher schreitenden Eurythmistin etwas  am Laufen hat. Zu Festen, beim Weihnachtsspiel und bei öffentlichen Veranstaltungen spricht er ein paar einführende Worte, die meist bemüht tiefsinnig und vage kulturkritisch wirken. Er ist bislang harmlos, auch wenn man das Schlimmste befürchten muss. Wenn er mit seiner teigigen Haut über den Schulhof trottet, sehen die Rationalisten einen dicklichen, abwesend wirkenden älteren Herren- er selbst aber sonnt sich in seiner geistigen Aura. Es gibt gerade in anthroposophischen Kreisen diese narzisstische Störung, die bei Rudolf Steiner sogar notwendiger Teil des „Schulungsweges“ ist: Das Auseinanderfallen von Denken, Fühlen und Wollen bzw von Fremd- und Selbst- Wahrnehmung. Die eigene Bedeutsamkeit wird auf geradezu groteske Art überschätzt.

Sehen wir uns zu diesem Thema doch einmal einen Rundbrief an, der gerade von dem Anthroposophen und Judith- von- Halle- Anhänger Andreas Delor verschickt wurde. Er kommt erst einmal aktuell, zeitgeistig und rational daher, mit Bezügen zu Rezo, Greta Thunberg, AfD und CDU, aber auch mit einem Link zu einem eigenen Artikel. Dankenswerter Weise präsentiert Delor darin aufs Schönste den hier gemeinten Narzissmus: „Schaut man sich das Rezo-Video an (alles, was Reso aufzeigt, war mir im Prinzip lange vorher bekannt, nicht aber, WIE weit vorangeschritten diese Prozesse mittlerweile sind), so wird deutlich, dass dessen Titel eigentlich heißen müsste einerseits: „die Selbstzerstörung der CDU“ und andererseits: „die Zerstörung unseres Planeten und der Menschheit durch die CDU, wenn sie auch nur einen Tag so weitermacht wie bisher“. Und es wird deutlich, dass nicht nur die CDU/CSU, nicht nur die SPD, FDP und AfD (sowie die führenden Politiker rund um den Globus) darin angeklagt sind, sondern genauso die großen Firmen der Welt, die Militärs, Geheimdienste und Diktaturen.
In meinem Aufsatz "Die Zerstörung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft" möchte ich zeigen, dass der Grund dafür, dass all diese Mächte die Welt überhaupt zerstören können, bei UNS, eben in der „Zerstörung der Allgemeinen Anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft“ liegt, in genau diesem Sinne als „Selbstzerstörung der AAG“ und „Zerstörung unseres Planeten und der Menschheit durch die AAG, wenn diese auch nur einen Tag lang so weitermacht“.“ *

Hier wird ja nun schon der bizarre Trugschluss verbreitet, das Wohl und Wehe der Welt „rund um den Globus“ einschließlich aller „großen Firmen der Welt“, der „Militärs, Geheimdienste und Diktaturen“ hinge ab von der Befindlichkeit der Anthroposophen. Und so holt Andreas Delor „ein wenig aus“ und beleuchtet die wahren Zusammenhänge hinter dem Weltgeschehen in einer Betrachtung - hier (1) herunter zu laden - die aber eigentlich auch nur ein Ausschnitt aus seinem Buch „Das Ereignis Rudolf Steiner im Lebenswerk von Sigurd Böhm und Judith von Halle“ ist. (2)

Das mit dem „ein wenig Ausholen“ ist wörtlich gemeint, denn Dekor springt direkt von Greta Thunberg zum heiligen Gral und zurück, ekstatisch, was die Potentialität der anthroposophischen Lehre angeht, denn rein theoretisch könnte dieser heilige Gral nach Rudolf Steiner auch Maschinen antreiben, womit die ganze Diskussion mum den Verbrennungsmotor natürlich überflüssig wäre. Leider sei als „Speerspitze der Anthroposophie“ nur die Waldorfpädagogik übrig geblieben- immerhin, in einer durch und durch verdorbenen Zivilisation: „Die Kinder sind dem Himmel am nächsten; sie kommen mit immer neuen Impulsen aus der geistigen Welt herunter – und, man soll sich nicht täuschen : in eine absolut kinderfeindliche, greisenhafte und menschenverachtende Zivilisation hinein, die dabei ist, den gesamten Planeten in die Luft zu sprengen.“

So betreibt Delor seine in anthroposophischen Kreisen übliche Verdammung seiner Gegenwart, mit der Attitüde geistig- moralischer Überlegenheit, natürlich, die dann auch die heutigen Waldorfschulen umfasst, die allesamt keinen Sinn mehr für Spiritualität und Gemeinschaftsbildung hätten. Delor untermauert mittels Steiner- Zitaten, dass man, um sein schlechtes Karma zu überwinden, sich gegenseitig aneinander abschleifen müsste, was offenbar niemand mit Herrn Delor zu tun bereit gewesen ist. Sonst würde sein Klagelied keinen Sinn machen. Wie er von diesem Thema unmittelbar auf die Massenmorde des IS kommt, bleibt sein Geheimnis: „Schwere Krisen und deren Überwindungen gehören in Neuen Gemeinschaften einfach dazu; nicht im Erreichen eines Paradieszustandes – der ist nicht mehr zeitgemäß – liegt die Zukunft, sondern in einer „permanenten Revolution“, wo mitgebrachte Jugendkräfte gar nichts mehr helfen. Wirkliche Gemeinschaftsbildung gelingt tatsächlich nur in anstrengender gemeinsamer spiritueller Arbeit – ohne das fällt man in die vor-individuelle Gruppenseele zurück, wie es in schrecklicher Weise vom ja zweifellos zum gegenwärtigen spirituellen Aufbruch gehörenden Islamismus demonstriert wird, wo nicht nur Angehörige anderer Religionsgemeinschaften wie Jesiden, Hindus, Juden oder Christen bestialisch umgebracht werden, sondern genauso islamische „Abweichler“ wie Schiiten oder Sufis.

Aber nun breitet Delor die ganze Pracht des Eingeweihten auf dem anthroposophischen Pfad aus, der allerdings zuvor die so schwierigen Texte Rudolf Steiners, die wie Seife in der Badewanne nicht zu packen seien, studieren muss und dabei eine völlige Wesens- Umwandlung erfahre. Dabei sei es günstig, wenn es einem damit möglichst schlecht gehe, da das (etwa jahrelange Depressionen?) der Vorbote des Fortschritts und der Genesung sei: „Man kann es geradezu als „Rezept“ angeben: wenn es dir schlecht geht (körperlich, seelisch, beruflich, in der Beziehung usw.), arbeite – aber bitte intensiv; alles andere nützt nichts! – an kurzen Text-Passagen Rudolf Steiners, egal an welchen, dann ziehst du dich daran wie Münchhausen am eigenen Haarschopf wieder aus dem Sumpf; dies ist ein todsicher wirken- des Mittel, der Anfang aller Meditation.

Das klingt nicht lustig. Aber für lustige Personen ist Anthroposophie ja auch nicht gedacht, nicht wahr? Im Gegenteil machten Sprödigkeit anthroposophischer Texte und permanentes Zähneausbeißen daran erst den wahren Anthroposophen aus. Wer da durch ist, wird schon direkt seine Belohnung erhalten, und zwar in Form von Selbstdisziplinierung und Bedeutung: „Tatsächlich ist der „Anthroposophische Schulungsweg“ nichts anderes als die Selbst-Erziehung zur starken, Großen Persönlichkeit – nur starke und Große Persönlichkeiten können überhaupt heilend ins Weltgeschehen eingreifen. Im in sich selber ruhenden menschlichen ICH liegen die großen Heilkräfte für alles – nirgends anders. Nur ein Souverän kann wirklich heilen, eine starke Persönlichkeit, ein Freier Geist, der in jeglicher Beziehung gegen den (inneren und äußeren) Strom schwimmen kann – wer Sich Selber nicht stützen kann, kann auch keinen anderen stützen.“

Aber das Klagelied Delors beginnt erst an diesem Punkt. Er holt noch sehr viel weiter aus, um das ganze Ausmaß des Scheiterns der Anthroposophischen Gesellschaft darzustellen, was ein unfassbares Martyrium Rudolf Steiners darstelle und faktisch eine zweite Kreuzigung des Christus. Aus tiefster Not schreit Delor zu uns: Vom Verrat der Klassentexte Steiners, vom Scheitern der Mitglieder, von Schlampereien und Entweihung. Er verweist auf das Buch „Rudolf Steiners Leidensweg“, was aber nur ein kleiner Schritt sei bis zur von Delor geschilderten „Hölle Anthroposophie“, die nicht nur faktisch durch die permanenten Streitereien von Mitgliedern und deren sektiererischen Abspaltungen begründet werde, sondern auch noch durch die Außenstehenden, die das Spektakel der „blöden Anthroposophen“ erheitert und hämisch kommentierten.

Dabei liege doch letztlich die Schuld bei einem „schwarzen Engel“, wie eine Hellseherin (3) namens Verena Staël v. Holstein offenbart habe, der schon Hitler geistig zerrüttet hätte: „Genauso haben höhere schwarze Wesen den Entschluss gefasst, gegen das große weiße Wesen, welches Rudolf Steiner mit seiner Anthroposophie verankert hat, aktiv zu werden und ein großes schwarzes Wesen der Anthroposophie entgegenzustellen. (...)
Der gesamte deutsche Sprachraum ist von seinen geistigen Wurzeln radikal abgeschnitten worden. (...) Bei den Deutschen hat dieses Abschneiden von den alten mythologischen Wurzeln derart stark die Zukunft verändert, dass die Auswirkungen bis in die Ausprägung der hellseherischen Fähigkeiten der heute lebenden Menschen gegangen ist.
Hintergrund war die Wesenheit eines schwarzen Engels, der sich nach der Gasvergiftung Hitlers in ihm inkorporiert und nach und nach die anderen Menschen um sich gesammelt hat, die sein Wirken mitgelebt haben. Sie entwickelten eine Ideologie, rissen alle nordischen Götternamen in ihren Schmutz und in ihre Ideologie hinein und schnitten damit die Mitteleuropäer von ihren geistigen Wurzeln ab. Deswegen konnte sich das, was Rudolf Steiner für die Zukunft voraussagte, nicht richtig und nicht in Ruhe entwickeln.

So siehts nämlich aus! Hitlers schwarzer Engel hat die Anthroposophie ruiniert! Andreas Delor setzt, in seinem elaborierten Erregungszustand, das Scheitern der Anthroposophischen Gesellschaft auch noch - ziemlich geschmacklos- in Kontext mit dem Holocaust, aber, nach einer Reihe rein assoziativer Schlenker, sogar in Zusammenhang mit mir (4), und zwar was Zweifel an Steiners Aussagen über Frühmenschen betrifft. Was das mit Delors Thema zu tun haben könnte? Offenbar findet er nicht nur interne Streitigkeiten der Anthroposophenschaft zersetzend, sondern jeden Zweifel an den Aussagen des Meisters überhaupt. Delor verlangt wortwörtliche - eigentlich biblische- Auslegung ohne jede Interpretation: „Rudolf Steiners Ausführungen wortwörtlich zu nehmen, wie ich es tat und immer noch tue, meinte Stockmar, sei naiver Realismus im Sinne der „Philosophie der Freiheit“.“ Stattdessen empfiehlt Delor genau den naiven Realismus, den Stockmar ihm vorwirft: Die Vorspiegelung, es gäbe eine „gegebene“, ohne Interpretation vorliegende wortwörtliche Auffassung der Worte Rudolf Steiners, die im Fall von Andreas Delor und den Seinen doch in besonderem Maß zivilisationsmüde, miesepetrig, depressiv mit Hang zum Pompösen und zur narzisstischen Selbst- Überhöhung zelebriert werden. Der ganze inszenierte Zerfall der anthroposophischen Szene soll doch die Einzigartigkeit der „wahren Jünger“ des Meisters heraus stellen, die an seiner Brust liegen wie einst der Jünger, den der Herr lieb hatte. Hosianna!


Verweise ---------
1 https://andreas-delor.com/files/AndreasDelor/dokumente/anthroposophie-aufsaetze/1ZerstörungderAAG.pdf
2  Ich habe leider keine Ahnung, wer Sigurd Böhm ist.
3 aus: Flensburger Hefte Nr. 107: „Neues Hellsehen”, Flensburg 2010)
4 Delor schreibt in seinem unter 1 verlinkten Artikel: „„Haben also die «Atlantier» – so Steiner – tatsächlich «gelebt auf dem Boden, der jetzt bedeckt ist mit den Fluten des Atlantischen Ozeans» (Rudolf Steiner, GA 93a, S.138f)? (...) Viele Funde sind in Bezug auf Varianten der menschlichen Spezies gemacht worden – Rudolf Steiner kannte zu seiner Zeit lediglich eine zweite hominide Art neben dem Homo Sapiens, nämlich den so genannten Neanderthaler...
– Da ist – ich muss für eventuell unkundige Leser die Dinge gleich an Ort und Stelle geraderücken – der Autor Michael Eggert schlecht informiert: Rudolf Steiner spricht ebenso über den damals „Pithecanthropus“ genannten Homo erectus; weitere Homininen waren zu dieser Zeit noch nicht entdeckt. –
...Diese beschrieb Steiner im Kontrast zu den «Atlantiern» als primitive, degenerierte Art, die sich nach den Atlantiern entwickelt haben soll: «Die alten Atlantier, die hatten in ihrem wässrigen Kopf gerade eine sehr hohe Stirne, und dann kam, als dies zurückging, zuerst die niedrige Stirn, und die wuchs sich nach und nach wiederum aus zu den höheren Stirnen. Das ist eben eine Zwischenzeit, wo die Menschen so waren wie der Neandertalmensch.» (Rudolf Steiner: GA 354, S. 69)
Das muss eine verdammt lange Zwischenzeit gewesen sein. Denn die Neanderthaler haben, in einer Population von etwa einer Million Menschen, angesiedelt in den dichten, artenreichen Wäldern zwischen «the Indonesian archipelago and the Iberian», schon vor 300000 Jahren das Feuer beherrscht: «By about 300,000 years ago, Homo erectus, Neanderthals and the forefathers of Homo sapiens were using fire on a daily basis.» (Zitate aus – ohne Seitenangaben im Kindle –: Yuval Noah Harari: «Sapiens: A Brief History of Humankind». Deutsche Ausgabe: Eine kurze Geschichte der Menschheit, DVA 2013) Diesen Lebensraum hatten die Neanderthaler aber bereits zuvor schon Hunderttausende von Jahren bewohnt...
– Auch hier ist Eggert schlecht informiert: vor 300.000 Jahren gab es nach heutigem wissenschaftlichen Stand noch lange keine Neandertaler (die allerfrühesten vor 180.000 Jahren) geschweige denn Hunderttausende von Jahren zuvor! –
...Im Gegensatz zur Darstellung Rudolf Steiners ist archäologisch und paläontologisch nach zu weisen, dass eine erste Welle von Gruppen der Spezies Sapiens, am östlichen Mittelmeer auf diese uralte statische Kultur der Neanderthaler gestossen ist. (...) Im Gegensatz zu Rudolf Steiners Darstellung gingen diese wie andere hominide Arten nicht auseinander hervor...
– was bedeuten würde, dass jede Homininen-Art neu aus dem Boden gewachsen wäre –
...Im heutigen menschlichen DNA-Code finden sich etwa 2% Neanderthaler-Gene, was für eine sehr geringe Durchmischung spricht. Die Neanderthaler sind keineswegs aus den «Atlantiern» hervor gegangen...
– Die anderen homininen Arten, aus denen die Neandertaler sowie sämtliche Früh- und Vormenschen, da der liebe Gott sie nicht alle neu geschaffen hat, definitiv hervorgegangen sind, nennt Steiner nun einmal „Atlantier“. Diese waren nach ihm wie gesagt so weichkörprig, dass sie keine Fossilien hinterließen – schaut man sich die mittlerweile in reicher Fülle vorliegenden Homininen-Funde etwas genauer an, so deuten diese selber ganz stark darauf hin, dass Steiner mit seiner Behauptung recht hat, was mit dem dilettantischen Halbwissen, das Eggert hier auffährt, schon gar nicht zu widerlegen ist. Eggert geht auf die Frage der Weichkörprigkeit mit keinem Sterbenswort ein; es geht ihm gar nicht um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, sondern allein darum, Rudolf Steiner zu verunglimpfen: –
...(...) Rudolf Steiner hat seinem eigenen Konzept – erst Atlantier mit hoher Stirn, dann Neandertaler mit niedriger, dann wieder Arier mit hoher Stirn – auch gelegentlich selbst widersprochen und eine gegenteilige Darstellung gegeben: «Die Atlantier hatten weniger Vorderhirn und eine noch weiter zu- rückliegende Stirne...» (Rudolf Steiner, GA93a, S. 138f)...
– Wenn man bei Steiner nicht richtig hinschaut und die Dinge regelrecht falsch wiedergibt, dann ist es natürlich sehr einfach, bei ihm Widersprüche zu konstruieren. Weil Eggert Steiners Position gar nicht wirklich kennt, schiebt er ihm Dinge unter, die das Gegenteil von dessen Aussage beinhalten. –
...Statt die Zehntausende von Jahren parallel existierender menschlicher Kulturen zu schildern, entwickelte er vor allem eine atlantische Rassenlehre, die keiner Peinlichkeit entbehrt, dafür aber auch darum erfunden scheint, um das Hohelied des arischen Menschen singen zu können. (...) Besonders peinlich, dass Steiner sich genötigt fühlte, darauf hinzuweisen, dass die von ihm semitisch genannte der «heutigen jüdischen Bevölkerung» sehr unähnlich gewesen sein soll. Damit will er die angebliche Superiorität der arisch-kaukasischen Rasse offenbar nochmals betonen...
– wobei Eggert offenbar nicht weiß, dass Rudolf Steiner mit „Rassen“ ausschließlich „Zeiten“ oder „Entwicklungsepochen“ meint; er war anfangs gezwungen, sich solcher theosophischen Termini zu be- dienen, um überhaupt verstanden zu werden – später distanziert er sich scharf davon. Die außer-anthroposophischen Rassismus-Kritiker sind in Bezug auf Rudolf Steiner seit längerem sehr still geworden, weil sich inzwischen herumgesprochen hat, dass bei einer wirklich differenzierten Betrachtung und wenn man die zeitgebundene damalige Ausdrucksweise abstreicht, von einem „rassistischen Rudolf Steiner“ nichts übrigbleibt – nur Eggert scheint diese Entwicklung verschlafen zu haben. –
...Steiner hat in seiner merkwürdigen Atlantis-Saga Märchenstoff, Mythen, aber auch arische Herrenrassen-Ideologie in die menschliche Entwicklungsgeschichte gepackt. Die Fakten – auch die Analyse der heutigen menschlichen DNA – widerlegen seine Darstellung.“ (Michael Eggert: „Atlantisches Phantasialand mit rassistischer Note“, 23.3.2016, https://egoistenblog.blogspot.de/ 2016/03/atlantisches-phantasialand-mit.html) – in Wirklichkeit bestätigen sie sie, natürlich nicht in der völlig verfälschten Darstellung, wie Eggert sie hier wiedergibt.
Ich führe diese keinerlei Peinlichkeit entbehrende, von nicht viel Sachkenntnis und intellektueller Redlichkeit getrübte „Rezension“ nicht deshalb hier an, weil ich meine, dass sie eine besondere Bedeutung hat, sondern weil Eggert sich erstens aus unerfindlichen Gründen immer noch als der anthroposophischen Bewegung angehörig versteht (die nun einmal auf Rudolf Steiner zurückgeht) und weil er zweitens nur ausspricht, was mittlerweile sehr Viele denken – diese Entwicklung ist aber von Menschen wie Wolfgang Schad eingeleitet worden, der damit begonnen hat, Steiner an den „feststehenden Tatsachen der anerkannten Wissenschaft“ zu messen, ohne diese selbst zu hinterfragen.
Wie gesagt: eine gründliche wissenschaftliche Überprüfung Rudolf Steiners ist nicht nur berechtigt, sondern wird von Steiner selbst in aller Strenge gefordert. Solche Prüfung wird jedoch gar nicht geleistet; ich konstatiere bei den „inner-anthroposophischen“ Steiner-Kritikern stattdessen eine Heiligsprechung anerkannter wissenschaftlicher Lehrmeinungen – oft ohne ausreichende Kenntnis derselben, s.o. – und der inquisitorischen Verdammung jeglicher abweichender Positionen“ (5)

5 https://egoistenblog.blogspot.com/2016/03/atlantisches-phantasialand-mit.html
* Rundbrief



666 oder: Scheiße, die Apokalypse ist ausgeblieben

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Guten Morgen, Ihr Morgenlandfahrer! Heute lichten wir den Anker, setzen die Segel und fahren Richtung Westen, wo der Große Ahriman wohnt. Ich weiß, Ihr wollt nicht dorthin, Euch reicht es, Tag für den Tag den GroßenDonald in den Nachrichten zu sehen und zu hören, aber schließlich wollen wir doch einmal im Zusammenhang besehen, was Rudolf Steiner über Amerika geäußert hat- was bis heute tradiert, fort gestrickt und aufgebauscht wird, wie das Anthroposophen eben so machen.

Steiners Amerika- Bild lässt sich durchaus in einer Best- of- Anthologie wie von Carl Stegmann - „Das Andere Amerika. Der Westen in geistes-wissenschaftlicher Sicht“ (1) - überblicken, die vor einer Generation als Privat- Druck in der Szene herum ging und z.B. in Kirchen der Christengemeinschaft vertrieben wurde, denn Stegmann war Pfarrer und sogar „Oberlenker“ der Christengemeinschaft, der er 74 Jahre lang (!) diente. Das übliche Steiner- Schema Ost- West- Mitte weist darauf hin, dass Stegmanns Amerika- Bild, so manichäisch es ausfallen wird, mit Sicherheit auch den Osten und die „Mitte“ beleuchten wird, so wie es Gut und Böse, Zukunft und Vergangenheit repräsentiert. Denn wie immer passt alles im anthroposophischen Kontext in Legenden, Bildern und Narrativen, die nahtlos in die Gesamterzählung vom Werden der Menschen und Götter, der Planeten, Kontinente, Nationen und Rassen, von Mann und Frau, von den Engeln und „Doppelgängern“ über gehen. Bei Steiner bekommt man immer das gesamte Paket, in dessen Mitte Erlösung der Erde, des Menschen und der Natur liegen, sich aber in jedem Winkel der Erzählung widerspiegeln. So, natürlich, auch in den Narrativen zum Thema Amerika, die Stegmann lediglich zusammen fasst, nachdem er selbst seit fünf Jahren in den USA gelebt und gearbeitet hatte.

Von Anfang an führt Stegmann die Narrative, die Steiner in Bezug auf Amerika angestimmt hatte, über in die großen, übergreifenden sinnstiftenden anthroposophischen Perspektiven: Der Dreiklang von „Herzenskräften“, die sich dem „geistig- kulturellen Leben“ (3) zu öffnen vermögen, und der behaupteten Vereinseitigung in der amerikanischen Kultur, die nach Steiner eine Art „Mannestum“ sei mit seiner „einseitigen Veranlagung im Intellekt und im Willen“ (4). Das „Frauentum“ verkörpere dagegen ein spiritualisiertes Herz und heilende Kräfte, während Männer generell zu stark „mit der Erde verwachsen“ (3) wären. Spirituell seien damit der Mann und der Westen auch eine Gegenmacht zu „Michaelskräften“, die das „spirituelle Herzdenken zum Durchbruch beringen wollen“ (3). Die amerikanisch- männliche Schwerkraft stemme sich durch „das intellektuelle Kopfdenken und den instinktiven Triebwillen“ diesen anthroposophisch- weiblichen Herzkräften entgegen. Diese „innere Seelenveranlagung des Ostens, der Mitte und des Westens“ (3) habe Rudolf Steiner 1922 dargestellt (5) und damit ein ideologisches Grundmuster eröffnet und ausgeführt, das seither ständig wiedergekäut wird, aber auch in Steiners Konzept des doppelten Bösen passt: Luzifer als östlicher, Ahriman als westlicher Dämon, die erlösende Phalanx der Christusjünger in der Mitte, im Herzen Europas, an der Brust der Herrn und seines neuen Propheten.

Stegmann erklärt - was faktisch hinlänglich durch Überbevölkerung, anhaltende Migration und, grassierende Infektionskrankheiten im östlichen Teil, in den die europäischen Siedler strömten, zu begreifen ist- den Hang zum Treck der Siedler Richtung Westen mit unbewussten Willensanteilen und übersinnlichen Kräfte, ja mit spezifischen „Einflüsse(n) des Bodens“ in Amerika. Gemeint sind ahrimanische Einflüsse und unbewusste „Schicksalskräfte“, die spezifisch amerikanischen Charakter hätten. Die „starken Wachstumskräfte“ (6) der Natur wären dafür ebenso verantwortlich wie das spezifische „Denken in seiner antisozialen Auswirkung“ (7).

Stegmann zieht zum Beleg einen bunten Mix zwischen Baum- Wachstum, Marxismus, Kriegen des 20. Jahrhunderts, einem falsch geschriebenen und zitierten Gabriel Marcel (8) und natürlich vielen Steiner- Zitaten- heran. Letztere weisen immerhin darauf hin, dass die anti- sozialen Elemente in jedem Menschen leben würden, vor allem in jedermanns Denken. Stegmann interpretiert das als die Kritik- Lust des „Kopfmenschen“, die „im Fühlen die Antipathie“ errege und im Willen „den Haß“ (9). Nach allerlei Kreisen um amerikanische Literatur, den Trend zum Individualismus, aber auch zur seelenlosen Maschinerie in der Weltwirtschaft kehrt Stegmann wieder zurück zum apokalyptischen Kampf Michaels mit dem Drachen, welcher einem Kampf gegen das materialistische Denken entspräche. Inmitten der Apokalypse begänne die „Erde von her zu leuchten“ (10), da die Auferstehungskräfte, der „Sonnenkeim, den Christus in die Erde senkte“ (10), ebenso aktiv seien wie die „Widersachermächte“. Stegmann nutzt die Gelegenheit, an dieser Stelle die spezifisch anthroposophische Dämonologie und Teleologie nochmals ausführlich darzulegen. Es ist, an dieser Stelle wie überall, ein geschlossenes, kongruentes Weltbild, das sich religiös, politisch, geographisch oder anthropologisch ohne Brüche ausführen lässt. Gerade das Schlichte, in sich Stimmige hat eine erhebliche Anziehungskraft als Welt- und Menschheits- Erklärungs- Instrumentarium. Dabei springt Stegmann von der Erschaffung des „Stoffes“ der Erde - wie Kristallen- durch Ahriman nahtlos auf das entstehende Deutsche Reich von 1870, auf die Arbeiterschaft und den Kommunismus. Das 1870 erhoffte deutsche „Volk der Mitte“ (11), das eine „Verkörperung einer großen spirituellen Idee“ der Menschheit hätte sein können, sei leider nicht entstanden. Offenbar sieht Stegmann darin die Ausgangslage für die Entwicklung der westlichen Kultur, die er auch im Kampf um die Unabhängigkeit der Sklaven begründet. Wieder folgen Ausflüge in die amerikanische Literatur (u.a. Melvilles Moby Dick), bevor erneut „michaelisches und ahrimanisches Engelwirken“ ausgeführt wird.

Diesmal bohrt sich Stegmann noch tiefer in die von Steiner geschilderten dunklen Mysterien hinein, in sexuelle, medizinische und maschinelle Abirrungen, die zu Steiners Zeiten allerdings - zumal im Berliner Großstadtleben- allgegenwärtig waren. Die „Technik“, die in „wüstes Fahrwasser kommen“ (12) werde, hatte sich doch längst, etwa in den Giftgas- Schlachten des Ersten Weltkrieges, materialisiert. Aber Rudolf Steiners manichäisch- apokalyptisches Weltbild zwischen „ich- losen Triebwesen“ und „freier ichbewusster Brüderlichkeit“ (13) passte auch die Technik in sein Schema hinein: komische und irdische Kräfte in der Technik würden dem Menschen seine Zukunft rauben und ihn zum „Roboter im Wirtschaftsleben“ (13) machen. Die 1919 gehaltenen Vorträge Steiners (14) überraschen jetzt diesbezüglich nicht gerade, hatte doch Henry Ford wenige Jahre zuvor (1913) das Fließband erfunden (15) und damit Schlachthaus- Technik mit Produktionsabläufen seiner Automobile gekreuzt- bis zum „Roboter im Wirtschaftsleben“ war es von hier aus nicht weit, und Steiners Vision scheint deshalb nicht gerade originell gegriffen zu sein.

Beschwörend werden von Stegmann zum wiederholten Mal die Mantren von Ost, West und Mitte gemurmelt, bevor das nächste Highlight im Kreisen um die „Wesensart“ des amerikanischen Westens offenbart wird: Das ist der noch wüstere Süden, der mexikanisch- schwarzmagische Wüstenboden, den ja auch Donald Trump mittels einer gewaltigen Mauer bändigen möchte. Die dunklen „Mysterienstätten“, in denen Menschenopfer an der Tagesordnung waren, Herzen heraus gerissen (bei Rudolf Steiner sind es fälschlich Mägen) und höhere Erkenntnisse aus der Folter von Opfern gewonnen werden, entstammen der anthroposophischen Mythologie- Geschichte von Atlantis und verweisen auf den Falschen Propheten, den größten aller widrigen Magier, der faktisch während der vorvorletzten Jahrtausendwende besiegt worden sein soll, aber offenbar doch den ganzen amerikanischen Kontinent verseucht habe. Nun ist wieder viel von Ahriman die Rede, ebenso wie von den „Mysterien des Westens“. Offenbar hat Mexiko auf Amerika abgefärbt. Im Osten dagegen sei mit Dschingis Khan der entfesselte luziferische Geist der Atlantis entfacht worden. Von den Mongolen springt Stegmann schnell in die römische Geschichte, was aber mit dem Ost- West- Engel- Dämon - Schema auch kein Problem darstellt.

Stegmann bewegt sich stetig um den Pflock, den Steiner an dieser Stelle eingeschlagen hat. Wie in einer guten Predigt nimmt er eine stetige Steigerung und Dramatisierung vor (Menschenopfer, Schwarzmagier und Besessenheit), entlastet den Leser aber zwischendurch ständig durch Exkurse in Literatur, Dichtung und Wirtschaft, ja selbst durch gemütliche Anekdoten. So lässt sich der Leser auch eine gewisse Missionierung gefallen, in der er in die anthroposophische Teleologie eingenordet wird.

Passend dazu wird auch in die Zukunft geblickt, in den „mechanischen Okkultismus“ (16), in dem die Menschen aus „moralischen Kräften“ heraus „Maschinen konstruieren und Zeichen für sie festsetzen“ können, wobei ein ganzer „Kosmos“ geschaffen werde. Hier hat Rudolf Steiner vielleicht das Programmieren und Social Media voraus gesehen, einen „Kosmos“ der Kommunikation über den Globus hinweg, in dem tatsächlich sowohl „den Weltenprozess störende und dem Weltenprozess dienende Elementargeister“ (16) entstehen können, mit „Willensimpulsationen“ (16) in jeder Facebook- Gruppe, die tatsächlich „unter Umgehung des Bewusstseins“ .. „ahrimanisch zerstörend“ (16) wirken können.

Sowohl am Ende des ersten Teils wie zum Beginn des zweiten Teils beschwört Stegmann wieder das Mantra von Westen- Osten- Mitte: Der Mensch müsse den „Westen (Wille) in sich" ebenso erkennen wie die „Mitte (Herz, Fühlen) und den Osten (Geist, Denken)“ (17). Diese im ganzen Buch stereotyp auftretende Charakterisierung läutet die weitere Steigerung in die individuelle Dämonologie des Individuums in Form seines persönlichen inneren Doppelgängers ein, dessen Kräfte aber in Amerika aufgrund des Bodens besonders massiv auftreten würden- in jedem einzelnen Amerikaner. Es geht um die anthroposophischen Narrative einer höchsten Gefährdung des Menschen und Planeten in einem apokalyptischen Geschehen am Ende des 20. Jahrhunderts, in dem der Antichrist auch höchst persönlich auftreten werde und zum „Herrn der heutigen Zivilisation“ (18) dabei werden würde.

Die Doppelgänger der westlichen Hemisphäre seien dabei, schon von der Geographie her, ganz der Schwerkraft zugeneigt, während die des Ostens - insbesondere die Russlands - vollständig anderer Natur seien. Selbst die russischen Dämonen sind nach Steiner deutlich netter- nämlich mit Kräften verbunden, die „nicht von der Erde kommen“ (19). Von hier - von diesem Steiner- Zitat aus- nahm die Russland- Schwärmerei so vieler Anthroposophen wohl ihren Lauf. Die „Unternatur“ der Amerikaner ist einfach viel fieser. Während die Amerikaner ihren Opfer gern Herzen oder Mägen heraus reißen, legen die Russen sie lieber elegant tot an der Kreml- Mauer ab, wie Putins Gegenspieler Boris Nemzow (20). Was Steiner und den Seinen so an die Nieren geht, ist aber das elektrische Wesen der amerikanischen Unternatur, diese den „Menschen verdichtende, seelenverhärtende Kraft von allem Elektro- Magnetischen“ (21). In Amerika seien selbst die Rocky Mountains ein einfach falsch herum gepolter Gebirgszug. Die Proteste der Jugendlichen (Stegmann schrieb Anfang der 70er Jahre, aber Flower- Power kam nicht bei ihm vor) wären eigentlich eine Rebellion gegen ihre elektro- magnetischen Doppelgänger.

Nun, nach all dem düsteren apokalyptischen Heranschmeißen an die Ende des 20. Jahrhunderts bevorstehende Apokalypse wird es dann wieder etwas Zeit, auch auf die Prophezeiung des kommenden (rein geistig- ätherischen) Christus zu kommen, der inmitten einer gewaltigen Offenbarung zur gleichen Zeit auftreten werde. Letztere werde praktisch durch Anthroposophie eingeleitet, aber von den generell hellsichtig gewordenen Menschen „nicht nur einfach in ihre Seele“ aufgenommen, sondern „in ihr Bewusstsein“, da der „Ätherteil des Menschenhauptes sich noch in stärkerem Maße vom physischen Leib lösen kann“ (22), was kollektiv zum „schauenden Wahrnehmen“ des Auferstandenen führen werde. Ach, ja. So prophezeit es in den den 70ern Stegmann, der Steiners Visionen dabei lediglich verdichtet und etwas fort schreibt. Stegmann vollzieht das erwartungsgemäß so, dass er das ganze Geschehen- Erscheinen des Antichrists wie das „Herankommen dieses neuen Christus- Erlebnisses“ (23) ganz auf Amerika bezieht. Die übliche  Berechnung, die aus der „Zahl des Tieres“ 666 erfolgte, datiert das apokalyptische Geschehen auf das Jahr 1998. Noch einmal wirft Stegmann Mexikaner, Templer, Hitler ebenso in die Waagschale wie die angeblich stetig steigende Kriminalität in Amerika. Die „asurische Machtentfaltung“ Ahriman wird alles auslöschen wollen auf der Erde, „was sich diesem Willen entgegenstellt“ (24).

Damit, möchte man sagen, ist der Höhepunkt des anthroposophischen Ost- West- Mitte bzw Willen- Fühlen- Denken - Narrativs erreicht, denn wenn Teufel und Auferstandener sich in einer apokalyptischen Klimax um die Rettung der Welt streiten, während wiedergeborene Anthroposophen sich mit allen Michaeliten vereint dagegen anstemmen, zusammen scharen und hellsichtige Mega- Kräfte aussenden gegen die ahrimanisch verstrahlten amerikanischen Elektro- Menschen, ja, wie sollte man das noch steigern?

Freilich, Carl Stegmann ist tot, und Ahriman hat niemand 1998 getroffen. Die Welt steht noch, und die Menschen sind nicht generell hellsichtig, aber auch keine Roboter. Es ertrinken zwar ständig Menschen im Mittelmeer, aber niemand reißt ihnen die Herzen heraus. Die Apokalypse hat, mit einem Wort, nicht stattgefunden, auch wenn die Welt immer noch scheiße ist. Die Anthroposophen sind, vielleicht, ein wenig ratlos, was man mit dem neuen Jahrtausend anfangen soll. Viele haben sich mit ein wenig Meta- Aberglaube und Rechtspopulismus versucht. Man tut so, als wäre nichts passiert. Wo sind die Mexikaner, wo die wiedergebotenen Templer? Wo sind die genialen Menschheitsführer, auch die der ahrimanischen Seite? Das System bröckelt, plötzlich finden die Chinesen Waldorf - Pädagogik schick, und es wird Zeit, sich ein paar neue Narrative auszudenken. Die Apokalypse ist ausgeblieben, Leute, geht nach Hause.



Anmerkungen und Verweise--------------

1 Carl Stegmann, Das Andere Amerika. Der Westen in geisteswissenschaftlicher Sicht 1. Teil/ 2. Teil, Als Manuskript vervielfältigt, Herausgegeben vom Verfasser o.J.
2 https://anthrowiki.at/Carl_Stegmann
3 S. 7
4 S. 6f
5 „Westliche und östliche Weltgegensätze“
6 S. 13
7 S. 14
8 http://www.philolex.de/marcel.htm Stegmann zitiert ihn fälschlich als „Marcelle“
9 S. 18
10 S. 32
11 S. 41
12 S. 51
13 S. 52
14 https://www.anthroweb.info/rudolf-steiner-werke/vortraege/1919-was-tut-der-engel-in-unserem-astralleib-ga-182.html
15 https://www.welt.de/geschichte/article120638758/Die-Inspiration-die-aus-dem-Schlachthof-kam.html
16 S. 71
17 S II Einleitung des zweiten Teils
18 II, S. 3
19 II, S. 7
20 https://youtu.be/f4cJob-pkdI
21 II, S. 9
22 II S. 23
23 II S. 32
24 II S. 40

Was Sie schon immer über Anthroposophen wissen wollten, aber sich nicht zu fragen trauten

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Wenn das Einhorn dreimal wiehert
Nein, keine Sorge, hier folgen keine neuen Enthüllungen über intellektuelle Entgleisungen, religiöse Eskapisten oder rechtspopulistische Anwandlungen prominenter Anthroposophen. Wir möchten ganz beim Meister selbst bleiben, der sich ja ausgiebig über seine persönlichen Erwartungen an die Seinen ausgelassen hat, zum Beispiel mit der grundlegenden Definition: „Anthroposophen können nur Menschen sein, die gewisse Fragen über das Wesen des Menschen und die Welt so als Lebensnotwendigkeiten empfinden, wie man Hunger und Durst empfindet.“ (1) Nun liegt in dieser Erwartung Steiners schon das Hauptproblem, denn er hat - wie das Autoritative dieser Aussage zeigt- die Fragen dieser Menschen über das „Wesen des Menschen und die Welt“ in 370 Vortragsbänden derartig detailliert und umfassend beantwortet, dass das Studium Schriftgelehrte und gläubige Adepten, aber keine aufgeklärten, offenen, neugierigen Menschen mit Fragehaltung produziert. Der Steinerismus begräbt gerade in dieser Hinsicht - im meditativen Studium- seine Adepten unter dem Wust von Information, die er bietet.

Tatsächlich hat die organisierte, zerstrittene und gesellschaftlich irrelevante interne Anthroposophische Gesellschaft in über hundert Jahren nicht das Geringste vollbracht, um die von Steiner als Priorität angesehene Adepten- Gesellschaft zu werden, in der sich Menschen kollektiv und zugleich individualistisch eigenständig über ihr Karma - und das heißt auch über die sie determinierenden Faktoren und zugleich ihren unzerstörbaren, ewigen inneren menschlichen Kern klar geworden sind-, und aus freiem Entschluss, souverän und frei lassend sozial gestalten. Steiner wollte individuell Erkennende, keine Schriftgelehrten: „Das Bedeutsame für den Anthroposophen der Gegenwart ist das Erringen einer Überzeugung in bezug auf die Fragen von Reinkarnation und Karma und wie sie die Möglichkeit finden werden, den Gedanken von Reinkarnation und Karma in das allgemeine Leben überzuführen. Es wird ganz neue Lebensformen, ein ganz neues menschliches Zusammenleben schaffen.“ (2) Das Erreichen einer geistigen Souveränität und inneren Sicherheit nennt Steiner eine „begründete innere Überzeugung vom Wesen der Idee von Reinkarnation und Karma“ - und das auch nur als Ausgangsbasis für den „gegenwärtigen Anthroposophen“ (3)

Nun hat Steiner sich derartig häufig über seine Anhänger lustig gemacht („Wenn ich heute Gummistiefel im Regen trage, trägt sie morgen der ganze Hügel“, u.ä.), dass ihm doch klar gewesen sein muss, dass er Esoterik- Konsumenten um sich herum hatte, die seine Weltsicht als Second- Hand- Okkultismus zu ihrem Lifestyle erkoren hatten und sich damit einen Katechismus zurecht zimmerten, den sie fortan mit Haut und Haaren verteidigen würden, denn er war Teil ihres Selbstbilds als bedeutsame, quasi- erleuchtete Karma- Kenner geworden. Tatsächlich war so ein Selbstbild im Windschatten des Meisters zwar nicht unbequem, aber das gerade Gegenteil dessen, was Steiner eigentlich als offene Fragehaltung verlangte: Ideologisierte Adepten, die Steiners Lehren in Listen, griffige Glaubenssätze und Verhaltensmaßregeln umsetzten, haben eine Kaste unerschütterlicher Anthro- Spießer geschaffen.



Steiner hat das illusionäre Selbst- und Weltbild nicht nur geschaffen, sondern immer weiter gepflegt. Nicht nur waren die anthroposophischen Lehren zwar eigenständig von ihm gewonnen, aber sie fussten zugleich auf Traditionen, die alle wichtigen Mysterien bis zurück zu den Ägyptern, ja bis hin zu der „atlantischen Katastrophe“ -sprich Eiszeit- determiniert hatten. Und die Adepten selbst, die zu seinen Füßen saßen, hatten sich durch ihr bedeutendes Karma und ihre Verbundenheit mit geistigen Führern wie dem Erzengel Michael schon weit vor ihrer jetzigen Geburt auf ihr anthroposophisches Ego vorbereitet. Selbst ihre körperliche Konstitution sei nicht wie die normaler Menschen- sie sei zarter gebaut, und nicht so plump verstrickt mit dem bloßen, nackten Leiblichen. Anthroposophen seien vielmehr fast engelhaft in ihrem Auftreten und in ihrer Konstitution: „Das aber, daß der Mensch so stark verbunden ist mit geistigen Impulsen, die direkt auf seine Seele wirken, das bringt ihn dazu, in einer weniger intensiven Art, als dies bei anderen Menschen der Fall ist, beim Herabsteigen aus den geistigen in die physischen Welten sich hinein zu fügen in die äußere Körperlichkeit. Und das liegt durchaus auf dem Grunde des Karma der Anthroposophen-Seelen. Man findet ein loseres Verhältnis wenigstens des Astralleibes und der Ich-Organisation gegenüber der physischen und der Äther-Organisation.“ (4) Was für eine plumpe Schmeichelei. Diese zarten Wesen mit ihren über zehntausende Jahre währenden Vorbereitungen auf diesen Augenblick, Anthroposophen zu sein, die Spitze der Zivilisation, das Gegengewicht zum allumfassenden Materialismus auf diesem Planeten, aber auch zu den illusionären geistigen Ekstasen der östlichen Kulte, saßen also in Dornach und lauschten den Worten des Menschheitsführers.

Die Welt draußen steckte voller Teufel, Dämonen und böser Absichten; Amerikaner, Schwarzmagier, besessene Leninisten, der Dorfpfarrer, geistige Meister aus dem Himalaya, Freimaurer, Jesuiten, Hauswirte, die während seiner Tourneen an der Heizung sparten. Und die anthroposophischen Adepten waren immer noch rar gesät und häufig nur bedingt gesellschaftlich kompetent. Sollten sie doch wenigstens den Toten eine Hilfe sein: „Die eigentlichen geistigen Aufgaben werden erst kommen, wenn Geisteswissenschaft noch tiefer in die Seelen eingezogen sein wird: dann werden sich Seelen finden, die das Amt übernehmen, den Toten zu helfen und sie vorwärts zu bringen. Allerdings, wenn ein Anthroposoph durch die Pforte des Todes gegangen ist, also selbst mitgenommen hat spirituelle Gedanken, so kann er, wenn er in der geistigen Welt lebt, unter Umständen dann auch selbst den Toten Dienste leisten, kann ihr Lehrer sein." (5)

Aber im Prinzip steckt so ein Anthroposoph nicht nur voller Intuitionen, sondern auch voller Initiative. Diese Überzeugung Steiners hat tatsächlich gut funktioniert, wie die zahlreichen institutionellen anthroposophischen Gründungen - von Schulen über Bio- Landwirtschaft bis hin zu Banken- bis heute zeigen. Gerade in dieser Hinsicht lebt sich der anthroposophische Impuls bis heute verlässlich aus: „Das ist im Karma eines jeden Anthroposophen eigentlich geschrieben: Werde ein Mensch mit Initiative, und siehe nach, wenn du aus Hindernissen deines Körpers oder aus Hindernissen, die sich dir entgegen stellen, den Mittelpunkt deines Wesens mit der Initiative nicht findest, wie im Grunde genommen Leiden und Freuden bei dir von diesem Finden oder Nichtfinden der persönlichen Initiative abhängen. Das ist etwas, was wie mit goldenen Buchstaben immer vor der Seele des Anthroposophen stehen sollte, daß er Initiative in seinem Karma liegend hat, und daß vieles von dem, was ihm im Leben begegnet, davon abhängt, inwieferne er sich dieser Initiative willentlich bewußt werden kann.“ (6)

Steiner selbst hat, was die Selbstreflexion des Anthroposophentums betrifft, lauter Nebelkerzen gezündet- was die Gruppen, die „ins Anthroposophische hineinkommen“ betrifft, sah er allerlei karmisches Gewese (7) Die realen Gruppierungen, die relevant sind, spalten sich in all die auf, die in Institutionen tätig sind oder sogar gestalten, gründen, repräsentieren, notwendigerweise vernetzt, kompetent, kommunikativ und veränderbar in Situationen agieren, wenn diese das erfordern. Im Gegensatz dazu die selbstfühlenden Adepten in ihren Elfenbeintürmen, die gefühlt wichtigen Leute, mitsamt ihren ewig währenden Intrigen und Grabenkämpfen und einer über ein Jahrhundert heran gezüchteten Funktionärs- Kaste, die in der Lage ist, vollkommenes Nichts in bedeutungsschwer klingende Wortkaskaden zu gießen, wie hier z.B. Paul Mackay: „Es ist wichtig, zu bedenken, dass Rudolf Steiner während der Weihnachtstagung sagt, dass die Anthroposophische Gesellschaft, die während der Tagung begründet wurde, die modernste Gesellschaft sein soll. Es geht dabei nicht mehr um die Zustimmung zu Prinzipien, sondern um das rein Menschliche. Menschen haben Anschauungen und Auffassungen, die miteinander geteilt werden und so zu einem Erkenntnisgewinn beitragen können. Mein Eindruck ist, dass die Rhythmen des Grundsteinspruches uns helfen können, mehr Mensch und damit gesellschaftsfähiger zu werden; und dies nicht im konventionellen Sinne, sondern als Fähigkeit, die modernste Gesellschaft zu bilden.“ (8)

Sicherlich kann man derartig modern wirken, dass es schon wieder reaktionär wirkt, oder derartig idealistisch, dass es zur puren Egozentrik gerinnt. Man kann auch eine Banalität wie die, dass Menschen kommunizieren, wie Mackay zur tiefschürfenden anthroposophischen Quintessenz aufblasen: „Menschen haben Anschauungen und Auffassungen, die miteinander geteilt werden und so zu einem Erkenntnisgewinn beitragen können.“ Ist es denn die Möglichkeit.

Ähnlich originell und essentiell gibt sich zum Beispiel auch die legendäre anthroposophische Medizinerin Michaela Glöckler, die auf der Website „Anthroposophie lebensnah. Eine Zeitgenossin kommt zu Wort“ (9) über „Konsequenzen von Handlungen und Lebensgewohnheiten für den weiteren Verlauf des Schicksals“(9) nicht gerade nachdenkt, sondern einfach eine Tabelle von einigen Äußerungen des Meisters zu karmischen Fragen abbildet. So erfährt man hier z.B. „Früher Tod-Überschuss an Kraft und Lebensmotivation im nächsten Leben.“ (9) Eine Banalität wie die, dass man dadurch sozialfähiger wird, dass man weniger egozentrisch empfindet, sondern zuzuhören lernt, wird in dieser Liste zu „Gelingt es, die im Astralleib aus früheren Leben mitgebrachten karmischen Sympathien und Antipathien zu trennen von dem, was wir in diesem Leben von Mensch zu Mensch wahrnehmen und unmittelbar erleben, dann wird es leicht, sich mit den Menschen um uns in ein positives Verhältnis zu setzen. Denn oft trüben nur die aus vergangenen Leben mitgebrachten Sympathien und Antipathien als Vorurteile unseren Blick für die Vorzüge und Fähigkeiten der anderen.“ (9)

Danke, Meister, für diese Erkenntnisse. Und Danke, liebe „Zeitgenossin“ und anthroposophische Guru- Queen, für die Karma- Tabellen. Das erspart uns das Lesen all dieser Karma- Bände des Meisters, die inzwischen ja mit einem Mausklick herunter zu laden sind. Aber seltsam, dass der Nachlass einer Funktionärin, die über viele Jahrzehnte anthroposophisch „geforscht“ hat, in banalen Steiner- Zitat- Tabellen gipfelt. Vielleicht kommt das Feierlich- Weihevolle, das Funktionäre in so vielen Kongressen und Vorträgen kunstvoll und kunstfertig zelebriert haben, auf Websites einfach nicht herüber.

Wenn man wirklich über etwas meditieren möchte, kann man überdenken, warum sich eine Funktionärin der Anthroposophischen Gesellschaft plakativ als „Zeitgenossin“ darstellt. Über die Banalität hinaus, dass wir nun einmal zwangsläufig alle Zeitgenossen sind, soll mit dieser Selbstbeschreibung wohl eine bestimmte anthroposophische Haltung (Schaue auf deine Zeit, ohne verstrickt in sie zu sein) und eine gewisse demonstrative Bescheidenheit zelebriert werden. Man bekommt ja tatsächlich durch diese Website Antworten auf alle denkbaren medizinischen und spirituellen Fragen, zum Beispiel, warum man Krebs hat. Meist, so die Kurzversion, weil der Materialismus der Zeit auf einen abfärbt. Aber wie ist es mit jungen, spirituell denkenden Anthroposophen, die gesund leben, selbstlos agieren, aber dennoch an Krebs erkranken? Auch darauf hat Frau Glöckler natürlich eine Antwort:
Ein Freund, dem die Ärzte nach Diagnosestellung noch ca. drei Monate gegeben hatten, sagte mir, als ich ihn besuchte: „Ich bin so froh, dass du kommst. Ich habe eigentlich nur eine Frage, die mir bisher niemand beantworten konnte: Warum habe ich diesen so rasant wachsenden Krebs?" Er verstand es nicht und wollte dezidiert meine Ansicht hören. Da er Anthroposoph war und im Prinzip das in diesem Beitrag Dargestellte kannte, war ich zunächst ratlos. Er war freiheitsliebend, glücklich verheiratet, hatte keine Angst vor dem Sterben – auch in seinem beruflichen Leben war schnell für ihn ein Ersatz gefunden worden. Er wusste einfach nicht, was er aus dieser Krankheit, die ihn Anfang 40 aus dem Leben reißen würde, lernen sollte. So erwähnte ich die Möglichkeit, stellvertretend für die Menschheit zu erleiden, was sie bisher nicht erkannt und errungen hat.

Ihn faszinierte diese Möglichkeit, dass seine Erkrankung einen „spirituellen Erkenntniswert“ für die Menschheit haben könnte: Im bewussten Erkennen der geistigen Dimension einer Krankheit und im Durchleiden derselben etwas mitzutragen und verstehen zu lernen, was so vielen Zeitgenossen verwehrt bleibt, erschien ihm als etwas Wichtiges und machte Sinn für ihn. Eine geistige Betrachtung dieser Art weist über das individuelle Menschenschicksal hinaus und bringt den Betroffenen in unmittelbare Beziehung zur gesamten Menschheit.“ (10)

So macht die Sache natürlich Sinn, im buchstäblichen Sinn: Als sinnstiftende Erklärung, die einen verzweifelten Menschen erreicht und ihn wieder „in unmittelbare Beziehung zur gesamten Menschheit“ versetzt. Früher hatte man für so etwas Religion. Anthroposophie dient als Zwitter dort, wo die säkulare Postmoderne Wunden gerissen hat. Aber das mit dem Zeitgenossen ist auf verquere, typisch anthroposophische Art eitel und selbstreferentiell, nämlich in demonstrativer Bescheidenheit. Wenn dich einer trifft und dich fragt, was du so machst, sagst du einfach, ich bin Zeitgenosse. Das gibt dir eine gewisse Größe.

Das Problem mit der Eitelkeit hat schon Steiner selbst kommen sehen: „..es ist ja eine merkwürdige Erscheinung, daß diese inneren Intuitionen von den Menschen, die sie verhältnismäßig gut haben können, so wenig bemerkt werden. Die Anthroposophen haben doch so viele Gelegenheiten, auf diese inneren Intuitionen acht zu geben, sie haben sie auch viel mehr, als man glaubt, aber sie geben nicht acht darauf, weil sie sich hingestellt finden in dem Augenblick, wo sie auf so etwas achtgeben sollten, vor eine beim Menschen schwer besiegbare Eitelkeit. Nicht wahr, mit diesem Entdecken von Fähigkeiten sprossen herauf alle möglichen Eitelkeitsimpulse..“ (11) Auch die anthroposophischen Schwätzer, die sich als selbst „Geistesforscher“ - „die in einem gewissen hochmütigen Empfinden ihrer geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse glauben, dann auch in negativer Weise über das mitsprechen zu können, was Wissenschaftlichkeit ist“ (12)) wissenschaftlichen Erkenntnissen gegenüber überlegen fühlen, haben bereits Rudolf Steiner selbst Schweißperlen auf die Stirn getrieben und ihn zu Klageliedern darüber getrieben, dass „leider manche, die sich auch Anhänger nennen, in dieser laienhaften, dilettantischen Weise verfahren“ (12).

Immerhin hatte Steiner noch die Hoffnung, dass ein Dreiviertel- Jahrhundert nach seinem Tod, am Ende des 20. Jahrhunderts und eines Jahrtausends, erst die ganz große anthroposophische Kulmination begänne- dann, wenn alle Strömungen aus allen Mysterienschulen zusammen kämen, würde das anthroposophische Jahrtausend eröffnet werden und das alles, was Steiner als Prophet angelegt hatte, zur Blüte gelangen: „Diejenigen Persönlichkeiten, die jetzt durch ihr Karma in ihrer Verbundenheit mit der Michael -Herrschaft in die anthroposophische Bewegung hereintreten, werden unter Durchbrechung von mancherlei Wiederverkörperungsgesetzen mit der Wende des 20., 21. Jahrhunderts wieder erscheinen, um dann dasjenige, was sie jetzt tun können im anthroposophischen Dienst der Michael-Herrschaft, zur Kulmination, zum vollen Ausdruck zu bringen.“ (13) Oder gar, über die Kulmination hinaus, die Rettung der „Erdenzivilisation“ bewerkstelligen: „Diejenigen Menschen die mit völliger Intensität drinnen stehen in der anthroposophischen Bewegung, werden am Ende des Jahrhunderts wieder kommen. Es werden sich dann andere mit ihnen vereinigen, weil dadurch eben jene Rettung der Erdenzivilisation vor dem Verfall letztgültig entschieden werden muß.“ (14)

Angesichts des Zustands der real existierenden anthroposophischen Bewegung nach der ausgebliebenen Kulmination hat man die Rettung der Erdenzivilisation lieber Donald Trump und den Hollywood- und Netflix- Blockbustern überlassen. Die Apokalypse ist erst einmal vertagt. Die Inkarnation Ahrimans erlebt man täglich bei Twitter, und Hunger und Durst treiben nicht nur die nach Erkenntnis Dürstenden um. Von Templern reden wir nicht mehr, seitdem rechte Terroristen dieses Genre für sich entdeckt haben, und der Gral ist filmisch sozusagen zu Tode beguckt worden. Das ganze Bildsprache- Feld klassischer Anthroposophen verfällt zu Klischee und Kitsch- oder wird missbraucht. Für Festtagsansprachen und Michaeli- Feier- Eröffnungen reicht es vielleicht noch, und auch für eine Klientel, die die Selbstinszenierung im Wort- Räucherbad nicht nur nicht scheut, sondern sucht und braucht. Kommt, Ihr Bedürftigen, und kostet vom anthroposophischen Manna. Es bringt Euch keine Erkenntnis mehr, aber vielleicht doch ein wenig Trost.

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1 GA 26.14
2 GA 135.64
3 GA 135.66f
4 GA 237.155
5 GA 140.239
6 GA 237.157f
7 „Diese Seelen sind solche, die ihre letzte maßgebliche Inkarnation in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten gehabt haben und die noch in den Mysterien des alten vorchristlichen Heidentums mit hell- seherischem Blick hineinschauen konnten in die geistige Welt. Es waren solche Seelen, die in den alten Mysterien davon Kenntnis bekommen hatten, wie der Christus einst herabsteigen wird auf die Erde. Sie kamen erst später nach dem 7. nachchristlichen Jahrhundert, (wieder) zu einer Inkarnation. Das sind solche Seelen, die gewissermaßen vom Gesichtspunkte des Übersinnlichen aus das Hereintreten des Christus in die Erdenkultur mit angesehen haben. Sie waren die Christentum Sehnsüchtigen. Aber sie waren zugleich die, die mit starker Aktivität dahin wirken wollten, um ein echtes kosmisches, spirituelles Christentum in die Welt zu bringen.“ 240.147f
8 „Das Goetheanum“ via Facebook siehe Screenshot
9 http://www.anthroposophie-lebensnah.de/lebensthemen/schicksal-und-karma/konsequenzen-von-handlungen-und-lebensgewohnheiten/
10 http://www.anthroposophie-lebensnah.de/lebensthemen/krebs-als-zeitkrankheit/die-geistige-signatur-von-krebs/
11 GA 317.151ff
12 GA 79.154f
13 GA 240.234
14 GA 237.147


Die geistige Currywurst aus anthroposophischer Perspektive, Cambridge Analytica und schwebende Steiner- Apologeten

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Nichts gegen gepflegte Esoterik, wenn möglich mit etwas Ironie und Intelligenz gewürzt- als Selbstschutz vor dem Überrumpelt- Werden durch galoppierende Assoziationen. Ja, etwas Disziplin ist daher auch ganz erwünscht.

Nehmen wir einen mäandernden, gleichwohl exakten Vertreter der anthroposophischen Zunft wie Wilfrid Jaensch (hier seine Hymnen an die Nacht), der seine seltenen Schriften und Bücher, über die man ab und zu stolpert, mit Sätzen überschrieb wie „Jede Unterscheidung, die auf der Erde gemacht wird, hat ihren Ursprung im ganzen Weltall.“ (1) Die Überlegungen Jaenschs führen zu Betrachtungen seines Hinterhofs in Berlin, wobei er bemerkt: „Ich unterscheide mich von den Unterschieden, die ich mache, und die mein „Ich“ überhaupt erst aufwecken. Mein Selbstbewusstsein ist die Rückwirkung der Unterscheidung. Vorher war es nicht wach, also als waches Bewusstsein nicht vorhanden.“ (2) Und so singt Jaensch auch das Loblied der Europäer. „Warum erwache ich nicht für mein eigenes Erwachen? Weil ich Europäer bin. Mein erster Satz begann: Die europäische Aufklärung. Gibt es denn eine andere? Ja. (..) In Europa genieße ich, wie alle Europäer, dass ich aufwache. Ich genieße mich selbst. Darin besteht meine größte europäische Leidenschaft. Jede Träumerei macht mich unsicher. Ich spreche jetzt von dem Erwachen im eigenen Körper, etwa beim Aufwachen aus dem Schlaf. Dieses Aufwachen wiederhole ich auch tagsüber, und zwar dadurch, dass ich die Umwelt unterscheide. Denn nur indem ich die Welt unterscheide, unterscheide ich mich selbst von der Welt. Das Gewahrenden dieser eigenen Arbeit ist der Genuss des Erwachens. Und wie jede andere Leidenschaft auch, so verschwindet sie aus dem Bewusstsein, sobald sie befriedigt wird..“ (3)

So sind in der Tat die Freuden der Aufklärung zugleich die der Selbst- Konstitution. Das ist immer ein perspektivischer, ausschnitthafter Blickwinkel, auch wenn diese Einseitigkeit durchaus erkannt, durchschaut und im Dialog oder in der Reflexion in Hinblick auf die „Denkmöglichkeit“ (Jaensch) eines „Weltganzen“ überwunden werden kann. Die Reduktion auf ein perspektivisches Ich bietet so immerhin immer auch Potential. Diese mäandernde Grenze zwischen Erkenntnis, Konstituierung und Überwindung der Perspektive ist einerseits sicherlich Thema in Schriften Steiners wie der „Philosophie der Freiheit“- zugleich denunziert er aber die Konstatierung des Ich immer wieder als „materialistisch“.

So sei die Gegenwart (vor 100 Jahren) zwar "heute nicht vollständig im Materialismus versumpft" (GA 152), aber fast. Das Gegenmittel seien umherwandernde Irre gewesen, die man die ewigen Juden genannt habe, und die Christus verkündet hätten ("In fast allen Gebieten Europas, überall zeigte sich, daß durch Dörfer und Städte nicht immer die gleiche, sondern immer eine andere menschliche Persönlichkeit ging. Es verbreitete sich die Meinung, daß diese Persönlichkeit, welche in einem besonders merkwürdigen Aufzug erschien, Ahasver, der ewige Jude, sei." (4)) Legenden dieser randständigen Art, Verkündigung und Irre als letzter Widerstand gegen den Rationalismus? Was will Steiner nur damit sagen? Die letzten Reserven mobilisieren gegen den allgegenwärtigen "Materialismus"? Blitzt da unvermittelt bei Steiner einfach mal wieder ein identitärer, anti- islamischer, vor allem aber antisemitischer Reflex auf?

Hier zum Beispiel seine Aussagen bzgl der Medizin: "Wenn Sie die Entwickelung der Medizin im Mittelalter betrachten, dann haben die Juden einen ungeheuer starken Anteil daran. Und was die Araber an Medizin gebracht haben, haben sie auch wiederum mit Hilfe der Juden ausgearbeitet. Aber dadurch wiederum ist die Medizin das geworden, was sie heute geworden ist. Die Medizin ist zwar geistig geblieben, aber sie ist, ich möchte sagen, monotheistisch geblieben. Man weiß nicht mehr wie das eine Mittel wirkt, geradeso wenig wie man im Judentum gewußt hat, wie die einzelnen Naturgeister sind. So ist auch da in der Medizin ein abstrakter Geist, ein abstrakter Jahve- Dienst eingezogen, der heute eigentlich noch immer in der Medizin drinnen ist." (5)

Der "abstrakte Geist", den Steiner hier beschwört, steckt freilich in der anthroposophischen Lehre selbst darin, die als Wort- und Meister- Verkündigung auch nach Steiners Tod jahrzehntelang durch die Erbin Marie Steiner- Sivers den hungrigen anthroposophischen Adepten Happen für Happen, Vortrag für Vortrag, Zyklus für Zyklus vorgelegt wurde. Eine bemerkenswert materialistische Esoterik, die in nachgelassenen Worthappen quasi stückweise verfüttert wird und zu lähmender Passivität der Anhängerschaft führte und führt: „In den von Marie Steiner verwalteten Archiven schlummerten ungehobene Schätze, über die sie all die Jahre wie der mythische Drache Fafnir gewacht hatte, in ständigem Abwehrkampf gegen Diebe und begierige Schatzsucher, nicht ohne nach und nach Teile dieses Schatzes preiszugeben und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So lebte die Gesellschaft seit Steiners Tod in der Illusion einer fortlaufenden Offenbarung, die aus der Rudolf Steiner-Halde[3] hervorquoll, obgleich der Träger dieser Offenbarung 1925 gestorben war. Die anthroposophische Gesellschaft zehrte von dieser Offenbarung, als deren geistige Erbin sie sich betrachtete, – eine Auffassung, die solange unproblematisch war, als zwischen dem Vorstandsmitglied Marie Steiner, der Erbin gemäß Testament, und den übrigen Vorstandsmitgliedern kein Zerwürfnis bestand. Als jedoch jegliches Vertrauen zwischen ihnen zerrüttet war, trat das Prekäre der Illusion, in der die Gesellschaft gelebt hatte, offen zutage und sie sah sich ihres heiligsten Gutes beraubt. Da sie über keine eigenständigen Offenbarungsquellen verfügte und die Arbeit des spirituellen Kerns der Gesellschaft, die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft, sich in unproduktiven, repetitiven Ritualen erschöpfte, war die Frage des Nachlasses eine Frage auf Leben und Tod, eine Frage der spirituellen Legitimation der Gesellschaft. Von daher lässt sich begreifen, mit welcher Vehemenz und Emotion um diesen edlen Drachenhort gestritten wurde." (6)

Aber alles geht nun einmal zu Ende, selbst der Text- Verwertungs- Maschine Marie Steiners, die die Worte des anthroposophischen Gurus über Jahrzehnte tröpfchenweise wie Manna unters begierige Volk mischte. In den 70ern stotterte die Offenbarung dann- bis auf Ausnahmen wie die bis dato geheim gehaltenen Priester- oder Klassentexte. Dafür gedieh eine Fülle von Kleinverlagen, die sich an die Interpretation der Worte des Meisters machten, etwa was das Ende der Zivilisation am Ende des Jahrtausends betraf. Man stritt sich aufopfernd darüber, ob die geheimen, quasi- sakralen Vortragsschriften für bestimmte Adressaten durch die Veröffentlichung, d.h. das Verfügbarmachen an das gemeine Volk,  ihre magische Wirkung verlieren würde. Die Jahre- und Jahrzehnte lang geführten erbitterten Diskussionen demonstrierten anschaulich, dass zumindest für den internen Freizeit- Anthroposophen anthroposophische Magie aus dem Manna tradierter Worte des Meisters und sich daran anknüpfender Selbstgefühle besteht.

Aber die Tradition der gestreuten Veröffentlichungen hatte auch eine gewisse stabilisierende Wirkung. Mit dem nahenden Ende kamen die Fälscher (Nachlass von Polzer- Hoditz), die surrealen Pseudo- Okkultisten a la Peter Tradowsky (7) und die rechtspopulistischen Steiner- Apologeten. Die Klein- Verlage und anthroposophischen Zeitschriften starben weitgehend aus, dafür wucherten Mail- Rundbriefe, zeitweise Blogs, dann Social Media. Das anthroposophische Geistesgut wird von labernden Sprungschüsseln auf YouTube verwaltet und verbreitet, wie zum Beispiel der ohne Punkt und Komma predigende Axel Burkart (8), der, wie einige andere, das Handwerk des dröhnenden verbalen Schwebens und Dauerbeschalls bei der Transzendentalen Meditation gelernt hat: „Im Jahr 1974 machte der dreiundzwanzigjährige Axel Burkart die Bekanntschaft mit der Transzendentalen Meditation, nachdem er auf einem Einführungsvortrag sehr von der Ruhe und Gelassenheit der Rednerin beeindruckt wurde. Er belegte zunächst den Meditationskurs und hatte aber von Anfang an das Ziel, Meditationslehrer zu werden. Denn bereits mit den ersten Meditationssitzungen hatte sich ihm die geistige Welt als eine reale Welt erschlossen und diese Erfahrung wollte er an andere weitergeben. Zwei Jahre später bekam er in Frankreich von Maharishi Mahesh Yogi den Titel des Meditationslehrers verliehen.

Im Rückblick äußert sich Axel Burkart dankbar darüber, dass er durch Maharishi Mahesh Yogi in die geistige Welt eingeführt wurde, in das Wissen um Karma und Wiedergeburt und die Idee einer kosmischen Evolution von Sternen und Galaxien. Dennoch hätte er damals bald eine immer kritischere Haltung eingenommen. Zunächst jedoch ging es ans Unterrichten und tatsächlich kamen zu seinem ersten Vortrag gleich 100 Personen und er konnte sofort seine erste Meditationsgruppe begründen. Eine interessante Erfahrung während dieser Zeit war es auch, dass er immer weniger lernen musste, um den Stoff des Studiums zu meistern. Die Meditation hatte ganz offensichtlich die Wirkung der Stärkung eines ganz klaren Denkens.“ (9) Danach lernte er noch ein wenig zu levitieren, d.h. zu schweben, durch Wände zu gehen und unsichtbar zu werden, aber auch, sich wie in Hubschrauber in die Lüfte zu erheben. (9) Nach chronischer Appetitlosigkeit arbeitete er eine Zeitlang wieder, bevor er dann für sieben Jahre die rechte Hand des dubiosen Gurus Maharishi wurde: „Doch schon nach 6 Monaten kündigte er wieder, um an der von Maharishi Mahesh Yogi ins Leben gerufenen “Weltregierung des Zeitalters der Erleuchtung” teilzunehmen. Die folgenden sieben Jahre verbrachte er in enger Zusammenarbeit mit dem Meister selbst. Axel Burkart war von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugt, da er am auf die Kündigung folgenden Tage plötzlich das Levitieren beherrschte.“ (9) So schwebte er dann in die anthroposophische Szene hinein und verwurstete gnadenlos Vokabeln aus dem Werk Rudolf Steiners, mit denen er populistisch beliebige YouTube- Türmchen baut.

Hat die jahrzehntelange Tradition der Empfänger der Wort- Esoterik Rudolf Steiners, durch Marie Steiner und das Dornacher „Nachrichtenblatt“ mundgerecht portioniert, passive Second- Hand- Okkultisten aus der Anthroposophen- Schar gemacht, fallen sie heute populistischen „Friedensforschern“, die die Interessen des russischen FSB vertreten, zum Opfer, oder den schwebenden Schwätzern aus der „Weltregierung“ Maharishis.

Weitere Exzesse sind nie auszuschließen, wie man an den Phänomenen des angeblich hellsichtigen Mediums Judith von Halle oder dem hinduistischen Gangster- Rapper Sebastian Gronbach sehen kann, der beharrlich ein Ashram betreiben möchte. Es ist, mit einem Wort, alles möglich, denn die post- anthroposophische Ära hat so viele passive, desorientierte und bedürftige Steiner- Konsumenten produziert, dass die alle ein Eckchen suchen, in dem sie es heimelig haben oder in dem sie ihr blödes Ego „ohne Übung, Zeit, Strategie und Verlust“ (10) einfach „sofort und ganz aufhören“ (10). So weit das Versprechen der anthroposophischen Currywurst, die problem- und folgenlos mit einem Häppchen herunter zu schlucken ist. Aber, möchte man sagen, immer noch besser als nahrungslos von Licht zu leben wie von Halle oder von einem manischen Redezwang befallen zu sein wie Burkart- oder gar, auf denkbar schleimigste Art und Weise, Daniele Gansers russische Propaganda, in der Russland, Hizbollah und Iran zu Friedenskämpfern für Syrien werden: „Seit 2014 bombardieren die USA Syrien. Obama hat das damals mit dem Wort „Terrorbekämpfung“ erklärt. Aber auch das ist illegal, weil kein Mandat der UNO vorliegt. Es wäre umgekehrt auch illegal, wenn Syrien die USA bombardieren würde. Im Kern geht es darum, dass die USA zusammen mit den Briten, Franzosen, Deutschen, Türken, Katar und Saudi-Arabien versuchen die Regierung in Syrien zu stürzen, also ein Regime Change.
Doch das ist bisher nicht gelungen, weil Russland und der Iran Präsident Assad verteidigen und die syrische Armee unterstützen. Die deutsche Journalistin Karin Leukefeld, die vor Ort recherchiert, hat korrekt erklärt, dass der Kampf der Russen und der Iraner in Syrien legal ist: „Die Präsenz des Iran in Syrien ist ebenso legitim, wie die Russlands und der libanesischen Hisbollah, denn Syrien hat sie um Hilfe gebeten.“ (11)

Der „abstrakte Geist“, von dem die Zeit nach Rudolf Steiner befallen sei, der „Materialismus“, den er verdammt, hat doch die angenehmen Eigenschaften von Kritikfähigkeit, Vernunft und Logik. Im post- rationalen Fake- Zeitalter, das die Techniken der Social Networks eingeläutet haben, ist eine ordentliche materialistische, rationale Erdung das einzige Mittel, einer enthemmten propagandistischen Produktivität etwas entgegen zu setzen. Den individualisierten Desinformations- Strategien heutiger Potentaten wie Trump und Putin mit ihren Techno- Apparaten wie Cambridge Analytica (12) und seinen Nachfolgern kann man nicht mit esoterischen Sprüchen begegnen. Es geht heute tatsächlich um die individuelle geistige Integrität. Wer ehrlich fragt, findet im anthroposophischen Rahmen dazu kaum Reflexion und schon gar keine Antworten. Der letzte Vertreter rationaler anthroposophischer Esoterik und Ethik ist für mich immer noch Georg Kühlewind. Was man heute sehr viel mehr findet, sind Schwätzer, Spinner und Manipulatoren. Selbst eine traditionelle Kultur- Zeitschrift wie Die Drei hat ihre Reputation durch immer wieder ohne Not durch aufgebrachte Verschwörungstheorien im Themenkreis 9/11 in den Ausguss gespült. (13)

Was ist nur los mit diesem Verein. Haben hundert Jahre Steinerschen Denk- Trainings, Vorträgen zum „Reinen Denken“, Konzentrations- und Karma- Übungen geistige Curry- Würste en masse produziert? Ist das angepeilte Reine Denken im Zustand philosophischer Freiheit von Schwachsinn noch irgendwie zu unterscheiden? Wo seid Ihr, Ihr anthroposophischen Helden im Geiste? Haben hundert Jahre Geburtswehen einen Rohrkrepierer produziert, der heute in Facebook- Gruppen zum Kampf Aller gegen Alle aufruft? Führt Euch die meditativ über Jahrzehnte aufgebaute höhere inspirierte Einsicht in einen neuen Daniele- Ganser- Vortrag? Ist, mit einem Wort, die Anthroposophie am Arsch?


Anmerkungen________________________________

1 Wilfrid Jaensch, Was ist die wahre Natur des Ich? Dornach 2010, S. 7
2 dito S. 70
3 dito, S. 71 f
4 Rudolf Steiner, GA 152
5 Rudolf Steiner, GA 353.187
6 Lorenzo Ravagli in https://anthroblog.anthroweb.info/2019/eine-bombe-schlaegt-ein-marie-steiner-vs-steffen-13/
7 https://anthrowiki.at/Peter_Tradowsky
8 https://www.youtube.com/channel/UCfuSf2VRuxbPQqmpxFGYN8g
9 https://dhyana.at/axel-burkart-wissen-spiritualitaet/
10 https://www.facebook.com/sebastian.gronbach
11 https://www.blauenarzisse.de/interview-mit-daniele-ganser-auch-deutschland-beteiligt-sich-an-illegalen-kriegen/
12 https://de.wikipedia.org/wiki/Cambridge_Analytica
13 z.B. hier: https://diedrei.org/tl_files/hefte/2017/Heft4-2017/03-Morau-DD1704.pdf




Artifizielle anthroposophische Wehleidigkeit oder Das Christusbewusstsein in der LED- Lampe

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Nach einem gemeinsam mit Waldorflehrern und deren gerade frisch pensioniertem und umschwärmtem Leit- Wolf verbrachten Abend, bleibt Außenstehenden wie mir, die die Binnenkräfte solcher Zirkel oft gesehen und verwundert betrachtet haben, doch nie wirklich Teil davon waren, an der einen oder anderen Stelle nachzudenken über das, was bei solchen Beobachtungen an Unwohlsein stehen bleibt. Was ja nicht alles ist: Da sind dreißig Jahre Wirken und Schaffen, Erziehen und Gestalten, Aufbauen und Betreiben, die niemand leugnen wird. Wo liegt der Stachel, der viele außen vor lässt, manche stört und wenige reizt, ihn auf den Punkt zu bringen?

Der Leit- Wolf sieht harmlos aus, gibt sich unauffällig und bescheiden, hat aber Schulgremien, Geldgeber, Bauherren, Geschäftsführer und wechselnde Kollegien über Jahrzehnte angeführt. Seine Soft Power hat er inzwischen auf die Anthroposophische Gesellschaft der Region ausgeweitet und könnte, wenn er wollte, sicherlich in der maroden Society nach größerem Einfluss greifen, wenn er wollte. Er hat alle Voraussetzungen dafür.

Seine Soft Power ruht auf Säulen wie einem bubenhaften, fast linkisch wirkenden Auftritt, der einen ganzen Kreis ihm nahe stehender Damen um ihn herum wirbeln lässt, um ihn mit allem zu versorgen, wonach er verlangt. Aber auch Anderen versucht er z.B., sein dreckiges Geschirr mit schelmischer Unfähigkeit in die Hand zu drücken: „Haben Sie eine Ahnung, wo man das hier abstellt?“ Nein, sie will keine Ahnung haben und schickt ihn aufgebracht in die Küche: „Hast du das gesehen? Der hält mich für seine Dienstbotin.“ Und so sieht man, dass die Soft Power doch eher im internen Anthroposophen- Ambiente funktioniert- dort, wo die unerklärte, aber nicht zu leugnende Autorität noch etwas zählt und Damen und Herren darum betteln, sich einem derart einflussreichen Waldorflehrer und Anthroposophen dienstbar machen zu dürfen.

Die zarten Geschöpfe mit ihren geschmeidigen Ätherleibern brauchen unsere tatkräftige Unterstützung an allen Ecken und Enden. Man fragt sich immer, was solche Menschen wohl denken, die uns ihr dreckiges Geschirr aufdrängen und als Dienstboten sehen, aber mit so sanften, verschwebten Zügen im Gesicht, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Wahrscheinlich denken sie so etwas wie das, was man im Stammheft des deutschen Anthroposophentums, die drei, als die Attitüde der Christussucher lesen kann:

Dieses Durchschauen der Konstitution unserer Wirklichkeit als Bild einer Lichtes- oder Logos-Fülle, in der wir mittendrin stehen, drängt uns in ein schauendes Verhältnis zur uns umgebenden Wirklichkeit. Wir befinden uns immer in einer Disposition zu einem solchen Schauen – nur müssen wir uns dessen bewusst werden. Dieses Angebot, diese stete Anwesenheit einer Möglichkeit, die eigene Wahrnehmung bzw. die eigene Weltverwirklichung vom Sehen zum Schauen zu erheben, die Welt aus dem Grab einer erstarrten Gegenstandsauffassung herauszuheben und sie zu einem Innesein einer seelisch-geistigen Situation zu beleben – dieses Angebot ist ein solches des, nach seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt, im Bereich der sinnlichen Welt-Wahrnehmung harrenden Christus-Wesens.“ (1) Normale Menschen sehen, wir schauen- so die Botschaft. Denn unser Blick ist Christus- durchdrungen. Und natürlich, wenn es denn hilft und etwas zustande kommt dabei- warum nicht? Nur wenige Menschen empfinden die Notwendigkeit, sich in der Begegnung mit diesen bigotten, selbstgerechten Anthroposophen - Heiligen, die dir ihr Geschirr in die Hand drücken wollen, in den nächsten Busch zu erbrechen.

Daran hat sich in den letzten 45 Jahren, in denen ich die Szene kenne, auch nicht das Geringste geändert. Das Faszinierende ist, dass der matte Glanz des verblichenen Rudolf Steiners noch immer auf Menschen abfärbt, aber auch auf viele anziehend wirkt, die dann in den Bannkreis und das Binnen- Milieu hinein gezogen werden. Das Versprechen, „die Welt aus dem Grab einer erstarrten Gegenstandsauffassung herauszuheben und sie zu einem Innesein einer seelisch-geistigen Situation zu beleben“ wirkt so verführerisch, dass mancher gewillt ist, die eigene Lebenskraft, Energie und sein Geld einzubringen, aber auch die Projektion auf Soft- Power- Idole zu vollziehen, denen das dann Einfluss und Bedeutung verschafft. Wenn man nicht aufpasst, redet man plötzlich von „Schwelle“, „Innesein“, und „Geisteswesen“, was nur der Anfang des Wortgeklingels sein kann. Danach beginnt man, sich für einen „Wächter seiner Zeit“ zu halten, der seit vielen Inkarnationen von Karma zu Karma durch diverse Einweihungsstätten gegangen ist, nur um jetzt mit Hans- Christian und Sabine im Zweig zu sitzen, wo ein bubenhafter Leit- Wolf dir die Welt erklärt. Und dann, endlich, ist es so weit, und du spürst die Sensitivität deines Ätherleibs, der schon zu Steiners Zeiten von der „drahtlosen Telegrafie“ empfindlich beeinträchtigt, aber dann erst von Atomkraft, TV- Strahlen, Radio, drahtlosen Telefonen und Wifi so richtig bombardiert wurde.

Moderne Geistesforscher wie Corinna Gleide (2) beklagen in „Das Essentielle geht verloren“ sogar, dass ihnen das Meditieren und Eurythmisieren durch die Auswirkungen von LED- Licht verleidet werden: „Wir standen dann in diesem Licht und stellten fest: Das eurythmische Bewegen ist da richtig unangenehm. Man konnte den Raum nicht richtig greifen, kam schwer in Kontakt mit den Kollegen, und wenn man ganz in die Gestaltung hineinging, hatte man das Gefühl, von Nadeln durchsetzt zu werden.“ Kollege Wendt sieht im LED- Licht eine neue Stufe der menschheitlichen Dekadenz, ganz aus seiner Befindlichkeit heraus: „Angefangen hat es für mich mit der
persönlichen Betroffenheit – und mit der Zeit ist mir immer deutlicher geworden, wie weit die Frage nach dem »richtigen« oder »guten« Licht reicht: dass es eigentlich mein ganzes Menschsein betrifft, in welchem Licht ich mich aufhalte. Und diese weite und entscheidende Dimension, was das Licht für den Menschen bedeutet, droht immer mehr verloren zu gehen.“(2) Daher hat man gleich eine „Gesellschaft für Bildekräfteforschung“ begründet, die auch den Fragen nachgeht, inwieweit dieses „falsche“ Licht „ sich auswirkt in der Natur, in der Pflanzenwelt und auf die Elementarwesen“ (2), und man muss leider sagen: Fatal, fatal.

Eine Generation zuvor, in den frühen 80ern, hat sich Anton Kimpfler weitschweifig über Glühlampen in „Okkulte Umweltfragen. Zur Urteilsbildung gegenüber der Unternatur und den untersinnlichen Kräften“ ausgelassen und hat dabei natürlich in dasselbe Horn geblasen. Er hat auch sonst, wie der Überblick bei Amazon (3) ergibt, keines der in Anthroposophistan gängigen Standardthemen ausgelassen und einen ganzen Schweif von bedeutungsschwerer Literatur hinterlassen, was uns zeigt, dass man ein Leben damit zubringen kann, anthroposophische Vokabeln auszuwalzen und sich durch Wortgeklingel eine Position innerhalb dieser Binnenkultur zu verschaffen. Notfalls gibt es ja allerlei Clubs, „Klassen“, Geheiminstitutionen, reisende Geisteslehrer, Studienhäuser oder eben „Gesellschaften“ wie die „für Bildekräfteforschung“, in denen man sich profilieren kann.

Es ist nicht leicht für den wahren Anthroposophen, inmitten einer Welt voller Spott und Gegnerschaft, von Doppelgänger- Energien, ahrimanischer Technik und ihren Schwingungen, auch nur die „ersten Schritte der Einweihung“ zu vollziehen, ohne einen im sensitiven Ätherleib zu erlebenden zermürbenden und zerquetschenden Kampf zu erleiden- sagte schon Rudolf Steiner: „Derjenige, der die ersten Schritte der Einweihung schon durchgemacht hat, merkt, daß alles das, was an Maschinellem das moderne Leben durchdringt, so in die geistig-seelische Menschlichkeit eindringt, daß es vieles in ihr ertötet, zerstört. Und ein solcher merkt, daß durch diese Zerstörung es ihm besonders schwierig gemacht wird, die inneren Kräfte nun wirklich zu entwickeln, die den Menschen in Zusammenhang bringen mit den rechtmäßigen geistigen Wesenheiten der Hierarchien.
Wenn der, welcher so die ersten Schritte der Einweihung gemacht hat, in einem Eisenbahnwagen oder auch in einem modernen Schiffe meditierend sich einleben will in die geistige Welt, merkt er, wie die ahrimanische Welt ihn ausstopft mit allem, was widerstrebt dieser Hingabe an die geistige Welt. Man kann sagen, es ist ein innerer, im Ätherleibe zu erlebender, zermürbender und zerquetschender Kampf. Durchmachen muß ihn jeder, in seinen Wirkungen erlebt ihn jeder und der Unterschied ist nur der, daß ihn derjenige, der die ersten Schritte der Initiation durchgemacht hat, bewußt erkennt.“ (4)

So hat er das Rollenmodell für den sensitiven Anthroposophen in einer feindlichen Welt vorgegeben. Auch Kritik ist in seinen Augen nur eine Stufe der „Dornenkrönung“ des geisteswissenschaftlichen Initiierten, dem das aus der Welt entgegen schallt: „Diese Handlung besagt, daß, wenn uns auch Schmerzvolles begegnet, wenn unsere heiligsten Gefühle und Überzeugungen mit Hohn und Spott verfolgt würden, man seine innere Festigkeit, sein Gleichgewicht nicht verlieren soll.“ (5) Ja, die heiligsten Gefühle und die Selbstfühligkeit als Erwählter. Eigentlich befindet sich der Geistesforscher ja schon in einem vorgezogenen, selbst gewählten Purgatorium voller Anwürfe und Widerstände gegen diese seine Auserwähltheit: „Die Idee vom Feuer, vom Purgatorium, über das die Materialisten spotten, drückt wahrheitsgemäß den subjektiven Zustand des Menschen nach dem Tode aus.“ (6)
Letztlich weiß der Anthroposoph ja, dass er sich in einer absterbenden Zivilisation befindet, in der er das wahre Licht in sich entzünden will, gegen die Mächte des Materialismus, die in den Abgrund steuern: „Und geradeso wie das zum Untergang der atlantischen Zeit führte, damit eine andere Menschheit kommen konnte, so enthält dasjenige, was sich jetzt inauguriert als kaufmännische, industrielle, technische Kultur, die Elemente, welche zum Untergang der fünften Erdperiode führen; damit beginnen wir an dem zu arbeiten, was die Katastrophe herbei führen muß.“ (7)

Die anthroposophische Attitüde, diese sanfte Superiorität, diese Sensitivität des Ätherleibs, die Penetranz des Selbstgefühls, inmitten einer materialistischen Untergangskultur ein paar Geistessamen zu streuen und die Initiations- Kultur von Jahrtausenden in sich zu tragen- das alles gehört zu den Ur- Rollenmodellen, die von Steiner ausgegeben wurden und bis heute gerne befolgt werden. Das gibt dem Anthroposophen den Kick, das ist seine Droge. Kritik von Außenstehenden prallt an diesem komplett abgeschotteten Selbstbild vollkommen ab, da sie immer Ausdruck eines minderwertigen, „materialistisch“ deformierten, von Dämonen inspirierten Denkens ist. Bei langjährigem Praktizieren dieser Selbsthypnose sieht man nach und nach selbst ein wenig aus wie Steiner, hat einen Schwarm von Bewunderern um sich und behandelt Außenstehende wie Dienstboten, oder wird bigott in einer eitlen Frömmelei, legt sich einen eigenwilligen Sprachstil zu und wiederholt dieselben anthroposophischen Vokabeln in Endlosschleife.

Zur geistigen Emanzipation, möchte man dem Leitwolf ins Jahrbuch schreiben, gehört eben auch die Überwindung der Selbstbetörung, der perseverierenden Attitüden und der anthroposophischen Süchte, so unverzichtbar und immanent sie auch erscheinen möchten. Sonst stellt Anthroposophie die selbstgefühlige Falle dar, die sie so häufig ist, ob für den Leit- Wolf oder die Geistesforscher, die Generation für Generation dieselben Haltungen produzieren.

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1 die drei. Textstelle von Hans- Christian Zehnter https://diedrei.org/
HEFT 7/8, 2019
Schwerpunkt: Lichtberichte
2 die drei, Corinna Gleide im Gespräch mit Ulrike Wendt und Markus Buchmann, https://diedrei.org/tl_files/hefte/2019/Heft7-2019/03-Gleide-Wendt-Buchmann-DD190708.pdf?fbclid=IwAR1JwhySXIHTFkRimRZkZukbBmeEnvDVPi8Fn87eofQ3HCV4iVUbeR-7SN4
3 https://www.amazon.de/B%C3%BCcher-Anton-Kimpfler/s?rh=n%3A186606%2Cp_27%3AAnton+Kimpfler
4 Rudolf Steiner, GA 275.25
5 Rudolf Steiner, GA 97, 47
6 Rudolf Steiner, GA 94.62ff
7 Rudolf Steiner, GA 177.65f

Vom höheren Sinn zum Unsinn

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Schlummernde Anlagen, Evolutionen und die unbefangene Aufnahme der Geisteswissenschaft


Natürlich war dem Archivar und Teilzeit- Philosophen, Herausgeber und Hauslehrer Rudolf Steiner früh klar, was er tat - was er für Bedürfnisse zu befriedigen haben würde, wenn er unter Theosophen Offenbarungen und Geistesschulung verbreitete. Denn mit Denken, Philosophie und einem Nietzsche- Mackay- Verschnitt war in der bürgerlichen, im permanenten Aufbruch befindlichen Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts kein Staat zu machen- es bedurfte umfänglicher Narrative, einer besonderen Sprache (Geisteswesen, Seelenlicht), eines Theaters der Einweihung, ja einer ganzen Produktionsstätte Sinn stiftender Bildwelten, um zerfallende gesellschaftliche Ordnungen und weltanschaulicher Orientierungen - vielleicht- auf neue Beine zu stellen. Und so formulierte der Meister auch schon ganz offen 1910, vor der Verselbständigung mit Hilfe der Begründung der autonomen Anthroposophische Gesellschaft, in Bezug auf das Ziel des ganzen Unternehmens: „Es ist im Grunde genommen recht egoistisch, wenn wir anfangen, uns für Anthroposophie zu begeistern, weil uns die Gedanken der Anthroposophie begeistern, uns als wahr erscheinen. Denn was befriedigen wir dann? Wir befriedigen das, was unsere Sehnsucht nach einer harmonischen Weltanschauung ist.“ (1)

Nein, mit einer „Philosophie der Freiheit“, die die Autonomie & Souveränität des Denkens hochhielt, kann man in solchen Zeiten keinen Blumentopf gewinnen. Die „Wege und Ziele des geistigen Menschen“ - so der Titel der gerade zitierten Vorträge- führten geradewegs zu den ganz großen Geschichten, die Steiner dann auch gleich präsentierte: Sagenhafte geheime Rosenkreuzer- Vereinigungen, Reinkarnation und Karma, die „welthistorische Stimmung anthroposophischer Vorstellungsart“ (2) eben. Eine dauernde Produktion von Narrativen, die die „harmonische Weltanschauung“ mittels „welthistorischer Stimmung“ in „rechter Vorstellungsart“ bediente, hatte schon kurz nach der Jahrhundertwende eingesetzt und wurde nun - wegen der Permanenz und intrinsischen Eskalation- zur narrativen Herausforderung für den Meister, seine Mitstreiter und Nachkommen: Geheimverschwörungen, mörderische Jesuiten, Kaspar Hausers, amerikanische Präsidenten, die eigentlich Kalifen waren, englische Weltkriegsverschwörer in Logen, die Brandstiftung am Goetheanum, die entmenschlichende technische Entwicklung, die Vergiftung des Meisters selbst- das alles wurde ständig in großen Bildern vor die Seelen der Sinnsucher gestellt, ganz ähnlich übrigens, wie es, den Erzählungen Rudolf Steiners zufolge, die Meister der Rosenkreuzer schon - nämlich in Märchenform- im Mittelalter gemacht hatten. Ein solcher Troubadour der starken Bilder und großen, wenn auch simplifizierenden Narrative wurde auch der Meister selbst, denn: „Dasjenige, was übersinnliche Tatsachen sind, kann ich nur in Bildern, in Imaginationen zusammenfassen. Das kann man nicht durch abstrakte Begriffe darstellen, da muß man bildhaft schildern.“ (3)

Die wunderbare Wandlung der Mysten


Es war und blieb das zentrale Versprechen des Meisters, dass diese Einbettung der Anhänger in Bilder, Erzählungen und Vorstellungswelten auch individuell zu Erkenntnis- Fortschritten führen könnte: „Die Erkenntnis der in diesem Buche gemeinten Geisteswissenschaft kann jeder Mensch sich selbst erwerben. Ausführungen von der Art, wie sie in dieser Schrift gegeben werden, liefern ein Gedankenbild der höheren Welten. Und sie sind in einer gewissen Beziehung der erste Schritt zur eigenen Anschauung.“ (4) Was, bitte, ist ein „Gedankenbild“? Und wie vage kann es denn werden, wenn der Meister schon in seinen zentralen Schriften von „in einer gewissen Beziehung der erste Schritt“ murmelt? Und ist nicht die Konstruktion des Bildzusammenhangs „höherer Welten“ an sich schon der denkbar größte Dualismus, der die Hindernisse erst aufbaut, die er zu überwinden vorgibt?

Natürlich wird der Meister auf der anderen Seite nicht müde, sein Produkt gegen die bloß „mystischen“ und religiösen Sinnstiftungs- Formate abzugrenzen- etwa indem er erklärt, die von ihm dargelegte Mystik schaffe „Sinn“ im ganz wortwörtlichen Sinn, nämlich ein übersinnliches Wahrnehmungsorgan: „Aber man muß die volle Begriffsklarheit in die Erfahrungen des mystischen Organes bringen, wenn Erkenntnis entstehen soll. Es gibt aber Leute, die wollen in das «Innere» sich flüchten, um der Begriffsklarheit zu entfliehen. Diese nennen «Mystik», was die Erkenntnis aus dem Licht der Ideen in das Dunkel der Gefühlswelt – der nicht von Ideen erhellten Gefühlswelt – führen will. Gegen diese Mystik sprechen meine Schriften überall; für die Mystik, welche die Ideenklarheit denkerisch festhält und zu einem seelischen Wahrnehmungsorgan den mystischen Sinn macht, der in derselben Region des Menschenwesens tätig ist, wo sonst die dunklen Gefühle walten, ist jede Seite meiner Bücher geschrieben. Dieser Sinn ist für das Geistige völlig gleichzustellen dem Auge oder Ohr für das Physische.“ (5)

Im Gegensatz zu den ausschweifenden Narrativen in seinen Vorträgen seien- so Rudolf Steiner- seineü Bücher bewusst so anspruchsvoll geschrieben, dass die mit dem Lesen verbundene „Gedankenanstrengung“ bereits „der Anfang der Geistesschulung“ sei: „Ich habe ganz bewußt angestrebt, nicht eine «populäre» Darstellung zu geben, sondern eine solche, die notwendig macht, mit rechter Gedankenanstrengung in den Inhalt hineinzukommen. Ich habe damit meinen Büchern einen solchen Charakter aufgeprägt, daß deren Lesen selbst schon der Anfang der Geistesschulung ist. Denn die ruhige, besonnene Gedankenanstrengung, die dieses Lesen notwendig macht, verstärkt die Seelenkräfte und macht sie dadurch fähig, der geistigen Welt nahe zu kommen.“ (6) Freilich, solche Verstärkung der Seelenkräfte  wie Fokussierung erreicht man ebenso durch das Studium von Wittgenstein, Hegel oder Merleau- Ponty, wobei sich letzterer auf seine „Phänomenologie der Wahrnehmung“ beschränkt, womit sich der Meister leider nicht zufrieden geben konnte.

Konkurrenten und Widersacher unter den Schauenden


Dennoch, betont er, seien seine Erkenntnisse nicht irgendwie vom Himmel gefallen oder in Form einer Erleuchtung in den Kamin geschliddert, sondern quasi wie guter Wein gereift: „Gewisse Dinge mußten natürlich in den ersten Jahren mit einer starken Reserve von mir dargestellt werden, einfach aus dem Grunde, weil Jahre notwendig waren, um gewisse Dinge genau nachzuprüfen, und weil ich von Anfang an mir vorgesetzt hatte, nichts anderes zu veröffentlichen und im wesentlichen auch nichts anderes zu sagen, als wofür ich in der Weise einstehen konnte, daß ich es nachgeprüft hatte.“ (7)

Etwas anderes, was dem Meister ein Dorn im Auge gewesen ist, war die Abgrenzung gegen andere Sinnstiftungs- Konkurrenten, die ebenfalls auf „Schauungen“ aufbauen. Einerseits schreibe er besonders anspruchsvoll, fördere die Herausbildung übersinnlicher Sinne, denke lange nach und produziere dennoch „volle Begriffsklarheit“, er als Meister sei auch absolut originell: „Meinen Schauungen in der geistigen Welt hat man immer wieder entgegen gehalten, sie seien veränderte Wiedergaben dessen, was im Laufe älterer Zeit an Vorstellungen der Menschen über die Geist-Welt hervorgetreten ist. Man sagte, ich hätte mancherlei gelesen, es ins Unterbewußte aufgenommen und dann in dem Glauben, es entspringe aus dem eigenen Schauen, zur Darstellung gebracht. (..) (8) Dann nimmt er für sich selbst in Anspruch, diese seine „Schauungen“ „wie der Mathematiker“ zu bilden, zu verfolgen und letztlich auch zu formulieren: „Wie der Mathematiker von Gedanke zu Gedanke schreitet, ohne daß Unbewußtes, Autosuggestion und so weiter eine Rolle spielen, so – sagte ich mir – muß geistiges Schauen von objektiver Imagination zu objektiver Imagination schreiten, ohne daß etwas anderes in der Seele lebt als der geistige Inhalt klar besonnenen Bewusstseins.“ (8) Es bleibt eine Besonderheit - oder auch eine spezifische Hybris- der anthroposophischen Lehre, zwischen solcher angeblich „objektiver Imagination“ einerseits, und den Schauungen, Verschwörungstheorien (Logen, Jesuiten), simplen Welterklärungsmodellen (Ahriman, Luzifer, Christus) und populären Narrativen (a la Kaspar Hauser) hin und her zu pendeln. Der so exakte, mathematische Geist des Meisters mag nämlich keine Zweifler unter seinen Anhängern: „Der unbegründete Unglaube allerdings ist schädlich. Denn er wirkt in dem Empfangenden als eine zurückstossende Kraft. (9)

Wer nun den Meister doch festnageln möchte auf eine vielleicht von ihm abgestaubte oder fehlerhafte Legende, ein schiefes Bild oder einen behaupteten Fakt, der widerlegbar ist, dem erklärt er vorsichtshalber im voraus, dass eben doch alles, wie exakt auch immer die Imagination gewonnen sei, zumindest im Augenblick der Formulierung relativierbar oder eben auch nur „halb wahr“ sei: „Die große Geduld und Entsagung der Erkenntnis, die müssen wir erst lernen. Zu einem Urteil muß man heranreifen. Es ist die Welt in jedem Punkte selbst unendlich. Und man muß die Bescheidenheit haben, zu sagen, daß alles gewissermaßen nur halb wahr ist. (10)

Die schlummernden Anlagen und das Stricken der Legenden


Halb wahr auch insofern, als auch Rudolf Steiner selbst zugesteht, dass es nur eine von ihm vorgebrachte Hoffnung sei, von den großen Narrativen der Anthroposophie zu eigenständiger Erkenntnis vorzudringen: „Denn der Mensch ist ein Gedankenwesen. Und er kann seinen Erkenntnispfad nur finden, wenn er vom Denken ausgeht. Wird seinem Verstande ein Bild der höheren Welten gegeben, so ist dieses für ihn nicht unfruchtbar, auch wenn es vorläufig gleichsam nur eine Erzählung von höheren Tatsachen ist, in die er durch eigene Anschauung noch keinen Einblick hat. Denn die Gedanken, die ihm gegeben werden, stellen selbst eine Kraft dar, welche in seiner Gedankenwelt weiter wirkt. Diese Kraft wird in ihm tätig sein; sie wird schlummernde Anlagen wecken.“ (11) Was aber, wenn nicht? Was, wenn die Versprechen des Geistesforschers nichts wert sind, da die Adepten, statt ihre „schlummernden Anlagen“ zu wecken, die Erzählungen, Bilder und Narrative einfach endlos weiter stricken? Wenn sie sich in einer assoziativen anthroposophischen Echo- Welt bewegen, in der sie sich gegenseitig mit nackter Hybris, verzicktem Lifestyle und geistigem Ping- Pong gegenseitig beeindrucken wollen? Was, wenn sie ganz zufrieden sind mit bedeutungsschweren Selbstgefühlen? Was, wenn sie den „unbegründeten Unglauben“ (9) endgültig zu den Akten gelegt haben und jetzt ihren Kult zelebrieren, als Akt intellektueller Regression?

„So hatte ich die Ergebnisse meines Schauens vor mir“ (12), schrieb Steiner. Er meinte damit nicht seine Anhänger, freilich, sondern seine noch ohne theosophische Begrifflichkeit vorhandenen „«Anschauungen», die ohne Namen lebten.“


Timothy Leary, LSD und die unbefangene Aufnahme der Geisteswissenschaft




So ist da auf der einen Seite der geniale Mathematiker und Geisteswissenschaftler, der in seinen übersinnlichen Schalungen blättert wie in einem Buch, sie ausbrütet und mit Namen und Begriffen versieht, damit das Volk sich an den entstehenden Bildern und Legenden laben möge. „Take this, Brother, may serve you well“, sagte auch Timothy Leary, wenn er an die Seinen das LSD aushändigte. Bei Steiner waren es Mythen, die, einmal im Adepten aufgenommen, auf alchemistische Art zum Verstehen und zur Erkenntnis, ja zum Bilden höherer Organe führen sollte. Was aber passiert, wenn dieser Nahrungsbrei konsumiert, aber nicht verdaut wird? Wird statt höherer geistiger Organe Unsinn re- produziert? Und war es nicht der Meister selbst, der die Adepten unselbständig machte, indem er von ihnen unkritische und „unbefangene Aufnahme“ verlangte? Denn so will es der Meister: „Wer also fragt: wie gewinne ich selbst die höhere Erkenntnis der Geisteswissenschaft? – dem ist zu sagen: unterrichte dich zunächst durch die Mitteilungen anderer von solchen Erkenntnissen. Und wenn er erwidert: ich will selbst sehen; ich will nichts wissen von dem, was andere gesehen haben, so ist ihm zu antworten: eben in der Aneignung der Mitteilungen anderer liegt die erste Stufe zur eigenen Erkenntnis. Man kann dazu sagen; da bin ich ja zunächst zum blinden Glauben gezwungen. Doch es handelt sich ja bei einer Mitteilung nicht um Glauben oder Unglauben, sondern lediglich um eine unbefangene Aufnahme dessen, was man vernimmt.“ (11)

Und so ist das Steinersche Mantra vom alchemistischen „innerlichen Verarbeiten“ (14) seiner eigenen Schauungen vielleicht zum zentralen anthroposophischen Antrieb geworden. Die Schuld darüber, dass die versprochene Erleuchtung ausbleibt, wird den Zeitverhältnissen, den elektrischen Strahlen, dem Wirken der westlichen Logen, dem Doppelgänger oder wahlweise Angela Merkel oder Hillary Clinton zugewiesen. Es ist eben nicht leicht. Man war als Anthroposoph so nah dran, aber dann muss man doch ein paar Inkarnationen warten. Immerhin besteht Hoffnung, denn der Maitreya wird uns irgendwann erlösen, in etwa 3000 Jahren. Bis dahin folgen wir dem Meister und meditieren sein Mantra „Mit dem bloßen Nachbeten der theosophischen Dogmen kommen wir nicht weiter.“ (13)


Anmerkungen

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1 Rudolf Steiner, 125.219 Allerdings fährt er an dieser Stelle auch fort: „Das ist sehr schön. Das Größere ist aber, wenn wir unser ganzes Leben durchdringen von dem, was sich aus diesen Ideen ergibt; wenn die Ideen in die Hände, in jeden Schritt und in alles gehen, was wir erleben und tun. Dann erst wird Anthroposophie ein Lebensprinzip, und bevor sie das nicht wird, hat sie keinen Wert.“
2 https://anthrowiki.at/GA_125
3 237.115
4 9.172f
5 2.140
6 13.10f
7 254.125
8 13.11ff
9 9.176
10 98.146
11  9.172f
12 13.11ff
13 Steiner erläutert an dieser Stelle auch noch die Möglichkeit des Irrens, selbst beim Meister selbst: „Mit dem bloßen Nachbeten der theosophischen Dogmen kommen wir nicht weiter. Allerdings muß sich der einzelne seiner großen Verantwortlichkeit bezüglich seiner Angaben bewußt sein. Andererseits muß beachtet werden, daß auf diesen Höhen der Beobachtung Irrtümer im einzelnen durchaus möglich sind; ja sie sind hier gewiß viel wahrscheinlicher als bei wissenschaftlicher Beobachtung der sinnlichen Welt. Der Schreiber dieser Ausführungen bittet daher alle diejenigen um die entsprechende Nachsicht, die selbst etwas auf diesem Felde zu sagen haben.“ 34.136
14 „Indem man das Material verarbeitet, das in den Zyklen geboten ist, schreitet man weiter von einem äußerlichen Aufnehmen zu einem innerlichen Verarbeiten. Dieses innerliche Verarbeiten hat einen hohen Wert für das wirkliche Vorwärtskommen. Es werden durch solche Zusammenstellungen (verschiedener Vorträge, Anmerkung) wirklich innere Evolutionen durchgemacht. Es werden die Einzelnen weiterkommen, wenn solche fruchtbaren Zusammenstellungen gemacht werden.“ 161.21f

LIGHT, LOVE, LIFE oder Wie uns die Klimadebatte um die Ohren fliegt

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Natürlich ist den Mund zu halten immer eine gute Option. Ich befolge sie ja auch, zum Beispiel, wenn mich in der Stadt mittel- alte, tätowierte Menschen mit glasigen Augen mit „He, Alter“ begrüßen. Oder sehr junge, komplett schwarz gekleidete Menschen, die einen Kinderwagen vor sich hinschieben wie ein trojanisches Pferd, gewollt auf Konfrontationskurs meinen Weg kreuzen. Oder Audi- Fahrer mit Dreitagebart mit etwas über 200 Stundenkilometern sehr nahe zu meinem Heck aufschließen. Es lohnt sich nicht. Man landet im Graben oder im Krankenhaus oder beides. Was ist nun mit Menschen, die in einem großen Saal voller sehr, sehr bunter Bilder an der Decke und sehr sakralen Glasfenstern medizinisch anmutende Vorträge hören, in denen an ihre wahre Geistesseele appelliert wird und hundert Jahre alte Grafiken an Tafeln gemalt werden, in denen Allergie, Krebs und Sklerose als antagonistische Kräfte dargestellt werden- Zusammenhänge, die seinerzeit exakt so von Rudolf Steiner erläutert worden waren?

Sollte man besser schweigen, wenn Steiner über das Licht auf unnachahmliche Art sagt „Für die übersinnliche Beobachtung waltet in dem Lichtstrahl, der von der Sonne auf die Pflanze fällt, die Kraft der toten Menschen.“ (1)? Da man da nicht mit reden kann, schweigt man lieber tatsächlich. Das aber ist ein zentrales Problem im Umgang mit dem Meister. Nach wie vor steht der Mix von Plattitüden, esoterischen Aussagen, religiös- dogmatischen Handlungsanweisungen, philosophischen Denkansätzen und praktischen Erziehungstipps unverbunden, kaum sortiert, und vielfach kaum nachvollziehbar im anthroposophischen Raum, und jeder pickt sich das heraus, was er gerade gebrauchen kann- auch politische, weltanschauliche und religiöse Fanatiker und Spinner.

In der Dornacher Zentrale hält man sich lieber an Große, Schöne, Wahre- klare Positionierungen und kritische Sichtung des Werks, geschweige denn eine Auseinandersetzung mit dem Meister auf Augenhöhe findet schon aus Personal- und Geldmangel kaum statt. Wie denn auch? Wer bitte sollte etwas zu Aussagen des Meisters beisteuern, der die Herkunft unseres Sonnensystems enthüllte: „Aus dem Sternbilde des Stieres glänzt das Siebengestirn, die Plejaden her. Das ist der Ort, an dem unser ganzes Sonnensystem in unser Weltall hineingekommen ist.“ (2) So populär die bläulich schimmernden Plejaden seit jeher - schon auf der Himmelsscheibe von Nebra- gewesen sind, lag Dr. Steiner mit dieser Mythe doch wieder einmal vollkommen daneben, denn die Plejaden gehören zu den sehr jungen Himmelskörpern- sehr viel jünger als das Sonnensystem: „Die Plejaden sind gemeinsam aus einer Gaswolke entstanden. Ihr Alter wird auf 20-50 Millionen Jahre geschätzt, sie sind also noch ziemlich jung. Im Gegensatz dazu ist die Erde viel älter, nämlich 4,5 Milliarden Jahre.“ (4)
Sicherlich wird es auch in dieser Angelegenheit wieder Anthroposophen geben, die diesen Widerspruch phantasievoll einzuebnen verstehen- in der genannten, aktuellen Tagung jedenfalls bleibt man vorwiegend wolkig, aber mit der nötigen emphatischen Gesinnung:

MENSCHENSEELE !  HUMAN SOUL !
MOTION AND EMOTION – LIVING RESONANCE

Dear Friends

Our annual conference is in full swing. We enthusiastically welcome 700 people from 38 countries. That's fantastic 🌏 ❤
And to all of you who can't be here this year: We miss you!
Matthias Girke welcomed us with the stimulating words:
LIGHT, LOVE, LIFE – „These three words designate forces that are healing for the soul. They connect human beings in their thinking with the light of the heights, connect them in their feeling with their surroundings and develop vital forces for their action in the world. Light, love and life can work not only in individual human beings, they can also become the developmental forces of human communities”
We have already heard wonderful lectures…“ (13)

Wonderful. Swinging. Fantastic feelings. LIGHT, LOVE, LIFE- da bebt es in der Anthroposophen- Seele. Es geht aber auch anders, und zwar in ein reales, hoch emotionalisiertes Thema hinein, in die aktuelle Klima- Debatte, und auch mit deutlichen Positionierungen von Anthroposophen.

So hinterfragt Oliver Tropan in einem breit aufgestellten, anthroposophisch fundierten, aber doch auch wissenschaftlich orientierten Artikel die Seriosität der momentan medial präsenten Klimawandel- Diskussion, und fordert eine deutlich verbesserte Datenlage durch ausgeweitete Messstationen. Zumindest relativiert sich die Dramatik des Klimawandels dann, wenn man die natürlichen Schwankungen der europäischen Durchschnitts- Temperaturen z.B. in Bezug auf extreme Warmzeiten im Mittelalter einbezieht: „Dies ist nicht nur aus physikalischer, sondern auch aus geisteswissenschaftlicher Sicht heraus von höchster Bedeutung und Plausibilität. Das mittelalterliche Wärmeoptimum, in welchem auch Grönland völlig eisfrei war, nachdem die Gletscher damals schneller abgeschmolzen seien als gegenwärtig, bestand nach Reichholf übrigens um das Jahr 1000 n. Chr. Ab dem 17. Jahrhundert n. Chr. erreichen wir wiederum eine ‹Kleine Eiszeit› und seit dem 19. Jahrhundert lässt sich ein neuer Aufschwung bei den Temperaturen verzeichnen. Daher ist es erst einmal gar nicht verwunderlich, dass es wärmer wird. Nur, wieviel Einfluss auf diese Erwärmung hat nun der Mensch?“ (5)

Ach je, nun sind wir ideologisch irgendwie auf Linie von Donald Trump, der AfD- Anti- Windkraft- Fraktion und der Automobil- Industrie gelandet. Unschön, aber dennoch ein Beispiel dafür, wie man sich zwar ideologisch in die Nesseln setzt, aber dennoch elegant Anthroposophie mit einem breiten Spektrum wissenschaftlicher Erkenntnisse verbinden kann. Allein die Bemühung kann man nur begrüßen, vor allem wenn Tropan auch zu realistischen Massnahmen gegen die Umweltprobleme unserer Zeit kommt, wobei er die Schwerpunkte so setzt: „Die Umweltkatastrophen spielen sich jeden Tag auf unseren Äckern und Feldern ab, aber über die Bestrebungen der ökologisch wirtschaftenden Betriebe wird – gerade von Seiten der oft unwissenden Politiker – nur milde gelächelt. Die Umweltkatastrophen finden in den Ozeanen statt, durch Plastikvermüllung und damit einhergehendes Artensterben, durch industriell-chemische Verschmutzung der Natur, der Flüsse, Bäche und Meere usf. – kurz: durch die Ignoranz der Menschen.“ (5)

In ein ähnliches Horn bläst der von Lorenzo Ravagli in seinem im Anthroblog gepostete Artikel (6) „Ein offener Brief an die Ministerpräsidenten Dänemarks und Norwegens“ von Johannes Krüger. Auch hier wird der ausschließlich vom Menschen verursachte Klimawandel zumindest angezweifelt. Stattdessen werden verschiedene Modelle, zahlreiche Daten und rationale Appelle gegen die quasi- religiöse Endzeit- Hysterie verbreitet; vor allem wird aber bezweifelt, dass das Gros der Klimaforscher tatsächlich (97%) von einer katastrophalen Wende in der Klima- Entwicklung ausgeht: „Der 97%-Konsens geistert immer noch herum und wird nicht nur benutzt, um Skeptiker zum Schweigen zu bringen und jede ernsthafte Diskussion über das Klima zu unterbinden, sondern auch dazu, ein wissenschaftliches Alibi für politische Entscheidungen zu schaffen. Der frühere norwegische Ministerpräsident Gro Harlem Brundtland erklärte: »In der Klimafrage ist Zweifel unmoralisch«. Aber Zweifel ist das Wesensmerkmal von Wissenschaft, während die Ablehnung von Zweifel Pseudowissenschaft ist und die Redefreiheit und das Funktionieren der Demokratie gefährdet.“ (6) Tatsächlich kann man kaum noch argumentieren, wenn Zweifel als „unmoralisch“ betrachtet werden- der Wechsel auf eine Ebene der ultimativen Kategorien ist vollzogen.

Schade, dass man damit das Feld den Ressourcen- Plünderern, Rechten und Ewiggestrigen überlässt. Man sieht die Absicht hinter der bundesweiten Anti- Windkraft- Bewegung, die in schönstem AfD- Deutsch - „Schier sprachlos ist man über die Lethargie unserer Gesellschaft angesichts des Größenwahns unserer Polit-Klasse. Merkels Energiewende zerstört riesige, dringend benötigte Natur- und Erholungsräume“ (7)- den Deutschen ihren deutschen Wald retten will, gegen die Eliten und die Merkelinaner. Da wird mit Klampfe gesungen und protestiert, was das Zeug hält, während die Bürger selbst im aufgeklärten NRW sich angeblich rund um ihre Dörfer von Windrädern „umzingelt“ (8) fühlen. Die „Schänder der Landschaftsseele“ (9) werden aber in Brandenburg und anderswo angeprangert, selbst unmittelbar neben der Autobahn. Die merkwürdigen Initiativen und Klagen haben tatsächlich praktisch zum bundesweiten Baustopp (10) geführt, wobei die Bundesregierung wie gewohnt täppisch und ungelenk reagiert- Peter Altmaier möchte sich wieder einmal vor dem nächsten „Klimakabinett“ (11) nicht festlegen. Aber vielleicht wird man ja noch ein paar Plastiktüten verbieten.

Die Bundes- und Landesregierung (NRW), die sich in Bezug auf den Hambacher Forst, aber auch die Abwrack- Kosten für AKWs zum Büttel der Energiekonzerne gemacht haben- ebenso wie in Bezug auf die deutsche Automobil- Industrie- erscheinen faktisch gelähmt. Die populistischen Interessen der Rechten, die sich gegen neue Energien und für Atomstrom und Kohle- Abbau einsetzen, sind ebenso offensichtlich wie die eines Donald Trump, der auch das Fracking so weit voran treibt, wie es nur geht, schon um die USA energetisch so unabhängig wie möglich zu machen. Die Bundesregierung dagegen läßt sich auf fragwürdige Erdgas- Deals mit Russen ein und lässt sich von unterwanderten Bürger- Initiativen immer weiter in die Enge drängen. Auf der anderen Seite beschwört die Fridays- for- Future- Bewegung („Das ist auch dein Planet. Das ist auch deine Verantwortung“) mit Vokabeln wie „Die Uhr tickt“ in der „reale(n) Bedrohung für die menschliche Zivilisation“ (12) die Apokalypse und ruft im Blick auf das kommende Klimakabinett zum Streik auf. Greta Thunberg schüttelt Obama die Hände, reitet wie Jeanne d’Arc über die Wellen und ruft emphatisch aus „Why should I be studying for a future that soon may be no more, when no one is doing anything to save that future?” (12)

So sieht die emotionale Lage aus. Während gesellschaftliche Auseinandersetzungen drohen, es um Apokalypse, rechte Unterwanderung verständlicher Bürger- Initiativen, einen weiteren Regierungs- Krach in einer brüchigen Koalition in Deutschland, eine Kluft zwischen den Generationen und die Abwehr von Stromkonzernen, russische und amerikanische Einflüsse und die Intrigen von Lobbyisten geht, der Klimawandel voran schreitet, aber niemand weiß, in welche Richtung, feiert das Goetheanum, wie immer sich selbst: LIGHT, LOVE, LIFE. Man packt sich an den Kopf: Haben wir nicht wirklich reale Probleme?

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Bildquelle: https://www.facebook.com/goetheanum.official/

1 13.199f
2 124.236
3 http://www.lda-lsa.de/himmelsscheibe_von_nebra/
4 https://astrokramkiste.de/plejaden
5 https://www.facebook.com/notes/oliver-tropan/der-klimawandel-historisch-betrachtet/2665829100157169/?hc_location=ufi
6 https://anthroblog.anthroweb.info/2019/ein-offener-brief-an-die-ministerpraesidenten-daenemarks-und-norwegens/
7 http://www.sturmimwald-hocheifel.de/category/algemein/
8 http://www.sturmimwald-hocheifel.de/wdr-streit-um-die-windkraft/
9 http://www.sturmimwald-hocheifel.de/wdr-streit-um-die-windkraft/
10 https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/windenergie-ausbau-von-windraedern-kommt-fast-zu-stillstand-a-1278960.html
11 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/gipfel-windkraft-101.html
12 https://fridaysforfuture.de/
13 https://www.facebook.com/131250663590992/posts/2517083118341056/


Die Korruption der Macht oder Tyrants are enemies of the future

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Link (s.u:)
Ich weiß jetzt nicht, ob Sie, verehrte Leser, die Geduld haben, ganze Rudolf- Steiner- Passagen zu lesen, vor allem, wenn man nicht weiß, was man damit vielleicht anstellen, in wie weit sie einen belehren oder inwieweit man sie als Argument für irgend etwas einsetzen könnte. Daher hänge ich das Zitat (1) an den Text an und berichte Ihnen darüber wie ein Sportreporter vom Spiel. 

Die Anthroposophen, die mir in den letzten Wochen so über den Weg liefen, waren meist ganz versessen darauf, den Einfluss einer gewissen 16jährigen Klimaaktivistin zu relativieren und sich über statistische Hockeysticks zu verständigen, die gar nicht so schlimm sind, wie sie aussehen, weil die Erde ständig Stick und Peaks produziere, wie zum Beispiel eine Wärmeperiode im Mittelalter und so weiter. Gegen das Berechnen und die „Tendenz zum Erstarren, zum Totwerden“ (1) wendet sich ja auch Rudolf Steiner- hier aber nicht in Bezug auf das Klima, sondern in Bezug auf die Bewegungen des planetarischen Systems schlechthin. 

Er ist der Meinung, dass es immer mehr in den Systemen gibt als „leicht durchschaubare Formeln“ erfassen könnten, geschweige denn „leicht durchschaubare(s) Figurale(s)“ (1). Und natürlich hat er recht. Zu Steiners Zeit hat Einstein die Schwerkraft mit absolut esoterischen und keinesfalls leicht durchschaubaren Formeln schon als Krümmungen des Raum- Zeit- Kontinuums zu beschreiben versucht, und heute entsteht eine Konstruktion nach der anderen, um eigentlich physikalisch unmögliche Phänomene mittels Hilfskonstruktionen wie dunkler Materie doch noch erklärbar zu machen. Die neuen Teleskope und Beobachtungsmethoden erschließen eine Individualisierung des Erscheinungsbilds ganzer Galaxien, dass man von Systemen kaum mehr sprechen mag, schon wegen der für den menschlichen Geist kaum zu erfassenden Fülle und Vielfalt. Die von Rudolf Steiner als notwendig erachteten „Annäherungslinien“ (1) für Bewegungen im ganzen Kosmos ergeben sich, wie wir heute wissen, schon wegen der Einflüsse durch irreguläre Ausdehnung des gesamten Kosmos, durch systemische Ungleichgewichte in der Rotation ganzer Galaxien, durch Rotation des Sonnensystems im Verhältnis zur Achse der Milchstraße, durch Schwankungen im Verhalten des schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie, Sagittarius A* (4) im Sternbild des Schützen. Womöglich gibt es bereits Einflüsse durch die anstehende Verschmelzung unseres Systems mit Andromeda- soll man von Verschmelzung oder von einem Tanz sprechen? Die kosmologischen Bilder (2) legen letzteres nahe. 

Immerhin wissen wir, dass alle die wunderbaren Galaxien von einem extrem masse- reichen Nichts, einem Schwarzen Loch, zusammen gehalten werden (3). Die pure Gravitation, die selbst das Licht verschlingt und gerade deshalb die Macht generiert, ein Gleichgewicht entstehen zu lassen für die im Umkreis aufblühende Spiral- Galaxie, hat eine gewisse Poesie. Das Licht verschlingende Monstrum, das sich der Erkenntnis, was sich darin abspielt, schon deshalb entzieht, weil es kein Darin gibt, ist aber auch gerade deshalb ein Symbol für die Macht schlechthin. Oder auch für die Frage, wie derartig scheinbar ungeeignete Figuren in menschlichen (nicht kosmischen) Gesellschaften zu einer derartigen Fülle von Macht gelangen können. 

Wen sollte man für die Beantwortung einer solchen Frage besseres finden als den Altmeister des Polit- Dramas und seiner destruktiven Tyrannen, William Shakespeare? Bevor wir uns dem Buch von Stephen Greenblatt über ihn widmen - „Tyrant: Shakespeare on Politics“ (5)-, das Angela Merkel in ihrem Urlaub als Lektüre gelesen haben soll, noch ein Blick auf Robert Menasses aktuellen Schlüsselroman „The Capital“(6), das in Deutsch bereits 2017 erschienen ist, und ein Beben zwischen Buchpreisen und Unwohlsein ausgelöst hat (7). 

Denn Menasse blättert ein aktuelles Sittenbild von Brüssel, dem EU- Moloch, und seinen verwirrten Politikern und Bürgern auf, das komisch, zynisch und bitter selbstzerstörerisch erscheint- ein Koloss der Machtlosigkeit durch Selbstdemontage. Der Präsident - offensichtlich ein Bild Jean-Claude Junckers (8), der der Europäischen Kommission vorsteht, ist in Menasses Darstellung ein Clown, der durch leicht bizarres Verhalten wie Küsschen, direkte „unpolitische“ Sprache, Umarmungen und körperliches Schwanken eine Willkür vorspielt, die nur tatsächlich mächtigen Personen gestattet zu sein scheint- tatsächlich ist er der Vorsteher eines Apparates, in dem jede Initiative, selbst die wohlwollendste, versickert, und so letztlich lediglich der Apparat in seinen komplizierten Proporz- Prozessen zwischen Hierarchien, EU- Staaten, Rivalitäten der internen Institutionen, Blöcken innerhalb der EU und endlosen persönlichen Eifersüchteleien und Eitelkeiten bestimmt, was sich politisch durchsetzt- so Menasses „politisches Manifest“ (9) Roland Freudenstein umfasst dieses Manifest inhaltlich so: „Die Handlung verfolgt ein Set Brüsseler Figuren: Einen belgischen Holocaust-Überlebenden im Seniorenheim, einen Professor und einen Schweinezüchter aus Wien, einen belgischen Polizeikommissar, einen katholischen Killer aus Polen und jede Menge EU-Beamte. Die EU-Beamten treibt die Frage um, wie die Europäische Kommission in Brüssel am sinnvollsten den sechzigsten Jahrestag ihrer Gründung feiern sollte. Die sympathischeren Protagonisten wollten eine Feier in Auschwitz organisieren. Diese Idee wird von den Spielverderbern – also den Bremsern in Brüssel und den Mitgliedstaaten – kunstvoll torpediert. Eingebettet ist die politische Handlung in einen Krimiplot. Am Anfang steht ein Mord, am Ende ein Terroranschlag, in der Mitte eine den Kontinent umspannende Verschwörung.“ (9)

Ich finde nicht, dass Menasse mit diesem Schlüsselroman ein „links-westeuropäisches“ Manifest gegen den Nationalismus verfasst hat- für mich ist es die Schilderung eines im Prozess der Überwindung des Nationalismus feststeckenden Apparats, der Absurditäten en masse produziert, unfreiwillig komisch wirkt und häufig absurde politische Entscheidungen so absondert, als seien sie durch mehrere Erdschichten hindurch gesickert, aber letztlich doch so weit weg vom Holocaust ist wie nur irgendwie möglich. Das strukturelle Problem Menasses dabei ist es, dass er diese politische Landschaft mit absurden Personen und Handlungssträngen anreichert, die irgendwo beginnen und irgendwo enden, aber allesamt über den Charakter von Karikaturen oder Comic- Figuren nicht hinaus kommen: der frömmelnde Killer, der fette belgische Kommissar, der nicht nur in seinen Fritten fest sitzt, die ehrgeizige zypriotische Polit- Assistentin, der trickreiche, intrigante Vorzimmer- Zuarbeiter des Präsidenten. In jedem Fall ist die Macht in diesem Roman zu einem komplexen Prozess der Entscheidungsfindung bzw. zur Verhinderung geworden, in einem politischen Apparat, der sich vor allem leidenschaftlich selbst blockiert und permanent gefährdet ist von nationalen Interessen, aber auch von Lobbyisten wie - hier exemplarisch als der Verband der Schweine- Massen- Züchter und -Schlachter auftretend. Dieser Apparat verleiht Macht an Repräsentanten wie den Präsidenten, der die Ergebnisse des politischen Sickerprozesses verkünden, aber auch ein wenig Macht demonstrieren darf. 

Ganz anders die Figuren Shakespeares, die Greenblatt vorstellt, und die keinesfalls Macht nur repräsentieren, sondern sie wirklich als Tyrannen und Potentaten ergriffen haben. Shakespeare hat die Ingredienzien der Macht seiner Zeit sehr genau gekannt, studiert und auf die Bühne gebracht: „From the early 1590s, at the beginning of his career, all the way through to its end, Shakespeare grappled again and again with a deeply unsettling question: how is it possible for a whole country to fall into the hands of a tyrant?“ (10) Shakespeare hat im Laufe seiner Karriere, wie das Buch darstellt, alle denkbaren Modelle von Macht- Missbrauch buchstäblich durchgespielt- nur nicht die seiner eigenen Herrscherin, Elizabeth I, da dies selbstmörderisch gewesen wäre. Die Kritik an zeitgenössischen totalitären Herrschern erfolgte, falls man nicht als Autor früh sterben wollte, verschleiert durch einen Code- und dieser erforderte, dass die handelnden Figuren mindestens seit 200 Jahren tot, meist aber lieber klassische Figuren der Weltgeschichte waren: „Hence the fascination he found in the legendary Roman leader Caius Martius Coriolanus or in the historical Julius Caesar; hence the appeal of such figures from the English and Scottish chronicles as York, Jack Cade, Lear, and, above all, the quintessential tyrants Richard III and Macbeth. And hence, too, the lure of entirely imaginary figures: the sadistic emperor Saturninus in Titus Andronicus; the corrupt deputy Angelo in Measure for Measure; the paranoid King Leontes in The Winter’s Tale.“ (11)

Greenblatt schildert in der Folge die politischen und gesellschaftlichen Umstände, in den Shakespeare lebte und wirkte. Dann geht er der „Codierung“ der korrupten Machtentfaltung der Figuren in Shakespeares Theaterstücken nach, den Facetten der Gewalt, die nach und nach wie in einer Versuchsanordnung aufgerollt werden. 
Ein mörderischer Tyrann wie Richard III (12) z.B. kann nur unter der Voraussetzung nach der Macht greifen, dass ihm diverse Interessengruppen in die Hände spielen- eine Konstellation, die sich Greenblatt wie folgt darstellt: 
Einerseits wären da die, die dem Tyrannen tatsächlich glauben, die Naiven, die ihre Naivität teuer bezahlen werden: „A few characters are genuinely fooled by Richard, crediting his claims, believing in his pledges, taking at face value his displays of emotion.“ (5)

Dann die, die vor der blanken Gewalt Richards erschrocken zurück schrecken: „There are also those who feel frightened or impotent in the face of bullying and the menace of violence.“ Vielleicht am erschreckendsten die, die sehr wohl wissen, was das Stündlein mit diesem Herrscher geschlagen hat, die es sich aber schön reden: „Then there are those who cannot keep in focus that Richard is as bad as he seems to be. They know that he is a pathological liar and they see perfectly well that he has done this or that ghastly thing, but they have a strange penchant for forgetting, as if it were hard work to remember just how awful he is. They are drawn irresistibly to normalize what is not normal.“ (5) Man kann es einfach nicht glauben, da der Schrecken die Vorstellungskraft übersteigt: „Richard is so obviously and grotesquely unqualified for the supreme position of power that they dismiss him from their minds.“ (5) 

Dann natürlich die Opportunisten, die Lauen, die den Diktator zu ihrem Vorteil nutzen wollen, aber meinen, ihn sehr wohl beherrschen zu können: „A more sinister group consists of those who persuade themselves that they can take advantage of Richard’s rise to power. Like almost everyone else, they see perfectly well how destructive he is, but they are confident that they will stay one step ahead of the tide of evil or manage to seize some profit from it.“ (5) Und endlich die, die den Aufruhr, das Sterben, das Zerstückeln und Zerstören genießen und daran teilhaben wollen, so viel und so weit es nur geht: „Finally, there a motley crowd of those who carry out his orders, some reluctantly but simply eager to avoid trouble; others with gusto, hoping to seize something along the way for themselves; still others enjoying the cruel game of making his targets, often high in the social hierarchy, suffer and die.“ (5)

Aber der brillante Herrscher- der, der wirklich mit den Instinkten spielen kann-, wird endlich alle, die ihn hervor gebracht haben, zerstören, nachdem sie ihm nicht mehr nützlich sind oder selbst zu viel Macht gewonnen haben. Er wird bis dahin aber souverän mit den mächtigen, untergründigen emotionalen Strömungen arbeiten, von denen sie bewegt und erschüttert werden, er wird sie benutzen und sich ihrer dann entledigen- das Spiel der Macht, so alt wie der Mensch. 

Aber natürlich haben auch die Tyrannen Launen- einige, wie die Ungeduld, wachsen sogar mit der Macht ins Unermessliche, da der imperiale Impetus die sofortige Erfüllung jedes Bedürfnisses des Herrschers erfordert: „Impatience is another of the qualities that, in Shakespeare’s view, inevitably marks the tyrant’s experience of power. He expects his wishes to be carried out almost before he has expressed them aloud. New developments keep arising, most of them alarming, and time is no longer a friend.“ (5) Nicht nur Fehler schleichen sich durch das überstürzte, fordernde Verhalten des Mächtigen ein, er hat seinen Zenit irgendwann generell überschritten und wird nun in den ihm eigenen Abgrund stürzen, wobei er so viele mitnehmen wird wie möglich. Es ist so eigenartig, dass der Aufstieg und der Sturz im Nachhinein so folgerichtig scheinen- als hätte keine Wahl bestanden. Und tatsächlich gab es etwas wie eine innere Leere dieses mächtigen Herrschers- so sehr er auf der Klaviatur der Instinkte, des Schreckens und der Gewalt spielen konnte, war er doch ein schwarzes Loch: „..a painful emptiness. It is as if we look inside the tyrant and find that there is virtually nothing there, merely a few shrunken traces of a self that had never been allowed to grow or to flourish.“ (5)

Und natürlich liegen dem Hunger nach Macht auch, wie der Rundgang durch Shakespeares Stücke zeigt, andere Schwäche zugrunde: „The tyrant, Macbeth and other plays suggest, is driven by a range of sexual anxieties: a compulsive need to prove his manhood, dread of impotence, a nagging apprehension that he will not be found sufficiently attractive or powerful, a fear of failure.“ Oder die Ursache liegt, wie so oft vor allem bei alten Männern, im Erleben der Impotenz, der nachlassenden Verankerung in ihrer Position, und einer schleichenden Demenz oder Depression, was in der Kombination zur berüchtigten Alters- Paranoia führt; mit einem Groll, der sich vor allem gegen das Junge, Weibliche und/oder Fremde richtet. Man könnte das den Lear- Komplex nennen, und es ist schwer heilbar. Wie z.Z. in Russland, wo die Jugend gegen die engstirnige, ideologisierte Kleptokratie ernsthaft auf die Strasse geht und Putin seine Killer von der ukrainischen Grenze zurück in die Hauptstadt beordert, richtet sich der Lear- Komplex auch gegen die Kinder und gegen die folgende Generation. Denn da kommen die möglichen Nachfolger her, die denkbar andere Prioritäten haben als Wirtschaft, Land, Bevölkerung und Wirtschaft auszuplündern und sich einen Wall gegen das Sterben zu errichten. Wir sehen das ja auch in Fragen der Umwelt- Politik: Die Lears dieser Welt produzieren höchstens Lippenbekenntnisse, mögen aber am Status Quo, der auch ihre Macht begründet, nicht ernsthaft etwas ändern. Und so opfern die mächtigen Alten- schon bei Shakespeare-  lieber die kommende Generation: „Tyranny attempts to poison not merely the present but generations to come, to extend itself forever. It is not the exigencies of plot alone that make Macbeth, like Richard, the killer of children. Tyrants are enemies of the future.“ (5)

Und natürlich schielt Greenblatt, der Moderator dieser Shakespeare-Exkursionen, auch auf die heutigen Mächtigen, allen voran Trump, wenn er im Resümee über die Korruption der Macht schreibt: „Even in systems that have multiple moderating institutions, the chief executive almost always has considerable power. But what happens when that executive is not mentally fit to hold office?“(5) Plötzlich geht es um die mentale “Fitness“ im Amt und an der Macht, und auch um die Impulsivität eines Narzissten: „It is extremely dangerous to have a state run by someone who governs by impulse… It is ugly, and it is about to get still uglier. But the stripping away of the retainers stems from the recognition that an impulsive narcissist, accustomed to ordering people about, should not have control even of a very small army.“ (5)

Der Narzisst ist aber gerade das Gesicht der Zeit, der pathologische und kontinuierliche Lügner und Populist, der scheinbar mit allem davon kommt und dessen - wenn man davon sprechen kann- moralische Kurzsichtigkeit kontinuierlich schwindet, je weiter der Machtbereich voran schreitet. Tapfer die wenigen Bürger, die den Mut haben, offen zu sprechen- schon bei Shakespeare werden sie hinweg gefegt. Letztlich höhlen sich die Figuren an der eigenen Korruption aus und gehen zugrunde- so Greenblatts Zusammenfassung: „There are periods, sometimes extended periods, during which the cruelest motives of the basest people seem to be triumphant. But Shakespeare believed that the tyrants and their minions would ultimately fail, brought down by their own viciousness and by a popular spirit of humanity that could be suppressed but never completely extinguished.“ (5)

Aber es kann dauern. Die Vernunft ist ein gefährdetes, von der Ausrottung bedrohtes Tier, zumindest in diesen gewissen Zeiten, wenn die Populisten und Tyrannen ihr Haupt erheben, und es bedarf Zeit und großer Opfer, um nach den folgenden destruktiven Eruptionen wieder ein Gleichgewicht herzustellen, denn das „Schwarze Loch“ der Macht, das  solche Tyrannen um sich herum etablieren, hat seine eigene Ordnung des Schreckens und seine eigenen Gesetze- vor allem das der kontinuierlichen Eskalation. Man kann solche destruktiven Machtstrukturen auch in Sekten beobachten. Aber das Beobachten hat kaum Kraft angesichts der Faktizität und Unmittelbarkeit tatsächlicher Machtentfaltung. Gerade in der unmittelbaren Handlungsfähigkeit nackter Macht liegt ja ein mitreissendes, faszinierendes Moment. Demgegenüber erscheinen die langwierigen Abstimmungsprozesse in einem Apparat wie Brüssel wenig anziehend. Man hat den Eindruck, dass man Milliarden hinein steckt, und unten kommen Verordnungen über Bananen und Klobürsten heraus. Was ist das schon im Vergleich mit den Versprechen eines Boris Johnson, die nationale Würde wieder herzustellen - als hätten die demokratischen Prozesse innerhalb der EU letztere jemals beschädigen können. Aber auch in Großbritannien kommt die kriegerische Rhetorik und impulsive, personalisierte Machtkonzentration Inn diesen Jahren an, immer mit den Untertönen nationaler Vergewisserung- und unter der Führung eines sprunghaften, skandalträchtigen Premiers, von dem man konstatieren kann: „Skandale jeglicher Art gleiten seit jeher von ihm ab, weil die Erklärung "So ist eben Boris" noch jedes Fehlverhalten in den Augen seiner Anhänger wegwischen konnte.“ (13)

Der Tyrann ist -zumindest in den westlichen Demokratien- zum twitternden Ekel Trump, zum quecksilbrigen Boris, zum Salvini in Badehosen geworden, also zu einem medialen Unterhaltungs- Magneten. Diese Typen sind viel eher Erben Silvio Berlusconis als blutrünstige Lears. Der Tyrann dieses Zuschnitts muss heute medial dauerpräsent und unterhaltsam sein. Ständige „Schwankungen im Verhalten des schwarzen Lochs“ sind damit unbedingt erforderlich- eine gewisse Unberechenbarkeit gehört zum Konzept. Mit diesen medialen Entfesselungskünstlern muss man erst einmal zurecht kommen. Noch ist dagegen kein Kraut gewachsen, vor allem wenn populistische und nationalistische Trümpfe gezogen werden. Andererseits mag auch ein Trost darin liegen, dass die Versuchungen der Macht, ihre Abgründe und ihre Popularität, ebenso wie die Aspekte ihrer destruktiven Selbstdemontage kein Phänomen der Neuzeit sind. Shakespeare hat sie bis in die römische Gesellschaft zurück verfolgt. Die Mechanismen bleiben über Zeiten, Generationen und Gesellschaftsstrukturen hinweg, bemerkenswert ähnlich.




*Filmplakat unter https://images.app.goo.gl/TQehh5EZ7rkeS1mLA
Ursprung hier: http://www.filmstarts.de/kritiken/136526.html

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1 „Wenn wir die Umlaufzeiten der Planeten miteinander vergleichen, so stellen sich inkommensurable Größen heraus. Denn wären die Größen kommensurabel, so würden die Planetenbahnen nach und nach in ein solches Verhältnis kommen, daß das ganze Planetensystem starr würde. Aber es ist ja in unserem Planetensystem diese Tendenz zum Erstarren, zum Totwerden drinnen. Versucht man mit leicht durchschaubaren Formeln oder mit leicht durchschaubarem Figuralen die Erscheinungen des Himmels zu fassen, so entschlüpfen einem die Erscheinungen. (Ein solches) System wird aber nur dann in der richtigen Weise aufgefaßt, wenn man sagt: Würde ich es nun ganz bestimmt hinzeichnen in irgendeiner Form, so könnte es höchstens das Richtige sein für die gegenwärtige Zeit. Schon wenn die Zeit einer künftigen Eiszeit eintritt, dann müßte ich dieses System in einer wesentlichen Art modifizieren, so modifizieren, daß ich die Konstanten der Kurve variabel nehme und sie selber wiederum ziemlich komplizierte Funktionen sind. Also ich bin gar nicht in der Lage, wenn ich adäquat die Himmelskörper mit ihren Bahnen fassen will, fertige Linien zu zeichnen. Wenn ich fertige Linien zeichne, sind es Annäherungslinien, und ich muß Korrekturen einführen. Das heißt: Jeder fertigen Linie entschlüpft hinterher dasjenige, was real am Himmel ist. Es ist ein Gegensatz im Sonnen- oder Planetensystem zwischen der Tendenz nach der Starrheit und der Tendenz nach der Veränderlichkeit, nach dem Heraustreten aus sich selber.“ R St 323.324ff  

2 https://de.wikipedia.org/wiki/Wechselwirkende_Galaxien
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzes_Loch
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Sagittarius_A*
5 Stephen Greenblatt, „Tyrant: Shakespeare on Politics“
6 Robert Menasse, The Capital 
7 https://www.tagesspiegel.de/kultur/buchpreistraeger-robert-menasse-europa-braucht-ein-netzwerk-der-regionen/20449408.html
8 https://ec.europa.eu/commission/commissioners/2014-2019/president_de
9 https://www.tagesspiegel.de/politik/die-zukunft-von-europa-wie-robert-menasse-europa-kaputtschreibt/20843276.html
10 Greenblatt, Stephen. Tyrant: Shakespeare on Politics (S.1). W. W. Norton & Company. Kindle-Version. 
11 Greenblatt, Stephen. Tyrant: Shakespeare on Politics (S.3). W. W. Norton & Company. Kindle-Version. 
12 https://www.nosweatshakespeare.com/play-summary/richard-iii/
13 https://www.dw.com/de/tory-parteitag-boris-johnson-im-kampfmodus/a-50634187






Mit Björn Höcke in der Badewanne oder: Die innere Sackartigkeit

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Setzt Segel, ihr Anthroposophen, wir stechen in See, der Nordwind ist in vollem Schwung, und der Jupiter steht im Wassermann, Neumond kündigt die Flut an, und bei Facebook blasen die Ungläubigen ins Horn! Setzt Segel, ihr tapferen Diener des Logos!

Freilich, an Tagen wie diesen geht man noch einmal ins Stübchen und überlegt. Wohin genau geht die Fahrt? Irgendwie ist die Richtung abhanden gekommen. Du weißt ja, die Kulmination blieb aus, Ahriman ist nicht inkorporiert, sondern befeuert einen noch hemmungsloseren Raubtier- Kapitalismus, die traurigen Dussel wählen Nationalisten und Populisten, die ihre Länder wieder ins 17. Jahrhundert katapultieren wollen, zwischen Empires, neuem Geldadel und dem Gegenteil von Emanzipation. Die Fahrt geht ins Nirgendwo, sie kommt über die Badewanne gar nicht hinaus. Wenn man nicht aufpasst, steht Björn Höcke mit seinen Leibwächtern nackt in derselben Wanne und hält mit flackernden Augen und Bubi- Stimme einen Vortrag, dass man die Hacken zusammen schlagen möchte.

Woher kommt die Fahrt? Auch das ist sehr fraglich. Irgendwie kommt alles natürlich von Rudolf Steiner: der Esprit, das Geniale, aber auch das Eingesponnen- Sein, das Neben- der- Bahn- Fahren, das Hochtrabende, das Bigott - Devotionale, das Trottelhafte. Nehmen wir nur einmal Rudolf Steiners kosmischen Vortrag darüber, dass alles Tierische -und letztlich auch Menschliche- einfach nur eine Frage innerer Sackartigkeit darstelle, was man so wortwörtlich wie möglich auffassen sollte:

Nämlich das Tierische zeigt die Eigentümlichkeit, daß es die Kugelform überall durchbricht durch das Taschige. Es bilden sich überall in der Kugel taschenförmige Einbuchtungen. Das ist das Wesen der tierischen Bildung, daß sich von außen nach innen Taschen einsacken. Betrachten Sie ihre Augenhöhlen - zwei Taschen, die von außen nach innen gehen. Betrachten Sie ihre Nasenhöhlen: zwei Taschen. Betrachten Sie schließlich den ganzen Verdauungsapparat, vom Mund angefangen bis in den Magen hinein: Sie können ihn bekommen, wenn Sie vom Munde ausgehen lassen eine Tasche…
Überall ist es die Taschenform, die zu der Kugelform dazu tritt, wenn es sich darum handelt, den Übergang zu bilden vom Pflanzlichen zum Tierischen. Es ist die Taschenform.
Diese Taschenform, die wird uns verständlich, wenn wir von der Erde aufblicken zu dem Planetensystem. Sie können sich ja leicht vorstellen: Die Erde hat das Bestreben, allem auf ihr Lebendigen ihre eigene Form zu geben. 

Wenn aber der Planet von außen einwirkt, so wirkt er den Erdenkräften entgegen und sackt ein, was von der Erde als die Kugelform gegeben wird, und die verschiedenen tierischen Wesen sind in der verschiedensten Weise mit solchen Säcken, Taschen, gestaltet. Schauen wir die Planeten an in ihren verschiedenen Wirkungen. Der Saturn sackt in anderer Weise ein als der Jupiter oder Mars. Der Löwe ist einfach mit einer anderen Art von innerer Sackartigkeit ausgestattet, weil auf ihn nicht dieselben planetarischen Wirkungen geübt werden, wie zum Beispiel auf das Kamel und so weiter.“ (1)

Nun, diese innere Sackartigkeit kann man bei vielen Anthroposophen beobachten, nicht nur in der physiologischen Bildung. Das ist ein Grund, warum ich die Zweige in meiner Umgebung meide. Es ist einfach vielviel schlimmer geworden, seitdem diese Leute ihre Superioritäts- Gefühle auf das politische Feld erweitert haben und geheime Welten und Mächte hinter den Kulissen der Medien und politischen Entscheidungen wittern, dass es dir die Säfte aus dem Hirnwasser quetscht. Die Typen sind natürlich seit Jahren auch in einschlägigen Facebook- Foren unterwegs. Die von ihnen ständig angestossenen Streitigkeiten befeuern sowohl ihr Geltungsbedürfnis wie ihre Eitelkeit, geben ihnen aber auch ein Forum, um sich mit den über Jahre immer gleichen dümmlichen Positionierungen in anti- materialistische Pose zu werfen. Das alles wäre nicht so schlimm, wenn es nicht so viele Miniatur- Höckes mit innerer Sackartigkeit wären, die den größten und hohlsten aller Säcke gern zum Präsidenten wählen, einen Anti- Elitisten, Troll und Proll wie sie selbst, in nie endenden Tiraden gegen Alle und Jedes um sich selbst kreisend.

In den hier angesprochenen Steiner- Vorträgen aus dem Jahr 1921 (2) zur „Kosmosophie“ geht dieser nach dem bei ihm typischen Drittel- Konzept vor: Ein Drittel geniale, inspirierte Darlegungen „live“: Über den Menschen, sein Denken, Fühlen und Wollen, seine Nachtseite, seine Bösartigkeit, seine kosmischen Reisen im Tiefschlaf, sein geschaffenes Vergangenheitswesen und seine ewig schaffende aktive Natur; klarsichtige Expeditionen auf der Ebene Bewusstsein - über- das- Bewusstsein. (4) Dann aber kommt Steiner unvermittelt, als ob er einen inneren Schwenk vollzöge, auf seine üblichen Legenden und Erweckungs- Geschichten. Das Palladium (5), das aus alten Sonnenkräften gebaut worden (eigentlich Palladion 6) und in Rom gebunkert gewesen sein soll, um dann von bösen Mächten ins osmanische Konstantinopel gebracht, und nun erlöst zu werden, und zwar von den braven Traum- Rittern, die da gerade atemlos und mit Kinderaugen im Saal zu Dornach saßen- ach, Herr Steiner. Das ist der Candy, den Sie den Süchtigen in den Schlund tröpfeln: Das esoterische Geschwurbel, der süße Brei, der seelische Balsam.

Das letzte Drittel ist dann dem stereotypen Motzen Steiners über die zeitgenössischen Wissenschaftler, Dozenten, Autoren (manchmal auch Politiker) gewidmet, die stets und insgesamt dem materialistischen Virus verfallen gewesen sein sollen und somit der anthroposophischen Inkompetenz überführt werden - vom Geistesforscher höchstpersönlich getadelt und in den Sack gesteckt. Diese Motz- Tiraden (3) erfüllen bei Steiner oft die Rolle eines stereotypen Füllmittels für zu kurz geratene Vorträge, haben aber auch diese gewisse Kultur- kritische Komponente, die eine Aura von anthroposophischer Superiorität vermittelt. Letztlich ist die Drittel- Struktur vieler Vorträge Steiners ein Strickmuster, das durchaus ökonomisch (niemand kann durchgehend genial- spontan reden) erscheint, aber mit Nebenwirkungen verhaftet ist: Die endlosen Legenden fürs Volk haben sich längst selbständig gemacht und überwuchern in immer neuen Auswüchsen das, was einmal als „Geisteswissenschaft“ angetreten ist. Was Rudolf Steiner da an mythologischen Narrativen auftischt, ist der gängige Erlösungs- Gedanke durch eine dem Materialismus und dem „verfinsternden“ Islam gegenüber neue Sonnen- Kultur, als deren Prophet Steiner selbst fungierte. Die, die ihm an den Lippen hingen, durften sich auch dazu zählen, zur neuen Hochkultur der spirituellen Versprechen. So ein Narrativ kitzelt natürlich die Eitelkeiten, aber bedient auch die Sehnsucht nach Erlösung und neo- religiösem Glauben.

Das Steinersche Drittel- System hat trotz seiner suggestiven, arroganten und anti- modernistischen Attitüden zweifellos sehr gewinnbringende Erkenntnisse zu bieten, wenn man es sozusagen frei schneidet aus dem ideologischen, anbiedernden Ballast und dem quasi- religiösen Pathos. Die fiebrigen Narrative überlagern das, was an realem Erkenntnisgewinn auch vorgetragen wird wie eine Verpackung. Es ist auch purer Kitsch: „Das Palladium, das alte Erbstück, das aus Troja nach Rom, von Rom nach Konstantinopel gebracht worden ist, das noch weiter in die Finsternis des Ostens gebracht werden soll, das Palladium, das Sonnenkleinod, es muß warten, bis man es geistig im Westen aus dem dunklen, finsteren Schatze der bloßen Naturerkenntnis heraus erlöst“ (5). In Konstantinopel war - was die Finsternis des Ostens betrifft- gerade der Völkermord an den Armeniern vollzogen worden, ein ethnischer, intellektueller und finanzieller Drain out, ein bis dahin unvorstellbarer Massenmord, der Stalin und Hitler ein Vorbild gewesen sein muss. Hier liegt das Herz der Finsternis. Die fantastischen Erzählungen Doktor Steiners führen - so sehr sie das Gegenteil behaupten- ins Reich der Fabeln und Legenden, auch wenn er von der Finsternis des Ostens schwadroniert. Erstaunlich bei jemandem wie Steiner, der im gleichen Atemzug über die Natur der Wirklichkeit spricht (4) und sich über die „inhaltslosen“ Philosophen seiner Zeit mokiert.

Aber noch immer steht Björn Höcke vor mir in der Badewanne, mit flackernden Augen, aber stramm stehend, ausnahmsweise völlig stumm. Hinter dem Duschvorhang sein Bodyguard. Was soll ich Björn nur sagen, um diese gewisse Spannung im Raum zu mildern? Ich fange einfach mal an, mit milder Stimme, leise, fast zärtlich: Es war einmal ein Sonnengeheimnis, „das wurde empfunden als das größte geistige Kleinod der Menschheit. Und es wurde symbolisiert durch dasjenige, was man das Palladium nannte. In Troja soll es einst gewesen sein, und die Mysterien- Priester in Troja drüben sollen in diesem Palladium dasjenige gesehen haben, an dem sie gewissermaßen sakramental kulturell, kultusartig den Leuten enthüllt haben, was das Sonnenwesen ist. Dann wurde es nach Rom gebracht, und es war ein Geheimnis der in Rom Eingeweihten, daß Rom das Palladium bewahrt. Rom bewahrte das Palladium…“

Ja, was soll ich sagen.. Björn hat in meiner Badewanne geweint.


Anmerkungen
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1 Rudolf Steiner, 208, 143f
2 „Anthroposophie als Kosmosophie – Zweiter Teil: Die Gestaltung des Menschen als Ergebnis kosmischer Wirkungen. Der Mensch in seinem Zusammenhang mit dem Kosmos, Band VIII“ Zum Inhalt und Download: https://anthrowiki.at/GA_208
3 z.B. in 208, 117 : „Weil die Philosophen allen Inhalt ihres Kopfes schon verloren haben, die Naturforscher wenigstens noch die äußere Sinnesbeobachtung haben, hat man die Naturforscher an die philosophischen Lehrkanzeln berufen. Über Philosophie reden sie ja natürlich noch inhaltloser als die Philosophen. Die Philosophen haben wenigstens noch die Worte gehabt. Aber eine merkwürdige Entwickelung hat sich schon zugetragen. Man hat es erlebt, daß zunächst die noch inhaltsvolle Philosophie von der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollständig verduftet ist in den Worthelden, sagen wir von der Sorte eines Kuno Fischer. Aber in der Kuno-Fischer-Zeit haben noch Philosophen an den Lehrkanzeln gelehrt. Innerer Gehalt war in dieser Philosophie nicht mehr.“ Und so weiter und so fort
4 z.B. in 208, 125: „Dieser Wille ist eben der Gegenstoß; der macht uns robust, der gibt uns Erleben der Wirklichkeit. Aber dieses Erleben der Wirklichkeit stößt höchstens noch als Gefühl herauf. Da träumen wir von dieser Wirklichkeit; aber im wesentlichen haben wir diese Wirklichkeit nicht im wachen Bewusstsein. So daß wir als Menschen zwischen Geburt und Tod unser Sein im Geistigen dadurch erkaufen, daß wir den Geist im Bilde erleben, im Bilde der Sinneswahrnehmungen, im Bilde der Vorstellungen; daß wir die Wirklichkeit zwar erleben, daß sie aber unbewußt herein spielt in unser Bewusstsein, wie auch die äußere Wirklichkeit unbewußt herein spielt.“
5 208, 172 : „Dieses Sonnengeheimnis, es wurde empfunden als das größte geistige Kleinod der Menschheit. Und es wurde symbolisiert durch dasjenige, was man das Palladium nannte. In Troja soll es einst gewesen
sein, und die Mysterien- Priester in Troja drüben sollen in diesem Palladium dasjenige gesehen haben, an dem sie gewissermaßen sakramental kulturell, kultusartig den Leuten enthüllt haben, was das Sonnenwesen ist. Dann wurde es nach Rom gebracht, und es war ein Geheimnis der in Rom Eingeweihten, daß Rom das Palladium bewahrt. Rom bewahrte das Palladium. Und im Grunde genommen haben die eingeweihten Priester der Römer und noch die ersten Kaiser der Römer, namentlich noch Augustus, durchaus aus dem Bewusstsein heraus gearbeitet in der Welt, gewirkt in der Welt, daß in Rom das größte Kleinod der Welt repräsentiert ist, wenigstens äußerlich-symbolisch, indem in dem geschätztesten römischen Tempel unter der Grundmauer das
Palladium war, das nur diejenigen kannten, die von den größten Geheimnissen des römischen Daseins wußten. Aber auf geistige Art war es denen bekanntgeworden, die das Christentum der Welt zu bringen hatten. Und aus der Erkenntnis, daß Rom den Palladium Schatz bewahrt, ging der Zug der ersten Christen nach Rom. Es war durchaus etwas Spirituelles darinnen.
Aber als unter Konstantin das Christentum verweltlicht ist, wurde von Rom das Palladium weggenommen. Konstantin gründete Konstantinopel, und unter derjenigen Säule, die er dort sich selber errichten ließ, ließ er in den Boden hinein senken das Palladium. Und das römische Christentum hat sich ferner so entwickelt, daß ihm das Wissen vom Sonnengeheimnis gerade durch denjenigen Kaiser weggenommen worden war, welcher das Christentum äußerlich in seinen Formen, in seinem starren Mechanismus in Rom festgelegt hatte. In der äußerlichen, weltlichen Befestigung des Christentums durch Konstantin ist dem Christentum die Weisheit von der Welt verloren gegangen, was auch äußerlich zum Ausdrucke kommt in dem Überführen des Palladiums nach Konstantinopel.

Namentlich in gewissen Teilen der slawischen Welt - die Leute deuten sich das ja alles in ihrem Sinne - herrscht, herrschte bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts herein der Glaube, daß das Palladium von Konstantinopel in nicht zu ferner Zukunft nach einer anderen, und wie man glaubte in der slawischen Welt, nach einer slawischen Stadt verbracht werden wird. Jedenfalls wartet das Palladium darauf - nehmen Sie jetzt den Vorgang symbolisch äußerlich, aber das Wichtigere ist das Innere dabei -, daß aus dem schon auf dieses Palladium verfinsternd wirkenden Konstantinopel hervorgeht diejenige Lokalität, oder daß das Palladium wandert nach derjenigen Lokalität, die durch sich dieses Palladium völlig verfinstern würde. Ja, das Palladium wird nach dem Osten gebracht, wo die Dekadenz der alten Weisheit lebt, aber eben der Verfinsterung entgegen lebt. Und alles hängt in der weiteren Weltenentwickelung davon ab, daß ebenso, wie die Sonne ein Reflektor ist von dem Lichte, das ihr aus dem Universum gegeben wird, das Palladium- Kleinod beleuchtet werde von einer Weisheit, die aus dem Schatze der Erkenntnis des Westens gefunden wird. Das Palladium, das alte Erbstück, das aus Troja nach Rom, von Rom nach Konstantinopel gebracht worden ist, das noch weiter in die Finsternis des Ostens gebracht werden soll, das Palladium, das Sonnenkleinod, es muß warten, bis man es geistig im Westen aus dem dunklen, finsteren Schatze der bloßen Naturerkenntnis heraus erlöst. So hängt mit den heiligsten Traditionen eigentlich der europäischen Entwickelung zusammen, was als Aufgabe für die Zukunft dasteht.

6 Palladion Wikipedia: „Nach wieder anderer Sage gab es zwei Palladien in Troja, welche Chryse dem Dardanos als Mitgift zugebracht haben soll; das eine soll Odysseus geraubt haben, während das andre Aeneas als Unterpfand für einen neuen Staat nach Italien mitgenommen habe, wodurch Rom ebenfalls in Besitz eines Palladions gekommen sei. Es sei hier im Tempel der Vesta bewahrt und vor allen profanen Blicken aufs Strengste gehütet worden.
Im übertragenen Sinn heißt „Palladion“ oder „Palladium“ jede heilig gehaltene Sache, die etwas schützt, und auf deren Erhaltung viel ankommt.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Palladion

Lieber anthroposophischer Staatsratsvorsitzender! Seid wehrhaft, anthroposophische Genossen!

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Bildquelle (Screenshot vom Dresdner Brief)
Lieber anthroposophischer Staatsratsvorsitzender. Anbei ein Anschreiben aus unserem sozialistischen Zweig, das Dich, Genosse, auf verdächtige Umtriebe in unserer Kolchose aufmerksam machen soll. Besonders begründen müssen wir das Verhalten der anti- sozialistischen Subjekte wohl nicht mehr- aus ihren Worten allein kann die Kollaboration mit dem Staatsfeind erkennbar werden. Wir bitten um geeignete Maßnahmen vonseiten der Staatssicherheit, zumindest aber vorausschauende Entfernung der Subjekte aus publizistischen Organen, um dem Staatsfeind keine Plattform zu bieten. Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass wir dem sozialistischen Bruderbund von Anfang an treu dienen und der sowjetischen Doktrin stets den Arsch geküsst haben. In diesem Sinne. Glückauf, Genosse. Die anti- anthroposophischen Subjekte sind enttarnt, beschattet und gemeldet. Nun wird es aufwärts gehen, der Mitgliederschwund, der schleichende Schwachsinn und die bevorstehende Pleite sind abgewendet. Es lebe die anthroposophische Denunziation! (1)

So die Assoziationen zu einem Schreiben des anthroposophischen Zweiges Dresden aus dem November 2019, gerichtet an den Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft zu Dornach, in dem diese Goetheanisten schon im ersten Satz von einem „besondere(n) Kunstgriff ahrimanischer Geistigkeit“ (1) schwadronieren, der darin bestünde, „Nebel zu verbreiten“ (1), um „bestimmte einmal gesetzte Impulse“ (1) letztlich doch durchzusetzen. Das ist offenbar die perfide Strategie des Volksfeinds, der sich im Untergrund, verborgen und verschleiert, daran macht, sein zerstörerisches Werk zu vollenden, während der treue sozialistische, schlichte, ideologisch treue Dresdner Anthroposoph und Spiritualist diesem Treiben nur atemlos zuschauen kann. Brave Helfer und Zeugen werden im Schreiben aufgerufen, um zu bezeugen, wie sehr die ahrimanisch inspirierten Professoren Zander und Clement das Werk, die Liturgie, die Ordnung des Doktor Steiners gefährden, verzerren und besudeln.

Als die braven Dresdner das einmal erkannt hatten (es hatte offenbar ein Weilchen gedauert, bis es ihnen dämmerte), war es „wie ein böses Erwachen“. Nun werden gegen diese „Gegnerschaft zur Anthroposophie“ endlich Maßnahmen gefordert. Köpfe sollen rollen! Das Stasi- Gefängnis in Lichtenberg soll wieder eröffnet werden! Denn jetzt ist der Endkampf da, es geht nun darum, „Gegnerimpulse innerhalb der anthroposophischen Gesellschaft durchzusetzen und zu installieren“. Entlasst die Schierens und Klünkers! Ersetzt sie durch ideologisch gefestigte Genossen und Genossinnen. Die Staatssicherheit sollte sich dieser Fälle annehmen. Und dann, nachdem das Aufräumen im Vorstand selbst ja schon erfolgreich voran geschritten ist, werden wir verhindern, dass das „Vertrauen in das Goetheanum (immer mehr) verloren geht“ und die „Mitgliederzahlen weiter schrumpfen“. Wenn der Schießbefehl einmal gilt, wird keiner mehr über die Mauer wollen! Steht zusammen, Genossen! Seid wehrhaft! Der Maitreya wird kommen! Mit anthroposophischem Gruße! (Hackenzusammengeschlagen).

1 Hier der Link


Anthroposophische Persönlichkeiten & Klassiker: Dr Julius Hartmann

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aus den alten Egoisten

Der anthroposophische Sexualberater

Antworten auf aktuelle Lebensfragen von Dr. Otto Julius Hartmann (1) mit Verweis auf seine Biografie (2)


Dr. Hartmann antwortet auf nicht gestellte Fragen, indem er in einer Art anthroposophischem Credo am Ende seines Buches feststellt, dass wir Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts „Freigelassene der Schöpfung“ und „mündig“ geworden sind. „Wir können in vielen Hinsichten Selbstgestalter unseres Lebens und Schicksals sein“. Wer wollte ihm da widersprechen ? Die Voraussetzungen und Begleiterscheinungen der Mündigkeit allerdings zeigen, dass unser Spezialist Dr. Hartmann doch eigenwillige, um nicht zu sagen neurotische Vorbehalte vor allem gegen die sexuellen Aspekte der Mündigkeit vorzubringen hat. Er fordert, dass wir nicht beim „Studieren und Manipulieren der erogenen Zonen und Lustprovinzen unseres Körpers“ beginnen, „um dadurch einander zum „Orgasmus“ zu verhelfen“. Dieses Gefummel kann uns, wie Dr. Hartmann meint, nicht nur nicht „glücklich“ machen, sondern wird uns vielmehr „in Depressionen und Lebensunlust hineintreiben“. Nein, nein, eben als mündige und glückliche Personen sollten wir uns vielmehr „in der staunenden Hingabe an Sonnenaufgang- und Untergänge“ üben, „an Wiesen und Wälder“, sogar in der liebevollen Betrachtung „von Menschen“. Aber rumfummeln an ihnen sollen wir nicht.

Es ist viel besser, lange abzuwarten, „bis wir den Partner finden, den wir so lieben können, dass für uns beide der Himmel offen steht und wir an sexuelle Funktionen und Organe zunächst gar nicht denken“. Dann, prophezeit Dr. Hartmann, wird sich der „weltweite geflügelte Eros“ auf uns „niedersenken (...)“ und endlich, „am Ende erst, unsere Leiber ergreifen“, ja dann sogar „wie ein Sturmwind“. Was Dr. Hartmann uns als Liebesspezialist rät, ist also die Erotik „von oben nach unten“. Diesen Dualismus pflegt er ausgiebig und von der ersten Zeile an, sogar expressis verbis: „Erotik von oben und von unten“. Und damit ist keine Anleitung zum Oralverkehr gemeint.


Erotik von oben und von unten


Mit „von oben“ her meint Dr. Hartmann: Von der Seite des Seelischen oder Geistigen aus, mit „von unten“ her: Als physiologischer Zwang. Ein solcher Zwang kann beispielsweise durch ins Großhirn implantierte Elektroden erzeugt werden, die bestimmte Gehirnpartien stimulieren. Bei basaler Stimulation können auch sexuelle Erregungen angeregt werden. Interessanterweise kommt Dr. Hartmann nun seitenlang auf psychotische Erscheinungsformen zu sprechen, wie z.B. „Zwangsgedanken oder Zwangsgefühle“, auf „Angst- und Verfolgungswahn“. Aber nicht nur die „sogenannten Geisteskranken“ beschäftigen ihn in diesem Zusammenhang, sondern auch manipulative Methoden von Diktaturen ­ beispielsweise durch den Einsatz von Drogen und Psychopharmaka. Er musste dies alles vorausschicken, um „die Probleme der modernen Erotik besser zu verstehen“. Denn auch durch diese werden wir „von unseren Organen manipuliert und vergewaltigt“. Welche verheerenden Auswirkungen kann beispielsweise das „Reiben der erogenen Zonen (Brustwarzen, Ohrläppchen, Nasenflügel, Geschlechtsorgane)“ haben! Die „Dikatatur der Physiologie und Chemie des (ist) des Menschen unwürdig“ und auch „zur Gestaltung einer Ehe absolut ungeeignet“.

Ganz anders die Erotik „von oben“, die mit dem „Erblühen einer zarten Liebe“ fern von „aller unmittelbaren Sexualität“ einhergeht. Bei solchem Erblühen etwas „mit diesen (den Geschlechtsorganen) zu unternehmen, erschiene wie eine Entweihung“. Dr. Hartmann steigert sich in abscheuerregende Bilder hinein: Diese heute herrschende „Vorherrschaft unseres Körpers“ vergleicht er mit dem tosenden Wildbach, der mittels „Stauwerken und Turbinen“ eingedämmt werden müsse - und nicht „bis zum äußersten“ ­durch Sex und „viel und gut Essen“ ausgebeutet werden darf. Dr. Hartmann strapaziert den Begriff der Technik: Die Römer hätten sich „nach üppigen Gelagen“ den „Schlund mit Federn zum Erbrechen“ gereizt, um sich zur „Fortsetzung des Gelages“ fähig zu machen. Nein, gottseidank: „So weit haben wir es heute noch nicht gebracht.“

Wahnsinn, Diktatur, Drogen, Fressen, Fummeln und Kotzen: Das sind, wenn man es auf den Punkt bringt, die Elemente der menschlichen Natur, die den Menschen nach Meinung von Dr. Hartmann „von unten“ her ergreifen und irgendwie, auf von ihm nicht zu klärende Weise miteinander zusammenzuhängen scheinen. Warum sonst sollte Dr. Hartmann alle möglichen Spielarten der Psychosen in einem Kapitel mit der Sexualität abhandeln ? Schließlich stellt er auf die beliebte Methode -durch bloße Nähe- einen Zusammenhang her zwischen dem "Reiben der erogenen Zonen" und psychotischen Ausnahmezuständen. Ob unser Sexualberater eventuell doch selber schlecht beraten ist ?


Onanie lähmt


Die „rein sexuellen Reize“, die mit den Geisteskrankheiten diffus zusammenzuhängen scheinen - vor allem ihr „starkes, isoliertes Hervortreten“ ­ lähmen die „wirkliche Liebe“. In besonders schädlicher Weise tritt dies natürlich in der Onanie zu Tage. In diesem Zusammenhang gibt es allerdings eine besonders verwerfliche Spielart, nämlich die „Onanie zu zweit“, in der zwei Wesen „ohne seelisch-menschliches Engagement“ nur „wechselseitig ihre erogenen Zonen, Drüsen- und Nervenfunktionen reizen“. Solche Perversitäten gehen natürlich nicht an. Hier werden die Körper ja gänzlich „ihren Eigenmechanismen“ überlassen. Da kann die menschliche Seele nicht mehr „Besitz ergreifen“. Pech gehabt. Das ist genau wie bei „Muskelkrämpfen (..) oder elektrischen Reizen“. Sex an sich führt also zur totalen Ent-Ichung.



Die Männer mit dem Männlein zwischen den Beinen und die nicht anständig inkarnierten Frauen


Männer und Frauen sind eben doch, wie Dr. Hartmanns goetheanistische Forschungen ergeben haben, verschieden: das zeigt sich schon an dem, was sich bei Männern als „Penis (membrum virile) mächtig entwickelt“. Das bleibt bei den Frauen als „Clitoris“ doch eher „klein und verborgen“. Frauen haben anstelle des vorgestülpten männlichen Skrotums „die äußeren Schamlippen“. Daraus folgert Dr. Hartmann, dass sich Frauen entsprechend „mehr nach innen, ins leiblich Unsichtbare“ entwickeln. „In manchen Hinsichten“ bleiben sie „auf früheren Entwicklungsstadien“ stehen, die Armen. Man kann sie zwar „kindlich“ nennen, was aber keinesfalls „als Negativum“ gemeint ist. Naja. Sie sind eben nicht anständig inkarniert. Aber dafür haben sie ihr „Geistig-Seelisches“ „stärker betont“, was ja an sich auch ganz nett ist.

Frauen müssen sich „zurückhaltender benehmen“ als Männer. Männer haben eben ihr vorgestülptes Skrotum und fühlen sich z.B. sehr wohl „von Dirnen befriedigt“. Das liegt nun einmal an den „vorgeschobenen Positionen von Hoden und Penis“. Man kann als Geistesforscher regelrecht davon sprechen, dass im „männlichen Geschlechtsapparat“ ein „für sich bestehendes und handelndes „Männlein““ existiert. Schon Goethe hat dieses Männlein als „Meister“ bezeichnet. Der kann sich mal „verweigern“, mal als „willig und sehr aktiv“ erweisen. Dieser „Meister“ lässt sich von Männern (von Frauen erst recht nicht) „nichts befehlen“. So ist das. Er hat einen „eigenen, oft schwer durchschaubaren Willen“.

Wenigstens bei Frauen können sich solche „Widersprüche“ - „schon aus anatomisch-physiologischen Gründen“ ­ „niemals ergeben“. „Brüste, Vagina, Clitoris“ sind „in keiner Weise als selbständige und eigenwillige „Weiblein“ (..) zu deuten“. Nur eines an ihnen besitzt den „Rang eines kleinen Menschen, eines Wesens: die Gebärmutter“. Denn diese „dient“ ja „einer selbständigen Menschenwesenheit“. Dr. Hartmanns Forschungen ergeben: Die Frau ist doch immer, auch wenn sie „ihren ganzen Leib einbeziehenden Zärtlichkeiten“ nicht abgeneigt sein mag, auf „Mutterschaft“ ausgerichtet. Den Mann dagegen beherrscht nun einmal „die Überfülle des Samens in seinen Hoden“. Die Ejakulation ist „Ziel und Gipfelpunkt der männlichen Erotik“. Danach verfällt der Mann in hemmungslose „Schlaffheit, Schwäche, Erschöpfung“. Dagegen betreibt die Frau, ihre Mutterschaft stets im Hinterkopf, den „Akt“ „vielfach als Liebesopfer“, hat oft sogar „dauernd eine gewisse Abneigung dagegen“. Man kann nichts dagegen machen- dafür sorgt die „ganze anatomische, physiologische und psychologische Organisation der Frau“. Ihr „mangelt“ es eben an dem Männlein oder „Meister“ des Mannes. Sie kann daher auch nicht verstehen, dass der Mann „mit anderen (oft zwielichtigen) Frauen sexuellen Verkehr pflegt“. Solches Verhalten wäre bei Frauen „gänzlich unweiblich“, ja sogar „unmöglich“. Sie ist bei jedem sexuellen Verkehr sogleich in eine „erotische Bindung“ gezogen, die ihr „ganzes Mensch-Sein ergreift“.

Der Mann aber ist zerrissen zwischen den Bedürfnissen seines Männleins und der minnehaften, madonnenartigen Verehrung eines angebeteten weiblichen Wesens. Das von ihm geliebte Wesen glaubt er „vor dieser Sphäre (den Regionen des Sexus) bewahren zu müssen“.


Die schädlichen Auswirkungen des zu häufigen Samenergusses


Ja, so ist das in unserer schweren Zeit. Heutzutage meinen sogar die Frauen, „gleichfalls Anspruch auf „Orgasmus““ zu haben. Sie kennen eben ihre eigene Natur nicht mehr, die mit der kleinen Clitoris und den eingestülpten Schamlippen doch hinreichend charakterisiert zu sein scheint. Sie wollen auch ihr kleinen Weiblein haben. Daher sorgen sie für Kleidungssitten, die durch das „aufdringliche Darbieten der Körperformen“ den Mann von ihrer Persönlichkeit offensichtlich derart ablenken, dass sein kleines Männlein sich regt. „Dadurch geraten die Frauen einerseits in Widerspruch zu dem, was sie selbst in der Liebe ersehnen, und verstärken andererseits im Manne die ohnehin schon breite Kluft zwischen Sexus und Eros, indem sie allzudeutlich nur den ersteren ansprechen“. Selber schuld, wenn sie damit die Männer verschrecken, die in ihnen doch nur „das „Ewig-Weibliche“, die „Himmelsjungfrau“ ersehnen und verehren möchten“. Kein Wunder, dass die Männer dann, wo sie auch gehen und stehen, ihr Männlein „stark und niederziehend in sich wirksam finden“...

Und wohin führt sie das ? Na ja, „allzu häufiger Samenerguss ist der geistig-gedanklichen Schöpferkraft nachteilig“. Dr. Hartmann ist überzeugt, dass man nicht alles haben kann: Eben entweder oben oder unten. Bedeutende Männer enthalten sich „in Zeiten besonderer geistiger Produktivität“. Allerdings nur dann. Das liegt eben daran, dass die Männer aufs tiefste durch de Koitus geschwächt werden- bis dahin, dass sie sich unmittelbar danach in den Schlaf retten müssen. Frauen dagegen werden durch die „geschlechtliche Vereinigung“ nicht in dem Sinne wie der Mann „beansprucht und geschwächt“. Im Gegenteil, sie sind danach in Regel sogar richtig munter. Dadurch stellt sich natürlich die Frage, ob sich der Mann denn wirklich in dieser Art überanstrengen sollte: „Muss es der Mann immer zum Samenerguss (Ejakulation) kommen lassen ? Kann er diesbezüglich nicht an sich halten ?“ Schön wärs ja, aber das Männlein „möchte zu seinem Recht kommen“. Dabei sollte dem Mann doch bewusst werden, dass jede goetheanistische Betrachtung einer Pflanze schon zeigt, dass diese durch „Rückstauung und Verwandlung niederer in höhere Kräfte“ beispielsweise zur Blüte gelangt. Rückgestaute Fortpflanzungskräfte führen ­wie Dr. Hartmann kühn analog folgert- zu Kräften „der Intellektualität und einer personhaften Seelenhaftigkeit.“ Sex macht also nicht nur blöd, sondern auch hohl. Frauen sind davon natürlich ausgenommen, da sie eigentlich gar keinen Sex haben. Bei einer gemeinsamen „gesteigerten erotischen Liebeshingabe“ kann man durchaus „den Samenverlust verhindern“. Männern würde das ihre schreckliche „Schwäche und Abspannung“ ersparen und ihnen sogar „einen geistig-gedanklichen Höhenflug ermöglichen“. Man kann also keinesfalls behaupten, dass „Enthaltsamkeit (..) ungesund“ sei. Falls das Männlein bei einer „eventuell vorhandenen Überfülle an reifen Spermatozoen und sonstigen Sekreten“ gewisse Tribute verlangt, dann soll es sich doch „in nächtlichen Entladungen (Pollutionen)“ entspannen. Der Mann soll „geschlechtliche Reize“ dann eben meiden.


Vorbeugendes Nachwort


So weit Dr. Hartmanns Antworten auf aktuelle Lebensfragen. Um eventuellen Nachfrage zuvorzukommen: Nein, Dr. Hartmann praktiziert nicht mehr. Er ist nicht krank oder irgendwie benachteiligt. Er hat vielmehr als Dozent für Biologie und Naturphilosophie an der Universität Graz gelehrt. Er hat diese Elaborate tatsächlich in einem anthroposophischen Verlag (Die Kommenden) publiziert. Heute ist nicht der erste April. Dr. Hartmann hat unseres Wissens keinen gesonderten Vortrag über das „Männlein“ publiziert, was wir sehr bedauern.

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1 Aus: Hartmann, Bedeutsame Seelenprobleme in der Welt von heute, Freiburg 1981
2 Link http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=308

Selbst- Realisation und Befreiung. Zur anthroposophischen Meditation

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Eine qualitativ angelegte, analytische wissenschaftliche Arbeit zu anthroposophischer Meditation zu lesen- hier die bei Academia publizierte Studie „A qualitative study of motivations for meditation in anthroposophic practitioners“ (2) bringt immer neue und weit reichende Erkenntnisse mit sich. Diese Arbeit Terje Sparbys und Ulrich Otts liegt online (1) auch separat vor, und zwar bereits seit einem Jahr (September 2018)- als Ganze habe ich sie erst jetzt gelesen, auch wenn Teile und Aspekte verschiedentlich diskutiert worden sind.

Qualitative Studie bedeutet ja, dass eine Gruppe von Befragten - hier sind es etwa 30 - zu Aspekten ihrer Motivation zur regelmäßigen meditativen Betätigung befragt wurden, durchaus nicht immer persönlich, sondern auch durch Email- Befragungen. In vieler Hinsicht sind die Statements sehr aufschlussreich, auch und gerade im Vergleich zu Arbeiten zur Motivationslage in Bezug auf Meditation im allgemeinen. Man ist es gewöhnt, eine Ausrichtung und Umorientierung bei meditativ Tätigen zu sehen

- von einem äußeren Anstoss her (z.B. körperliche oder seelische Beschwerden) hin zu einer Art
- Selbst- Exploration im Verlauf anhaltender meditativen Praxis, die schließlich in eine eigentlich
- spirituelle Ausrichtung führt, in der es um Selbst- Realisation im engeren Sinne gehen kann.

In einer Arbeit von DH Shapiro (3) aus dem Jahr 1992 geht es in diesem Zusammenhang zentral um Motive in den Bereichen SR- SE- SL: SR - Selbst- Regulation- würde ich sehen als regelmäßiges Mittel, Entspannung und einen Ausgleich zu Aufgaben des äußeren Lebens zu finden, ja, das Recht und die Zeit auf ein „inneres Leben“ überhaupt erst zu entwickeln. Es ist durchaus möglich, dass der erste Anlass darin besteht, dass es in dieser Hinsicht nicht ganz rund läuft, dass eine gewisse Not besteht. Es besteht kein Grund, dies mit herablassendem Ton als bloße Tendenz zur „Selbstoptimierung“ abzutun.

SE ist eine vertiefte Phase der in der meditativen Praxis einsetzenden SE (Selbst- Exploration). Diese Selbst- Erforschung kann natürlich auf sehr verschiedenen Ebenen erfolgen, geschieht aber in einem Umfeld der Stille, der inneren Aktivität, aber auch der Entdeckung zahlreicher seelisch- geistiger Mechanismen, Manierismen und störender Einflüsse: „What is referred to here as self-realization is probably the theme that comes closes to Shapiro’s category of self-exploration (SE)“ (1). Denn Shapiros nächste Kategorie ist bereits die der SL- der „Selbst- Liberation“, einer wie auch immer gearteten Selbst- Befreiung. Für die in vorliegender Arbeit befragten anthroposophisch Meditierenden ist dies die Ebene realer geistiger und transzendenter Erfahrung, aber auch die einer „Realisation von Anthroposophie“: „Spiritual experience, develop capacities of higher knowledge, realize Anthroposophy, service to humanity, practical application“ (1)

Dieser kategoriale Wechsel ist zwar erst nach einer längeren Zeit des Praktizierens zu erwarten. Allerdings unterschieden sich die Interviewten aus dem anthroposophischen Umfeld von anderen Befragten dadurch, dass die spirituelle Komponente ihnen - zumindest theoretisch- von Anfang an bewusst war: „Certain motivations seem to be specific to Anthroposophy, especially when compared to mindfulness meditation. However, all forms of motivation identified by Shapiro can also be found among Anthroposophic practitioners. Furthermore, there are indications that the motivation for Anthroposophic practice gradually becomes more spiritual, but in ways that cannot be fully accounted for by the SR-SE-SL trajectory identified by Shapiro. The main reason for this might be that Anthroposophic meditators rarely seem to view meditation primarily as a way of self-regulation, but rather approach meditation with a spiritual understanding from the very beginning. Still, motivational shifts do hap- pen, and it will be suggested that they follow a trajectory that proceeds from external motivations to internal motions and motivations of service.“ (2)

Allerdings liegt - was nun eine reine Interpretation von mir darstellt- in diesen spirituellen Ansprüchen im anthroposophischen Umkreis auch eines der dort virulenten Probleme: Statt dass sich spirituelle Realisation - in welcher Form auch immer- aus einer meditativen Praxis ergibt, entsteht in diesem Personenkreis ein mit hohen Ansprüchen gestarteter Versuch der „Realisation von Anthroposophie“im Sinne einer „höheren Wahrnehmung“, einem „reinem Denken“, einer Vereinigung mit der „geistigen Welt“ und dem Christusgeist, usw. Der von Rudolf Steiner ausgebreitete Bilder- und Bedeutungs- Kosmos liegt ja durch seine Vorträge und Schriften nicht nur offen zutage, der praktizierende Anthroposoph möchte ihn jetzt auch realisieren, nicht nur über ihn lesen und reden. Die Selbst- Realisation wird dabei sehr leicht zur Rudolf- Steiner- Realisation, im Extremfall bis in den Verhaltens- und Erscheinungskodex hinein. Das spirituelle Element entwickelt sich also nicht phasenweise im Zuge einer Selbst- Exploration, sondern durch Imitation der Realisation eines Meisters, wobei die Art der Erfahrung, ja die Erfahrung selbst vorgegeben ist, statt sich zu entwickeln.

Aber diese Extrem- Fälle sind es nicht (oder weniger), die in dieser Untersuchung vorgestellt werden. Zwar sind die Motive breiter, aber häufig gibt es Vorerfahrungen (so ergeben die Interviews) wie religiöse Erlebnisse im Kindesalter oder spezifische Sehnsüchte nach einer Öffnung oder Vertiefung: „Again, there is one clear overarching trajectory of development that goes from external motivation, through internal, to a motivation of service. The subjects often start out motivated by something that in one way or another is given from the outside. It can be a certain disposition towards meditation, a need or longing, simply curiosity, or a sense of duty. Sometimes external life circumstances or a tendency of having difficult emotions leads to using meditation as a way of self-regulating. This can be a way of self-improvement or of realizing one’s deeper nature, which is also related to the sense that one needs meditation or that one has a need to reconnect with the spiritual world. Often meditation is motivated by trying to open up an access to a spiritual world, which one hears of or has had some encounter with earlier, or simply has had a longing for.“ (2)

Ohne diese konkrete und anhaltende Sehnsucht nach Vertiefung und Realisation ist es auch kaum vorstellbar, die lange Phase der SE (Selbst - Exploration) durchzuhalten- denn Zweifel, Störungen und lange Zeiten des Stillstands werden dem Übenden zweifellos über Jahre zusetzen. Der „Flow“ der SL - der Selbst- Befreitheit-, in der die Ideen, Bilder und Impulse sprudeln, wird halt oft nur über enorme Durststrecken hinweg zu entdecken sein, wobei sie meist tatsächlich nur durch Selbst- Blockade knapp übersehen worden ist. Die extremsten Blockaden scheinen mir aber gerade die zu sein, die mit den vorgegebenen Vorstellung zu tun haben, die z.B. durch die überhöhten und komplexen kosmischen Rudolf- Steiner- Darstellungen vorliegen. Der Versuch, durch größtmögliche Adaption und Imitation von diesen gegebenen Vorstellungen in eine imaginierte „geistige Welt“ hinein zu wachsen, erscheint nicht nur als vermessen, sondern auch nicht als praktikabel. Was man bei solchen Verrenkungen meist erreicht, sind alle Formen innerer Verkorkstheit. Tatsächlich stehen auch einzelne der in dieser Studie Befragten unter dem enormen Druck, „Anthroposophie“ nicht nur persönlich realisieren, sondern diese sogar retten zu müssen, damit sie nicht zu einer historischen Geschichte verkomme: „The final theme has to do with the idea that meditation is a way of realizing Anthroposophy. One subject stated that “meditation in many ways is what practicing Anthroposophy is all about”, and that meditation is “the foundation that in a way everything rests upon”. How this is to be understood is possibly explained best by another sub- ject who was similarly motivated: “I felt that if there is no one that works on this path of development as well as they can, then Anthroposophy will become a historical affair.”“ Neben der spirituellen Rettung und Erlösung von Anthroposophie aus einer bloßen Lehre und Überlieferung geht es solchen heutigen Heiligen dann noch - z.B. in der biologisch- dynamischen Landwirtschaft- um die Rettung des Planeten. Wer so lebt, hat zumindest keinen Mangel an Sinngebung. Was aber, wenn die Vorstellungswelt, die solche Sinngebung produziert und aufrecht erhält, angegriffen, kritisiert, systematisiert wird? Wie verletzt, wie empfindlich reagiert der Anthroposoph? Wie belastbar ist sein Weltbild, seine vorgestellte „Selbst-“, „Welt-“ und „Anthroposophie- Realisation“?

Ein Paradox, das Terje Sparby anspricht, aber letztlich nicht weiter untersucht, ist die Tatsache, dass die in der SL- Phase -der inneren Befreiung und der Initiation- angestrebte Erfüllung zugleich eine Selbst- Auslöschung darstellt; die Erfüllung stellt zugleich ihr völliges Gegenteil dar, die radikalste Selbst- Überwindung. Dieses Paradox, das sicherlich in jeder Initiation angelegt, aber sicherlich erst nach und nach verstanden (und ertragen) wird, trägt nicht unbedingt zur intrinsischen Motivation des Meditierenden bei- schon gar nicht in den radikalen Ausprägungen in der Anthroposophie: „Steiner describes the process of initiation in the book Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (How to Know Higher Worlds), but in many other places as well. Initiation in the Anthroposophic sense indeed consists of becoming someone completely different, of approaching the gate of death and consciously going through what happens when someone dies. This leads to the birth of a higher self, the person that one truly is. As part of this process, the initiand goes through a series of ordeals or tests. The highpoint of initiation consists of a meeting with a supersensible being that provides insight into the spiritual origin of the individual. In other words, initiation in Anthroposophy could possibly be interpreted as a re-actualization of the primordial event of the creation of the individual human being rather than the cosmos or the tribe, etc. This is an issue that would require further elaboration. The point here is simply that the motivation for meditation stated by the subject is highly internal; it has to do with the deepest nature of the self, and an intention of coming to know it fully.“ (2)

Natürlich. Man versteht Rudolf Steiners Aussage, die Suche nach Initiation sei der wirklich freie Akt des Individuums, denn die Motivation, sich durch lebenslanges Training in einen Zustand des Nicht- Seins zu begeben, in ein Stadium, das nach Mircea Eliade als Wiederherstellung eines „Ursprünglichen“ - also nicht- individuellen-  Bewusstseins anzusehen ist, kann tatsächlich nur als selbst geschöpft, als Akt der Freiheit, angesehen werden.

Für nicht wenige der anthroposophisch Meditierenden war die Anthroposophische Gesellschaft der Ort, der in Hinsicht auf Fragen zur Selbst- Realisation als sehr wenig geeignet erscheint- die Differenz zwischen Anspruch und Realisation erscheint hier geradezu als grotesk auseinander fallend: „On several occasions subjects reported dissatisfaction with the state of Anthroposophic community when it comes to the way it relates to the content given by Steiner, i.e., as some- thing taken on faith. This tension between the promise, intention or hope of spiritual realization, on the one hand, and its failures and ordeals connected with that endeavor, on the other, is one of the most central topics of the interviews. Subjects gave different accounts of how they dealt with it, and the details will have to be left aside here. Many, however, implicitly or explicitly take on the task of trying to enliven the core of Anthroposophy within a community where there neither is much evidence that the practices work, nor much interest in treating that as a problematic issue that needs to be discussed.

Dass sich die „Praktizierenden“ wenig oder gar keinen Rückhalt - oder ein Gesprächsforum- innerhalb der organisierten Anthroposophie mehr erhoffen, spricht für einen notwendigen Kurswechsel. Versuche gibt es ein Jahren, die aber auch wieder durch Streitigkeiten zwischen „offenen“ (auch im Sinne der meditativen Praxis) und orthodoxen Kreisen überlagert und aufgerieben werden. Die vorliegende Arbeit kann auch dazu beitragen, spezifische Elemente und Probleme anthroposophischer Meditations- Praxis greifbar, aber auch erst fassbar und formulierbar zu machen. Seit einigen Jahren wird das Thema Meditation auch wieder sichtbar im Goetheanum und in anthroposophischen Institutionen generell. Es geht in dieser Hinsicht also, allem Anschein zum Trotz, voran.

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1 https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0203184
2 https://www.academia.edu/37467581/A_qualitative_study_of_motivations_for_meditation_in_anthroposophic_practitioners?auto=download
3 DH Shapiro siehe 1, Fußnoten

Einweihung und Faschismus:. Zu Julius Evola, Massimo Scaligero, Ernst Jünger

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Die androgyne Selbstwiederherstellung

Der Zustand, dass außerhalb Italiens wenig von den Einflüssen auf Massimo Scaligero und auch von ihm selbst bekannt war, ändert sich. Früher waren vorliegenden Dokumente, da sie von Laien und in Fragmenten übersetzt worden waren, mehr als dürftig, selbst die fünf in deutsche Sprache übersetzten Bücher Scaligeros sind nicht alle lieferbar, allerdings erscheinen mehr und mehr seiner Bücher in englischer Übersetzung (1). Dazu gehören auch Scaligeros autobiografische Notizen in „Dallo yoga alle rosacroce“ (2). Aus diesen Bruchstücken lässt sich aber immerhin ablesen, dass Scaligero nicht immer diesem „rosenkreuzerischen Schulungsweg“ (den er in diesen Büchern so sehr beschwört) gefolgt ist. Als die biografische Bruchstelle stellt er seinen erzwungenen Gefängnisaufenthalt am Ende des Weltkrieges dar. In der Zelle kam er dazu, etwas für sich auszubilden, in dem Anthroposophie keine „Lehre“ im Sinne aufsagbarer Vokabeln mehr für ihn war, sondern etwas, was ihn im Innersten berührte: „Im Gefängnis kam ich dazu, meine konkrete Methode der Meditation auszubilden. Es war für mich die Möglichkeit, durch klare, reine Gedankenkraft, die Lehre von Rudolf Steiner erfahren zu können (…). Hier konnte ich beginnen, die Kraft der Einsamkeit und Stille mit meinem innersten Wesen zu erleben (…) Ich nahm die Synthese aller meiner vorherigen esoterischen Erfahrungen und begann diese auf die Geisteswissenschaft Steiners auszurichten.“ (3)

An dieser Nahtstelle fragt man sich, auf was sich diese „Synthese aller meiner vorherigen esoterischen Erfahrungen“ eigentlich bezieht. Aus manchen der übersetzten Bruchstücke wird deutlich, dass diese Synthese auf Fragen deutet, die denkbar weit entfernt erscheinen von dem, was den Inhalt dessen, was Rudolf Steiners Geisteswissenschaft ausmacht, tangiert. Es handelt sich um die „Magia Sexualis“, um die Sexualmagie, um das Erleben einer „Natur, die das Ich mit sich reisst“ (3), um „die höchsten Kräfte, in denen die Widersachermächte wirken“ (3). Der Weg nach Scaligeros innerer Wende 1945 (soweit diese tatsächlich stattgefunden hat) bestand in einer Aufarbeitung einer Positionierung, in der „man“ (..) „geneigt ist, sich für einen geistigen Führer zu proklamieren“ und in einer Arbeit in Bezug auf die „Erlösung des Eros“ („Dallo yoga alle rosacroce“), wobei der Schlüssel „das gereinigte Denken“ sei. Massimo Scaligero war der Auffassung, dass diese spezifische Arbeit schon im Sinne Rudolf Steiners sei, auch wenn dieser „in seinem Werk nicht vom Sexus“ („Dallo yoga alle rosacroce“) spräche. Scaligero war der Ansicht, dass der Gralsweg derjenige sei, „der das Ich in das Herz der Erde führt“. Für ihn selbst bedeute dieser so gesehene Weg vor allem - nicht bewonders originell- „die Erlösung der menschlichen Seele von dem Eros.“ Er findet diese Erlösung in einer geistigen „androgynen Wiederherstellung“- schon immer war der Eros für Scaligero „die tiefste Sehnsucht, das verlorene Paradies wieder zu erlangen.“ Im Reinen Denken beginnt der Erlösungsprozess für Scaligero, der in eine „Auferstehung des Fühlens“ mündet, eine Art „Sonnen- Alchemie“, in der der Eros im „Mittelpunkt des Herzens“ frei von der „begehrenden Hitze“ auferstehe. Am Ende erlebt Scaligero „das Fließen der kosmischen Willensströmung in die Ätherstrukturen seines Denkens und Fühlens“.(„Dallo yoga alle rosacroce“)

weiter zum ganzen Text

Möchtest du mein Sex- Guru sein?

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Ach nein, ach nein, du bist, glaube ich nicht geeignet. Wenn man sich den Haarschnitt, das Grinsen und den Dreitagebart weg denkt, und eine Kassenbrille und ein C&A Sakko dazu vorstellt, bist du auch nur irgendsoein Vertreter.

Ich weiß, du bist nicht dies und das, nicht so und so. Du bist über den Punkt weg, an dem ein Mensch einen Standpunkt haben und sein Leben der Verteidigung dieses Punkts widmen muss. Du bist darüber hinweg. Du hast die Süßigkeiten vom Verbotenen Baum genascht, dem Baum der Wahrheit und des ewigen Rechthabers. Du bist der Spießer reloaded, auf ewige Werte getrimmt und auf Frieden.

Du bist der stille Punkt, um den sie alle kreisen. Denn sie alle sind nur ein Teil der Wahrheit, die in dir repräsentiert ist. Und sie alle sind Suchende, begierig nach dem Teil, der so offensichtlich in ihnen verloren gegangen ist. Oh Mangel, oh Erfüllung!

Amen, Amen. Ich weiß nicht, warum ich immer so renitent sein muss. Das ist doch so total aus der Zeit gefallen, dass die integrierte Rechtschreibprüfung Renitenz gar nicht mehr sofort erkennt. Oder wenn doch, dann bezieht der Begriff sich auf störrische Schüler: „Beschreibung. Der Begriff Renitenz bedeutet Aufsässigkeit, Widerspenstigkeit, Kompromisslosigkeit, Ungehorsamkeit, Störrischkeit, Bockigkeit. Allgemein beschreibt der Begriff Renitenz ein Sozialverhalten einer Einzelperson bzw. Gruppe.“ (1) Und im übrigen haben die Rechten und die Esoteriker selbst diesen Begriff gestohlen, haben sich einen Ausschnittbogen und eine Schere besorgt und aus lauter Renitenz eine Kette von Reichsbürgern, UFO- und dümmlichen AfD- Anhängern gebastelt und eine Lichterkette daraus gemacht- eine Lichterkette, die ihnen heimelige Selbstgefühle beschert, weil sie gefühlt nicht dem "Mainstream" angehören.  Ja, schade, heute ist Renitenz einfältig und verblödet. Früher, als Linda mit diesen Jeans, dem weiten T- Shirt, den offenen Haaren und diesem Hüftschwung vom Festival zu mir kam, da war sie scharf. Ist lange her.

Nein, nein, ich möchte dich nicht als meinen Sex-. Guru, mein Maskottchen, meine Erfüllung, meine Projektionsfläche oder meine Verspießerung. Ich bin so misstrauisch geworden, leider, selbst mir selbst gegenüber. Oder auch nicht leider. Die frömmelnden Mitbürger erzählen einem ja immer ihre Nebenübungen, die im positiven Denken, Penetranz und Verweigerung des selbständigen Urteilens bestehen, und dann fallen sie auf den nächstbesten Vertreter von Irgendwas herein. Natürlich halten die Haie immer Ausschau nach derartigen Typen, die sich sozusagen anbieten als devote Jünger mit Hirnblockade. Es müsste ein Tinder für softe Einfaltspinsel mit esoterische Stirnblockade geben!

Manche wirken eigentlich vernünftig, sondern aber ausschließlich weichgespülte Phrasen ab. Das ist sozusagen ihr Element, das Meer, in dem sie sich bewegen. Wenn ein Guru, Diktator oder Liebhaber kommt, der auf derselben Frequenz die gleichen Phrasen absondert, dann glauben sie, sie hätten sich in ihm gefunden. Ich habe mich in dir gefunden, oh du mein Guru. Ich realisiere mich. Willst du mich ausplündern, missbrauchen oder nur verarschen? Es ist ja nicht immer klar, am Anfang. Heutzutage geht es, je mehr das frömmelnde Wortgeklingel ertönt, desto klarer um Anlageformen der virtuellen Art. Du steckst dein Geld rein, und du kriegst eine Rendite zurück, die ist von denen, die nach dir Geld rein gesteckt haben. Alle sind begeistert. Du steckst rein, du kriegst zurück. Auch Spirit, sozusagen. Du bist beglückt, du bist scharf, du bist erfolgreich. Aber dann klappt das System unter dem eigenen Gewicht zusammen, und dein Sex- Guru tritt bei Netflix auf und will es nicht gewesen sein. Und alle deine Freunde finden, dass du ein Idiot bist. Und sie haben recht.

Bau dir doch ne Lichterkette! Glaub nicht an das Ewige, Wahre, nicht an den Erfolg, nicht daran, dass du dich in einem Arschloch wieder findest. Glaub einfach, ich weiß nicht, an das, was vor deiner Nase liegt, an deinen Tag, an das, was du tust. Soll ich dein Sex- Gott sein? Soll ich dir weiterhin täglich Tipps für dein Leben geben? Buch mich unter 02171…. Du erreichst mich auch bei Insta! Ich bin scharf!




1 Wikipedia

der helle raum

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in einer facebook- notiz...


zitierte Eberhard Lauer Walter Johannes Stein, der das Rätsel schlechthin zu formulieren beliebte, die mystische Adäquatio, in der der selbständig gewordene menschliche Geist die ihn umgebende Welt - Natur als Pendant erlebt, als natürlichen Ausdruck dessen, was die Erkenntnis im Erkennenden bewegt- ein Form gewordener Gedanke: „Meine Totalwesenheit in ihrer Eingliederung in das Weltganze zeigt mir den Menschen und die Welt als die eine, selbe Wesenheit, deren Erscheinungsform die Welt, deren Wesensform der Mensch ist." (1) Das war ein Aufhänger, als ich im hellen raum umher ging und nach den Imaginationen griff. Ich war mir mehrere Jahrzehnte unsicher, was Rudolf Steiner genau damit gemeint hatte- die von ihm gegebenen Bilder hatten oft so eine mystisch- kirchlich- traditionelle Konnotation. So dachte ich, es müsste so sein. Manchmal stellte sich etwas derartiges auch ein, sagen wir, Landschaften, Gefäße, sakrale Räume. Oft suchte ich auch an sakralen Orten, an bestimmten Kraftpunkten, in bestimmten Situationen, und so weiter und so weiter. Das alles sind natürlich Krücken, und die Imaginationen sind das noch nie Gesehene- nie gesehen, weil es keinem wirklichen Abbild entspricht, aber sich doch manchmal annähernd in etwas kleidet.

es spricht..


von daher teilt es sich in bildlicher Form mit. Aber nicht unbedingt bei einem Menschen wie in einem anderen. Lange Zeit hatte ich etwas zu tun mit rhythmisch auftauchenden Lichtern, die anfangs zwischen Violett und Gelb schwankten- ein Pulsieren über dem Kopf, das in Resonanz mit einer inneren, eigenen Verdichtung war. Ein Verlassen des in- Formen- Denkens in Richtung einer Verdichtung in ein eher wässriges Element, allerdings mit einer gewissen eigenen Energie. Eine Art Umkehrung des Denkens in ein Willens- Element, das Reiten des Stiers, aber zugleich mit Tastsensoren, die aus den sonst auf sich bezogenen Gefühlen fühlende Wachheit machen- ein Tasten, das plötzlich aufbrechen kann in eine Ergebenheit, die sich vollkommen ausströmt.

Und das mir als Agnostiker, als Durchschnittsbürger, als Normalo. Aber dann, wenn man den hellen raum betritt - oder wenn er sich eröffnet, dann ist doch klar, dass es jedermanns spirituelle Heimat ist, das Bewusstsein schlechthin, die ungespiegelte Ich- Bewusstheit, das Licht.
Ja, man tritt ins Licht, und das ist alles.

imaginationen..


haben eine bestimmte Richtung, wie man zu anderen Zeiten lernt; sie dringen in den hellen raum in spiraliger Form ein und sind in einer gewissen Unmittelbarkeit mit einem selbst verbunden- erstens nähren sie das geistige Gerüst, indem sie es von oben nach unten durchdringen, zweitens nehmen sie diese Gestalt an oder eine andere, drittens stellen sie eigentlich eine Art Gesprächsangebot dar, das man nicht versteht. Es ist ein kommunikatives Angebot. Man nimmt die Form wahr und man versteht erst nach langer Zeit, dass die Form keinerlei Rolle spielt. Es ist denkbar, dass jemand in Verzückung gerät, weil er meint, erleuchtet zu werden. Aber es ist eine Berührung, die man in höchst persönliche Formen einpackt, weil man zu rein geistiger Kommunikation nicht in der Lage ist. Von da ab, vom Punkt dieses Verstehens aus, kann „geistige Erfahrung“ sich überhaupt erst entfalten.

Das Reine Denken, der meditative Status ist jenseits jeglichen Zeitempfindens. Die empfundene Einheit stellt zugleich ein Ausgegossenensein in den hellen raum dar. Dennoch: Im nicht- räumlichen Raum, erscheint auch noch ein „Außen“, an dem sich die Imaginationen hinein stellen, spiegeln, es durchdringen. Innen und Außen macht „hier“ keinen Sinn, einerseits. Faktisch gibt es dennoch Grenzen und Strukturen- das Andere und ein Ich- Bewusstsein, auch wenn es sich an keiner Körperlichkeit fest macht.

ungespiegeltes denken


Der helle raum: Man findet ihn, wie Walter Johannes Stein, in der „Welt“, die sich in der wichtigsten, ursprünglichsten Intuition als die gewordene, geschaffene Form des gleichen Denkens erweist, mit dem sie als solche erfasst wird. Die Gestalt, mit der die „Welt“ mir in diesem Augenblick scheinbar entgegen tritt, ist von exakt dergleichen Lichtwesenheit wie mein klares, in sich selbst bestehendes, ungespiegeltes Denken. In den Erscheinungen der „Welt“ ist dieses Denken geronnen. Gleichwohl: Wer denkt hier? Wer hat die Welt gedacht. In wessen Wesenheit finde ich mich denkend wieder? Was macht die ewige Kontinuität meines hellen raums aus, in den ich getreten bin, und in dem ich die Welt wieder finde? Wer durchdringt Welt und Ich, Innenraum und Außenraum, gleichermaßen, auch wenn sowohl Ich wie Welt vergangen sind?

Du, der Du im Licht wandelst. Du, nimm mich an.

der mensch kann das licht wiederfinden


So kommt man, fast notgedrungen, auch zurück zu Massimo Scaligero (1906- 1980) zurück (2), der in „Das Licht“ (3) ganz am Ende, nach langen, zeitweilig zerquälten und obsessiven Wandlungs- Versuchen, zu dem Punkt kommt, an dem er die Einheit von Welt, Erscheinung und dem hellen raum schildert: „Der Mensch kann das Licht wiederfinden. Er hat es dort zu suchen, wo das Licht, das er auf Erden erglänzen sieht, in Wirklichkeit entsteht. Denn das Licht, das er so suchen kann, ist schon jenes, das er in der Bewegung der Seele, mit der es es sucht, zu verwirklichen beginnt: in der Bewegung, mit der er in der Welt das Licht wahrnimmt und es denkt. Das Licht ist sein eigenes Denken, bevor es Name und Form ist.
Der Mensch kann dem Licht begegnen: gerade dort, wo er im Begriff ist, es auszulöschen, um die Wahrnehmung der Welt zu haben. Er kann anfangen, die Bewegungen des Lichts aus seinem eigenen Inneren hervorgehen zu lassen. Indem er es in der Welt schaut, findet er es zugleich in sich, und er vereinigt sich durch seine Hilfe mit dem Geist der Welt.
Es ist wirklich so, daß das Licht, das die Dinge des Tages beleuchtet, nur ein Gleichnis des Lichts ist“ (4)

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1 Walter Johannes Stein. Aus einem Vortrag auf dem ersten Dornacher Hochschulkurs, 1920. Zu finden in dem Band: 'Aenigmatisches aus Kunst und Wissenschaft.' (Goetheanum Bücherei).
2 siehe https://egoistenblog.blogspot.com/2019/12/einweihung-und-faschismus-zu-julius.html
3 Massimo Scaligero Das Licht Ostfildern 1996
4 Das Licht, S. 165 (Ende des Textes)

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